L 3 AS 352/18

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AS 5258/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 352/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein privater Arbeitsvermittler ist zur Durchsetzung seines Vegütungsanspruches verpflichtet, der zur Zahlung in Anspruch genommenen Behörde das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorzulegen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 29. März 2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu tragen hat.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 1000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin, ein privates Arbeitsvermittlungsunternehmen, begehrt vom Beklagten die Zahlung einer Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,00 EUR.

Der 1990 geborene, vom Sozialgericht mit Beschluss vom 7. Januar 2016 beigeladene Arbeitslose bezog vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Der Beklagte stellte ihm am 10. April 2014 einen bis zum 9. Juli 2014 gültigen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein zur Auswahl eines zugelassenen Trägers (private Arbeitsvermittlung) "im Bundesland/in den Bundesländern Thüringen" für die Arbeitsvermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in "im Bundesland/in den Bundesländern Thüringen" aus.

Die Klägerin ist eine zugelassene Trägerin im Sinne der Verordnung über die Voraussetzungen und das Verfahren zur Akkreditierung von fachkundigen Stellen und zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung – AZAV) vom 2. April 2012 (BGBl. I. S. 504) (Zertifikat der DEKRA Certification GmbH vom 26. November 2012 für den Standort Erfurt, Zertifikats-Registrier-Nr.: 31 T1112197 10, gültig vom 26. November 2012 bis zum 25. November 2017).

Die Klägerin schloss mit dem Beigeladenen am 10. April 2014 eine schriftliche Vermittlungsvereinbarung. § 3 Satz 5 des Vermittlungsvertrages enthält folgende Regelung: "Ist der Auftraggeber im Besitz eines gültigen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein der Agentur für Arbeit, so hat er dem Vermittler eine Kopie des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins zu übergeben."

In § 4 Satz 3 und 4 des Vertrages ist geregelt: "Bei erfolgter Vermittlung, verpflichtet sich der Auftraggeber zur Herausgabe des Original Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein bis zum 10. Werktag nach erfolgter Vermittlung. Erfolgt die Herausgabe des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines nicht, entsteht eine Schadensersatzforderung in Höhe von 2.000,00 EUR zu Lasten der vermittelten Person."

Die Y ... GmbH (X ...) gab in der Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung vom 10. Dezember 2014 an, dass sie mit dem Beigeladenen am 2. Mai 2014 einen Arbeitsvertrag auf Dauer und einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden geschlossen habe. Das Beschäftigungsverhältnis bestehe ununterbrochen seit dem 2. Mai 2014. Der Beigeladene sei durch die Klägerin vermittelt worden.

Mit dem am 10. Dezember 2014 (mit dem Zusatz "ERF") unterschriebenen Formular beantragte die Klägerin die Zahlung einer Vergütung in Höhe von 1.000,00 EUR. Im Begleitschreiben vom selben Tag teilte sie mit, dass das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines nicht beigefügt sei. Sie habe das Original vom Beigeladenen noch nicht erhalten. Der Antrag werde übersandt, um die Ausschlussfrist zu wahren. Aktuell würden intensive Schritte eingeleitet, "um dem Original des Vermittlungsgutscheines habhaft zu werden." Konkrete Ergebnisse würden erst im Januar 2015 erwartet. Es werde gebeten, vorerst keine abschließende Entscheidung zu treffen. Unabhängig davon werde der Beklagte "freundlichst dazu aufgefordert" zu prüfen, "inwieweit eine Auszahlung des Antrages ohne Original erfolgen kann." Es sei nicht bekannt, dass "die Vermittlung oder der Vermittlungsgutschein durch einen anderen privaten Arbeitsvermittler [ ] beansprucht" werde. Die Klägerin legte eine Kopie der ersten Seite des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vor.

Der Beklagte lehnte den Vergütungsantrag mit – dem äußeren Erscheinungsbild nach – Schreiben vom 28. Januar 2015 ab, weil der Vermittlungsgutschein nicht im Original vorgelegt worden sei.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2015 legte die Klägerin Widerspruch ein und teilte mit, dass trotz wiederholter schriftlicher und telefonischer Aufforderungen an den Beigeladenen das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines nicht eingegangen sei. Unter Verweis auf das Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 26. September 2013 (Az. S 38 AS 3453/11) vertrat die Klägerin die Auffassung, dass der geltend gemachte Vergütungsanspruch auch ohne Vorlage des Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines bestehe.

Der Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2015 als unzulässig, weil die Entscheidung über die (Nicht)Zahlung einer Vermittlungsvergütung keinen Verwaltungsakt darstelle.

Die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin hat am 16. Oktober 2015 Klage erhoben. Bei der Ablehnung eines Vergütungsantrages handle es sich um einen Verwaltungsakt. Es ergebe sich nicht aus dem Gesetz, dass das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorgelegt werden müsse. Sollte sich dies gleichwohl aus dem Gesetz ergeben, könne sich der Beklagte hierauf nicht berufen. Denn die Vorlage des Originals solle den Beklagten vor einer doppelten Inanspruchnahme schützen. Vorliegend sei aber unstreitig, dass der Beigeladene durch die Klägerin vermittelt worden sei. Wenn sich der Beklagte auf das Fehlen des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines im Original berufen könne, hätte sie, die Klägerin, einen uneingeschränkten Anspruch gegen den Vermittelten. Damit würde der Beklagte seiner Fürsorgepflicht, den Arbeitslosen vor Schäden zu bewahren, nicht nachkommen.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Urteil vom 29. März 2018 abgewiesen. Zwar handele es sich bei dem Bescheid vom 28. Januar 2015 um einen Verwaltungsakt, so dass der Widerspruch nicht als unzulässig hätte verworfen werden dürfen. Doch sei auch im vorliegenden Fall die Klage abzuweisen, weil die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Auszahlung der ersten Rate aus dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein in Höhe von 1.000,00 Euro habe. Nach § 45 Abs. 4 Satz 5 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) habe der ausgewählte Träger zur Einlösung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines diesen dem Sozialleistungsträger nach erstmaligem Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen vorzulegen. Dies sei hier nicht erfolgt.

Die Klägerin hat am 27. April 2018 Berufung eingelegt und ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. In der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2019 hat sie auf die Frage, weshalb im vorliegenden Vermittlungsvertrag aber auch in Vertragsmustern anderer privater Arbeitsvermittler Regelungen über die Pflicht des auftraggebenden Arbeitssuchenden, das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorlegen zu müssen, getroffen worden seien, ausgeführt, dass dies unter anderem bezwecken solle, Nachweisprobleme wie im vorliegenden Falle zu vermeiden. Außerdem habe es bereits Probleme gegeben, wenn die Ausstellung einer Zweitschrift des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines beantragt worden sei, zum Beispiel weil der Arbeitssuchende den Gutschein verloren habe oder dieser auf dem Postweg abhanden gekommen sei.

Die Klägerin beantragt:

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 29. März 2018 wird aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2015 verurteilt, an die Klägerin die Vergütung für die Vermittlung des Beigeladenen in Höhe von 1.000,00 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die maßgebende Regelung in § 45 SGB III sei so zu verstehen, dass sich die Vorlagepflicht auf das Original des Gutscheines beziehe. Zudem sei im vorliegenden Fall auch nur die erste Seite des dem Beigeladenen erteilten Gutscheines in Kopie vorgelegt worden.

Der Beigeladene hat keine Stellungnahme abgegeben und keinen Antrag gestellt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Beigeladenen verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil das Sozialgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2015 ist rechtmäßig, weil die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Vermittlungsvergütung hat.

1. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. § 54 Abs. 1, 4 SGG). Denn die Ablehnung des von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 6/16 RBSGE 123, 216 ff. = SozR 4-4300 § 326 Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 15 ff.; BSG, Urteil vom 3. Mai 2018 – B 11 AL 11/17 R – juris Rdnr. 11).

2. Das Sozialgericht war befugt, über die Klage in der Sache zu entscheiden, obwohl die Beklagte den Widerspruch – zu Unrecht – als unzulässig verworfen hatte (so bereits Sächs. LSG, Urteil vom 3. November 2016 – L 3 AL 111/14 – juris Rdnr. 25 f.).

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. In der Rechtsprechung und der Literatur wird die Frage unterschiedlich beantwortet, ob es für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ausreicht, dass ein Vorverfahren, das heißt ein Widerspruchsverfahren, erfolglos durchgeführt worden ist, oder ob über den Widerspruch in der Sache entschieden worden sein muss (eingehend zum Meinungsstand: Burkiczak, SGb 2016, 189 ff.). Die Kontroverse wird jedoch vor dem Hintergrund von Widersprüchen geführt, die verfristet oder formwidrig waren. Demgegenüber geht es vorliegend nicht um Fehler, die der Klägerin als Widerspruchsführerin zuzurechnen sind, sondern um die Beurteilung einer von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung zur Unzulässigkeit des Widerspruches. Diese Konstellation ist mit der zu vergleichen, dass ein formeller Mangel des Widerspruchsbescheides der Behördenseite zuzurechnen ist. In diesem Fall wird dieser Mangel als unbeachtlich für die Sachentscheidungsbefugnis des Gerichtes angesehen. So hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 6. Februar 1986 entschieden, dass ein formeller Mangel des Widerspruchsbescheides, im dortigen Fall eine Entscheidung durch eine unzuständige Behörde, zwar zur formellen Rechtswidrigkeit des Widerspruchsbescheides führe, jedoch die Prozessvoraussetzung des durchgeführten Vorverfahrens nicht entfallen lasse. Denn § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der § 78 SGG entspricht, besage nicht, dass der Widerspruchsbescheid als gebotene Prozessvoraussetzung frei von Rechtsfehlern sein müsse (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1986 – 2 C 23/85NVwZ 1987, 320 f. = juris Rdnr. 11, m. w. N.; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO [24. Aufl., 2018], Vorb § 68 Rdnr. 8; vgl. hierzu auch Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [35. Erg.-Lfg., Sept. 2018], § 68 Rdnr.34).

3. Die Klägerin erfüllt zwar dem Grunde nach die Voraussetzungen für den geltend gemachten Vergütungsanspruch.

Anspruchsgrundlage ist § 16 Abs. 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 45 SGB III (vgl. zu Letzterem im Einzelnen u. a. Sächs. LSG, Urteil vom 19. April 2018 – L 3 AL 183/15 – juris Rdnr. 29 ff.)

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat der Zahlungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers regelmäßig folgende Voraussetzungen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2011 – B 11 AL 10/10 R – juris Rdnr. 15, m. w. N.; BSG, Urteil vom 11. März 2014 – B 11 AL 19/12 RBSGE 115, 185 ff. = SozR 4-4300 § 421g Nr. 5 = juris Rdnr. 15, m. w. N.; BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – BSGE 123, 216 ff. = SozR 4-4300 § 326 Nr. 1 = juris Rdnr. 19, m. w. N.; vgl. auch Sächs. LSG, Urteil vom 19. April 2018 – L 3 AL 183/15 – juris Rdnr. 37 ff., m. w. N.): 1. Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines, 2. wirksamer, vor Beginn der Vermittlungstätigkeit abgeschlossener schriftlicher Vermittlungsvertrag mit daraus resultierendem Zahlungsanspruch des Vermittlers gegen den Arbeitnehmer, 3. Vermittlungstätigkeit mit erfolgreicher Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden und 4. eine sechswöchige Dauer des Beschäftigungsverhältnisses für die Auszahlung der ersten Rate. Ferner bedarf der private Arbeitsvermittler seit 1. April 2012 (vgl. Art. 2 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]) gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 SGB III der Zulassung durch eine fachkundige Stelle, um Maßnahmen der Arbeitsförderung selbst durchzuführen oder durchführen zu lassen.

Der Beklagte hatte dem Beigeladenen einen vom 10. April 2014 bis zum 9. Juli 2014 gültigen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein ausgestellt. Noch am Ausstellungstag und damit vor Beginn der Vermittlungstätigkeit schlossen die Klägerin und der Beigeladene einen wirksamen Vermittlungsvertrag im oben beschriebenen Sinne. Der Beigeladene wurde von der Klägerin erfolgreich in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden vermittelt. Die Vermittlung erfolgt durch eine Niederlassung der Klägerin in Erfurt an eine in X ... ansässige Arbeitgeberin, sodass auch die Voraussetzungen für die regionalen Beschränkungen im Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein erfüllt sind; die Frage der Rechtmäßigkeit der konkreten regionalen Beschränkung ist somit vorliegend nicht entscheidungserheblich. Die am 24. Juni 2014 von der Arbeitgeberin bestätigte Beschäftigungsdauer ab 2. Mai 2014 umfasst einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen. Schließlich verfügt die Klägerin mit einem Hauptzertifikat als auch ihr Standort mit einem eigenständigen Zertifikat über die erforderliche Trägerzulassung.

4. Die Klägerin hat jedoch dem Beklagten nicht den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, das heißt dessen Original, vorgelegt, sondern nur eine Kopie. Dies entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben (so auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. Mai 2018 – 10 K 10130/16EFG 2018, 1696 ff. = juris Rdnr. 46).

a) Nach § 45 Abs. 4 Satz 4 SGB III haben der vom Gutscheininhaber ausgewählte Maßnahmeträger im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB III und der ausgewählte Arbeitgeber im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 SGB III den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vor Beginn der Maßnahme vorzulegen. Nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SGB III hat der ausgewählte private Arbeitsvermittler im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB III der Agentur für Arbeit den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein nach erstmaligem Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen vorzulegen.

Der Gesetzeswortlaut ("Gutschein [ ] vorzulegen") spricht dafür, dass der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein im Original vorzulegen ist, und dass seine Ausstellung oder seine Existenz nicht nur nachzuweisen ist, zum Beispiel durch Vorlage einer Kopie. Denn vorgelegt werden kann nicht eine immaterielle Entscheidung, sondern nur deren materielle Verkörperung. Der Gesetzeswortlaut bietet zudem keine Anhaltpunkte für die Annahme, die beiden in § 45 Abs. 4 Satz 4 und 5 SGB III geregelten Vorlagepflichten könnten sich in Bezug auf Art und Weise der Handlungspflicht unterscheiden.

b) § 45 SGB III hat seine vorliegend maßgebende und bis heute geltende Fassung durch Artikel 2 Nr. 18 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]) erhalten. In der Gesetzesbegründung ist zu den Vorlagepflichten ausgeführt (vgl. BT-Drs. 17/6277 S. 94): "Der von der Gutscheininhaberin oder dem Gutscheininhaber ausgewählte Träger nach Nummer 1 oder Arbeitgeber nach Nummer 3 hat der Agentur für Arbeit den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vor Beginn der Maßnahme vorzulegen. Auf diese Weise wird eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch die Agentur für Arbeit ermöglicht. Im Falle einer ausschließlich erfolgsbezogen vergüteten Arbeitsvermittlung nach Nummer 2 muss der Agentur für Arbeit der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vom Träger erst nach Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen vorgelegt werden. Damit wird zugleich klargestellt, dass Beginn und Abschluss durch den Vermittlungserfolg definiert werden und es sich hierbei insoweit nicht um eine klassische Maßnahmeteilnahme handelt."

Grund für die Einführung der Vorlagepflichten war somit nicht, besondere Anforderungen an den Nachweis für einen Vergütungsanspruch eines Trägers im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 3 SGB III zu stellen (Beweisfunktion), sondern Gründe der Mittelbewirtschaftung und des Haushalts.

Aus der Gesetzesbegründung lässt sich in Bezug auf Art und Weise der Vorlagepflichten auch keine Unterscheidung zwischen denen in § 45 Abs. 4 Satz 4 SGB III und der in § 45 Abs. 4 Satz 5 SGB III herleiten. Der maßgebende Unterschied besteht lediglich in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vorzulegen ist, nämlich "vor Beginn der Maßnahme" einerseits und "nach erstmaligem Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen" andererseits.

c) Auf Grund des in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Sinnes und Zweckes der Regelungen über die Vorlage eines Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines könnte eingewandt werden, dass der Haushaltsgesichtspunkt bei einem zum Zwecke der Arbeitsvermittlung erteilten Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein keine Bedeutung gewinnen kann. Dies gilt allerdings nur für die erste Rate. Denn bei einer erfolgreichen Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung beträgt die Vergütung 2.000,00 EUR (vgl. § 45 Abs. 6 Satz 3 SGB III). Diese Vergütung wird in Höhe von 1.000,00 EUR nach einer sechswöchigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt (vgl. § 45 Abs. 6 Satz 5 Halbsatz 1 SGB III). Da der private Arbeitsvermittler aber nach § 45 Abs. 4 Satz 5 SGB III den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein erst nach erstmaligem Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen vorzulegen hat, erfährt die Agentur für Arbeit, oder vorliegend das beklagte Jobcenter, regelmäßig erst im Rahmen des Vergütungsantrages für die erste Rate, dass Haushaltsmittel in der gesetzlich festgelegten Höhe benötigt werden. Anders verhält es sich hingegen in Bezug auf die zweite Rate der Vermittlungsvergütung. Dieser "Restbetrag" wird erst nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt (vgl. § 45 Abs. 6 Satz 5 Halbsatz 2 SGB III). In Bezug auf diesen zweiten, durch die Erteilung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines verursachten Ausgabeposten kommt wegen des zeitlichen Abstandes zwischen dem Zeitpunkt der Vorlagepflicht und dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen für die Zahlung der zweiten Rate erfüllt sind, der Gesichtspunkt der ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Haushaltsmittel zum tragen.

d) Dass die Pflicht ("haben", "hat") zur Vorlage des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines nicht, jedenfalls nicht vorrangig, der Beweisfunktion dient, ergibt sich auch aus der systematischen Stellung der Regelungen in § 45 Abs. 4 Satz 4 und 5 SGB III. Beide Regelungen finden sich in § 45 Abs. 4 SGB III. Dort ist neben den Vorlagepflichten geregelt, dass mit dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung nach § 45 Abs. 1 SGB III bescheinigt wird sowie Maßnahmeziel und -inhalt festgelegt werden (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB III), dass der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein zeitlich befristet sowie regional beschränkt werden kann (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB III), und dass der Gutschein zur Auswahl eines näher beschriebenen Trägers oder Arbeitgebers berechtigt (vgl. § 45 Abs. 4 Satz 3 SGB III). Demgegenüber haben Vergütungsregelungen erst in § 45 Abs. 6 SGB III Aufnahme gefunden.

Diese Gesetzessystematik spricht im Übrigen dafür, dass die von den Vergütungsregelungen losgelösten Reglungen zur Vorlage des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines zur Folge haben, dass es sich bei den Vorlagepflichten um echte Rechtspflichten, die gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt werden können, und nicht nur um Obliegenheiten handelt.

Ferner lässt sich weder aus der Gesetzessystematik noch aus der Gesetzesbegründung herleiten, dass es sich bei der Pflicht zur Vorlage des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines um eine dem Abrechnungsverfahren vorgeschaltete, von diesem gesonderte Pflicht handelt. Vielmehr besteht zwischen der Vorlagepflicht und der Abrechnung des Vergütungsanspruches eine inhaltliche Konnexität, die verfahrensrechtlich zur Folge hat, dass die erfolgreiche Geltendmachung des Vergütungsanspruches die Vorlage des Gutscheines – und nach Auffassung des Senate im Original – erfordert.

e) Da die Regelungen in § 45 Abs. 4 Satz 4 und 5 SGB III über die Pflichten zur Vorlage des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines der Ermöglichung einer ordnungsgemäßen Mittelbewirtschaftung dienen, muss nicht der Frage nachgegangen werden, ob und gegebenenfalls welche Parallelen oder Analogien zu § 51 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gezogen werden können. Denn die Regelungen in § 51 SGB X über die Rückgabe von Urkunden und Sachen dienen einem andern Zweck, nämlich der Sicherheit des Rechtsverkehrs (vgl. Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X [Stand: Erg.-Lfg. 08/17], § 51 Rdnr. 2; Tiebel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X [2. Aufl., 2017], § 51 Rdnr. 14; Heße, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht [Stand 52. Edition, 1. März 2019], § 51 SGB X Rdnr. 4).

f) Eine unterschiedliche Handhabung der Vorlagepflicht dahingehend, dass auf der Grundlage von § 45 Abs. 4 Satz 4 SGB III das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorzulegen ist, auf der Grundlage von § 45 Abs. 4 Satz 5 SGB III (private Arbeitsvermittlung) aber die Vorlage einer Kopie ausreichend ist, ist nicht durch das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 9. Juni 2017 veranlasst. Dort hat das Bundessozialgericht entschieden, dass die für Träger von Maßnahmen der Arbeitsförderung geltende Ausschlussfrist von sechs Monaten zur Vorlage entscheidungserheblicher Unterlagen aus § 326 Abs. 1 Satz 1 SGB III auf erfolgsbezogen zu vergütende Maßnahmen wie die private Arbeitsvermittlung nicht anwendbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2017 – B 11 AL 6/16 RBSGE 123, 216 ff. = SozR 4-4300 § 326 Nr. 1 = juris, jeweils Rdnr. 27 ff.). Diese Entscheidung zur Ausschlussfrist für Gesamtabrechnung hat es nach einer Auslegung von § 326 Abs. 1 Satz 1 SGB III an Hand des Gesetzeswortlautes, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzesentwicklung, der Systematik sowie an Hand von Sinn und Zweck der Regelung getroffen. Aus dieser § 326 Abs. 1 Satz 1 SGB III betreffenden Entscheidung kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass das Bundessozialgericht grundsätzliche Unterschiede zwischen privaten Arbeitsvermittlern im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB III und sonstigen Trägern und Arbeitgebern im Sinne von § 45 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 und 3 SGB III sieht mit der Folge, dass Regelungen, die die in § 45 Abs. 4 Satz 3 SGB III Genannten unterschiedslos treffen, gleichwohl unterschiedlich auszulegen sind.

g) Keinen Aufschluss in Bezug auf die vorliegend entscheidungserhebliche Frage, ob ein privater Arbeitsvermittler das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorlegen muss, um mit Erfolg die Zahlung der begehrten Vermittlungsvergütung verlangen zu können, bietet das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 6. Mai 2008 (Az. B 7/7a AL 8/07 R). Dort hat es die Voraussetzungen für einen Zahlungsanspruch eines privaten Arbeitsvermittlers aufgelistet. Es hat aber die Frage, "ob das Gesetz die Aushändigung des Gutscheins an den Vermittler und die Vorlage des Gutscheins durch diesen an die Beklagte verlangt", offengelassen; weil beide Voraussetzungen im dortigen Fall vorgelegen haben (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2008 – B 7/7a AL 8/07 R – BSGE 100, 238 ff. = SozR 4-4300 § 31. März 201 Nr. 3 = juris Rdnr. 11).

Selbst wenn die zitierte Textpassage dahingehend zu verstehen sein sollte, dass das Bundessozialgericht keine gesetzliche Grundlage für eine Pflicht zur Vorlage des Gutscheins gesehen hat, wäre ein solches orbiter dictum in Folge der zwischenzeitlich erfolgten Rechtsänderungen überholt. Denn das Urteil vom 6. Mai 2008 ist zu dem bis zum 31. März 2012 geltenden § 421g SGB III mit den Regelungen über den Vermittlungsgutschein ergangen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2008, a. a. O., Rdnr. 10). Die Regelungen zur privaten Arbeitsvermittlung sind aber zum 1. April 2012 in § 45 SGB III eingeflossen (vgl. Artikel 2 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl. I S. 2854]). Dort sind seitdem in § 45 Abs. 4 Satz 4 und 5 SGB III ausdrücklich Pflichten zur Vorlage des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines geregelt.

Zudem hat sich das Bundessozialgericht im Urteil vom 6. Mai 2008 nicht andeutungsweise dazu geäußert, ob im Falle einer bereits damals bestehenden Vorlagepflicht das Original der Vermittlungsgutscheines vorzulegen gewesen ist. Für eine Befassung mit dieser Rechtsfrage hat, da sie im dortigen Fall nicht entscheidungserheblich gewesen ist, keine Veranlassung bestanden.

h) Eine stichprobenartige, wenn auch nicht repräsentative Internetrecherche (Stand 7. April 2019) hat ergeben, dass private Arbeitsvermittler ausweislich der Gestaltung der von ihnen verwandten Vermittlungsverträge davon ausgehen, dass sie das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorzulegen haben.

So wird in dem zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossenen, formularmäßigen Vermittlungsvertrag zwischen der Übergaben einer "Kopie des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins" (vgl. § 3 Satz 5 des Vertrages) einerseits und der "Herausgabe des Originals des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins" bis zum 10. Werktag nach erfolgter Vermittlung (vgl. § 4 Satz 3 des Vertrages) andererseits unterschieden. Die in § 4 Satz 4 des Vertrages geregelte Schadensersatzpflicht des Auftraggebers in Höhe von 2.000,00 EUR (was der regelmäßigen Höhe der Vermittlungsvergütung des privaten Arbeitsvermittlers gegenüber der Agentur für Arbeit entspricht; vgl. § 45 Abs. 6 Satz 3 SGB III), macht nur Sinn und dürfte nur eine Rechtfertigung nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen finden, wenn die Klägerin zur Abrechnung ihres Vergütungsanspruches gegenüber der Agentur für Arbeit auf das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins angewiesen ist.

Entsprechende oder vergleichbare Regelungen finden sich auch in den formularmäßigen Vermittlungsverträgen anderer privater Arbeitsvermittler (zum Teil noch Bezug nehmend auf § 421g SGB III und die damalige Terminologie). - So hat nach dem Vermittlungsvertrag des W ... [Agentur privater Arbeitsvermittlung] GmbH der Arbeitsuchende, wenn ihm ein gültiger Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vorliegt, das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines innerhalb von fünf Werktagen der W ... GmbH zu übergeben (vgl. Nummer 5 Satz 4 des Vertrages). Unter anderem bei der Verweigerung der Übersendung des Originals der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein an die W ... GmbH haftet der Arbeitsuchende gegenüber der W ... GmbH in voller Höhe der auf dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein angegebenen Vergütung in Verbindung mit den darauf angegebenen Zahlungsbedingungen (vgl. Nummer 5 Satz 6 des Vertrages). Nach Nummer 6 des Vertrages verpflichtet sich die W ... GmbH bei vorzeitiger Beendigung eines vermittelten Beschäftigungsverhältnisses, das heißt vor Ablauf der sechsten Beschäftigungswoche, das vorab bereits übersandte Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein an den Arbeitsuchenden zurück zugeben. - Im Arbeitsvermittlungsvertrag der der Fa. V ... sind unter Nummer 2.1.1. Regelungen über den Vergütungsanspruch für den Fall, dass der Arbeitsuchende einen Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein hat, enthalten. Nach dessen Satz 2 wird der Arbeitsvermittler den Vergütungsanspruch nicht gegen den Arbeitssuchenden geltend machen, wenn dieser nach erfolgreicher Vermittlung unter anderem das Original des Vermittlungsgutscheins vorlegt. Ferner ist der Arbeitsuchende nach Nummer 5.8 des Vertrages verpflichtet, mit dem Arbeitsbeginn das Original des Vermittlungsgutscheins vorzulegen. - Nach § 3 Satz 6 des Vermittlungsvertrages der Fa. U ... bestätigt der Arbeitsuchende, wenn er mit Erteilung des Vermittlungsauftrages nur eine Kopie des Vermittlungsgutscheines übergeben hat, im Besitz des gültigen Vermittlungsgutscheines im Original zu sein. Nach erfolgreicher Arbeitsvermittlung ist er verpflichtet, unter anderem das Original des Vermittlungsgutscheines zu übergeben (vgl. § 3 Satz 7 des Vertrages). Wenn der Arbeitsuchende keinen gültigen Vermittlungsgutschein im Original übergibt, hat er die vertraglich vereinbarte Vermittlungsgebühr selbst zu entrichten (vgl. § 5 Satz 4 des Vertrages). - Vergleichbare Regelungen zu denen in § 3 Satz 6 und 7 des Vermittlungsvertrages der Fa. U ... finden sich in § 1 Abs. 3 des Vermittlungsvertrages der Fa. T ... Private Arbeitsvermittlung und unter Nummer 2 Abs. 3 des Vermittlungsvertrages der Fa. S ... - Im Vermittlungsvertrag der Personalvermittlung R ... ist unter der Überschrift "Vermittlungsvergütung" geregelt, dass sich der Auftraggeber, das heißt der Arbeitsuchende, unter anderem verpflichtet, seinen gültigen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein im Original "zur Abrechnung der Vermittlungsprovision gemäß § 296 Abs. 3 SGB III" abzugeben (vgl. Satz 1). Wenn das Original des Gutscheines rechtzeitig abgegeben worden ist, ist die Zahlung der Vermittlungsprovision bis zur Zahlung der Bundesagentur für Arbeit oder des Jobcenters gestundet (vgl. Satz 3).

Die Motive für diese formularmäßigen Regelungen mögen mannigfach sein. So dient die Pflicht zur Vorlage des Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein gewiss auch der Rechtssicherheit im Auftragsverhältnis zwischen Arbeitsuchendem und privatem Arbeitsvermittler (Beweisfunktion). Die Pflicht zur frühzeitigen Übergabe des Originals des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines (vgl. Nummer 5 Satz 4 des Vermittlungsvertrages des W ... GmbH) ist eventuell von dem Gedanken getragen, das Original "sicherzustellen" und damit eine Beauftragung von Mitbewerbern zu verhindern oder jedenfalls zu erschweren (Konkurrentenschutz). Zur Überzeugung des Senates dient die vertragliche Pflicht zur Hergabe des Originals des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines wenn nicht überwiegend so jedenfalls auch dem Zweck, dass der private Arbeitsvermittler der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter im Abrechnungsverfahren das Originaldokument vorlegen kann. Dies wird beispielhaft in der im Vermittlungsvertrag der Personalvermittlung R ... verwandten Formulierung deutlich. Anders lässt sich ein nachvollziehbares oder gar berechtigtes Interesse des privaten Arbeitsvermittlers, spätestens zeitnah nach der erfolgreichen Vermittlung das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines zu erhalten (so z. B. § 4 Satz 3 des Vermittlungsvertrages der Klägerin), nicht erklären. Ein anderer Zweck, hinsichtlich dessen ein Interesse eines privaten Arbeitsvermittlers, noch nach dem erfolgreichen Abschluss des Vermittlungsauftrages in den Besitz des Originals des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines zu kommen, bestehen könnte; ist nicht ersichtlich.

Auch wenn das Verständnis oder die Handhabung einer Regelung in der Praxis der Normunterworfenen nicht zu den klassischen Auslegungskriterien zählt, kann sie doch verdeutlichen, wie eine Regelung von diesen verstanden wird.

i) Schließlich kann gegen die Pflicht, das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorlegen zu müssen, auch nicht eingewandt werden, dass damit entgegen der gesetzgeberischen Intention den Arbeitslosen bei einer Inanspruchnahme der Leistungen eines privaten Arbeitsvermittlers doch noch ein Zahlungsrisiko treffen kann.

Das Bundessozialgericht hat mehrfach ausgeführt, dass das "Vermittlungsgutscheinverfahren" an die Stelle der ansonsten kostenfreien Vermittlung durch die Beklagte tritt. Dies habe zur Folge, dass das Zahlungsrisiko nicht auf den Arbeitnehmer oder Arbeitslosen verlagert werden könne. Der Vermittlungsgutschein solle ihn davon gerade befreien (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2006 – B 7a AL 56/05 RBSGE 96, 190 ff. = SozR 4-4300 § 421g Nr. 1 = NJW 2007, 1902 ff. = juris Rdnr. 20; BSG, Urteil vom 23. Februar 2011 – B 11 AL 10/10 R –juris, jeweils Rdnr. 26; BSG, Urteil vom 16. Februar 2012 – B 4 AS 77/11 R – SozR 4-4200 § 16 Nr. 10 = juris, jeweils Rdnr. 29).

Der vorliegende Fall liegt jedoch anders. Denn wenn die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen einen Zahlungsanspruch geltend machen sollte, würde dieser Anspruch seinen Rechtsgrund nicht in einem Anspruch auf Gegenleistung für die erbrachte Hauptleistung, das heißt die Arbeitsvermittlung, finden sondern in einer zwischen beiden vertraglich vereinbarten Schadensersatzzahlung wegen Nichterfüllung einer vertraglichen Nebenpflicht des Beigeladenen. Mit dem "Vermittlungsgutscheinverfahren" ist aber nur bezweckt, den Arbeitslosen von eine Pflicht zur Zahlung einer Vergütung für eine Arbeitsvermittlung freizustellen, nicht aber ihn gänzlich von der Erfüllung vertraglicher Nebenpflichten zu entbinden und ihn bei Verletzung von solchen Nebenpflichten von Schadensersatzforderungen freizustellen. Die einschlägigen Regelungen in Vermittlungsverträgen sind deshalb auch nicht wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (vgl. § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]).

5. Da die Klägerin für den Zahlungsanspruch verpflichtet ist, das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorzulegen, dieser Pflicht aber nicht nachgekommen ist, ist es ohne Bedeutung, dass sie in Kopie nicht den gesamten Gutschein vom 10. April 2014, sondern nur dessen Seite 1 vorgelegt hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 154, 162 Abs. 3 VwGO. Die Klägerin ist kein Beteiligter im Sinne des § 183 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2006 – B 7 AL 56/05 R – BSGE 96, 119 ff. [Rdnr. 21] = SozR 4/4300 § 421g Nr. 1 Rdnr. 21 = juris Rdnr. 21; Sächs. LSG, Urteil vom 26. April 2012 – L 3 AL 255/10 – juris Rdnr. 28).

Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit nicht das Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO), entspricht es auch nicht der Billigkeit (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO), ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin als unterlegene Beteiligte oder der Staatskasse aufzuerlegen.

IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Bislang gibt es keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob es in Bezug auf die Vorlageobliegenheit aus § 45 Abs. 4 Satz 5 SGB III erforderlich ist, das Original des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheines vorzulegen, oder ob die Vorlage einer Kopie ausreichend ist.

V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Rechtskraft
Aus
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