S 16 R 3163/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 3163/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1155/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 R 56/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Einbehalt des Zusatzbeitrages zur Krankenversicherung aus der Altersrente des Klägers.

Der 1946 geborene Kläger bezieht von der Beklagten eine Altersrente. Mit Bescheid vom 7.2.2008 waren zuletzt für die Zeit ab 1.3.2008 laufend 740,86 Euro bewilligt worden. Ausgehend von einem Rentenbetrag von 821,34 Euro waren dabei der Beitragsanteil des Klägers zur Krankenversicherung, ein zusätzlicher Krankenversicherungsbeitrag sowie der Beitrag des Klägers zur Pflegeversicherung abgezogen worden. Hinsichtlich der seitherigen Veränderungen der Rentenhöhe und des Zahlbetrages der Rente wird auf die Aufstellung der Beklagten vom 27.1.2016 Bezug genommen (Bl. 15 ff. der Gerichtsakte). Danach wurden zuletzt ab dem 1.7.2015 ausgehend von einem Rentenbetrag von 913,26 Euro ein Beitragsanteil zur Krankenversicherung in Höhe von 66,67 Euro abgesetzt, ferner ein Zusatzbeitrag des Rentners zur Krankenversicherung in Höhe von 8,22 Euro und daneben ein Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 21,46 Euro.

Mit Bescheid vom 12.2.2016 hob die Beklagte den bisherigen Bescheid hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1.3.2016 auf und berechnete die Rente neu. Ausgehend von einer monatlichen Rente von 913,26 Euro zog sie unverändert den Beitragsanteil des Klägers zur Krankenversicherung (66,67 Euro), einen Zusatzbeitrag zur Krankenkasse in Höhe von jetzt 9,13 Euro sowie den Beitrag des Klägers zur Pflegeversicherung in Höhe von unverändert 21,46 Euro ab und ermittelte so einen monatlichen Zahlbetrag von 816 Euro. Sie wies darauf hin, dass hier ab dem ersten Tag des zweiten auf die Veränderung folgenden Monats ein geänderter Zusatzbeitragssatz (jetzt 1% von 913,26 Euro und damit 9,13 Euro) für die Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung zu Grunde zu legen sei

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, stellte jedoch keinen Antrag und begründete den Widerspruch auch nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.7.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Bescheid vom 12.2.2016 nach Aktenlage nicht zu beanstanden sei. Hintergrund der Neuberechnung zum 1.3.2016 sei die Veränderung des von der Rente abzuführenden Zusatzbeitrages, der von dem Widerspruchsführer allein aufzubringen sei.

Der Kläger hat am 9.8.2016 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben. Er beantrage, die zuständige Krankenkasse beizuladen. Sein Bevollmächtigter hat eine ausführlichere Begründung angekündigt. Er hat bereits ausgeführt, dass die zusätzliche Belastung, die man den Rentnern aufbürde, die Grenze schon lange überschritten habe und jede einzelne Maßnahme erneut und wiederholt verfassungswidrig sei, weil auch die entsprechenden Maßnahmen nicht griffen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 12.2.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.7.2016 abzuändern und die Beklagte dazu zu verurteilen, die Rente ohne entsprechenden Zusatzbeitrag zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 13.1.2017 die zuständige Krankenkasse beigeladen.

Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt.

Die Beklagte hat noch den am 7.8.2008 ergangenen Rentenbescheid sowie eine Rentenbezugsbescheinigung vom 27.1.2017 vorgelegt.

Das Gericht hat die Beteiligten davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei, und hat ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Entscheidung werde nicht vor dem 10.2.2017 ergehen. Die Beklagte und die Beigeladene haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt. Der klägerische Bevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 10.2.2017 eine weitere Stellungnahme angekündigt und gebeten, diese noch abzuwarten.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet hier nach § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung haben sie nicht vorgetragen. Die in dem klägerischen Schriftsatz vom 10.2.2017 angekündigte Stellungnahme lag der Kammer bis zuletzt nicht vor.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG i.V.m. § 56 SGG) zulässig. Die Klage richtet sich dabei unter Anfechtung des für die Zeit ab dem 1.3.2016 ergangenen Bescheides vom 12.2.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.7.2016 auf die Gewährung einer höheren Rente ab dem 1.3.2016 unter Nichtabzug des Zusatzbeitrages von 9,13 Euro monatlich bzw. ab dem 1.7.2016 9,52 Euro monatlich (Bl. 16 der Gerichtsakte). Die Beklagte war dabei berechtigt, über die Höhe des Zusatzbeitrages in der Handlungsform des feststellenden Verwaltungsaktes zu entscheiden, weil die krankenversicherungsrechtliche Frage der Beitragshöhe im Verwaltungsverfahren über die Änderung des Zahlbetrages der Rente als Vorfrage feststellungsfähig ist und die Beklagte hierfür sachlich zuständig ist (BSG, Urteil vom 18.7.2007 – B 12 R 21/06 R).

Die aktuell für den Kläger zuständige Krankenkasse war hier aber aus diesem Grunde notwendig beizuladen, weil sie an dem Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann (vgl. BSG, Urteil vom 18.7.2007 – a.a.O.). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob sich insoweit durch die ab dem 1.1.2015 geregelte Zahlung auch der Zusatzbeiträge über die DRV Bund an den Gesundheitsfonds (§ 255 Abs. 1 SGB V idF ab 1.1.2015) eine Änderung bezüglich der Notwendigkeit der Beiladung ergeben hat.

Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil die Beklagte den Zusatzbeitrag zu Recht von dem Rentenbetrag abgesetzt hat, so dass unter diesem hier alleine streitigen Gesichtspunkt kein Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente besteht.

Nach § 249a S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der ab 1.1.2015 geltenden Fassung trägt bei Versicherungspflichtigen, die eine Rente nach § 228 Abs. 1 S. 1 SGB V - d.h. insbesondere aus der allgemeinen Rentenversicherung - beziehen, der Träger der Rentenversicherung die Hälfte der nach der Rente zu bemessenden Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz; im Übrigen tragen die Rentner die Beiträge. Dies entspricht im Ergebnis der seit 01.07.2005 geltenden Verteilung der Beitragstragung, wonach die Rente den bis zum 31.12.2008 in § 241a SGB V geregelten, danach in den allgemeinen Beitragssatz integrierten und nunmehr in den Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V verschobenen zusätzlichen Beitrag allein trugen und nur die übrigen nach der Rente zu bemessenden Beiträge von dem Rentenversicherungsträger zur Hälfte zu tragen hatten (vgl. Propp in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 249a SGB V Rn. 28).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Einführung des allein vom Versicherten zu tragenden Beitragsanteils gem. § 249a S. 1 Hs. 2 SGB V und die damit verbundene Abkehr von der paritätischen Finanzierung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BSG, Urteil vom 21.01.2009 - B 12 R 11/06 R und Urteil vom 18.07.2007 - B 12 R 21/06 R). Sie verletze weder das Eigentumsrecht (Art. 14 des Grundgesetzes - GG -) des Versicherten noch liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Denn mit der Verschiebung der Beitragstragungslast zum Nachteil der Versicherten verfolge der Gesetzgeber das verfassungsrechtlich legitime Anliegen, die Lohnnebenkosten zu senken und dadurch die Arbeitgeber zu entlasten. Dies diene der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems sowie dessen Anpassung an veränderte ökonomische und demographische Bedingungen. Eine gegen ein dies feststellendes Urteil des Bundessozialgerichts erhobene Verfassungsbeschwerde wurde mangels hinreichender Substantiierung in diesem Punkt nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss vom 03.06.2014 - 1 BvR 1298/09). In der Begründung verweist das Bundesverfassungsgericht darauf, dass die Erhebung des zusätzlichen von den Rentnern allein zu tragenden Beitrags zur Krankenversicherung der Rentner der Beitragstragung durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt wäre, selbst wenn man hierin eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs von Art. 14 GG sähe. Es handele sich nämlich um eine gesetzliche Maßnahme, die durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sei (vgl. Propp in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 249a SGB V Rn. 27ff.). Die tragenden Gründe aus der o.g. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum zusätzlichen Beitragssatz nach § 241a SGB V sind inhaltlich auch auf den vom 01.01.2009 an geltenden besonderen Beitragsanteil übertragbar, so dass die Neuregelung der Beitragslastverteilung in § 249a SGB V ebenfalls als rechtmäßig und verfassungsgemäß angesehen werden muss (vgl. auch Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 249a Rn. 14; dem folgend z. B. SG Freiburg, Gerichtsbescheid vom 22.8.2016 – S 15 R 2296/16, Berufung anhängig bei dem LSG Baden-Württemberg, Az. L 13 R 3466/16; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.4.2012 – L 5 R 4543/11).

Fehler bei der Berechnung des Zusatzbeitrages und bei der verwaltungsverfahrensrechtlichen Umsetzung (§ 247 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Nach alledem war die Klage mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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