L 9 KR 424/18

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 3 KR 647/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 KR 424/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankenversicherung - Off-Label-Use - Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst nicht die Botox-Behandlung bei Hyperhidrosis palmaris (Schweiß-/Schwitzhänden) - Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion

1. Der Wirkstoff Botulinumtoxin, der in verschiedenen Fertigarzneimitteln vorhanden ist (z. B. in Botox® von Pharm Allergan, Azzalure® von Galderma, Bocouture® von Merz etc.), ist für die Behandlung einer Hyperhidrosis palmaris in Deutschland nicht zugelassen.
2. Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Off-Label-Use des Arzneimittels Botox® gegen Hyperhidrosis palmaris liegen nicht vor.
3. Für eine wirksame Verlängerung der Fünf-Wochen-Frist gemäß 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 2 SGB V ist Schriftform erforderlich. Die nur telefonische Mitteilung des hinreichenden Grundes und der prognostizierten Dauer der Fristüberschreitung erfüllt nicht die vorgeschriebene Schriftform. Die Nichtbeachtung dieser Form hat die Nichtigkeit der telefonischen Mitteilung, die nach ihrer Wirkung (Frist-„Verlängerung“) rechtsgeschäftlichen Charakter hat, zur Folge (§ 125 Satz 1 BGB).
4. Die Botox®-Behandlung durfte die Klägerin subjektiv für geeignet und erforderlich halten, ohne Einzelheiten zu den Voraussetzungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung der Anwendungsgebiete von Botox® wissen zu müssen, weil bisherige Therapieversuche fehlschlugen, der behandelnde Arzt sie fachlich befürwortete und die Krankenkasse selbst medizinisch ermittelte.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26. September 2018 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2016 verurteilt, der Klägerin die Kosten für die Botox®-Behandlung der Hyperhidrosis palmaris in 2016 in Höhe von 443,53 EUR zu erstatten.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26. September 2018 zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat der Klägerin außergerichtliche Kosten für beide Instanzen in Höhe von einem Drittel zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für drei Botox®-Behandlungen der Hyperhidrosis palmaris.

Die 1975 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin ist von Beruf Zahnarzthelferin. Am 08.05.2015 beantragte sie die Übernahme der Botox®-Behandlungs- und Arzneimittelkosten wegen übermäßiger Schweißbildung an den Händen (Hyperhidrosis palmaris) unter Vorlage der Rechnung des Facharztes für Dermatologie und Phlebologie Dr. med. Y ... für die Botox®-Behandlung vom 05.05.2015 in Höhe von 104,92 EUR, des Privatrezepts vom 26.02.2015 über Botox® 100 Einheiten Trockensubstanz und der Apotheken-Quittung vom 22.04.2015 in Höhe von 323,58 EUR. Ferner legte sie eine Bescheinigung von Dr. med. Y ... vom 18.05.2012 vor, wonach sie seit Jahren an übermäßiger Schweißbildung an beiden Händen leide. Dadurch sei sie psychisch stark beeinträchtigt. Bisherige Therapieversuche mit verschiedenen Lokaltherapeutika (Aluminiumchloridlösung, Sweat-off, etc.), Leitungswasseriontophorese und Tabletten hätten nicht angeschlagen. Die bereits mehrfach erfolgreich durchgeführten Botulinumtoxin-Injektionen hätten zu einer deutlichen Verbesserung für jeweils fünf bis sechs Monate geführt.

Mit Bescheid vom 19.05.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, weil privat in Rechnung gestellte Kosten nicht übernommen werden könnten. Unter dem 12.06.2015 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Ablehnung der Kostenübernahme. Seit ihrer Kindheit leide sie an einer Hyperhidrose beider Hände. Bei ihrer beruflichen Tätigkeit als Zahnarzthelferin sei sie gezwungen, Handschuhe zu tragen, welche die übermäßige Schweißbildung noch erhöhten. Alle anderen Behandlungsmethoden hätten bisher nicht angeschlagen. In der Vergangenheit habe die Beklagte die Kosten für diese Behandlung bereits übernommen. Zudem verweise sie auf eine Stellungnahme des Arbeitskreises Botulinumtoxin e.V., der sich zur Kostenübernahme positiv geäußert habe. Beigelegt hat sie unter anderem eine Zahlungsmitteilung der Beklagten vom 25.05.2012, in welcher diese Kosten für eine Hyperhidrose-Behandlung in Höhe von insgesamt 398,70 EUR übernommen hatte.

Mit Bescheid vom 25.06.2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab, weil sie die Botox®-Behandlung bei Hyperhidrosis manum in Anspruch genommen habe, bevor sie bei der Beklagten die Kostenübernahme beantragt habe. Das Arzneimittel Botox® sei nur zur Behandlung der Hyperhidrosis axillaris zugelassen. Deshalb handele es sich um einen Off-Label-Use. Frühere Kostenübernahmen seien aus Kulanz erfolgt; eine Bindungswirkung resultiere daraus nicht.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 24.07.2015 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.2015 zurückwies. Bereits der Beschaffungsweg sei nicht eingehalten worden. Privatärztliche Leistungen seien nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) umfasst.

Dagegen hat die Klägerin am 23.11.2015 Klage beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 3 KR 647/15 geführt wurde.

Am 22.03.2016 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine weitere Botox®-Behandlung bei der Beklagten unter Vorlage eines Arzneimittelrezepts vom 01.03.2016 über Botox® mit dem Aufdruck: "nach Bestätigung durch die Krankenkasse" und einer Bescheinigung von Dr. med. Y ... vom 11.03.2016, in welcher der Dermatologe die Angaben vom 18.05.2012 wiederholte und ergänzte, unter der Behandlung mit Sormodren®-Tabletten seien nicht tolerierbare Nebenwirkungen (Übelkeit) aufgetreten.

Mit Schreiben vom 08.04.2016 beauftragte die Beklagte den MDK (Medizinischen Dienst der Krankenversicherung) Sachsen mit der Prüfung des Off-Label-Use der Hyperhidrose-Behandlung mit Botox® sowie zur Verfügung stehender Therapiealternativen und informierte gleichzeitig die Klägerin über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme vom MDK. Am 12.04.2016 erkundigte sich die Klägerin telefonisch nach dem Bearbeitungsstand. Die Beklagte sicherte einen Rückruf am 29.04.2016 zu, ob das Gutachten des MDK bereits eingegangen sei.

Mit Gutachten vom 19.04.2016 (Eingang bei der Beklagten am 20.04.2016) nahm Dr. med. X ... vom MDK Stellung. Das Botulinumtoxin sei zur Behandlung einer starken fortbestehenden primären Hyperhidrosis axillaris, Blepharospasmus, idiopathische rotatorische zervikale Dystonie und fokale Spastizität zugelassen, nicht aber zur Behandlung einer Hyperhidrosis palmaris und plantaris. Die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Anwendung des Botulinumtoxin seien nicht gegeben. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) lägen nicht vor. Es liege keine seltene, lebensbedrohliche, schwerwiegende Erkrankung vor, sekundäre Ursachen müssten ausgeschlossen sein, zugelassene alternative Behandlungsmethoden stünden zur Verfügung und es fehlten randomisierte Phase-III-Studien zum Nachweis des erfolgreichen Einsatzes dieses Arzneimittels.

Mit Bescheid vom 29.04.2016 lehnte die Beklagte den Antrag gestützt auf das Gutachten des MDK ab und informierte die Klägerin am 29.04.2016 telefonisch vorab von der Antragsablehnung.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 24.05.2016 Widerspruch ein. Sie sei auf die Behandlung angewiesen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use lägen vor. Die Erkrankung sei schwerwiegend und verlaufe chronisch, sei zwar nicht lebensbedrohlich, beeinflusse aber die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig. Alle zugelassenen Behandlungsmethoden hätten nicht die gewünschte Wirkung gezeigt bzw. intolerable Nebenwirkungen zur Folge gehabt. Zudem verweise sie auf ein Urteil des SG Wiesbaden vom 29.11.2007 (S 2 KR 206/06), wonach es ausreichend sei, wenn die Behandlung den Krankheitsverlauf spürbar positiv beeinflusse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin aus den im Ausgangsbescheid genannten Gründen zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 23.08.2016 Klage beim SG erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 3 KR 453/16 geführt wurde. Sie fügte eine Rechnung des Hautarztes Dr. Y ... vom 03.05.2016 über Kosten der Hyperhidrosis manum-Behandlung in Höhe von 126,36 EUR bei, ferner ein am 28.04.2016 in der Apotheke eingelöstes Rezept für Botox® in Höhe von 317,17 EUR.

Am 17.02.2017 beantragte die Klägerin erneut die Kostenübernahme für die Botox®-Behandlung der Hyperhidrosis palmaris bei der Beklagten unter Vorlage des Botox®-Rezeptes von Dr. Y ... vom 14.02.2017 mit dem Hinweis "nach Bestätigung der Krankenkasse".

Mit Bescheid vom 28.02.2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Das verschreibungspflichtige Arzneimittel Botox® sei zur Behandlung der Erkrankung der Klägerin nicht zugelassen. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use lägen nicht vor.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 21.03.2017 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2017 aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 20.07.2017 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 3 KR 503/17 geführt wurde. Beigelegt hat sie ein Rezept für Botox® in Höhe von 312,60 EUR und eine Rechnung von Dr. Y ... vom 25.04.2017 über Behandlungskosten in Höhe von 104,92 EUR. Aufgrund der von 2010 bis 2013 viermal erfolgten Kostenerstattungen habe sie darauf vertraut, dass die Beklagte die Behandlungskosten auch dieses Mal übernehme. Im Übrigen sei Botox® das einzig wirksame Medikament. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Botox®-Behandlungskosten bei Hyperhidrosis axillaris übernommen würden, bei Hyperhidrosis palmaris jedoch nicht.

Mit Beschluss vom 09.05.2018 hat das SG die Verfahren mit den Aktenzeichen S 3 KR 647/15, S 3 KR 503/17 und S 3 KR 453/16 gemäß § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verbunden und unter dem Aktenzeichen S 3 KR 647/15 fortgeführt.

In dem vom SG eingeholten Befundbericht vom 27.01.2017 hat Dr. med. Y ... berichtet, bei der Klägerin liege eine Hyperhidrosis manum beidseits vor. Diese Erkrankung sei für ihren Beruf als Zahnarzthelferin sehr belastend. Aluminiumchlorid, Sweat off, Leitungswasseriontophorese, Sormodren®-Tabletten seien ohne Effekt gewesen. Mit Botox® – Injektionen sei eine Besserung eingetreten.

Auf Veranlassung des SG hat Prof. Dr. med. W ... ein hautärztliches Gutachten vom 28.12.2017 erstellt. Das Arzneimittel Botox® sei nicht für die Behandlung der Hyperhidrosis palmaris zugelassen. Der Wirkstoff Botulinumtoxin sei in unterschiedlichen Präparaten enthalten. Keines sei für die Indikation Hyperhidrosis palmaris zugelassen. Sofern das Arzneimittel zur Behandlung der Hyperhidrosis axillaris zugelassen sei, handele es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild, da unterschiedliche Typen von Schweißdrüsen von einer Fehlfunktionalität betroffen seien. Es lägen zwar Studien vor, die nahelegten, dass Botulinumtoxin eine sichere und wirksame Therapieoption darstelle. Allerdings wiesen diese Studien nicht die notwendigen Voraussetzungen (bspw. Zahl der untersuchten Patienten) auf, dass eine Zulassung in der Indikation Hyperhidrosis palmaris zu erwarten wäre. Bei der Hyperhidrosis palmaris handele es sich eher nicht um eine schwerwiegende Erkrankung, in keinem Fall um eine lebensbedrohliche Erkrankung. Es handele sich auch nicht um eine unerforschbare, seltene Erkrankung.

Mit Urteil vom 26.09.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Übernahme der ihr für die Injektion von Botox entstandenen Kosten. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Leistung des Versicherten sei § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach habe die Krankenkasse Kosten zu erstatten, soweit die Leistung notwendig gewesen sei. Der Anspruch reiche jedoch nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasse u. a. die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Fall 1 SGB V). Versicherte könnten die Versorgung mit einem verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel zu Lasten der GKV grundsätzlich nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet bestehe, in dem es angewendet werden soll. Fertigarzneimittel seien mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V) dagegen nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG)) arzneimittelrechtliche Zulassung fehle (BSG, Urteil vom 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, juris). Grundsätzlich sei deshalb ein Fertigarzneimittel, welches keine arzneimittelrechtliche Zulassung für dasjenige Indikationsgebiet besitze, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll, mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 u. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG –; vgl. Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 5/09 R, Rdnr. 19 m. w. N.). Die beantragte Therapie mit Botox® zur Behandlung der Hyperhidrosis palmaris stelle eine solche zulassungsüberschreitende Anwendung dar. Botox® sei als Fertigarzneimittel in Deutschland bei Erwachsenen zur Behandlung von anhaltenden Muskelkrämpfen im Augenlid und im Gesicht, anhaltenden Muskelkrämpfen im Nacken und in den Schultern, anhaltenden Spasmen (Krämpfen) der Muskeln im Handgelenk und der Hand bei Schlaganfallpatienten, starker Achselschweißbildung, die störende Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens hat, wenn andere lokale äußerliche Behandlungen nicht helfen, Harninkontinenz bei Blasenproblemen im Zusammenhang mit Rückenmarksverletzungen oder Multipler Sklerose sowie unter bestimmten Voraussetzungen zur Linderung der Symptome chronischer Migräne zugelassen. Keine arzneimittelrechtliche Zulassung liege indessen für die Therapie der Hyperhidrosis palmaris vor, die, worauf der Sachverständige Prof. Dr. W ... hingewiesen habe, im Vergleich zur Hyperhidrosis axillaris als eigenständiges Krankheitsbild zu werten sei, da unterschiedliche Schweißdrüsen von einer Fehlfunktionalität betroffen seien. Die Klägerin beanspruche die Versorgung auch nicht im Rahmen einer klinischen Studie, sodass auch die Voraussetzungen des § 35c Abs. 2 SGB V nicht erfüllt seien. Die Voraussetzungen für einen Off-Label-Use seien nicht erfüllt. Ein solcher komme nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung gehe, 2. keine andere Therapie verfügbar sei und 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden könne (BSG, Urteil vom 13.12.2016, B 1 KR 1/11 R, juris, m.w.N.). An einer aufgrund der Datenlage begründeten Erfolgsaussicht fehle es. Von hinreichenden Erfolgsaussichten sei nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten ließen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden könne. Es müssten folglich Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sein (BSG, Urteil vom 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, juris, m.w.N.). Wie Prof. Dr. W ... in seinem Gutachten vom 28.12.2017 ausgeführt habe, fehle es daran. Die Zahl der innerhalb der vorliegenden Studien untersuchten Patienten weise nicht den notwendigen Umfang auf, dass eine Zulassung in der Indikation Hyperhidrosis palmaris zu erwarten wäre. Anderes ergebe sich auch nicht aus der mittlerweile verjährten Fachleitlinie (AWMF-Register Nr. 013/059, S1). Es handele sich insoweit um eine Leitlinie "S1". Eine solche "S1-Leitlinie" sei kein Beleg für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Behandlungsmethode im Sinne der Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Auf einer Evidenz-Recherche beruhten Leitlinien der Stufe "S2k" oder "S3" (http://www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/II .../awmf .../klassifikation-s1.html). Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V. Nach § 2 Abs. 1a SGB V könnten Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stehe, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Bei der Anwendung eines Fertigarzneimittels außerhalb des zugelassenen Indikationsgebietes werde das Medikament ohne die arzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualität eingesetzt. Zu Lasten der GKV könne ein solcher Einsatz von Arzneimitteln nur unter ganz besonderen Voraussetzungen gerechtfertigt sein. Die arzneimittelrechtliche Qualitäts- und Sicherheitskontrolle diene in erster Linie dem Schutz der Patienten vor inakzeptablen, unkalkulierbaren Risiken für die Gesundheit. Deshalb könnten Ausnahmen von der Zulassungsvoraussetzung nur in engen Grenzen aufgrund einer Güterabwägung anerkannt werden, die der Gefahr einer krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher Zulassungserfordernisse entgegenwirkten, die Anforderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung an Qualität und Wirksamkeit der Arzneimittel (§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V) beachteten und den Funktionsdefiziten des Arzneimittelrechts in Fällen eines unabweisbaren, anders nicht zu befriedigenden Bedarfs Rechnung tragen (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 26. September 2006 – B 1 KR 14/06 R mit weiteren Nachweisen). Die Hyperhidrosis palmaris stelle keine lebensbedrohliche oder mit einer solchen regelmäßig tödlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung dar. Es könne daher dahinstehen, ob zugelassene Behandlungsalternativen vorlägen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W ... handele es sich auch nicht um einen sogenannten Seltenheitsfall, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur angenommen werden könne, wenn sich die zugrundeliegende Erkrankung einer systematischen Erforschung entziehe (vgl. dazu BSG E 93,236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1 jeweils Rd-Nr. 21 – Visudyne). Ein Systemversagen sei nicht ersichtlich. Der Anspruch ergebe sich - insbesondere in Bezug auf die Botox®-Behandlung im Jahr 2016 - auch nicht aus § 13 Abs. 3 a SGB V. Die Anträge der Klägerin in den Jahren 2015 und 2017 habe die Beklagte jeweils innerhalb der Drei-Wochenfrist verbeschieden, sodass insoweit bereits aus diesem Grunde eine Genehmigungsfiktion nicht eingetreten sei. Der Bescheid vom 29.04.2016 sei zwar außerhalb der Fünf-Wochenfrist ergangen. Jedoch sei der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, welche nicht außerhalb des Leistungskataloges der GKV lägen, beschränkt. Da die Klägerin aufgrund der vorangegangenen Entscheidung der Beklagten, den Hinweisen des behandelnden Arztes in der ärztlichen Bescheinigung vom 11.03.2016 und auf dem Rezept vom 01.03.2016 habe bekannt sein müssen, dass die Botox®-Behandlung außerhalb des Leistungskataloges der GKV liege, sei die Genehmigungsfiktion auch für Behandlung in 2016 nicht eingetreten.

Gegen das ihr am 16.10.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.11.2018 beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Die primäre fokale Hyperhidrosis sei für sie eine schwerwiegende Erkrankung, da die ständige Durchfeuchtung der Hände störende Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens habe. Das Arzneimittel Botox® sei doch für die Hyperhidrosis axillaris zugelassen, so dass der Off-Label-Use genehmigt werden müsse, wenn die Auswirkungen für den Erkrankten identisch und nur unterschiedliche Drüsen Verursacher seien. Kleinere Studien hätten schon die Wirksamkeit des Medikaments bewiesen. Da bei ihr andere Behandlungsmöglichkeiten ausschieden, sei dies die einzige Möglichkeit, ihr Leiden zu bessern. Die Untersuchung von Prof. Dr. W ... sei nicht aussagekräftig, weil sie zu einem Zeitpunkt stattgefunden habe, zu dem gerade eine Botox®-Injektion verabreicht worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 26.09.2018 sowie die Bescheide vom 19.05.2015, 25.06.2015, 29.04.2016 und 28.02.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.10.2015, 25.07.2016 und 26.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ihr in den Jahren 2015 bis 2017 entstandenen Kosten für die Botox®-Behandlungen der Hyperhidrosis palmaris zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre bisherigen Stellungnahmen und die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in Bezug auf die streitgegenständliche Übernahme der Botox®-Behandlungskosten für die Jahre 2015 und 2017 unbegründet. Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das SG mit Urteil vom 26.09.2018 insoweit die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 19.05.2015, 25.06.2015 und 28.02.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.10.2015 und 26.06.2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung der Botox®-Behandlungen der Hyperhidriose palmaris in den Jahren 2015 und 2017 (I.).

Dagegen ist die Berufung der Klägerin in Bezug auf die streitgegenständliche Übernahme der Botox®-Behandlungskosten für das Jahr 2016 begründet. Zu Unrecht hat das SG insoweit die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat Anspruch auf Kostenerstattung der Botox®-Behandlung der Hyperhidriose palmaris im Jahr 2016 (II.).

Gegenstand der Klage ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerichtet auf die Kostenübernahme von drei Botox®-Behandlungen bei Hyperhidriose palmaris.

I. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Ein Anspruch nach dem mit Wirkung vom 26.02.2013 durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013 (BGBl I 277) eingefügten Abs. 3a dieser Vorschrift ist hier für die Botox®-Behandlungen in 2015 und 2017 nicht gegeben, weil die Beklagte über die am 08.05.2015 und am 17.02.2017 gestellten Anträge bereits mit Bescheiden vom 19.05.2015 und 28.02.2017 innerhalb der maßgeblichen Frist von drei Wochen entschieden hat. Die streitigen Leistungen für 2015 und 2017 gelten daher nicht als genehmigt im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V.

Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war (2. Alt). Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 15; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 20/08 R –, BSGE 105, 170-188, SozR 4-2500 § 36 Nr. 2, SozR 4-2500 § 33 Nr. 28, Rn. 10, juris). Jedoch setzt ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 17/16 R –, Rn. 15, juris, m. w. N ...). Grundsätzlich erhalten Versicherte die Leistungen der Krankenkassen als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB V). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Eine unaufschiebbare Leistung lag nicht vor. Eine besondere Eilbedürftigkeit in dem Sinne, dass eine Entscheidung der Beklagten nicht mehr abgewartet werden konnte, bestand nicht. Eine akute Gefährdung der Klägerin bestand nicht. Der Senat bezieht sich hierbei auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. W ... in seinem Gutachten vom 11.10.2017, wonach es sich bei der Hyperhidrosis palmaris nicht um eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödliche oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung handelt, ebenso des Gutachters im MDK Dr. X ... in seinem Gutachten vom 19.04.2016, die er für schlüssig und widerspruchsfrei hält.

Für den Kostenerstattungsanspruch der Botox®-Behandlung in 2015 liegen die Voraussetzungen der 2. Alternative des § 13 Abs. 3 SGB V nicht vor. Denn jedenfalls muss zwischen der Ablehnung der Leistung durch die Beklagte und der Selbstbeschaffung ein Kausalzusammenhang bestehen. Dies folgt nicht zuletzt aus der Verwendung des Wortes "dadurch". Aus dem Umstand, dass zwischen Ablehnung der Leistung und der Selbstbeschaffung ein Ursachenzusammenhang bestehen muss, folgt auch die Notwendigkeit, dass die rechtswidrige Vorenthaltung der Naturalleistung durch die Beklagte wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung war. Die Klägerin hatte 2015 die Botox-Behandlung bereits durchführen lassen, bevor sie diese beantragt (08.05.2015) und die Beklagte über den Antrag entschieden hatte. Dieser Ablauf geht aus dem von der Klägerin beigefügten Rezept und der Rechnung hervor. Da es für die Botox-Behandlung in 2015 am Kausalzusammenhang zwischen Ablehnung und Selbstbeschaffung fehlt, ist der Beschaffungsweg nicht eingehalten und der Anspruch für 2015 daher schon aus diesem Grunde nicht begründet.

Unabhängig davon hat die Klägerin weder für die Botox®-Behandlung in 2015 noch für die Botox®-Behandlung in 2017 inhaltlich einen Anspruch, denn der Kostenerstattungsanspruch geht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Die Klägerin kann mangels indikationsbezogener Zulassung die Behandlung ihrer Hyperhidrosis palmaris mit Botox® zu Lasten der GKV nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Fall 1 i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht verlangen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Fall 1 SGB V). Versicherte können Versorgung mit einem verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel zu Lasten der GKV nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem es angewendet werden soll. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V) dagegen nicht von der Leistungspflicht der GKV nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (stRspr, vgl. z. B. BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 7, Rn. 22 mwN - D-Ribose; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, Rn. 15 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 6 Rn. 9 - restless legs/Cabaseril; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 30/06 R – Rn. 11 = USK 2007-36 - Cannabinol; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 15 Rn. 21 - ADHS/Methylphenidat; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 22, Rn. 12 – Avastin, alle juris). Sie kann sich aus nationalem Recht (§ 21 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG)) oder aus dem Recht der Europäischen Union ergeben, nicht aber aus ausländischem Recht (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 – B 1 KR 10/16 R –, BSGE 122, 181-191, SozR 4-2500 § 2 Nr. 6, Rn. 12, juris; BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 36/17 R –, Rn. 12, juris). Eine arzneimittelrechtliche Zulassung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll (BSG, Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R –, BSGE 97, 112-125, SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, Rn. 15, juris). Das zulassungspflichtige Botox® (von Pharm Allergan) hat weder in Deutschland noch EU-weit die erforderliche Arzneimittelzulassung für das Indikationsgebiet, für das es von der Klägerin eingesetzt wurde. Botox® ist lediglich zur Behandlung u. a. der Hyperhidriosis axilliaris zugelassen, nicht aber zur Therapie der Hyperhidriosis palmaris. Dazu heißt es in der Anlage IV der Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung – AM-RL (Arzneimittelrichtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): Therapiehinweise gemäß § 92 Abs. 2 Satz 7 SGB V, Beschluss vom 21.09.2004 (In Kraft getreten am: 22.01.2005; BAnz. 2005 Nr. 14, S. 977): "Von den insgesamt 7 existierenden Typen von Botulinumtoxin sind zur Behandlung verschiedener Formen fokaler Dystonien, spastischer Störungen und der axillären Hyperhidrosis zwei Toxinformen (A und B) zur symptomatischen Therapie zugelassen. Der Zulassungsstatus der einzelnen Präparate ist unterschiedlich: Botox® (Clostridium botulinum Toxin Typ A): Behandlung von &8722; Blepharospasmus, hemifazialem Spasmus und koexistierenden fokalen Dystonien &8722; idiopathischer rotatorischer zervikaler Dystonie (Torticollis spasmodicus) &8722; fokaler Spastizität&8722; in Zusammenhang mit dynamischer Spitzfußstellung infolge von Spastizität bei Patienten mit infantiler Zerebralparese ab dem zweiten Lebensjahr&8722; des Handgelenkes und der Hand bei erwachsenen Schlaganfallpatienten&8722; starker, fortbestehender primärer Hyperhidrosis axillaris, die störende Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens hat und mit einer topischen Behandlung nicht ausreichend kontrolliert werden kann. Dysport® (Clostridium botulinum Toxin Typ A):&8722; zur symptomatischen Alternativbehandlung von idiopathischem Blepharospasmus und gleichzeitig bestehenden hemifazialen dystonen Bewegungsabläufen&8722; zur symptomatischen Behandlung eines einfachen idiopathischen rotierenden Torticollis spasmodicus mit Beginn im Erwachsenenalter&8722; zur symptomatischen Behandlung einer Armspastik bei Erwachsenen infolge eines Schlaganfalles. Neurobloc® (Clostridium botulinum Toxin Typ B):&8722; Behandlung von zervikaler Dystonie (Torticollis)."

Bestätigt wird dies sowohl von dem Gutachter Dr. X ... in seinem Gutachten vom 19.04.2016 als auch von dem Sachverständigen Prof. Dr. med. W ... in seinem Gutachten vom 28.12.2017. Der Senat folgt hierbei den schlüssigen Ausführungen der beiden Gutachter. Der Wirkstoff Botulinumtoxin, der in verschiedenen Fertigarzneimitteln vorhanden ist (z. B. in Botox®, Azzalure® von Galderma, Bocouture® von Merz etc.), ist für die Behandlung einer Hyperhidrosis palmaris in Deutschland nicht zugelassen.

Die Klägerin kann von der Beklagten eine Versorgung mit Botox® auch nicht im Rahmen eines Off-Label-Use zur Behandlung ihrer Hyperhidrosis palmaris beanspruchen, weder nach § 35c SGB V noch nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsprechung.

Für einen Anspruch aus § 35c SGB V liegt nichts vor. Danach haben Versicherte außerhalb des Anwendungsbereichs des Abs. 1 Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln in klinischen Studien, sofern hierdurch eine therapierelevante Verbesserung der Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im Vergleich zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten zu erwarten ist, damit verbundene Mehrkosten in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten medizinischen Zusatznutzen stehen, die Behandlung durch einen Arzt erfolgt, der an der vertragsärztlichen Versorgung oder an der ambulanten Versorgung nach den §§ 116b und 117 SGB V teilnimmt, und der G-BA der Arzneimittelverordnung nicht widerspricht (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 – B 1 KR 1/16 R –, BSGE 122, 170-181, SozR 4-2500 § 31 Nr. 28, Rn. 14, juris). Die Klägerin beansprucht die Versorgung indes nicht im Rahmen einer klinischen Studie.

Gleiches gilt für die daneben weiterhin geltenden, allgemeinen Grundsätze für einen Off-Label-Use zu Lasten der GKV. Die nach diesen Grundsätzen erforderlichen Voraussetzungen sind ebenfalls nicht erfüllt. Ein Off-Label-Use, d. h. die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R –, BSGE 97, 112-125, SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, Rn. 7 f. - Ilomedin; BSG, Urteil vom 08. November 2011 – B 1 KR 19/10 R –, BSGE 109, 211-218, SozR 4-2500 § 31 Nr. 19, Rn. 17 mwN - BTX/A; alle juris). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 6/04 R –, BSGE 95, 132-141, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3, Rn. 27 mwN - Wobe-Mugos E; im Falle des Systemversagens siehe BSG, Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 3/06 R –, SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 Rn. 24 mwN - Neuropsychologische Therapie). Es fehlt an einer im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlungen aufgrund der Datenlage begründeten Erfolgsaussicht. Von hinreichenden Erfolgsaussichten im dargelegten Sinne ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Es müssen also Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sein (allgemein zur Bedeutung der Phasen-Einteilung vgl. BSG, Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R –, BSGE 97, 112-125, SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, Rn. 20 – Ilomedin, juris) und einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen (vgl. z. B. BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, Rn. - Ilomedin; BSGE 109, 211 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 19, Rn. mwN - BTX/A, alle juris) oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sein (vgl. z. B. BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, Rn. 17 f - Ilomedin; BSGE 109, 211 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 19, Rn. 17 mwN - BTX/A; BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 – B 1 KR 1/16 R –, BSGE 122, 170-181, SozR 4-2500 § 31 Nr. 28, Rn. 16 - Immunglobulin-Therapie (IVIG) mit Intratect; alle juris). Daran fehlt es. Bis zum letzten vorliegenden Behandlungszeitpunkt (25.04.2017) kam es nicht zu einer abgeschlossenen, veröffentlichten Studie in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III mit Relevanz für die Erkrankung der Klägerin. Es existieren nur klinische Studien ohne für eine Zulassung notwendigem Umfang (z. B ... Anzahl der untersuchten Patienten; vgl. https://www.igel-monitor.de/fileadmin/user upload/2017 10 17 IGeL Evidenz ausfuhrlich Botox final.pdf). Dies bestätigt auch Prof. Dr. W ... in seinem Gutachten vom 28.12.2017. Auf die Frage der Wirksamkeit der Botox®-Behandlung im Einzelfall (hier: bei der Klägerin) kommt es somit nicht an.

Die Klägerin hat auch keinen aus der Regelung des § 2 Abs. 1a SGB V (in Kraft seit 1.1.2012; Art. 1 Nr. 1 und Art. 15 Abs. 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom 22.12.2011, BGBl I 2983) sich ergebenden Leistungsanspruch auf Versorgung mit Botox®. § 2 Abs. 1a SGB V enthält nach der Gesetzesbegründung eine Klarstellung zum Geltungsumfang des sog. Nikolaus-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (BVerfG, Beschluss vom 06. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 –, BVerfGE 115, 25-51, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5, juris) für das Leistungsrecht der GKV (BT-Drucks 17/6906, Seite 53). Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006 – B 1 KR 7/05 R –, BSGE 96, 170-182, SozR 4-2500 § 31 Nr. 4, Rn. 21 und 30 mwN - Tomudex; BSG, Urteil vom 27. März 2007 - B 1 KR 17/06 R –, Rn. 23 - Polyglobin 10 % wegen Multipler Sklerose; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 3/07 KR R –, Rn. 32, alle juris). Nichts anderes gilt für wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen, z. B ... für den ggf. gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 – B 1 KR 16/07 R –, BSGE 100, 103-118, SozR 4-2500 § 31 Nr. 9, Rn. 32, - Lorenzos Öl wegen Adrenomyeloneuropathie, juris). Die Erkrankung der Klägerin erfüllt diese Voraussetzung nicht. Der Senat folgt auch insoweit den Sachverständigen Prof. Dr. W ... und Dr. X ...

Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen Seltenheitsfall berufen. Hierzu darf das festgestellte Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (vgl. auch BSG, Urteil vom 08. November 2011 – B 1 KR 20/10 R –, BSGE 109, 218-229, SozR 4-2500 § 31 Nr. 20, Rn. 14 - Leucinose; BSG, Urteil vom 03. Juli 2012 – B 1 KR 25/11 R –, BSGE 111, 168-177, SozR 4-2500 § 31, Rn. 19 – Avastin (Wirkstoff Bevacizumab), alle juris). Auch dies ist entsprechend den gutachtlichen Ausführungen von Prof. Dr. W ... nicht der Fall.

Die Klägerin kann die Botox®-Therapie auch nicht als neue Behandlungsmethode beanspruchen. Denn die Therapie ist im Rechtssinne keine neue Behandlungsmethode, sondern betrifft lediglich den zulassungsfremden Einsatz eines Arzneimittels. Eine Krankenbehandlung, bei der dem Versicherten ein Fertigarzneimittel bestimmungsgemäß in einem besonderen Verfahren verabreicht wird, darf auf Kosten der GKV grundsätzlich nur erfolgen, wenn das Medikament über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt und wenn der G-BA - soweit erforderlich - in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode nach § 135 Abs. 1 SGB V ausgesprochen hat (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 – B 1 KR 27/02 R –, BSGE 93, 236-252, SozR 4-2500 § 27 Nr. 1, Rn. 20 - Visudyne (R); BSG, Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 11/13 R –, BSGE 117, 10-21, SozR 4-2500 § 13 Nr. 32, Rn. 10 ff – Lucentis, alle juris). Ärztliche "Behandlungsmethoden" im Sinne der GKV sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, dass sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und dass ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 23. Juli 1998 – B 1 KR 19/96 R –, BSGE 82, 233-238, SozR 3-2500 § 31 Nr 5, Rn. 9 - Jomol; vgl. BSG, Urteil vom 03. April 2001 – B 1 KR 22/00 R –, BSGE 88, 51-62, SozR 3-2500 § 27a Nr. 2, SozR 3-2500 § 135 Nr. 17, Rn. 21, mwN; BSG, Urteil vom 07. Mai 2013 – B 1 KR 44/12 R –, BSGE 113, 241-250, SozR 4-2500 § 13 Nr. 29, Rn. 15, mwN - hyperbarem Sauerstoff beim diabetischen Fußsyndrom -, alle juris). Eine Methode ist "neu", wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist (vgl. zum Merkmal "neu" BSG, Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 3/13 R –, BSGE 117, 1-10, SozR 4-2500 § 28 Nr.8, Rn. 1 - Goldinlays; BSG, Urteil vom 17. Februar 2010 – B 1 KR 10/09 R –, SozR 4-2500 § 27, Nr. 18 Rn. 21 mwN - Lagerung von Eierstockgewebe durch Kryokonservierung, alle juris). Zudem gelten als "neue” Methoden oder Methodenteile solche Leistungen, die zwar als ärztliche Leistungen im EBM-Ä aufgeführt sind, deren Indikation aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 –, BSGE 81, 54-73, SozR 3-2500 § 135 Nr. 4, mwN – immunbiologische Therapie; BSG, Urteil vom 04. April 2006 – B 1 KR 12/05 R –, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8 Rn. 20 mwN, - interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds alle juris). Erschöpft sich dagegen eine Behandlungsmethode in der Anwendung eines für die betreffende Indikation arzneimittelrechtlich zugelassenen neuartigen Fertigarzneimittels, bedarf sie keiner Empfehlung des G-BA, weil sie kraft der arzneimittelrechtlichen Zulassung als Leistungsbestandteil der GKV gilt (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2000 – B 1 KR 11/98 R –, BSGE 86, 54-66, SozR 3-2500 § 135 Nr. 14, - autologe Tumorvakzine -, juris). Therapieinnovationen, die durch die Ausgestaltung des EBM-Ä bereits erfasst sind, bedürfen nicht erst einer Empfehlung des G-BA, sondern sind ohne weiteres Teil des Leistungskatalogs, soweit sie den Qualitätsanforderungen der GKV genügen. Dies gilt auch für Innovationen, die sich bei gleicher Applikationsform auf die Gabe neu zugelassener Fertigarzneimittel im Indikationsbereich beschränken (vgl. zum Ganzen Hauck, NZS 2007, 461, 463). So liegt es hier. Die Applikation von Arzneimitteln durch Injektionen in den menschlichen Körper ist als wissenschaftliches Konzept schon lange bekannt und als solche im EBM-Ä abgebildet (Pharmakotherapie; vgl. generell BSG, Urteil vom 02. September 2014 – B 1 KR 11/13 R –, BSGE 117, 10-21, SozR 4-2500 § 13 Nr. 32, Rn. 21 - intravitreale Injektion; BSG, Urteil vom 13. Dezember 2016 – B 1 KR 1/16 R –, BSGE 122, 170-181, SozR 4-2500 § 31 Nr. 28, Rn. 17 – 25,- Immunglobulininfusion -,alle juris). Das Botox® verfügt aber weder über eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die betroffene Indikation, noch besteht - wie dargelegt - Anspruch auf seine Gabe außerhalb der Indikation, für die die arzneimittelrechtliche Zulassung besteht. In dem Gesetzentwurf (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV-VStG, BT-Drucks 17/6906 S. 53) verwies der Gesetzgeber darauf, dass die Rechtsprechung des BSG zur Leistungspflicht der GKV für nicht oder nicht in der betreffenden Indikation zugelassene Arzneimittel durch die Einfügung eines Abs. 1a unberührt bleiben solle und nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungskonform sei. Danach ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer Leistung im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V mit den Anforderungen des Arzneimittelrechts verknüpft und deshalb verneint wird, weil das Arzneimittel nicht oder noch nicht zugelassen ist. Mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung verfügen die Krankenkassen über ein eindeutiges und zugängliches Kriterium bei der Entscheidung über die Verordnungsfähigkeit von pharmazeutischen Produkten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 05. März 1997 – 1 BvR 1071/95 –, juris). Denn das Arzneimittelrecht schließt neben der Unbedenklichkeit auch die Prüfung der Qualität und der Wirksamkeit des jeweiligen Arzneimittels mit ein (§ 1 Arzneimittelgesetz (AMG) - entsprechend auch die Erwägungsgründe Nr. 14, 17, 19 der VO (EG) Nr. 726/2004 - Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln -). Vor Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist es deshalb nicht zu beanstanden, wenn das BSG die Leistungspflicht der GKV für einen zulassungsübergreifenden Einsatz von Arzneimitteln an engere Voraussetzungen etwa in Bezug auf die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg knüpft (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Juni 2008 – 1 BvR 1665/07 –, Rn. 11, juris). Der Vorrang des Arzneimittelzulassungsrechts entspricht auch dem Zweck des SGB V als System der kollektiven Versorgung seiner Versicherten u. a. mit qualitativ hochwertigen, sicheren und wirksamen Arzneimitteln. Das allgemein geltende, dem Gesundheitsschutz dienende - hier allein maßgebliche - arzneimittelrechtliche Zulassungserfordernis des Gemeinschaftsrechts darf durch eine vermeintlich "großzügige", im Interesse des einzelnen Versicherten erfolgende richterrechtliche Zuerkennung von Ansprüchen auf Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel nicht faktisch systematisch unterlaufen und umgangen werden. Ein solches Vorgehen wäre nämlich sowohl mit einem inakzeptablen unkalkulierbaren Risiko etwaiger Gesundheitsschäden für den betroffenen Versicherten behaftet als auch mit einer nicht gerechtfertigten Ausweitung der Leistungspflicht zu Lasten der übrigen Versicherten verbunden. Solche Auswirkungen dürfen einer Versichertengemeinschaft nicht aufgebürdet werden, die die Behandlung - typischerweise unter Anwendung des Instruments der Versicherungspflicht, also zwangsweise – finanziert. Eine Ausweitung der Ansprüche der Versicherten der GKV auf Arzneimittel, die deutschen arzneimittelrechtlichen Zulassungsstandards nicht genügen, muss auf eng umgrenzte Sachverhalte mit notstandsähnlichem Charakter begrenzt bleiben (zu Avastin® bei Glioblastomen: BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 36/17 R –, Rn. 17, juris, m. w. N.). II. Die Klägerin hat dagegen Anspruch auf die Erstattung der Kosten der Botox®-Behandlung in 2016 aus § 13 Abs. 3a Satz 6 und 7 SGB V (in der seit dem 26.02.2013 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRVerbG&707; vom 20.2.2013, BGBl I 277). Nach § 13 Abs. 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt. Die von der Klägerin beantragte Botox®-Behandlung in 2016 gilt als von der Beklagten genehmigt. Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs. 3a Satz 6 und 7 SGB V ist eröffnet. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.02.2013 stellen. Die Klägerin stellte am 22.03.2016 bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer künftig zu leistenden Botox®-Behandlung. Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn die Klägerin verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern Erstattung für eine selbstbeschaffte Krankenbehandlung (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 25/15 R –, BSGE 121, 40-49, SozR 4-2500 § 13 Nr. 33, Rn. 11, juris). Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V). Gilt eine beantragte Leistung als genehmigt, erwächst dem Antragsteller hieraus ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R –, BSGE 123, 293-302, SozR 4-2500 § 13 Nr. 36, Rn. 12, juris). Ein solcher Anspruch auf Leistung, den ein Versicherter aufgrund fingierter Genehmigung erlangt, gehört zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2017 – B 1 KR 24/17 R –, BSGE 124, 251-266, SozR 4-2500 § 13 Nr. 39, juris). Die von der Klägerin beantragte Botox®-Behandlung gilt in diesem Sinne wegen Fristablaufs als genehmigt. Die leistungsberechtigte Klägerin stellte bei der Beklagten am 22.03.2016 einen hinreichend bestimmten Antrag auf Leistung von Botox® zur Behandlung ihrer Hyperhidrosis palmaris. Die Beklagte beschied den Antrag aber nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Wochen (§ 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 2 SGB V), die aufgrund der Mitteilung der MDK-Begutachtung an die Klägerin lief (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Die Klägerin durfte die Leistung für erforderlich halten. Sie lag auch nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV. Die Fünf-Wochen-Frist bei Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme, insbesondere des MDK, ist maßgeblich, da die Klägerin durch die Beklagte von der Einholung der gutachtlichen Stellungnahme unterrichtet wurde. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 08.04.2016, also innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang (Ablauf: 12.04.2016) darüber informiert, dass sie eine Stellungnahme des MDK einholen will (vgl. § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Maßgeblich ist - wie im Falle der Entscheidung durch einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt - der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller, nicht jener der behördeninternen Entscheidung über die Information (vgl. §§ 39, 37 SGB X; BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 1/18 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr. 42, Rn. 28, juris; BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 20/18 R –, Rn. 28, juris). Nach diesen Grundsätzen begann die Frist am Mittwoch, dem 23.03.2016 (§ 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB) zu laufen. Denn der maßgebliche Antrag der Klägerin ging der Beklagten am Dienstag, dem 22.03.2016 zu. Die Frist endete am 26.04.2016 (§ 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB). Nach dem aufgezeigten Regelungssystem galt die gesetzliche Fünf-Wochen-Frist (vgl. § 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 2 SGB V). Die Beklagte informierte die Klägerin innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang darüber, dass sie eine Stellungnahme des MDK einholen wolle (vgl. § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V). Die Beklagte beschied den Antrag nicht bis zum Fristablauf am 26.04.2016, sondern erst später mit Erlass des Bescheides vom 29.04.2016, mit telefonischer Vorabinformation am 29.04.2016. Die gesetzliche Frist verlängerte sich nicht dadurch, dass ein Mitarbeiter der Beklagten die Klägerin (auf deren Nachfrage hin) am 12.04.2016 telefonisch über die voraussichtliche und auch taggenau bestimmte Dauer der Fristüberschreitung jenseits der Fünf-Wochen-Frist informierte. Das Telefonat ist rechtlich unerheblich. Denn § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V verlangt eine schriftliche Mitteilung als Voraussetzung einer wirksamen Fristverlängerung (BSG, Urteil vom 07. November 2017 – B 1 KR 7/17 R –, Rn. 30, juris). Die nur telefonische Mitteilung des hinreichenden Grundes und der prognostizierten Dauer der Fristüberschreitung erfüllt nicht die vorgeschriebene Schriftform. Die Nichtbeachtung dieser Form hat die Nichtigkeit (Unwirksamkeit, siehe § 39 Abs. 3 SGB X) der telefonischen Mitteilung, die nach ihrer Wirkung (Frist-"Verlängerung") rechtsgeschäftlichen Charakter hat, zur Folge (§ 125 Satz 1 BGB; BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R –, BSGE 123, 293-302, SozR 4-2500 § 13 Nr. 36, Rn. 33, juris; KassKomm/Schifferdecker, 103. EL März 2019, SGB V § 13 Rn. 127; Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 03/19, § 13 SGB V, Rn. 58j). Folglich hat die Beklagte die Fünf-Wochen-Frist mit dem Telefonat nicht wirksam verlängert gemäß § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V, so dass das sich aus dem Antrag ergebende Begehren kraft Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V), in einen Anspruch auf Naturalleistung erwachsen ist, weil die Beklagte der Klägerin vor Ablauf der Fünf-Wochen-Frist am 26.04.2016 keine Entscheidung zur Sache bekanntgegeben hat (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 1/18 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr. 42, Rn. 29, juris). Der Antrag betraf auch eine Leistung, die die Klägerin subjektiv für geeignet und erforderlich halten durfte, ohne Einzelheiten zu den Voraussetzungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung der Anwendungsgebiete von Botox® wissen zu müssen, weil bisherige Therapieversuche fehlschlugen und ihr behandelnder Arzt sie fachlich befürwortete (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr. 37, Rn. 22, juris). Zudem hat die Beklagte selbst (und das SG) medizinisch ermittelt und ein Gutachten zur Frage des Off-Label-Use von Botox® eingeholt (BSG, Urteil vom 06. November 2018 – B 1 KR 20/17 R –, SozR 4 (vorgesehen), Rn. 19, juris). Vor diesem Hintergrund liegt in der Inanspruchnahme der Leistung auch kein Rechtsmissbrauch, weil hier keine Leistungsgrenze des GKV-Leistungskatalogs vorgelegen hat, die jedem Versicherten klar sein musste (BSG, Urteil vom 06. November 2018 – B 1 KR 20/17 R –, Rn. 17, juris). Denn der Botox®-Behandlung mangelte es nicht grundsätzlich an der arzneimittelrechtlichen Zulassung, sondern lediglich bezogen auf die Indikation der Hyperhidriose palmaris. Die Anwendung von Botox® als Off-Label-Use (auch unter den Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V) galt es hier aber gerade zu klären (vgl. BSG, Urteil vom 26. Februar 2019 – B 1 KR 24 /18 R –, Rn. 21, juris). Als Sanktionsnorm ordnet § 13 Abs. 3a SGB V die Fiktion der Genehmigung an und nimmt damit bewusst in Kauf, dass die Rechtsauffassung der Klägerin nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn die Klägerin auf diese objektiv ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat (vgl. die Ausführungen des Senats oben unter I ...; ferner BSG, Urteil vom 06. November 2018 – B 1 KR 13/17 R –, Rn. 21, juris).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

III. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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