L 1 KR 82/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 3 KR 668/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 82/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 37/19
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für die Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftführer die Rechtsmacht hat, unliebsame Weisungen der Gesellschafterversammlung abzuwenden, kann sich dieser nicht darauf berufen, dass er bei weisungswidrigem Verhalten aufgrund eines Sonderrechts nicht ohne weiteres als Geschäftführer abberufen werden könnte.
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 18. Januar 2017 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger zu 1 aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2 in der Zeit ab 12.02.2015 der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

Die Klägerin zu 2 wurde durch notariellen Vertrag vom 12.02.2015 gegründet und am 19.02.2015 im Handelsregister eingetragen (Amtsgericht A ... HRB.). Gegenstand des Unternehmens sind die Beratung, Planung und der Vertrieb von EDV-Infrastruktur sowie Service- und Dienstleistungen für Zahnarztpraxen und andere medizinische Einrichtungen, soweit dies keiner Erlaubnis bedarf. Vom Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 25.000,00 EUR halten die Z ... GmbH 12.750,00 EUR (51 Prozent) und der Kläger zu 1 12.250,00 EUR (49 Prozent).

Nach § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages hat die Gesellschaft einen oder mehrere Geschäftsführer, die von der Gesellschafterversammlung bestellt oder abberufen werden. Dem Kläger zu 1 ist in § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages das Sonderrecht eingeräumt, für die Dauer seiner Beteiligung einzelvertretungsberechtigter, von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiter Geschäftsführer zu sein oder einen solchen zu benennen. Geschäftsführer bedürfen nach § 13 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages für Handlungen, die über den gewöhnlichen Umfang des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft hinausgehen, sowie den unter Zustimmungsvorbehalt gestellten Handlungen der vorherigen Zustimmung der Gesellschafter aufgrund eines mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefassten Beschlusses. Nach § 14 Abs. 2 werden die Gesellschafterbeschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit Gesetz oder Gesellschaftsvertrag nicht eine größere Mehrheit vorsehen, wie etwa in Abs. 3, der die Beschlüsse benennt, die einer Mehrheit von 75 Prozent der Stimmenbedürfen (u.a. Änderung des Gesellschaftsvertrages und Abschluss des Anstellungsvertrages mit Geschäftsführern). Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom selben Tag wurde der Kläger zu 1 zum Geschäftsführer bestellt.

Der Kläger zu 1 verpflichtete sich im "Geschäftsführervertrag " vom 23.02.2015 gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages (Satzung), soweit vorhanden, der Geschäftsordnung der Geschäftsführung in ihrer jeweils gültigen Fassung und dieses Anstellungsvertrages zu führen; gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 hat er den Weisungen Folge zu leisten, die ihm aufgrund Beschlusses der Gesellschafter von diesen erteilt würden. Nach § 3 Abs. 3 des Vertrages unterliegt er hinsichtlich Zeit, Ort und Ausführung seiner Tätigkeit keinen Weisungen. Jegliche Nebentätigkeit ist ihm untersagt (§ 4 Abs. 1). Als Vergütung erhält er ein festes Jahresgehalt, zahlbar in zwölf monatlichen Raten nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben, mit dem die gesamte Tätigkeit abgegolten ist (§ 5 Abs. 1 und Abs. 2). Zusätzlich erhält er ein Gewinntantieme (§ 5 Abs. 4 ff.). Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages verpflichtete sich die Klägerin zu 2 die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu zahlen, soweit der Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig ist. Im Falle der Erkrankung oder sonstiger unverschuldeter Dienstverhinderung werden die Bezüge für die Dauer von drei Monaten fortgezahlt (§ 9 Abs. 1). Dem Kläger zu 1 steht bezahlter Erholungsurlaub von 25 Werktagen zu, der mit einer von der Gesellschaft zu benennender Person, auf jeden Fall aber mit Mitgeschäftsführern abzustimmen ist und der Kläger zu 1 hat den Gesellschaftern und Mitgeschäftsführern mitzuteilen, wie er im Urlaub kurzfristig erreichbar ist (§ 11 Abs. 1).

Am 25.02.2015 beantragte der Kläger zu 1 bei der Beklagten unter Vorlage des Gesellschaftsvertrages und seines Geschäftsführervertrages die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gemäß § 7a Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin zu 2 ab 12.02.2015. Darüber hinaus gab er u.a. an, von der Vergütung, die als Betriebsausgabe verbucht werde, werde Lohnsteuer entrichtet.

Nach vorheriger Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 16.04.2015 fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1 als Gesellschafter bei der Klägerin zu 2 seit dem 12.02.2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde, so dass Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Aufgrund des Kapitaleinsatzes von 49 Prozent des Gesamtkapitals und dem daraus resultierenden Stimmrechtsanteil sei es dem Kläger zu 1 nicht möglich, die Geschicke der Firma maßgeblich zu beeinflussen. Zwar könne er Beschlüsse nach § 13 Abs. 4 und 5, § 14 Abs. 2 und § 19 Abs. 1 der Satzung verhindern, jedoch liege keine umfassende Sperrminorität vor, die auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft Anwendung finde. So sei er nicht in der Lage, sich gegenüber Weisungen in Bezug auf Zeit, Ort und Dauer seiner Geschäftsführertätigkeit, die ihm nicht genehm seien, zur Wehr zu setzen. Durch Fernbleiben von Gesellschafterversammlungen könne er Beschlüsse lediglich verzögern, nicht aber verhindern.

Gegen diese Bescheide legten beide Kläger am 19.05.2015 Widerspruch ein. Der Kläger zu 1 verfüge mit 49 Prozent Kapitalanteil über hinreichende Einflussmöglichkeiten, soweit für Gesellschafterbeschlüsse eine Mehrheit von 75 Prozent der Anteile erforderlich sei. Sein wirtschaftliches Risiko sei nicht hinreichend berücksichtigt und als Dreh- und Angelpunkt des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft sei er "Kopf- und Seele" der Klägerin zu 2.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 28.10.2015 wies die Beklagte die Widersprüche zurück, weil es darauf ankomme, auch im Konfliktfall die Rechtsmacht zu besitzen, unliebsame Weisungen abwenden zu können. Eine Sperrminorität, die auf bestimmte Bereiche beschränkt sei, schließe die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses gerade nicht aus. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung komme es gegenüber den bindenden Regelungen des Gesellschaftsvertrages bzw. ergänzend des Anstellungsvertrages nicht darauf an, ob der Geschäftsführer "Kopf und Seele" des Betriebes sei, da der Kläger zu 1 kraft seines Anteils am Stammkapital keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben könne.

Dagegen haben die Kläger am 30.11.2015 beim Sozialgericht Leipzig Klage erhoben. Zur Begründung hat die Prozessbevollmächtigte das bisherige Vorbringen wiederholt und zusätzlich ausgeführt, der Kläger zu 1 verfüge bei der Klägerin zu 2 als einzige Person über das alleinige Fachwissen, das zur Umsetzung des Unternehmensgegenstandes erforderlich sei. Die Klägerin zu 2 sei vollkommen abhängig von der Beratungstätigkeit des Klägers zu 1, so dass seine Tätigkeit direkt und unmittelbar mit dem unternehmerischen Risiko und zugleich Erfolg der Gesellschaft verknüpft sei. Tatsächlich bestimme der Kläger zu 1 Arbeitszeit und Arbeitsort völlig frei und selbständig und zumindest teilweise sei seine Vergütung vom wirtschaftlichen Ergebnis der Klägerin zu 2 abhängig. Zudem sei der Kläger zu 1 aufgrund des ihm zustehenden Sonderrechts auf Geschäftsführung und der nicht abänderbaren Einzelvertretungsbefugnis von den Weisungen der Gesellschafterversammlung letztlich unabhängig. Es bestehe keine Gefahr, dass er – ohne wichtigen Grund – von der Gesellschafterversammlung abberufen werde. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Mit Beschluss vom 10.02.2016 sind die Bundesagentur für Arbeit und die AOK Plus zum Verfahren beigeladen worden.

Mit Urteil vom 18. Januar 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Vorliegend überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung. Der Anstellungsvertrag habe mit seinen typischen Arbeitnehmerrechten und -pflichten ein " Arbeitsverhältnis" i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV zum Gegenstand. Die freie Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort stehe der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen, sondern sei gerade für leitende Angestellte typisch. Gewichtiges, gegen eine selbständige Tätigkeit sprechendes Indiz sei, dass der Kläger zu 1 kein wesentlich ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko trage. Denn er setze die eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg ein, sondern erhalte eine monatlich gleichbleibende Vergütung. Nichts anderes ergebe sich aus seiner Funktion innerhalb der Gesellschaft. Er besitze als Gesellschafter-Geschäfts¬führer nicht allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Da die Gesellschafterbeschlüsse nach § 14 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst würden, besitze der Kläger zu 1 mit einem Anteil von 49 Prozent am Stammkapital weder allein Einfluss auf die Willensbildung in der GmbH noch eine Sperrminorität. Einschränkungen sehe der Gesellschaftsvertrag nur in § 13 Abs. 4 und 5, § 14 Abs. 3 vor, soweit eine Mehrheit von 75 Prozent der abgegebenen Stimmen bei über den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens hinausgehenden Maßnahmen erforderlich sei. Dies sei aber von der hier entscheidenden Frage, ob er sich Weisungen des Auftraggebers entziehen könne (laufende Geschäfte), zu unterscheiden, so dass diese Einschränkung keine abweichende Beurteilung begründen könne, ebenso wenig das ihm eingeräumte Sonderrecht auf Geschäftsführung. Denn auch dies könne den Einfluss auf die Willensbildung in der Gesellschaft nicht verändern. Ob er als Geschäftsführer mangels drohender Sanktionen kraft Sonderrechts Gesellschafterbeschlüsse torpedieren könnte, könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung, die in diesem Zusammenhang nur auf tatsächliche Verhältnisses abstelle, soweit sie rechtlich zulässig seien, nicht maßgeblich sein.

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 01.02.2017 zugestellte Urteil haben die Kläger am 20.02.2017 beim Sächsischen Landessozialgericht Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen. Die Prozessbevollmächtigte trägt ergänzend u.a. vor, dem Kläger zu 1 stehe es zu, Weisungen an ihn als Geschäftsführer zu verhindern, die er als Fremdgeschäftsführer nicht abwehren könnte. Insbesondere sei eine Änderung des Gesellschaftsvertrages ohne sein Einverständnis nicht möglich, auch nicht in Bezug auf das Sonderrecht für die Dauer seiner Beteiligung. Er könne seine Abberufung als Geschäftsführer gegen seinen Willen verhindern. Hier werde der Minderheitsgesellschafter mit Sonderrecht auf Geschäftsführung so gestellt, als wenn er beherrschenden Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Gesellschafterversammlung habe, und er stehe daher nicht anders, als wenn der beherrschende Einfluss aus der Verteilung der Mehrheitsverhältnisse abgeleitet werde. Aufgrund des Sonderrechts habe der Kläger zu 1 keine Sanktionen der Mitgesellschafter zu befürchten, wenn er Weisungen, die ihm nicht genehm seien, nicht umsetze oder diesen zuwider handele. Die Revision sei zuzulassen, weil die Konstellation mit einem solchen Sonderrecht des Minderheitsgesellschafters bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden sei.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Leizpzig vom 18.01.2017 und die Bescheide der Beklagten vom 16.04.2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28.10.2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 1 im Rahmen der bei der Klägerin zu 2 ausgeübten Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt und

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und führt u.a. aus, Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Sperrminorität, die nicht auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft Anwendung findet, sei nicht in der Lage sich gegenüber Weisungen der Mehrheit in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort seiner Geschäftsführertätigkeit, die ihm nicht genehm seien, zur Wehr zu setzen. Der Kläger zu 1 könne Weisungen nicht jederzeit abwenden. Dem stehe nicht entgegen, dass er über eine Sperrminorität bezüglich seiner Abberufung verfüge. Tatsächlich bleibe eine Abberufung aus wichtigem Grund weiterhin möglich, wenn eine grobe Pflichtverletzung aufgrund einer vorsätzlichen oder wiederholten Missachtung von Weisungen der Gesellschafterversammlung vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Band Bl. 1-71) verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann gemäß § 155 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch die Berichterstatterin als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die Berufung der Kläger ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden, aber unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die Bescheide der Beklagten vom 16.04.2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28.10.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger zu 1 ist in seiner ab 12.02.2015 für die Klägerin zu 2 ausgeübten Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung grundsätzlich der Versicherungspflicht (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI] und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), in der insoweit seit 01.01.1999 unverändert geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. 2000 I S. 2).

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1); Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 11.11.2015 – B 12 KR 13/14 R – juris Rn. 18 m.w.N.), welcher der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden.

Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG, Urteile vom 29.08.2012 – B 1 KR 25/10 – Rn. 16 und vom 30.04.2013 – B 12 KR 19/11 R –Rn. 14 jeweils m.w.N.; s.a. SächsLSG, Urteil vom 04.03.2014 – L 1 KR 9/11 – Rn. 34, alle juris).

Die dargestellten Grundsätze sind auch hier anzuwenden, denn der Kläger zu 1 war im streitigen Zeitraum und in Bezug auf die streitige Tätigkeit nicht in seinen eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw. Unternehmensinhaberin war die Klägerin zu 2, die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinter stehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 1 KR 25/10 – juris Rn. 18). In diesen Fällen erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung seit jeher nur dann den Status als Selbstständiger an, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft hält, mit denen zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl. BSG, Urteile vom 29.08.2012, a.a.O., Rn. 25, vom 30.04.2013, a.a.O., Rn. 16 und vom 03.04.2014 – B 2 U 26/12 R – Rn. 16 jeweils m.w.N.; s.a. Bundesarbeitsgericht &61531;BAG&61533;, Beschluss vom 17.09.2014 – 10 AZB 43/14 – Rn. 22 ff., alle juris).

Das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers zu 1 für die Klägerin zu 2 stellt sich als (abhängige) Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV dar.

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist zunächst der "Geschäftsführerdienstvertrag" vom 23.02.2015, der das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 ab 12.02.2015 bestimmt. Schon in § 1 Abs. 4 Satz 2 statuiert der Dienstvertrag selbst die Weisungsgebundenheit des Klägers zu 1 gegenüber den Beschlüssen der Gesellschafter, ohne dass insoweit ein Unterschied zwischen laufenden und außerordentlichen Geschäften der Gesellschaft gemacht wird. Der Kläger zu 1 ist als Geschäftsführer zwar umfassend zuständig, unterliegt aber Einschränkungen, sobald und soweit die Gesellschaft – vertreten durch die Gesellschafterversammlung – dies beschließt. Auch sonst überwiegen die für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer typischen Merkmale des Vertrages, nämlich die feste monatliche Vergütung, die Lohnfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall und die Untersagung einer Nebentätigkeit. Nach den eigenen Angaben wurde zudem das Geschäftsführergehalt als Betriebsausgabe der Klägerin zu 2 verbucht und – wie bei Arbeitnehmern üblich – Lohnsteuer abgeführt. Seinen Urlaub muss der Kläger zu 1 nach einem bestimmten Prozedere abstimmen und er muss sogar im Urlaub erreichbar sein. Die Regelung in § 3 Abs. 3 des Vertrages, wonach der Kläger zu 1 hinsichtlich Zeit, Ort und Ausführung seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterliege, führt nicht dazu, dass aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis eine selbstständige Tätigkeit würde. Zutreffend hat bereits das Sozialgericht festgestellt, dass diese Regelung für leitende Angestellte typisch ist. Schließlich sind die Vertragspartner des Geschäftsführervertrages nicht ohne weiteres davon ausgegangen, dass es sich um eine selbständige Beschäftigung handelt, sondern haben bei Vertragsschluss selbst in Betracht gezogen, dass die Beschäftigung des Klägers zu 1 der Sozialversicherungspflicht unterliegen könnte, wie die Regelungen zu den Sozialabgaben z.B. in § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages zeigen.

Diese arbeitsvertraglich begründete Eingliederung in einen fremden Betrieb wird durch die gesellschaftsrechtlichen Umstände im vorliegenden Fall nicht aufgehoben. Denn der Kläger zu 1 hat mit seiner Minderheitsbeteiligung an der Klägerin zu 2 nicht die Rechtsmacht, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafter, die seine Tätigkeit als Geschäftsführer betreffen, abzuwenden (st. Rechtspr.; vgl. auch BSG, Beschlüsse vom 17.01.2017 – B 12 R 31/16 B – und vom 17.03.2017 – B 12 R 44/16 B – beide juris).

Im Urteil vom 14.03.2018 – B 12 KR 13/17 R – hat das Bundessozialgericht ausdrücklich ausgeführt (Rn. 21 m.w.N.): "Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 vH der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ( echte oder qualifizierte ), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln."

So verhält es sich hier: der Kläger zu 1 kann nur in Bezug auf unternehmerische Entscheidungen der Gesellschaft, die nach dem Gesellschaftsvertrag einer 75-prozentigen Mehrheit bedürfen, Beschlüsse verhindern. In allen anderen Angelegenheiten, einschließlich der ihm als Geschäftsführer im Konfliktfall durch Beschluss der Gesellschaft erteilten Weisungen, genügt gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages die einfache Mehrheit, die die Mehrheitsgesellschafterin z ... GmbH allein bereitstellt. Der Kläger zu 1 kann somit auch als Gesellschafter nicht verhindern, dass die Mehrheitsgesellschafterin ihm Weisungen erteilt, die zu befolgen er vertraglich und von Gesetzes wegen verpflichtet ist. Das ihm in § 13 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages eingeräumte Sonderrecht ändert daran nichts; insbesondere ist vertragswidriges Verhalten des Klägers zu 1 für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seines Beschäftigungsverhältnisses irrelevant. Ob und wann der Kläger zu 1 seine Abberufung zu befürchten hätte bzw. ob und unter welchen Voraussetzungen diese trotz des gesellschaftsvertraglich bestehenden Sonderrechts zulässig und rechtlich möglich wäre, ist angesichts der schon arbeitsvertraglich vereinbarten Weisungsunterworfenheit nicht entscheidend. Schließlich kann der Kläger zu 1 als Geschäftsführer nicht in Bezug auf alle Belange des Unternehmers der Klägerin zu 2 schalten und walten, wie er möchte, weil nach § 13 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages jedenfalls Handlungen, die über den gewöhnlichen Umfang des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft hinausgehen, sowie die unter Zustimmungsvorbehalt gestellten Handlungen einer mit einfacher Mehrheit beschlossenen, vorherigen Zustimmung bedürfen.

Der Senat schließt sich im Übrigen ergänzend aus eigener Überzeugung den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Legen mehrere Beteiligte Rechtsmittel ein, von denen einer – hier: der Kläger zu 1 – zum kostenrechtlich begünstigten Personenkreis des § 183 SGG gehört und ein anderer – hier: die Klägerin zu 2 – nicht, so richtet sich die Kostenentscheidung in dem Rechtszug für alle Beteiligten einheitlich nach § 193 SGG (vgl. BSG, Beschluss vom 29.05.2006 – B 2 U 391/05 B – juris Rn. 17).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

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Rechtskraft
Aus
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