L 3 B 152/05 AS

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 12 AS 161/05 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 152/05 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.06.2005, Az: S 12 AS 161/05 ER, wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Ver-pflichtung der Beschwerdegegnerin (Bg.), zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die seit 07.05.2005 mit Herrn F ... Ch ... (F. Ch.) verheiratete Bf. bewohnt seit 01.04.1999 eine 3-Zimmer-Wohnung im Anwesen ... Straße ..., ... Z ... (Wohnung Nr ...). Laut Änderung des Mietvertrags vom 04.08.2004 trat F. Ch. mit allen Rechten und Pflichten in den bestehenden Mietvertrag ein.

Die Bf. bezog bis zum 02.02.2005 Arbeitslosengeld (Alg).

Am 26.01.2005 beantragte sie bei der Bg. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dabei kreuzte sie bei den persönli-chen Verhältnissen hinsichtlich F. Ch. "Partner in eheähnlicher Gemeinschaft" an. Die Höhe der Mietkosten gab sie mit 234,82 EUR, der Heizkosten mit 46,75 EUR pro Monat an. Mit Bescheid vom 24.02.2005 lehnt die Bg. den Antrag ab, da die Bf. nicht hilfebedürftig sei. Hiergegen legte die Bf. am 04.03.2005 Widerspruch ein, der mit Schriftsatz vom 23.03.2005 wie folgt begründet wurde: Die Bg. sei für die Annahme, dass die Bf. mit Herrn F. Ch. in einer " eheähnlichen" Gemeinschaft lebe, darlegungs- und beweisbelastet. Selbst wenn die Bf. in ihrem Antrag angegeben habe, mit diesem in einer eheähnlichen

Lebensgemeinschaft zu leben, sei dies lediglich als eine subjektive Einschätzung, jedoch als kein verfahrensrechtlich wirksames Eingeständnis zu sehen. Außerdem bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Mit Bescheid vom 14.07.2005 wies die Bg. den Widerspruch als unbegründet zurück. Es ergäbe sich monatlich ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen in Höhe von 377,50 EUR, das den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 182,51 EUR übersteige, meh-rere Aspekte sprächen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft.

Bereits am 01.04.2005 hat die Bf. beim Sozialgericht Chemnitz beantragt, die Bg. im We-ge der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II – nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften – einschließlich Kranken-, Pflege- und Rentenver-sicherungsschutz zu gewähren. Hierzu hat die Bf. vorgetragen, F.Ch. sei beim V ...-Werk M ... beschäftigt sei und ver-füge über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1750,00 EUR. Ein Anordnungsgrund ergäbe sich daraus, dass die Bf. derzeit keine Leistungen beziehe und mit dem Ablauf des Monats März 2005 nicht mehr krankenversichert sei.

Demgegenüber hat die Bg. beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Rechts-schutzes abzulehnen. Die Bf. habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, sei auch das Einkom-men und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Das nach Berücksichtigung von Ab-setzungsbeträgen einzusetzende Einkommen übersteige den Gesamtbedarf.

In der mündlichen Verhandlung der 12. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz am 29.06.2005 hat die Bf. angegeben, sie habe F.Ch. am 07.05.2005 geheiratet.

Mit Beschluss vom 29.06.2005 hat das Sozialgerichts Chemnitz der Antrag auf einstweili-ge Anordnung abgelehnt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bf. habe nicht glaubhaft darstellen können, dass sie mit ihrem jetzigen Ehemann nicht schon seit August 2004 eine Lebensgemeinschaft im Sinn eines Füreinander-Einstehens geführt habe. Sowohl der Mietvertrag als auch die im Mai 2005 erfolgte Eheschließung sprächen dagegen. Danach sei das Einkommen des Part-ners, das sich bei einem Gesamtbedarf von 912,56 EUR auf 1.478,70 EUR belaufe, anzurechnen.

Gegen diesen Beschluss hat die Bf. am 28.7.2005 beim Sozialgericht Chemnitz Be-schwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.06.2005 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Beschwerdeführerin Leistungen nach dem SGB II – nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften- einschließlich Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsschutz zu gewähren.

Ein anzuerkennendes Rechtsschutzinteresse im Zeitraum der Leistungsversagung (02.02.2005 – 07.05. 2005) sowie die Eilbedürftigkeit bestehe, da die Bf. in diesem Zeit-raum keine finanziellen Leistungen von der Bg. erhalten habe und weder kranken-, pflege- und rentenversichert gewesen sei. Die Bf. sei selber finanziell nicht in der Lage gewesen, hierfür aus eigenen Mitteln Sorge zu tragen. Es sei zu keiner Schließung der Versiche-rungslücke u.a. beim Rentenversicherungsträger gekommen. Die Eilbedürftigkeit würde sich u.a. auch daraus ergeben, um Rechtsnachteile (Verfristung und dergleichen mehr) in Bezug auf etwaige Nachversicherungen u. a. beim Rentenversicherungsträger zu verhin-dern.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft; sie wurde form- und fristgerecht gem. §§ 172, 173 Sozialge-richtsgesetz (SGG) erhoben.

Die Beschwerde war jedoch zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist.

Die Frage, ob mit der im Eilverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass im Zeitraum vom 02.02.2005 bis 07.05.2005 die für das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft erforderliche Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft nicht vor-lag und somit ein Anordnungsanspruch bestand, muss im Beschwerdeverfahren nicht mehr abschließend geklärt werden.

Allerdings sprechen die bereits feststellbaren Indizien eher für eine solche Lebensgemein-schaft: F.Ch. ist am 22.07.2004 in die Wohnung der Bf. eingezogen. Mit Wirkung vom 01.08.2004 ist er mit allen Rechten und Pflichten in den bestehenden Mietvertrag eingetre-ten. Für die Wohnung in der ... Straße ... hat F. Ch. eine Erweiterte Haushaltsversi-cherung abgeschlossen. In dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 26.01.2005 gab die Bf. F.Ch. als "Partner in eheähnlicher Gemeinschaft" an. Die Bf. hat schließlich am 07.05.2005 F. Ch. geheiratet.

Da für den Zeitraum vom 02.02.2005 bis 07.05.2005 und somit rückwirkend die Gewäh-rung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehrt wird, fehlt es jedenfalls bereits an einem Anordnungsgrund.

Eine Regelungsanordnung erfordert neben dem Anordnungsanspruch einen Anordnungs-grund im Sinne einer besonderen Dringlichkeit der Entscheidung. Denn eine einstweilige Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechts-verhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Grundsätzlich ist der Rechtssuchende auf das vom Gesetzgeber vorgesehene Hauptsachenverfahren zu verweisen. Eine Regelungsanord-nung dient lediglich der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit des Hauptsachenverfahrens vor zeitüberholenden Entwicklungen, das Hauptsachebegehren soll nicht infolge Zeitab-laufs oder anderer Hemmnisse durch die lange Verfahrensdauer eines Hauptsacheverfah-rens entwertet oder vereitelt werden.

Es sind aber keine solchen wesentlichen Nachteile ersichtlich, die der Bf. durch ein Zuwarten auf eine Hauptsachenentscheidung entstehen. Der Zeitraum (02.02.2005 bis 07.05.2005), für den schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhalts gewährt werden sollen, ist bereits vergangen. Eine aktuelle Ge-währung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist nicht möglich und wird auch nicht begehrt. Die Regelungsanordnung könnte nur noch nachträglich den Ausfall der begehrten Leistung rückgängig machen. Hierzu ist aber auch die Hauptsachenentscheidung geeignet. Eine ausschließlich rückwirkende Gewährung von Leistungen durch eine Rege-lungsanordnung ist nicht möglich. Für den Sonderfall, dass etwa eine unverzügliche Begleichung von eingegangenen Schul-den zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anstünde, hat die Bf. nichts vorgetragen. Die von der Prozessbevollmächtigten der Bf. geltendgemachte –vorläufige - Lückenhaf-tigkeit des sozialrechtlichen Status führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis.

Allerdings sind Alg II-Empfänger rentenversicherungspflichtig (§ 3 Satz 1 Nr. 3a SGB VI), insoweit trägt der Bund gemäß § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI die Beiträge. Ent-sprechendes gilt für die gesetzliche Krankenversicherung (§§ 5 Abs. 1 Nr. 2a, 251 Abs. 4 SGB V) sowie die soziale Pflegeversicherung (§§ 20 Abs. 1 Nr. 2a, 59 SGB XI).

Von der Bf. wurde jedoch insoweit nicht dargelegt, dass sie im Zeitraum vom 02.02.2005 bis 07.05.2005 erkrankt gewesen sei und ihr dadurch ggf. von der gesetzlichen Kranken-versicherung zu tragende fällige und nicht aufschiebbare Kosten entstanden seien. Auch ist nach Sachlage – entgegen der Ansicht der Bf. ? kein Verlust etwaiger Rentenanwartschaf-ten zu befürchten. Ob die Bf. im streitigen Zeitraum rentenversichert war, kann ohne jeden rechtlichen Nachteil im Rahmen der Hauptsacheentscheidung festgestellt werden.

Es kann daher dem Hauptsacheverfahren zur Entscheidung überlassen bleiben, ob der Bf. für den Zeitraum vom 02.02.2005 bis 07.05.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensun-terhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zustehen, ohne dass ihr da-durch nicht mehr rückgängig zu machende Rechtseinbußen entstehen würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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