L 6 U 2/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 97/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 U 2/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Nachweis einer wesentlichen Änderung nach Verstreichen der Genesungszeit bei einer Krebserkrankung im Rahmen einer Herabsetzung der MdE.
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 08.12.2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. auf 40 v.H. wegen der Folgen einer bei dem Kläger als Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK-Nr. 4104 BKV) anerkannten Krebserkrankung (Bronchialkarzinom).

Durch das Fachkrankenhaus Z ... wurde der Beklagten der Verdacht auf eine Berufskrankheit am 31.05.2008 angezeigt. Als Diagnose wurde ein Bronchialkarzinom bezeichnet, hingewiesen wurde auf eine Asbestexposition des Klägers als Walzwerker von 1962 bis 1991. Ausweislich der beigefügten Epikrise vom 02.06.2008 erfolgten bei dem Kläger eine Oberlappenresektion rechts am 05.05.2008 sowie eine Rethorakotomie rechts mit Mittellappenresektion nach postoperativem Pleuraerguss. Ausgeführt wurde, dass nach intensivmedizinischer Behandlung über zehn Tage und Feststellung einer zusätzlich bestehenden Herzinsuffizienz eine entsprechende Medikation eingeleitet wurde, ebenfalls wurde das Fortführen einer Thromboseprophylaxe empfohlen. Im Hinblick auf das Bronchialkarzinom im frühen Stadium sei eine weitere Therapie bei regelmäßiger Kontrolle in der Thoraxchirurgischen Fachambulanz nicht erforderlich. Zur weiteren Stabilisierung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit sei eine Anschlussheilbehandlung beantragt worden.

Nach einer Expositionsanalyse der Beklagten vom 10.07.2008, nach der in den Jahren von 1962 bis 1991 eine Asbestexposition im Umfang von 25,5 Faserjahren ermittelt wurde, erachtete Dr. Y ... in einer beratungsärztlichen Stellungnahme die Voraussetzungen einer BK-Nr. 4104 BKV als erfüllt, wobei er anmerkte, dass sich der Kläger in thoraxchirurgischer Betreuung befinde. In einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 29.09.2008 empfahl Dr. P ... die Anerkennung einer BK-Nr. 4104 ab 01.04.2008, die MdE wurde in dieser Stellungnahme mit 100 v.H. eingeschätzt.

Im Hinblick auf eine bei dem Kläger 1999 geäußerte Verdachtsdiagnose Rektumkarzinom führte Dr. Y ... in einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.12.2008 aus, dass diesbezüglich das Lungenkarzinom nicht als Rezidiv angesehen werden könne.

Mit Bescheid vom 17.12.2008 erkannte die Beklagte ein durch Asbest verursachtes Krebsleiden als BK-Nr. 4104 BKV an und bewilligte dem Kläger eine Rente nach einer MdE um 100 v.H. ab 02.04.2008. Berücksichtigt wurde bei der Bewertung der MdE: Durch Resektion des rechten Lungenober- und -mittellappens operativ entferntes Bronchialkarzinom des rechten Lungenoberlappens. Die Beklagte führte weiter aus: "Die Einstufung der MdE berücksichtigt neben der Einschränkung der Lungenfunktion auch die mit der Behandlung der Krankheit verbundenen besonderen Erschwernisse, solange noch kein stabiler Zustand in den Folgen der Berufskrankheit eingetreten ist. Während einer Genesungszeit von fünf Jahren ist die MdE wegen der mit der Krankheit verbundenen Umstände zunächst höher einzuschätzen, als es die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Funktionseinschränkungen allein rechtfertigen würden. Während dieser Zeit fließen in die MdE-Einschätzung die Belastung durch die Therapie, die Anpassung und Gewöhnung an den reduzierten Gesundheitszustand und die psychische Belastung durch die Rezidivgefahr ein. Nach dem Ablauf der Genesungszeit wird die MdE neu eingeschätzt. Dabei werden dann im Wesentlichen nur noch tatsächliche Funktionseinschränkungen berücksichtigt."

Als unabhängig von der Berufskrankheit erachtete die Beklagte die Gesundheitsstörungen: Zustand nach operativ entferntem Rektumkarzinom, chronisch obstruktive Bronchitis, chronisch koronare Herzkrankheit, hypertensive Herzkrankheit, arterielle Hypertonie, Mitral- und Aortenklappeninsuffizienz mit Vorhofflimmern, Diabetes mellitus Typ 2 mit diabetischer Nephropathie, Hyperlipoproteinämie, Hyperurikämie.

Vom 23.07.2008 bis zum 13.08.2008 befand sich der Kläger zur Anschlussheilbehandlung in der Rehaklinik Seebad X ... Nach dem Bericht vom 13.08.2008 gab der Kläger Belastungsdyspnoe an, er müsse sich beim Treppensteigen schon nach einer Treppe ausruhen oder hinsetzen. Im Hinblick auf Schmerzen wurde ausgeführt, dass diese bereits nachgelassen hätten, Analgetika würden schon länger nicht mehr eingenommen werden, ansonsten eher wegen Rückenschmerzen und Beinbeschwerden. Er spritze sich Fraxiparin, dies solle auf Tabletten umgestellt werden. Im Hinblick auf subjektive Einschränkungen der Aktivität/Partizipation wird ausgeführt, dass er alles allein machte, aber langsam. Die Eigenversorgung sei ohne Hilfestellung möglich. Mitgeteilt wurde ferner, dass der Kläger über seine Krankheit informiert sei und ein somatisches Krankheitsbild habe, er mache einen sehr gefassten Eindruck, die Krankheitsbewältigung sei jedoch noch nicht abgeschlossen. In der allgemeinen Sozialanamnese wurde im Hinblick auf die psychischen und sozialen Belastungen ausgeführt, dass außer der Tumorerkrankung weitere psychische und soziale Belastungen nicht eruierbar seien, wobei die jetzige Erkrankung ihn zeitweilig doch ganz schön "heruntergedrückt" hätte. Die durchgeführte psychosoziale/psychosomatische Diagnostik ergab, dass der Kläger unter der krankheitsbedingten Herabsetzung der Leistungsfähigkeit leide, als aktuelle Beschwerden wurden Angespanntheit, Grübelneigung und geringe Belastbarkeit benannt. Einer Verbesserung des Zustandes habe der Kläger zuversichtlich gegenüber gestanden, wobei er jedoch sehr ungeduldig mit der Tendenz, sich zu überfordern, gewirkt habe. Bezüglich der Krankheitsverarbeitung scheine der Kläger eine aktive, optimistische, informationssuchende Haltung eingenommen zu haben, im Gesprächsverlauf habe sich gezeigt, dass der Kläger auf konstruktive Bewältigungsstrategien zurückgreifen könne. Zum Ende der Behandlung sei noch eine recht deutliche Belastungsdyspnoe erkennbar gewesen, in psychischer Hinsicht habe der Kläger nachvollziehbar stabilisiert gewirkt. Insgesamt sei eine befriedigende Stabilisierung der Atemsituation verzeichnet worden mit deutlich verbliebener Belastungsdyspnoe. Wegen der Einzelheiten dieses Berichts wird Bezug genommen auf Blatt 200 bis 224 der Verwaltungsakte.

In der Zeit vom 29.09.2009 bis 26.10.2009 fand eine weitere Maßnahme der medizinischen Rehabilitation in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik für Berufskrankheiten W ... statt. Bei Aufnahme gab der Kläger Luftnot nach Ersteigen einer Treppenetage oder nach dem Gehen von ca. 1 km in der Ebene an, verstärkend bei feucht-nebliger Witterung. Es bestehe trockener Reizhusten ohne Auswurf, des Weiteren belastungsabhängige Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich mit Ausstrahlung in beide Beine und Parästhesien im linken Bein. Im Rahmen des stationären Heilverfahrens sei es zu einer guten Allgemeinerholung gekommen, die Atembeschwerden seien im Wesentlichen gleich geblieben. In den Blutgasanalysen hätten sich in Ruhe und unter Belastung keine Hinweise für eine Gasaustauschstörung gezeigt. Wegen der Einzelheiten des Berichts wird auf Blatt 346 bis 351 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Vor dem Hintergrund eines Streits über die Gewährung von Wohnungshilfe und die Versorgung mit einem Sauerstoffkonzentrator nahm am 12.03.2010 Dr. V ... (Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Facharzt für Arbeitsmedizin) beratungsärztlich Stellung. Bei dem Kläger hätten multiple gesundheitsgefährdende Noxen eingewirkt. Neben der Asbestexposition habe auch ein erheblicher Nikotinkonsum bestanden, der neben einer leichten chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung auch zu Arteriosklerose und Hypertonie sowie einer Herzerkrankung geführt habe. Daneben bestehe ein Diabetes mellitus und eine Gangstörung aufgrund einer Kleinhirnerkrankung. Das Bronchialkarzinom habe frühzeitig reseziert werden können, wobei der Verlauf durch eine Lungenvenenthrombose mit nachfolgendem Lungeninfarkt kompliziert gewesen sei. Dennoch sei nur eine leicht- bis allenfalls mittelgradige Ventilationsstörung nachweisbar ohne Sauerstoffmangel in Ruhe und bei körperlicher Belastung. Die Luftnot des Klägers sei mit sehr großer Wahrscheinlichkeit durch die kardiale Grunderkrankung und die Adipositas bedingt.

Nach einer Mitteilung der Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie U ... vom 11.02.2013, wonach aktuell bei dem Kläger kein Anhalt für ein Tumor-Rezidiv bestehe, veranlasste die Beklagte eine Begutachtung bei Prof. Dr. T ..., Facharzt für Arbeitsmedizin, Arzt für Sozialmedizin, Arzt für Umweltmedizin. In dem am 29.07.2013 erstatteten Gutachten führte der Sachverständige aus, dass der Kläger Hauptbeschwerden in den Beinen beim Laufen angegeben habe, diesbezüglich sei eine Diagnostik des Gefäßstatus in Planung. Im Ergebnis der Begutachtung wurde ein Zustand nach Lobektomie rechter Oberlappen wegen Bronchialkarzinom, Zustand nach Rethorakotomie rechts, Mittellappenresektion wegen Mittellappensyndrom im Jahr 2008, Hypertonie mit Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit mit Zustand nach PTCA 2007, Paroxysmales Vorhofflattern, Diabetes mellitus, hereditäre cerebelläre Ataxie, degenerative Wirbelsäulenerkrankung sowie Zustand nach Hemikolektomie links bei Rektumkarzinom 1999 diagnostiziert. Bei dem Kläger lägen multiple Erkrankungen vor, die zur Pflegebedürftigkeit geführt hätten, die anerkannte Berufskrankheit sei weder Ursache noch rechtlich wesentliche Mitursache für die Pflegebedürftigkeit. Die auf die Berufskrankheit zurückzuführenden Funktionseinschränkungen seien von den Folgen der anderen Erkrankungen zu trennen. Bei der Bewertung der MdE seien die objektivierbaren Funktionsausfälle einschließlich eventueller psychischer Belastungen einzubeziehen. Im Mai 2008 sei ein Bronchialkarzinom des Stadiums I B mit Lobektomie operiert worden, gegenwärtig lägen keine wesentlichen OP-Folgen vor, der Zwerchfellhochstand rechts sei mit Wahrscheinlichkeit auf die Operation zurückzuführen. Hinsichtlich der Strahlen- und Chemotherapie seien keine wesentlichen Folgen zuordenbar. Es liege eine geringe Restriktion und eine geringe Obstruktion vor, die Blutgase seien normal. Eine fortbestehende psychische Belastung gehe aus den Unterlagen und aus den Angaben des Versicherten nicht unmittelbar hervor. Es erfolge keine entsprechende psychotherapeutische Behandlung oder relevante Medikamentengabe. Vorgeschlagen wurde eine MdE um 40 v.H. nach Ablauf der fünf Jahre. Ein Vergleichsgutachten sei nicht durchgeführt worden, entsprechend des Falkensteiner Merkblattes sei nach fünf Jahren eine Begutachtung durchzuführen. Beim Bescheid über die Anerkennung einer BK sei entsprechend des Falkensteiner Merkblattes eine MdE um 100 v.H. aufgrund der bösartigen Erkrankung und der notwendigen Therapie gewährt worden. Nach fünf Jahren seien kein Rezidiv, keine wesentlichen Folgen der Chemo- und Radiotherapie und keine wesentlichen psychischen Belastungen festzustellen. Die Änderungen seien wesentlich. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 654 bis 671 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 06.08.2013 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Herabsetzung der Rente an. Die aufgrund der ärztlichen Befunde festgestellten Folgen des Versicherungsfalls würden nur noch eine MdE um 40 v.H. bedingen, Bezug genommen wurde auf das durch Prof. Dr. T ... am 29.07.2013 erstattete Gutachten.

Der Kläger ist der beabsichtigten Rentenherabsetzung mit Schreiben vom 26.08.2013 entgegengetreten, er sei mit dem Gutachten nicht einverstanden, notwendig sei eine Nachbegutachtung.

Mit Bescheid vom 10.09.2013 stellte die Beklagte die MdE für die Zeit ab 01.10.2013 auf 40 v.H. neu fest. Die dem Bescheid vom 17.12.2008 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich wesentlich geändert. Bei der Festsetzung der MdE seien auch die mit einer Tumortherapie verbundenen Beschwerden in der Genesungszeit berücksichtigt und die MdE wegen der besonderen Aspekte der Genesungszeit zunächst höher bewertet worden, als es aufgrund der reinen Funktionsbeeinträchtigung gerechtfertigt gewesen wäre. Seit mehr als fünf Jahren nach der erfolgten Operation sei kein Tumor-Rezidiv der Erkrankung der Lunge feststellbar gewesen, es sei daher eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes und des Heilungsprozesses eingetreten. Nach operativer Entfernung des Bronchialkarzinoms am rechten Oberlappen liege noch eine leichte Restriktion, eine geringe Obstruktion sowie ein Zwerchfellhochstand rechts vor. Die getroffene Entscheidung stütze sich auf das Gutachten von Prof. Dr. T ... vom 29.07.2013.

Diesen Bescheid griff der Kläger mit seinem Widerspruch vom 13.09.2013 an. Die Bewertung mit einer MdE um 40 v.H. liege am unteren Ende der MdE-Erfahrungswerte bei der heranzuziehenden Erkrankung in der Kategorie II. Hier werde eine MdE zwischen 40 und 70 v.H. vorgesehen. Es bestehe massive Atemnot und rasche Erschöpfbarkeit bereits bei geringer körperlicher Belastung. Zudem sei im Jahr 2012 aufgrund deutlich erhöhter Tumormarker die dringende Notwendigkeit der Durchführung einer Bronchoskopie bejaht worden, das Vorliegen von Rezidivfreiheit sei fraglich.

Nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen von der Fachärztin für Innere Medizin U ... sowie der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. S ... wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2014 zurück. Bei der Bewertung der MdE seien die in langjähriger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem medizinischen Schrifttum herausgebildeten Erfahrungssätze beachtet worden. Maßgeblich für die MdE-Einschätzung seien die verbliebenen funktionellen oder sonstigen Beeinträchtigungen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Folge der Berufskrankheit seien, sowie deren Auswirkungen auf die individuelle Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Widerspruchsbegründung führe zu keiner anderen Entscheidung. Nach fünf Jahren ohne Tumorrezidiv richte sich die MdE nach den konkreten Funktionsbeeinträchtigungen, wie diese im Gutachten von Prof. Dr. T ... festgestellt worden seien und eine MdE um 40 v.H. rechtfertigten.

Hiergegen hat der Kläger am 10.04.2014 Klage zum Sozialgericht Dresden (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass sich nach der einschlägigen Kommentarliteratur zu den MdE-Erfahrungswerten zwar grundsätzlich nach Ablauf von fünf Jahren eine "MdE-Breite" von 20 bis 100 v.H. ergebe. Da eine Lobektomie durchgeführt worden sei, liege die MdE nach den Erfahrungswerten jedoch bei mindestens 40 v.H. und könne bis zu 70 v.H. betragen. Es sei unverständlich, mit welcher Begründung die Beklagte bzw. der im Verwaltungsverfahren beauftragte Gutachter Prof. Dr. T ... im Gutachten von 29.07.2013 an der unteren Bewertungsgrenze verbleibend die MdE mit lediglich 40 v.H. bewertet habe. Störungen der Lungenfunktion und Schmerzen im Lungenbereich seien als Kriterien einer Höherbewertung der MdE beschrieben worden.

Das SG hat einen Befundbericht der Fachärztin U ... vom 22.07.2014 eingeholt und mit Gerichtsbescheid vom 08.12.2014 den Bescheid der Beklagten vom 10.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2014 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: "Der Bescheid der Beklagten vom 10.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2014 beschwert den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil er rechtswidrig ist. § 48 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ermächtigte die Beklagte nicht zur Abänderung des Bescheids vom 17.12.2008, weil eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die dem Erlass dieses Bescheids zu Grunde gelegen haben, nicht feststellbar ist. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die aus einer solchen Änderung für sich eine Ermächtigung herleiten will.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben oder abzuändern, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung durch Verschlimmerung oder durch Besserung in den Unfallfolgen eingetreten ist. Eine Verschlimmerung oder Besserung bedeutete nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur dann eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, wenn sich hierdurch der Grad der MdE um mehr als 5 v.H. senkt oder erhöht (BSGE 32, 245, 246; siehe jetzt: § 73 Abs. 3 Sozialgesetzbuch VII – SGB VII –). Ob eine wesentliche Änderung vorliegt, ist durch Vergleich der für die letzte bindend gewordene Feststellung maßgebenden Befunden mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Prüfung der Neufeststellung vorliegen. Maßgebend als Vergleichsgrundlage sind die Tatsachen, die für die Feststellung der Verletztenrente maßgeblich waren. Ob die MdE bei der Gewährung der Verletztenrente zu hoch angesetzt worden ist, ist dabei unerheblich.

Eine wesentliche Änderung der BK-bedingten Krankheitssymptome und daraus abzuleitenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers ist zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 17.12.2008 und dem Zeitpunkt des Erlasses des Abänderungsbescheids nicht ersichtlich.

Ohne dass eine medizinische Begutachtung durchgeführt worden war hatte die Beklagte offenbar ausgehend von den sogenannten "Falkensteiner Empfehlungen" (in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, M 4104, S. 29 ff) die Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. auf unbestimmte Zeit gewährt, da ein Bronchialkarzinom, das nach Ziff. 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung anerkennungsfähig ist, diagnostiziert wurde. Die konkreten Funktionseinschränkungen, die Grundlage der MdE-Einschätzung sind, wurden nicht ermittelt. Dieses Vorgehen hat zwangsläufig zur Folge, dass nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums, nach dem die Beklagte erstmals die konkreten Funktionseinschränkungen aufgrund der BK ermittelt, eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nur schwer nachzuweisen ist. Diese ist aber notwendig, um den bewilligenden Bescheid, mit dem eine Rente auf Dauer gewährt worden ist, mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder abändern zu können. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus § 48 SGB X als bundesgesetzlicher Norm, die im Geltungsrang über den lediglich verwaltungsinternen Richtlinien der Falkensteiner Empfehlungen steht.

Nach den Ausführungen von Prof. Dr. T ... Juli 2013 lagen zu diesem Zeitpunkt eine auf die BK zurück zu führende geringe Restriktion und Obstruktion mit durch die Operationen bedingtem Zwerchfellhochstand sowie eine hiervon unabhängige Belastungsdyspnoe vor. Hierbei stützte sich der Sachverständige auf Befunde aus Mai 2012 und Februar 2013, die bei antiobstruktiver Therapie erhoben wurden und verzichtete auf eine neue Lungenfunktionsprüfung. Dem stehen die Befunde der Anschlussbehandlung im August 2008 gegen über, wonach beim Kläger neben der Belastungsdyspnoe normale Atemexkursionen mit seitengleicher Belüftung, ein etwas höher stehendes Zwerchfell, eine mittelschwere Restriktion und eine mittelschwere relative Lungenüberblähung vorlagen. Eine mittelschwere Restriktion wurde dann auch im Januar 2014 wieder diagnostiziert.

Danach ist nicht erkennbar, dass sich die Befunde, die bei Ansetzung einer MdE von 100 v.H vorgelegen haben, auf Dauer wesentlich gebessert haben. Darüber hinaus kommt eine allein auf den Zeitablauf abstellende Herabsetzung der MdE rechtlich nicht in Betracht. Für eine Art "Risikozuschlag" oder "Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit ist in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen Ersteinschätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist. Erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Ebenso wie das allgemeine Rückfallrisiko eine pauschale Erhöhung nicht zu begründen vermag, sondern dies nur besondere Aspekte der Genesungszeit können, führt auch der bloße Ablauf einer bestimmten rückfallfreien Zeit in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht automatisch zu einer Herabsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (vgl. zur Heilungsbewährung durch Zeitablauf BSG, Urt. v. 22.6.2004 – B 2 U 14/03 RSozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Es bedarf vielmehr einer Besserung der zuvor der Bemessung zugrunde gelegten Funktionsbeeinträchtigungen bzw. besonderen Gesichtspunkte, die die Erwerbsfähigkeit beeinflussen, wie sie hier gerade nicht nachweisbar ist. Inwieweit in der gesetzlichen Unfallversicherung sowohl für die höhere Bewertung der MdE aufgrund typischer, die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Gesichtspunkte in der Genesungszeit bei rückfallträchtigen Erkrankungen als auch für die Herabsetzung und dabei zu berücksichtigende Zeiten gewisse Pauschalierungen möglich und angezeigt sind, ist eine Tatsachenfrage. Sie stellte sich aber nur, wenn erkennbar wäre, dass die Beklagte oder die hinzugezogenen Ärzte bei der Erstfestsetzung überhaupt von solchen Gesichtspunkten ausgegangen sind, die einer sachlichen Prüfung auf ihre Berechtigung als Inhalt dieser Tatsachenfrage zugänglich wären. Dies ist – wie dargelegt – nicht der Fall.

Da der letztlich der Beklagten obliegende Nachweis der wesentlichen Verbesserung der mit Bescheid vom 17.12.2008 anerkannten BK-Folgen (Bronchialkarzinom) nicht geführt ist, war der Klage stattzugeben."

Gegen den der Beklagten am 16.12.2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich ihre am 08.01.2015 beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegte Berufung. Das SG stütze seine Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R), wobei im Fall des Klägers eine wesentliche Änderung negiert werde. Dies könne nicht überzeugen. Das BSG habe klargestellt, dass eine Heilungsbewährung wie im sozialen Entschädigungsrecht oder im Schwerbehindertengesetz unter Beachtung des Begriffs der MdE nach § 56 Abs. SGB VII und der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht ausgeschlossen sei. Auch einer möglichen Pauschalierung habe das BSG nicht widersprochen. Im Interesse der Betroffenen bedürfe es einer solchen auch, damit diese z.B. nicht unnötig psychiatrische Untersuchungen über sich ergehen lassen müssten. Die zum Zeitpunkt der BSG-Entscheidung zur Krebserkrankungen fehlenden, allgemein anerkannten MdE-Tabellen für Bronchialkarzinome seien zwischenzeitlich in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit der "Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten – Falkensteiner Empfehlung" und deren Veröffentlichung im Februar 2011 aufgestellt worden. Danach werde nach erfolgreicher operativer Behandlung des Lungenkrebses die MdE für die ersten fünf Jahre mit 100 v.H. festgestellt. Mit dieser über die rein körperlichen Einschränkungen hinausgehenden Einstufung werde den typischen psychischen Folgen der Erkrankung Rechnung getragen. Nach einem Zeitraum von fünf Jahren ohne Wiederauftreten der Erkrankung sei die MdE individuell entsprechend dem Maß der verbliebenen Funktionseinschränkungen zwischen 20 v.H. und 100 v.H. festzusetzen. Entscheidend sei dabei nicht der Zeitablauf, sondern die wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne von § 48 SGB X. Da sich nach einer rezidivfreien Zeit von fünf Jahren regelmäßig eine Stabilisierung der psychischen Situation eingestellt habe, bedürfe eine höhere MdE wegen verbliebener psychischer Beeinträchtigung des Nachweises im Einzelfall durch fachlich versierte Gutachter. Zur weiteren Begründung hat die Beklagte auf den Bericht der Reha-Klinik Seebad X ... bezogen auf die Anschlussheilbehandlung vom 23.07.2008 bis zum 13.08.2008 abgestellt. Darin sei das Vorliegen psychischer Belastungen nachgewiesen worden. Damit seien typische, mit einer Tumorerkrankung einhergehende Beschwerden geschildert worden. Im Entlassungsbefund sei eine Stabilisierung in psychischer Hinsicht beschrieben worden, wobei davon auszugehen sei, dass dieser Prozess zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Zudem sei auf den Hinweis im Bescheid vom 17.12.2008 zu verweisen. In Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgericht sei nach Ablauf einer "Genesungszeit" die Herabsetzung der MdE zulässig, wenn aufgrund ärztlicher Begutachtung feststehe, dass sich die Rezidivgefahr gravierend reduziert habe und damit die komplexen, nicht nur somatischen, sondern gerade auch psychischen Erkrankungsfolgen und weiteren Belastungen nicht mehr so stark wie zu Beginn ins Gewicht fielen. Diesem Umstand sei Rechnung getragen worden. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. T ... vom 29.07.2013 sei die MdE zutreffend mit 40 v.H. bewertet worden.

Auf Antrag des Klägers haben im Berufungsverfahren am 30.04.2019 Dr. C ..., Internist/Kardiologe, sowie Dr. R ..., Internist/Pumologe, ein fachinternistisches Gutachten erstattet. Im Ergebnis der Begutachtung wurde der Kläger aufgrund der Erkrankungsfolgen seit Dezember 2008 als zu 100 % erwerbsunfähig bewertet. Zum Teil lägen auch Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit vor, die nicht im direkten Zusammenhang mit der anerkannten Berufskrankheit stünden, allerdings spielten diese lediglich eine untergeordnete Rolle. Zudem bestehe der hochgradige Verdacht auf ein Tumorrezidiv mit Fernmetastasen, was eine MdE um 100 v.H. impliziere. Im Rahmen des durch Prof. Dr. T ... erstatteten Gutachtens seien keine Belastungstests durchgeführt worden, mit denen sich die angegebenen Beschwerden hätten objektivieren lassen. Im Ergebnis der aktuellen Diagnostik lasse sich eine schwere Einschränkung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit objektivieren. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 106 bis 123 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beklagte hat eine durch Prof. Dr. Q ... am 17.07.2019 erstellte beratungsärztliche Stellungnahme zur Akte gereicht. In dieser Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass das primär bestehende Bronchialkarzinom durch Bilobektomie behandelt worden sei. Nach der Resektion habe sich keine weitere Therapie, wie z.B. Bestrahlung oder Chemotherapie, erforderlich gemacht. Nach den Falkensteiner Empfehlungen, die als Leitlinie auch für die Einschätzung der MdE aufzufassen seien, erfolge die Einschätzung der MdE mit 100 v.H.; diese Vorgehensweise beruhe auf der Tatsache, dass das Bronchialkarzinom ein prognostisch ungünstiger Tumortyp und die Überlebensrate besonders schlecht sei. Ganz allgemein stelle die Diagnose Bronchialkarzinom deshalb einen erheblichen Einschnitt in das Lebensgefühl dar, bei der Einschätzung von 100 v.H. werde dies auch als sogenannte "Krebsangst" mit berücksichtigt. Nach fünf Jahren erfolge dann eine Prüfung der Situation, wobei bei der Festlegung der MdE dann die Bemessung nach dem Ausmaß der entfernten Lungenteile, unter Berücksichtigung der Folgen von Behandlungsmaßnahmen wie Chemotherapie und Bestrahlung, sowie Folgen des operativen Eingriffes in Form von Narbenschmerzen oder intrapulmonalen Schwielenbildungen erfolge. Vorliegend seien zwei Lungenlappen entfernt worden. Für die Entfernung von einem Lungenlappen ergebe sich bezüglich der MdE ein Spielraum zwischen 40 und 70 v.H., bei der Entfernung von zwei Lappen wären 40 v.H. zu gering, reeller wäre eine Bewertung mit 50 bis 60 v.H.; bei Entfernung von mehreren Lappen, wie im vorliegenden Fall, würden die Grenze des Elastizitätsausgleiches erreicht und das Füllungsvermögen der Lunge und auch entsprechend die Vitalkapazität reduziert. Im vorliegenden Fall sei durch die Bilobektomie, also die Entfernung von zwei Lungenlappen, diese Situation erreicht worden. Postoperativ habe zum 22.09.2008 ein vermindertes Füllungsvolumen der Lunge bestanden, eine sogenannte restriktive Ventilationsstörung mit Verminderung der Vitalkapazität und der totalen Lungenkapazität. Diese Situation habe sich zwischen 2008 und 2019 nicht verändert. Die bei dem Kläger auch bestehende chronische obstruktive Bronchitis mit einer obstruktiven Ventilationsstörung bestehe unabhängig von der Berufskrankheit und sei bei der Bemessung der MdE nicht mit einzubeziehen. Die im Gerichtsbescheid des SG vom 08.12.2014 dargestellte Praxis der Bemessung der MdE anhand eines Verbesserungs- oder Verschlechterungsnachweises gehe an der geübten Praxis beim Bronchialkarzinom vorbei. Die im Falkensteiner Merkblatt gegebene Empfehlung sei für den Versicherten von Vorteil und sorge in der gegebenen "Krebssituation" wenigstens für materielle Sicherheit. Im Gutachten vom 30.04.2019 erfolge keine sichere Trennung zwischen der Berufskrankheit und ihren Folgen sowie den unabhängig davon bestehenden Erkrankungen. Die Falkensteiner Empfehlungen würden die Erfahrungswerte des Unfallversicherungsträgers und der Gutachter widerspiegeln. Wegen der Einzelheiten dieser Stellungnahme wird auf Blatt 132 bis 135 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beklagte hat auf der Grundlage dieser Stellungnahme im Wege eines Vergleiches angeboten, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. ab 01.10.2013 zu gewähren.

In der mündlichen Verhandlung am 16.10.2019 hat die Beklagte einen auf den 10.10.2019 datierten Bescheid zur Akte gereicht, wonach dem Kläger ab 01.10.2018 ein Rentenanspruch nach einer MdE um 100 v.H. aufgrund eines Rezidivs zustehe.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 08.12.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat das Vergleichsangebot der Beklagten nicht angenommen und auf die Ausführungen des Gutachters Dr. C ... Bezug genommen, diese seien überzeugend und schlüssig. Es sei nicht zu einer signifikanten Verbesserung gekommen, die eine Herabsetzung der MdE rechtfertigen würde.

Am 24.01.2019 hat der Kläger eine Verzögerungsrüge angebracht.

Dem Senat, der das Verfahren zum 01.07.2019 auf Grund der Änderung der gerichtlichen Geschäftsverteilung übernommen hat, liegen die Gerichtsakte beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- sowie fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 08.12.2014 den Bescheid der Beklagten vom 10.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2014 aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Aus der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 10.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2014 folgt im Rahmen der Anfechtungsklage dessen Aufhebung.

Es handelt sich vorliegend um eine Anfechtungsklage, bei der grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes bzw., wenn dieser eine auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogene Regelung trifft, auf die Rechtslage in diesem Zeitpunkt abzustellen ist (BSG, Urteil vom 19.12.2000 – B 2 U 49/99 R –, juris).

Die rechtliche Grundlage für den streitgegenständlichen Bescheid findet sich in § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wonach ein Verwaltungsakt (hier die Rentenbewilligung nach § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII – mit Bescheid vom 07.12.2008) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Diese Vorschrift wird für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung durch § 73 Abs. 3 SGB VII spezifisch ergänzt. Danach ist eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hinsichtlich der Feststellung der Höhe der MdE nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt.

Eine solche wesentliche Änderung lag in Bezug auf den Verwaltungsakt der Beklagten vom 17.12.2008, mit dem die Beklagte dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 100 v. H. auf unbestimmte Zeit bewilligte, nicht vor. Ob eine Änderung i.S. des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten ist, ist durch Vergleich der Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Verwaltungsaktes mit den zum Zeitpunkt des Erlasses des aufhebenden Verwaltungsaktes bestehenden Verhältnissen zu ermitteln. Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist jede Änderung des für die getroffene Regelung relevanten Sachverhalts. In Betracht kommen für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung insbesondere Änderungen im Gesundheitszustand des Betroffenen, wobei es zum einen auf die zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung tatsächlich bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse ankommt, die ursächlich auf dem Unfall beruhen. Diese sind mit den bestehenden unfallbedingten Gesundheitsverhältnissen zu vergleichen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides vorgelegen haben (BSG, Urteil vom 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R – juris, m.w.N.).

Die jeweils bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse kommen insbesondere in den medizinischen Gutachten zum Ausdruck, die über die Folgen des Versicherungsfalls zum Zeitpunkt der maßgeblichen Bewilligung und vor der Entscheidung über eine Aufhebung eingeholt worden sind (BSG, Urteil vom 13.02.2013 – B 2 U 25/11 R – juris, m.w.N.).

Bezogen auf den vorliegenden Fall ist ein solcher Vergleich praktisch unmöglich, weil dem Bescheid vom 17.12.2008 im Hinblick auf die MdE-Bewertung weder ein ärztliches Gutachten noch eine beratungsärztliche Stellungnahme oder eine sonst die MdE-Bewertung nachvollziehbar machende medizinische Bewertung aktenkundig ist. Allein die gewerbeärztliche Stellungnahme von Dr. P ... vom 29.09.2008, in der ohne nähere Begründung die MdE mit 100 v.H. bewertet wird, scheint danach Grundlage des Bescheides der Beklagten vom 17.12.2008 gewesen zu sein. Zwar ist unter Heranziehung der MdE-Erfahrungswerte diese Einschätzung grundsätzlich plausibel. Der Senat greift hier zurück auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seite 1101. Danach ist – unter Bezugnahme auf die Empfehlung von Borsch-Galetke, Arbeitsmedizinisches Kolloquium Bad Reichenhall 2001, H. 41, S. 61, 65 – die MdE bei therapierten, nicht kleinzelligen Bronchialkarzinomen unter der Voraussetzung einer vollständigen Lymphknotendissektion die MdE bis drei Jahre bei einer Erkrankung im Stadium I B in der TNM-Klassifikation P T2 N0 M0 mit 100 v.H. festzusetzen, für die Jahre drei bis fünf von 100 bis 70 v.H. und im Anschluss die MdE je nach therapiebezogenem Funktionsausfall zu bewerten. Allgemein wird jedoch in Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O., Seite 1100 f.) ausgeführt, dass zur Bemessung der MdE zahlreiche Vorschläge erbracht wurden. Erfahrungssätze, die den Anforderungen der Rechtsprechung genügten, lagen nicht vor. Einvernehmen bestand, dass bei Vorliegen eines nicht operablen oder metastasierenden Bronchialkarzinoms die MdE mit 100 v.H. zu bemessen war. Nach operativem Entfernen isolierter Lungenkarzinome (durch Lob- oder Pneumektomie) ist die MdE grundsätzlich entsprechend der objektiv nachweisbaren pulmokardialen Funktionseinbußen zu bewerten. Internistische und/oder psychische Folgen der Lungenkrebserkrankung sind gemäß fachärztlicher Begutachtung zu berücksichtigen. Die Gefahr der Metastasen-Aussaat darf – anders als im Versorgungsrecht während der Heilungsbewährung – nicht im Sinne einer "Risikoabgeltung" bemessen werden, bei Vorliegen von Metastasen ist die MdE neu einzuschätzen. Gleiches gilt für eine pauschale MdE-Bewertung während der Genesungszeit. Besondere Aspekte der Genesungszeit erlauben mehrere Abstufungen über einen längeren Zeitraum (vgl. für alles Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.).

Der Hinweis auf die Genesungszeit geht zurück auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dieses hat im Urteil vom 22.06.2004 (Az.: B 2 U 14/03 R) ausgeführt, dass bei zu Rezidiven neigenden Erkrankungen bei der Schätzung der MdE entsprechend den Verhältnissen des Einzelfalls ggf. bestehende besondere Aspekte der Genesungszeit wie das Vorliegen einer Dauertherapie, ein Schmerzsyndrom mit Schmerzmittelabhängigkeit, Anpassung und Gewöhnung an den ggf. reduzierten Allgemeinzustand, die notwendige Schonung zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes, psychische Beeinträchtigungen (Antriebsarmut, Hoffnungslosigkeit), soziale Anpassungsprobleme usw., die Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit haben, wie auch sonst bei der MdE-Bewertung zu berücksichtigen sind. Für eine Art "Risikozuschlag" oder "Gefährdungs-MdE" wegen der Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Entwicklung der Krankheit ist in der auf die verminderten Arbeitsmöglichkeiten bezogenen MdE-Schätzung in der gesetzlichen Unfallversicherung kein Raum, weil auf die Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und erst in Zukunft möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. Allerdings ist eine schon bestehende Rückfallgefahr, die bereits vor dem Eintritt des eigentlichen Rückfalls die Erwerbsfähigkeit mindert, bei der Bemessung der gegenwärtigen MdE zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die anderen genannten Aspekte und ist bei der MdE-Bewertung zu beachten (vgl. für alles BSG, Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R – juris).

Diesen – in Schönberger/Mehrtens/Valentin 2010 bzw. in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ausgeführten – Anforderungen wird die im Verwaltungsverfahren durchgeführte MdE-Bewertung in der gewerbeärztlichen Stellungnahme von Dr. P ... vom 29.09.2008 nicht gerecht. Insofern vermag der Senat schon nicht zu beurteilen, ob die Bewertung mit einer MdE um 100 v.H. anfänglich rechtmäßig oder rechtswidrig war. Dies kann vorliegend aber dahinstehen, da sich ein Besserungsnachweis, der die Herabsetzung der MdE von 100 v.H. auf 40 v.H. rechtfertigen könnte, dem Inhalt der Akte nicht entnehmen lässt.

Neben den in Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) genannten MdE-relevanten Aspekten (objektiv nachweisbare pulmokardiale Funktionseinbußen und ggf. vorhandene psychische Folgen der Lungenkrebserkrankung) sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch die Gesichtspunkte Vorliegen einer Dauertherapie, Schmerzsyndrom mit Schmerzmittelabhängigkeit, Anpassung und Gewöhnung an den ggf. reduzierten Allgemeinzustand, notwendige Schonung zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes und auch soziale Anpassungsprobleme bedeutsam. Wenn jedoch – wie im Fall des Klägers – nach der operativen Behandlung der Krebserkrankung weder eine Strahlen- noch eine Chemotherapie durchgeführt wurde, keine besonderen sozialen Anpassungsprobleme oder eine Gewöhnung an den ggf. reduzierten Allgemeinzustand herausgearbeitet wurden und auch eine überhaupt zur Schmerzmitteleinnahme führende Schmerzhaftigkeit im Reha-Bericht vom 13.08.2008 verneint wird – so dass erst recht von einer Schmerzmittelabhängigkeit keine Rede sein kann –, verbleibt allein der psychische Aspekt. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 17.12.2008 lag der Reha-Bericht vom 13.08.2008 in der Verwaltungsakte der Beklagten noch nicht vor. Soweit die Beklagte gleichwohl im gerichtlichen Verfahren auf diesen verweist und ausführt, dass daraus psychische Beeinträchtigung des Klägers abgeleitet werden könnten, ist dies nicht ausreichend für eine Herabsetzung der MdE von 100 v.H. auf 40 v.H., da im Reha-Bericht vom 13.08.2008 zwar ausgeführt wird, dass der Kläger unter der krankheitsbedingten Herabsetzung der Leistungsfähigkeit leidet und als aktuelle Beschwerden Angespanntheit, Grübelneigung und geringe Belastbarkeit benannt wurden. Zum Ende der Behandlung wirkte der Kläger in psychischer Hinsicht aber nachvollziehbar stabilisiert. Dementsprechend war bei dem Kläger im Hinblick auf die psychischen Beeinträchtigungen weder eine relevante begleitende Therapie notwendig, noch wurde überhaupt im Reha-Bericht vom 13.08.2008 eine Erkrankung aus dem psychiatrischen Behandlungsbereich diagnostiziert oder eine entsprechende Therapiebedürftigkeit festgestellt. Im Hinblick auf die unmittelbaren Beeinträchtigungen aufgrund der Entfernung von Lungenanteilen macht sich der Senat die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. Q ... vom 17.07.2019 zu Eigen. Diesbezüglich hat er ausdrücklich eine entscheidende lungenfunktionelle Änderung verneint. Soweit er darüber hinaus ausführt, dass die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit anhand eines Verbesserungs- oder Verschlechterungsnachweises an der geübten Praxis beim Bronchialkarzinom vorbeigeht und auf die Empfehlung im Falkensteiner Merkblatt abstellt, überzeugt dies den Senat nicht. In der Falkensteiner Empfehlung (Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten – Falkensteiner Empfehlung – herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung [DGUV] im Februar 2011) wird unter Nr. 8.5.4 (Seite 91) ausgeführt: Die MdE-Einschätzung bei Lungen- und Kehlkopfkarzinomen erfolgt entsprechend der Verhältnisse des Einzelfalles anhand der festgestellten Erkrankungsfolgen sowie ggf. bestehender besonderer Aspekte der Genesungszeit wie beispielsweise Dauertherapie, eines Schmerzsyndroms mit Schmerzmittelabhängigkeit, Anpassung und Gewöhnung an den ggf. reduzierten Allgemeinzustand, notwendiger Schonung zur Stabilisierung des Gesundheitszustandes und psychischer Beeinträchtigungen, sofern diese Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit haben. Ausdrücklich Bezug genommen wird auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.06.2004 (Az.: B 2 U 14/03 R). Wegen der bei einem Mesotheliom meist infausten Prognose kommt in der Regel nur eine MdE um 100 v.H. in Betracht. Zur BK-Nr. 4104 BKV wird ergänzend unter Punkt 8.5.5 (Falkensteiner Empfehlung Seite 92) ausgeführt: In der Bewertung sind neben den Folgen der operativen Therapie auch Bestrahlungsfolgen wie dermale Reaktionen, intrathorakale Verziehungen oder systemische Nebenwirkungen einzubeziehen. Dies gilt insbesondere auch für Nebenwirkungen von Chemotherapien mit gastrointestinalen Symptomen, Veränderungen des Blutbildes mit Infektneigungen, Polyneuropathien oder Kardiomyopathien. Psychosomatische Folgezustände wie reduziertes Allgemeinbefinden, reaktive Depression, z.B. aufgrund von Hoffnungslosigkeit in Folge Todeserwartung, Antriebsarmut, Schlaflosigkeit, soziale Adaptationsprobleme sowie ggf. Schmerzsyndrome mit Schmerzmittelabhängigkeit sind ebenfalls zu berücksichtigen. Die auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand basierende MdE-Tabelle der Falkensteiner Empfehlung ist im Anhang 13.6.2 beigefügt. Die Erstuntersuchung zur Erfassung der Krankheitsfolgen ist grundsätzlich in allen Stadien, mit Ausnahme von Stadium IV, bei dem wegen der infausten Prognose eine Untersuchung entfallen kann, nach Abschluss der Therapie- und Rehabilitationsmaßnahme zu empfehlen, auch wenn im Stadium I A momentan eine MdE in Höhe von in der Regel 80 v.H. und in den Stadien I B bis III B in Höhe von 100 v.H. für die ersten fünf Jahre aufgrund der Einbeziehung der psychischen Belastung durch die Prognose bzw. das Rezidivrisiko empfohlen wird. Für alle Stadien wird eine erste Nachbegutachtung spätestens vor Ablauf von fünf Jahren empfohlen. Die MdE orientiert sich ab diesen Zeitpunkten an den objektivierbaren Ausfällen und ggf. der weiterbestehenden psychischen Belastung. In begründeten Einzelfällen kann auch ein kürzeres Nachuntersuchungsintervall notwendig sein (vgl. für alles Falkensteiner Empfehlung, a.a.O., Seite 92 f.). Nach der in Bezug genommenen MdE-Tabelle im Anhang 13.6.2 (Falkensteiner Empfehlung, a.a.O., Seite 132) wird die MdE bei Lungenkarzinomen im Stadium I B bis fünf Jahre mit 100 v.H. bewertet, anschließend individuell von 20 v.H. bis 100 v.H. – Rezidivfreiheit vorausgesetzt. Für den Senat ergibt sich daraus entgegen den Bewertungen von Prof. Dr. Q ... in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 17.07.2019, dass die Festsetzung einer MdE um 100 v.H. weder zeitlich den Umfang von fünf Jahren nach Erkrankungsausbruch umfassen muss, noch dass die Festsetzung der MdE um 100 v.H. zwingend ist, vielmehr sind gerade die vom BSG bereits dargelegten Umstände im Einzelnen zu bewerten. An dieser Bewertung fehlt es vorliegend.

Wenn jedoch bezogen auf die zu beachtenden maßgeblichen Aspekte konkrete Änderungen nicht nachweisbar sind, verbietet sich – selbst bei rückschauender Betrachtung und dem Versuch, die anfängliche MdE-Bewertung nachzuvollziehen – die Annahme einer wesentlichen Änderung im Sinne von § 48 SGB X. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass die anfängliche und schnelle Festsetzung der MdE im Interesse des Klägers lag und auch der grundsätzlichen MdE-Bewertung der später veröffentlichten Falkensteiner Empfehlung (a.a.O.) entspricht. Dies entbindet die Beklagte aber nicht von der Pflicht, in Fällen der Genesungszeit die MdE einzelfallbezogen festzustellen. Auch der Hinweis der Beklagten auf die übliche Verfahrensweise bei Bronchialkarzinom-Erkrankungen und der Verweis auf die schnelle Durchführung des primären Verwaltungsverfahrens rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die Beklagte wäre hier durchaus auch in der Lage gewesen, zunächst eine Rente als vorläufige Entschädigung zu gewähren und innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls dann die Durchführung eines ersten Rentengutachtens zu veranlassen, um eine den Anforderungen des Bundessozialgerichts gerecht werdende MdE-Bewertung durchzuführen. In Betracht gekommen wäre ggf. auch, dass mit der erstmaligen Festsetzung der Rente auf unbestimmte Zeit diese für das 6. Jahr bereits geringer festgestellt wird. Hingegen ist eine Herabsetzung der MdE unter den Voraussetzungen von § 48 SGB X im vorliegenden Fall mangels Nachweises einer Verbesserung der die Erwerbsfähigkeit bestimmenden Umstände dergestalt, dass die Herabsetzung der MdE von 100 v.H. auf 40 v.H. plausibel erscheinen könnte, nicht zu rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vermag das allgemeine Rezidivrisiko eine pauschale MdE-Erhöhung (die im Fall des Klägers faktisch vorgenommen wurde) nicht zu begründen; erforderlich sind vielmehr besondere Aspekte der Genesungszeit. Auch der bloße Ablauf einer bestimmten rezidivfreien Zeit führt in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht automatisch zu einer MdE-Herabsetzung. Es bedarf vielmehr einer Besserung der zuvor der MdE-Bemessung zugrunde gelegten Funktionsbeeinträchtigungen bzw. besonderer Aspekte, die die Erwerbsfähigkeit beeinflussen. Inwieweit in der gesetzlichen Unfallversicherung sowohl für die MdE-Heraufsetzung aufgrund typischer besonderer, die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Aspekte in der Genesungszeit bei zu Rezidiven neigenden Erkrankungen als auch für die Herabsetzung und die dabei zu berücksichtigenden Zeiten gewisse Pauschalierungen möglich und angezeigt sind, ist zwar eine Tatsachenfrage (vgl. für alles BSG, Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R – juris). Die von der Beklagten vorgenommene Pauschalierung mit Abstellen allein auf den Zeitablauf entspricht diesen Grundsätzen nicht, insbesondere bei Heranziehung der Ausführungen in der Falkensteiner Empfehlung (a.a.O.).

Auch der Hinweis der Beklagten darauf, dass bereits im Bescheid vom 17.12.2008 die aufgrund der Genesungszeit zunächst höher erfolgte Festsetzung der MdE erläutert wurde, rechtfertigt keine andere Bewertung. Zwar würde bei dem Nachweis einer entsprechenden Änderung unter Berücksichtigung der bereits dargestellten maßgeblichen Aspekte dadurch der Verfahrensverlauf für den Kläger verständlich. Wenn jedoch sowohl die anfängliche MdE-Festsetzung nicht auf der Grundlage einer Einzelfallbetrachtung erfolgte und nachgehend die Frage einer wesentlichen Änderung praktisch pauschal anhand des Zeitablaufs beantwortet wurde, läuft die Erläuterung im Bescheid vom 17.12.2008 ins Leere.

Die Rechtswidrigkeit des im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 10.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2014 ergibt sich darüber hinaus auch aus der fehlerhaft angesetzten MdE um 40 v.H. für die Zeit ab 01.10.2013. Diesbezüglich macht sich der Senat wiederum die beratungsärztliche Stellungnahme von Prof. Dr. Q ... vom 17.07.2019 zu Eigen. Er führt nachvollziehbar und den Senat überzeugend aus, dass bei der Entfernung von zwei Lungenlappen die MdE mit 40 v.H. zu gering bemessen und eine MdE von 50 bis 60 v.H. heranzuziehen ist, wobei die von ihm dargelegte Begründung den Senat überzeugt. Danach ergibt sich aufgrund der Entfernung von zwei Lungenlappen bezüglich der MdE eine Bewertung mit 50 bis 60 v.H., da bei Entfernung von mehreren Lappen, wie im vorliegenden Fall, die Grenze des Elastizitätsausgleiches erreicht und das Füllungsvermögen der Lunge und auch entsprechend die Vitalkapazität reduziert werden. Durch die bei dem Kläger erfolgte Bilobektomie, also die Entfernung von zwei Lungenlappen, bestand postoperativ zum 22.09.2008 ein vermindertes Füllungsvolumen der Lunge, eine sogenannte restriktive Ventilationsstörung mit Verminderung der Vitalkapazität und der totalen Lungenkapazität. Diese Situation veränderte sich zwischen 2008 und 2019 nicht.

Durch den Bescheid der Beklagten vom 10.10.2019 ergeben sich keine anderen Bewertungen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved