L 3 AL 118/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AL 227/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 118/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es gibt keine normativen Vorgaben, in welcher Form ein Stellensuchlauf zu dokumentieren ist. Vorzugswürdig ist es zwar, wenn ein Ausdruck des Ergebnisses des Suchlaufes zur Verwaltungsakte genommen wird. Der Nachweis des Ergebnisses eines Stellensuchlaufs kann aber auch in anderer Weise geführt werden, zum Beispiel durch die Zeugeneinvernahme des Mitarbeiters, der den Stellensuchlauf durchgeführt hat.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 8. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 8. Juni 2017, durch das seine auf die Förderung einer zweiten Berufsausbildung durch Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) gerichtete Klage abgewiesen wurde.

Der 1993 geborene Kläger absolvierte in der Zeit vom 5. August 2010 bis zum 20. Juli 2012 eine Berufsausbildung zum Kaufmännischen Assistenten für Wirtschaftsinformatik an einer Berufsfachschule in Y ... am X ... Neben dem Berufsabschluss als "staatlich geprüfter Kaufmännischer Assistent für Wirtschaftsinformatik" erwarb er während dieser Zeit durch den Besuch der Berufsfachschule und die Durchführung eines Praktikums die Fachhochschulreife. Bis zur Aufnahme des beabsichtigten Studiums war er in der Zeit vom 17. Januar 2013 bis zum 30. September 2013 bei der Fa. W ... GmbH als "Assistent für die Abteilung Organisation und Datenvereinbarung" beschäftigt. In der Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 23. August 2015 studierte er an der Technischen Universität V ... Informatik.

Nachdem er das Studium vorzeitig ohne Abschluss beendet hatte, begann er am 24. August 2015 eine Berufsausbildung zum "Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung" bei der Fa. U ... GmbH in A ..., die er im Juli 2017 erfolgreich abschloss. Nach Arbeitslosigkeit in der Zeit vom 11. Juli 2017 bis zum 3. September 2017 und der Teilnahme an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung steht er seit dem 4. September 2017 als Softwareentwickler in einem Beschäftigungsverhältnis.

Am 19. Januar 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe. Aufgrund des bereits vorhandenen Berufsabschlusses führte die Beklagte im Rahmen der Anspruchsprüfung am 23. Mai 2016 durch den Arbeitsvermittler C ... eine Überprüfung des aktuellen Arbeitsmarktes im Erstausbildungsberuf durch und ordnete die Tätigkeit als Kaufmännischer Assistent für Wirtschaftsinformatik dem Berufsfeld "Berufe in der Hard- und Softwareentwicklung" zu. Der Arbeitsvermittler hielt in einem Vermerk fest, dass der hierzu durchgeführte Stellensuchlauf 6 Stellenangebote am regionalen Arbeitsmarkt, 32 am überregionalen Arbeitsmarkt und über 200 Stellenangebote bundesweit ergeben habe. Eine weitergehende Dokumentation der angezeigten Stellen erfolgte nicht. Unter Berücksichtigung einer fehlenden regionalen Bindung gelangte der Arbeitsvermittler zur Einschätzung, dass für den Kläger ein Arbeitsmarkt mit ausreichenden Stellenangeboten für seinen Erstausbildungsberuf zur Verfügung stehe.

Mit Bescheid vom 24. Mai 2016 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers ab. Die Förderung der zweiten Berufsausbildung sei nicht möglich, da er mit dem vorhandenen Berufsabschluss beruflich eingegliedert werden könne.

Den hiergegen am 26. Juli 2016 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2016 als unbegründet zurück. Die Arbeitsmarktprüfung habe ergaben, dass ausreichend Stellen für einen Kaufmännischen Assistenten für Wirtschaftsinformatik und artverwandte Berufe auf dem regionalen und überregionalen Arbeitsmarkt vorhanden seien. Insbesondere bei bundesweiter Vermittlungsbereitschaft seien die Chancen zur Arbeitsaufnahme aussichtsreich, so dass eine Zweitausbildung für die berufliche Wiedereingliederung nicht zwingend erforderlich sei.

Hiergegen hat der Kläger am 20. September 2016 Klage erhoben und sein Begehren auf Förderung seiner zweiten Berufsausbildung fortgeführt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Juni 2017 abgewiesen. Die Beklagte habe die Förderung der Zweitausbildung zu Recht abgelehnt, da zu erwarten sei, dass die berufliche Eingliederung des Klägers bereits mit seiner Erstausbildung dauerhaft erreicht werden könne. Die hierzu von der Beklagten getroffene Prognose sei nicht zu beanstanden und werde vom Gericht geteilt. Dies ergebe sich bereits aus den zahlreichen Stellenangebote, die die Arbeitsmarktprüfung ergeben habe. Der Einwand des Klägers, wonach er mit dieser Ausbildung nahezu nichts habe anfangen könne, teile die Kammer nicht. Zwar sei ihm beizupflichten, dass ihm die in der Erstausbildung vermittelten Grundkenntnisse nicht dazu befähigen, Führungsaufgaben zu übernehmen. Aufgrund des erworbenen breiten Wissens über die Grundlagen kaufmännischen Handelns und praxisbezogener Anwendung im Bereich der Informatik sei er aber sowohl für Gewerbebetriebe als auch für Verwaltungen als Assistent interessant. Gerade hierauf habe sich die Erstausbildung bezogen. Es sei auch nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Stellensuche auch auf "artverwandten Berufen", darunter im Bereich "EDV-Administration", erstreckt habe, da zu erwarten sei, dass der Kläger nach entsprechenden Schulungen oder Weiterqualifikationen auch in diesen Bereichen entsprechende Assistenzleistungen erbringen könne.

Der Kläger hat gegen das ihm am 11. Juli 2017 zugestellte Urteil am 11. August 2017 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass er bereits mit seiner Erstausbildung in den ersten Arbeitsmarkt hätte integriert werden können. Bei der Erstausbildung sei nur rund 35 % im Bereich der Informatik gelehrt worden. Zudem seien hierbei schlichtweg nur Hardwarekomponenten zusammengefügt worden. Die Erstausbildung werde vornehmlich von Schülern angestrebt, deren Abschlusszeugnisse nicht so gut seien sowie von Abiturienten, die sich eine elternunabhängige Förderung nach dem Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) wünschten. Mit der abgeschlossenen Erstausbildung könne man weder Informatiker noch Betriebswirt werden. Beleg hierfür sei, dass die von ihm selbst durchgeführte Stellensuche zum Beruf des Kaufmännischen Assistenten für Wirtschaftsinformatik keine Treffer ergeben habe, während die von der Beklagten vorgelegten Stellenangebote wiederum eine Qualifikation vorausgesetzt hätten, die er nicht gehabt habe. Die Ausführungen des Sozialgerichts zur Vermittelbarkeit seien reine Mutmaßungen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er mit der Erstausbildung nicht in den Arbeitsmarkt hätte integriert werden können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 8. Juni 2017 aufzuheben sowie den Bescheid vom 24. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2016 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die nach ihrer Auffassung zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts und darauf, dass sich der Kläger vor Beginn der Zweitausbildung zu keinem Zeitpunkt arbeitssuchend und arbeitslos gemeldet habe. Offensichtlich habe bei ihm auch kein Beratungsbedarf bestanden. Der Erstkontakt sei erst ein halbes Jahr nach Beginn der zweiten Berufsausbildung erfolgt. Aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich, dass er die Erstausbildung nur als Baustein zum Erwerb der Fachhochschulreife und der Aufnahme des Studiums genutzt habe. Er habe zu keinem Zeitpunkt nach einer Arbeitsstelle gesucht und eine solche auch nicht angestrebt. Der Arbeitsvermittler habe die Arbeitsmarktanalyse auf der Grundlage der vorliegenden Informationen zum beruflichen Werdegang des Klägers durchgeführt und sei zum Ergebnis gelangt, dass es sowohl regional als auch überregional gute Vermittlungschancen als Assistent im Bereich Hard- und Softwareentwicklung gegeben habe. Soweit etwaige Fortbildungen oder Qualifizierungen in einzelnen Berufsfeldern nötig gewesen wären, könne dies nicht als Begründung einer negativen Vermittlungsprognose herangezogen werden. Dies gelte insbesondere auch deshalb, da der Kläger zu keinem Zeitpunkt eigene Bewerbungsbemühungen unternommen und auch keinen Beratungs- und Vermittlungsbedarf angezeigt habe.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Arbeitsvermittlers C ... zur Arbeitsmarktprüfung in Bezug auf die Vermittlung des Klägers. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2019 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts vom 8. Juni 2017 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2016 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Förderung seiner Zweitausbildung als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung. Die hierfür erforderlichen Fördervoraussetzungen liegen nicht vor.

1. Nach § 56 Abs. 1 SGB III haben Auszubildende Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe während einer Berufsausbildung, wenn 1. die Berufsausbildung förderfähig ist, 2. sie zum förderfähigen Personenkreis gehören und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind und 3. ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrtkosten und sonstige Aufwendungen (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Eine Berufsausbildung ist gemäß § 57 Abs. 1 SGB III förderfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seearbeitsgesetz staatlich anerkannten Berufsausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Förderfähig ist gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III die erste Berufsausbildung. Eine zweite Berufsausbildung, wie im Fall des Klägers, der bereits über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, kann gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III gefördert werden, wenn zu erwarten ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und durch die zweite Berufsausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird.

2. Sowohl beim Kaufmännischen Assistenten für Wirtschaftsinformatik (vgl. für die Zeit vom 1. August 2009 bis zum 31. Juli 2011: § 16 Satz 1 Nr. 8 der Verordnung über berufsbildende Schulen [BbS-VO] vom 10. Juni 2009 [Nds. GVBl. 2009, 243]; für die Zeit vom 1. August 2011 bis zum 31. Juli 2013: § 15 Satz 1 Nr. 8 BbS-VO i. d. F ... vom 5. Oktober 2011) als auch beim Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung über die Berufsausbildung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik vom 10. Juli 1997 [BGBl I S. 1741]) handelt es sich um staatlich anerkannte Ausbildungsberufe. Daraus folgt, dass der Kläger mit seiner Ausbildung zum Kaufmännischen Assistenten für Wirtschaftsinformatik eine Erstausbildung im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 SGB III und nach deren erfolgreichem Abschluss mit seiner Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung eine zweite Berufsausbildung im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III hat.

3. Tatbestandsvoraussetzung für die Förderung der Zweitausbildung ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft auf andere Weise nicht erreicht werden kann und anzunehmen ist, dass durch die zweite Berufsausbildung die berufliche Eingliederung erreicht wird. Jedoch führt allein das Vorliegen dieser objektiven Kriterien nicht zur Förderung durch Berufsausbildungsbeihilfe. Denn anders als die Förderung der Erstausbildung, auf die nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 SGB III ein Anspruch besteht, ist die Förderung der Zweitausbildung grundsätzlich als Ermessensleistung ("kann gefördert werden") ausgestaltet (vgl. Hassel, in: Brand/Düe/Hassel/Karmanski/Kühl, SGB III [8. Aufl., 2018], § 57 Rdnr. 12; Herbst, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III [2014] § 57 Rdnr. 59).

Die Förderung einer Zweitausbildung kann damit nur (ausnahmsweise) dann erfolgen, wenn der erneut aus Mitteln der Versichertengemeinschaft betriebene finanzielle Aufwand prognostisch die dauerhafte berufliche Eingliederung sicherstellt. Ob eine dauerhafte berufliche Eingliederung nach aller Voraussicht erreicht wird, kann nur anhand des allgemeinen Berufsbildes eingeschätzt werden (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 11. Oktober 2012 – L 3 AL 63/11 – juris Rdnr. 23; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Februar 2016 – L 18 AL 296/14 – juris Rdnr. 26; Herbst, a. a. O ..., § 57 Rdnr. 61.5; Hassel, a. a. O ..., § 57 Rdnr. 12). Bei der Förderung einer zweiten Berufsausbildung handelt es sich um eine Ermessensleistung, bei der zunächst über eine Prognose festzustellen ist, dass eine berufliche Eingliederung dauerhaft nur im Wege der Förderung der zweiten Ausbildung zu erreichen ist. Erst wenn diese Prognose positiv getroffen ist, ist für die Beklagte der Ermessensspielraum eröffnet. Bei der Prognoseentscheidung ist der Vorrang der Vermittlung nach § 4 SGB III zu beachten. Eine Zweitausbildung kann nur gefördert werden, wenn eine Eingliederung überregional nicht möglich ist und das Integrationsziel auch durch eine andere Leistung der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere durch Förderung der beruflichen Weiterbildung, nicht erreicht wird (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 11. Oktober 2012, a. a. O., Rdnr. 21; Sächs. LSG, Urteil vom 8. Oktober 2015 – L 3 AL 147/13 – juris Rdnr. 16; LSG Hamburg, Urteil vom 5. April 2017 – L 2 AL 63/16 – juris Rdnr. 40, Herbst, a. a. O., § 57 Rdnr. 60). Die durch die Behörde anzustellende Prognose ist gerichtlich voll überprüfbar (vgl. Herbst, a. a. O., § 57 Rdnr. 61 m. w. N.; Wagner, in: Mutschler u. a. [Hsg.], SGB III [6 Aufl., 2017], § 57 Rdnr. 59). Da über den jeweiligen Einzelfall hinausgehende Umstände oder Entwicklungen nicht zu beurteilen sind, besteht keine Veranlassung, der Verwaltung ein von gerichtlicher Kontrolle freien Beurteilungsspielraum einzuräumen (vgl. hierzu Herbst, a. a. O., § 57 Rdnr. 131 m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 8. Oktober 2015, a. a. O.).

Die Prognose ist fehlerhaft, wenn die der Prognose zugrundeliegenden Tatsachen nicht richtig festgestellt oder nicht alle wesentlichen in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt worden sind oder die Prognose auf unrichtigen oder unsachlichen Erwägungen beruht (vgl. BSG, Urteil vom 3. August 2016 – B 6 KA 20/15 R – SozR 4-5540 Anl. 9.1 Nr. 7 = juris Rdnr. 25). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Richtigkeit der Prognose ist in Fällen wie dem vorliegenden, mit denen mit der zweiten Berufsausbildung vor Erlass des Widerspruchsbescheides begonnen wurde, der Abschluss des Verwaltungsverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 – B 7 AL 18/99 RSozR 3-4100 § 36 Nr. 5 = juris Rdnr. 19; Sächs. LSG, Urteil vom 8. Oktober 2015, a.a. O., Rdnr. 17; LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rdnr. 24; LSG Hamburg, a. a. O., Rdnr. 43). Allerdings kann bei der gerichtlichen Überprüfung dieser Prognoseentscheidung der spätere Geschehensablauf dann (und nur dann) nicht unberücksichtigt bleiben, wenn er die Prognoseentscheidung widerlegt. Das Festhalten an einer Misserfolgsprognose, die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung von der Wirklichkeit widerlegt wurde, wäre wirklichkeitsfremd (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2000, a. a. O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. November 2013 – L 2 AL 78/12 – juris Rdnr. 25).

4. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist die Prognose der Beklagten, dass der Kläger als Kaufmännischer Assistent für Wirtschaftsinformatik in seinem Erstausbildungsberuf dauerhaft beruflich eingegliedert werden kann, nicht zu beanstanden. Wie auch das Sozialgericht aus den zutreffenden Gründen seiner Entscheidung ausgeführt hat, sind damit die Voraussetzungen für eine Förderung der Zweitausbildung mit Berufsausbildungsbeihilfe bereits nicht erfüllt. Dieser Feststellung schließt sich der Senat an. Die Beklagte ist nach dem Ergebnis des Arbeitsmarktprüfung durch ihren Arbeitsvermittler C ... zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass prognostisch damit zu rechnen ist, dass der Kläger mit seiner Erstausbildungsberuf zumindest überregional und gegebenenfalls auch mit Unterstützung andere Leistung der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere der Förderung der beruflichen Weiterbildung, auch ohne die Zweitausbildung dauerhaft beruflich hätte eingliedert werden können. Zweifel an der Richtigkeit der Prognose bestehen für den Senat nicht. Die Beklagte hat hinreichend dargetan und den Nachweis erbracht, dass sie die der Prognose zugrundeliegenden Tatsachen zutreffend festgestellt oder alle wesentlichen in Betracht kommenden Umstände hinreichend gewürdigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Prognose auf unrichtigen oder unsachlichen Erwägungen beruht, sind nicht ersichtlich.

a) Die Beklagte führte am 23. Mai 2016 – und somit vor Erlass des Ablehnungsbescheides – durch den Arbeitsvermittler C ... einen Stellensuchlauf durch und dokumentierte das Ergebnis in den Verwaltungsakten. Danach ergab die Suchanfrage insgesamt 6 Stellenangebote am regionalen Arbeitsmarkt, 32 Stellenangebote am überregionalen Arbeitsmarkt und über 200 Stellenangebote bundesweit. Im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge vor dem Senat bestätigte der Arbeitsvermittler dieses Ergebnis und legte die von ihm vorgenommene Suchauswahl näher dar. Aufgrund der Systematik im BERUFNET der Bundesagentur für Arbeit habe er die Tätigkeit des Klägers dem Berufsfeld "Berufe in der Hard- und Software" zugordnet und zur Tätigkeit "Kaufmännischer Assistent für Wirtschaftsinformatik" angegeben. Ferner erstreckte sich nach den Bekundungen des Zeugen die ausgewiesene Trefferanzahl sowohl auf Stellenangebote zur Tätigkeit als Kaufmännischer Assistent für Wirtschaftsinformatik als auch auf artähnliche Berufe, die ein vergleichbares Ausbildungsniveau umfassten oder im Einzelfall eine zusätzliche Qualifikation oder entsprechende Fördermaßnahme der Bundesagentur erfordert hätten.

b) Die allgemeine Zuordnung zu der Obergruppe der Berufe in der Hard- und Software ist nicht zu beanstanden. Wie sich aus dem von der Beklagten zu den Akten gereichten Ausdruck aus dem BERUFNET der Bundesagentur für Arbeit zum Beruf "Kfm. Ass./Wirtschaftsassistent/in Betriebsinformatik" ergibt, handelt es sich hierbei um eine Assistenztätigkeit in der IT-Branche, deren Aufgabe allgemein damit beschrieben wird, dass Kaufmännische Assistenten oder Wirtschaftsassistenten für Betriebsinformatik für den reibungslosen Ablauf betriebswirtschaftlicher Prozesse mithilfe von IT-Systemen sorgen. Sie stellen sicher, dass die betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Prozesse eines Betriebes mithilfe von IT-Systemen reibungslos ablaufen. Sie analysieren Geschäftsprozesse, schlagen geeignete informationstechnische Systemlösungen vor und wählen EDV-Anwendungen nach wirtschaftlichen und bedarfsgerechten Gesichtspunkten aus. Zudem lösen sie technische Probleme, die bei der Installation von Programmen oder dem Betrieb von Netzwerken auftreten, und passen Standartsoftware an die betrieblichen Anforderungen an. Auch bei der Dokumentation der technischen und betrieblichen Abläufe sowie der Anwenderbetreuung und Schulung wirken sie mit. Die Arbeit erfolgt mit Computer und branchenspezifischen Softwareprogrammen, umfasst aber neben Tätigkeiten in Büroräumen auch Außendienst beim Kunden und kann auch im Bereich der Wartung erfolgen (vgl. BERUFENET "Kfm. Ass./Wirtschaftsassistent/in Betriebsinformatik" S. 1, 15 und 19).

c) Soweit der Kläger rügt, dass die Beklagte das Ergebnis des Stellensuchlaufs und die sich hiernach ergebenen einzelnen Treffer nicht im Detail dokumentiert habe, ist dies zutreffend. Allerdings gibt es keine normativen Vorgaben, in welcher Form ein Stellensuchlauf zu dokumentieren ist. Vorzugswürdig ist es zwar, wenn ein Ausdruck des Ergebnisses des Suchlaufes zur Verwaltungsakte genommen wird. Denn damit werden Einzelheiten zur Suchabfrage und zum Suchergebnis belegt. Der Nachweis des Ergebnisses eines Stellensuchlaufs kann aber auch in anderer Weise geführt werden. Zum Beispiel kann der Mitarbeiter, der den Stellensuchlauf durchgeführt hat, als Zeuge vernommen werden. Dies birgt für die Behörde allerdings das Risiko, dass sich der Zeuge auf Grund der Vielzahl der von ihm zu bearbeitenden Fälle oder der bis zur Zeugenvernehmung verstrichenen Zeit an den Fall des betroffenen Klägers nicht mehr oder nicht mit der erforderlichen Genauigkeit erinnern kann.

d) Der Umstand, dass vorliegend nicht mehr im Einzelnen geklärt werden kann, welche konkreten Stellen als Treffer der Arbeitsmarktanalyse angezeigt wurden, führt nicht zur Unverwertbarkeit des Stellensuchlaufs und damit zur Fehlerhaftigkeit der Prognoseentscheidung. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehen für den Senat keine Zweifel, dass sich die Arbeitsmarktanalyse auf Stellen bezog, die der Kläger mit seinem Erstausbildungsberuf hätte ausüben können. So legte der Zeuge konkret und nachvollziehbar seine Suchauswahl anhand des von ihm gefertigten Aktenvermerks vom 23. Mai 2016 und der schriftlichen Stellungnahme vom 15. November 2016 dar und erläuterte sie. Soweit der Kläger dem seine eigene Recherche entgegenhält, widerlegt dies nicht die Richtigkeit der Arbeitsmarktanalyse. Ausgehend von den Ausführungen des mit der Systematik der Suchanfrage vertrauten Arbeitsvermittler steht für den Senat fest, dass die Angabe der Berufsbezeichnung als Zuordnungskriterium allein nicht genügt, um auch artähnliche Berufe, die ein vergleichbares Ausbildungsniveau voraussetzen, zu erfassen. Dies ist jedoch notwendig, da es sich nach den Angaben im BERUFNET der Bundesagentur für Arbeit um eine Generalistenausbildung mit einem bereit gefächerten Berufsbild mit vielfältigen Beschäftigungsmöglichkeiten als Assistent in Unternehmen nahezu aller Wirtschaftsbereiche sowie bei Behörden und Institutionen, handelt. Für den Senat gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Suche auf höher qualifizierte Berufe, wie die eines Softwareentwicklers, und nicht lediglich auf diejenigen eines Assistenten oder artähnliche Berufe, die der Kläger zumindest mit einer von der Beklagten geförderten Maßnahme oder Weiterqualifizierung hätte ausüben können, erstreckte.

e) Angesichts der nach dem BERUFNET breit aufgestellten Verwendungsmöglichkeit in Unternehmen nahezu aller Wirtschaftsbereiche sowie bei Behörden und Institutionen steht für den Senat fest, dass angesichts der erheblichen Anzahl der vom Arbeitsvermittler ermittelten Treffer, das heißt über 200 Stellenangebote am bundesweiten Arbeitsmarkt, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die einzelnen Stellenangebote nicht dokumentiert sind und das Ergebnis des Stellensuchlaufes auch nicht mehr reproduziert werden kann, jedenfalls eine Vielzahl der angezeigten Stellen passgenau gewesen sind, so dass der Kläger zumindest mit Hilfe einer von der Beklagten geförderten Maßnahme oder Weiterqualifizierung in seinen Erstausbildungsberuf erfolgreiche hätte vermittelte werden können.

Wie sich auch aus der Berufsbeschreibung im BERUFENET ergibt, kann nach der Ausbildung auch eine Zusatzqualifikationen oder eine Weiterbildung für einen Zugang zum Beruf erforderlich sein oder die Berufschancen verbessern. Da sich der Kläger erst nach fast einem halben Jahr nach Ausbildungsbeginn wegen der Berufsausbildungsbeihilfe an die Beklagte gewendet hatte, war die Beklagte nicht verpflichtet, hierzu eine weitergehende Sachaufklärung zu betreiben und Erwägungen zur Möglichkeit einer Eingliederung durch andere Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, insbesondere durch Förderung der beruflichen Weiterbildung, anzustellen.

Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger ohne Weiteres bundesweit hätte vermittelt werden können und keine individuellen Vermittlungshemmnisse bestanden. Zudem verfügte er aufgrund seiner vorangegangenen Beschäftigung als Assistent für die Abteilung Organisation und Datenverarbeitung bei der Fa. W ... GmbH zumindest über eine geringe Berufserfahrung in seinem Erstausbildungsberuf. Wie auch das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass ihm die in der Erstausbildung vermittelten Grundkenntnisse nicht dazu befähigen, Führungsaufgaben zu übernehmen, da seine Erstausbildung gerade nicht auf die Übernahme von Führungsaufgaben, sondern Assistenzleistungen ausgerichtet war. Der Einwand des Klägers betrifft nicht die Frage seiner Vermittelbarkeit in Arbeit, sondern seine individuellen Interessen und Wünsche. Maßgebend für das für das Vorliegen der Fördervoraussetzungen ist auch nicht, ob der Kläger als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung für den Arbeitsmarkt interessanter wäre, sondern ob er bereits mit seinem Erstausbildungsberuf, auch auf einer niedrigeren Berufs- und Karriereebene mit einer Assistententätigkeit, dauerhaft prognostisch hätte eingliedert werden können. Daran bestehen für den Senat keine Zweifel.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

III. Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved