L 9 KR 103/19 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 20 KR 9/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 KR 103/19 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Krankenversicherung - Statusfeststellungsverfahren - Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Das Statusfeststellungsverfahren betrifft mittelbar die Insolvenzmasse, wenn sie den Weg für einen vermögensrechtlichen Anspruch und damit für eine Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit ebnet, auch wenn die Geltendmachung von Beitragsansprüchen und der Beitragseinzug an sich Sache der Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderungen ist und von diesen in einem gesonderten Verwaltungsverfahren vorzunehmen ist.
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 14. Februar 2019 aufgehoben.

II. Dem Kläger wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts B ... - zu den Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts - ab 15.05.2017 bewilligt.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten, ob der in der Hauptsache beigeladene C ... (im Folgenden: Beigeladene) in seiner Tätigkeit als Direktor Technical Department für die Y ... GmbH auch für die Zeit ab 01.04.2008 abhängig und damit versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung beschäftigt war.

Der 1949 geborene und am 2019 verstorbene Beigeladene beantragte am 16.12.2015 erneut die Statusfeststellung bei der in der Hauptsache beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund (im Folgenden: Beklagten). Sein Arbeitsverhältnis bestehe über den 01.04.2008 hinaus und sei bis heute nicht gekündigt worden. Beigelegt hat er das Urteil des Oberlandesgerichts X ... vom 21.05.2015 (.) in dem Rechtsstreit W ... Industrieservice Dienstleistungs GmbH gegen Y ... GmbH wegen Forderung aus Arbeitnehmerüberlassungsvertrag.

Mit zwei - nach Anhörungsschreiben vom 22.02.2016 - an den Beigeladenen und Rechtsanwalt B ... übersandten Bescheiden vom 22.03.2016 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Y ... GmbH vom 01.04.2008 bis 27.10.2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 01.04.2008 bis 27.10.2008.

Dagegen legte der Beigeladene mit Schreiben vom 01.04.2016 Widerspruch ein. Sein Beschäftigungsverhältnis habe auch über den 27.10.2008 hinaus wenigstens bis zum Beginn seiner Regelaltersrente fortbestanden und sei bis heute nicht gekündigt worden. Darüber sei ein Rechtsstreit beim Arbeitsgericht A ... unter dem Aktenzeichen. anhängig. Rechtsanwalt B ... erhob mit Schriftsatz vom 18.04.2016 Widerspruch. Über das Vermögen der Y ... GmbH sei wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung am 01.03.2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beigeladene habe seit dem 01.04.2008 mangels Vertragsverhältnisses keinerlei Zahlungen von dem Unternehmen erhalten. Er sei wohl noch bis zum 27.10.2008 in den Räumlichkeiten des Unternehmens tätig gewesen, nicht jedoch auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung, geschweige denn eines Arbeitsverhältnisses.

Nach Anhörungsschreiben vom 24.06.2016 half die Beklagte mit zwei sowohl an den Beigeladenen als auch an den Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandten Bescheiden vom 07.12.2016 dem Widerspruch des Beigeladenen in vollem Umfang ab und stellte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 22.03.2016 fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Y ... GmbH für die Zeit ab 01.04.2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde.

Gegen den Änderungsbescheid vom 07.12.2016 hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 09.01.2017 Klage beim Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben und am 15.05.2017 Prozesskostenhilfe beantragt. Der Beigeladene sei nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Insolvenzschuldnerin (Y ... GmbH ) tätig gewesen. Die Insolvenzschuldnerin sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden. Die Gesellschaft sei als solche nicht mehr existent, sondern werde ausschließlich durch die Insolvenzmasse repräsentiert. Am 29.08.2016 habe er gegenüber dem Insolvenzgericht U ... Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Mit Beschluss vom 14.02.2019 hat das SG den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Kläger der Y ... GmbH sei nicht klagebefugt. Nach § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) gehe das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Insolvenzschuldners nur insoweit auf den Insolvenzverwalter über, als es die Insolvenzmasse betreffe. Der vorliegende Rechtsstreit betreffe aber nicht die Insolvenzmasse. Zur Insolvenzmasse gehöre nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehöre und das er während des Verfahrens erlange. Zur Insolvenzmasse gehörten aber nicht Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterlägen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ein Bezug zur Insolvenzmasse fehle somit bei Streitigkeiten nicht-vermögensrechtlicher Art oder bei Verfahren, die höchstpersönliche Ansprüche des Gemeinschuldners beträfen (vgl. Stadler in: Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 240 Rn. 5; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. März 2016 – L 9 KR 114/13 – juris Rn. 43). Eine nur wirtschaftliche Beziehung zur Masse reiche nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 – X ZB 40/02; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 240 Rn. 8). Die Feststellung der Versicherungspflicht stelle keinen Vermögensgegenstand dar, der in irgendeiner Weise der Zwangsvollstreckung unterliege. Vielmehr stehe sie zur Masse in einer allenfalls wirtschaftlichen Beziehung, weil auf der Grundlage einer bejahten Versicherungspflicht die Einzugsstelle Beitragsansprüche begründen könne (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Da die Feststellung der Versicherungspflicht im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nicht zur Insolvenzmasse gehöre, sei der Insolvenzverwalter auch nicht befugt, den vorliegenden Rechtsstreit im eigenen Namen durchzuführen.

Gegen den am 21.02.2019 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 21.03.2019 Beschwerde beim SG eingelegt, welche am 12.04.2019 beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) eingegangen ist. Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit habe er weiter die Pflicht, die Masse zu verwalten und zu verwerten (§ 208 Abs. 3 InsO). Zu seinem Aufgabenkreis gehöre auch, zu Unrecht geltend gemachte Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 InsO abzuwehren und so die Rechte der übrigen Massegläubiger im größtmöglichen Umfang in der von § 209 InsO vorgegebenen Reihenfolge zu verwirklichen. Da der Bescheid vom 22.03.2016 in der Fassung des Bescheids vom 07.12.2016 zeitlich nicht begrenzt sei, bestehe das Beschäftigungsverhältnis - sofern von einem solchen ausgegangen werde - über den Eröffnungszeitpunkt des Insolvenzverfahrens hinaus fort. Die Vergütungsansprüche des Beigeladenen und die hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien dann Masseverbindlichkeiten, deren Abwehr zu seinem Aufgabenbereich gehöre. Der vorliegende Verfahrensgegenstand betreffe somit zumindest mittelbar die Insolvenzmasse.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 14.02.2019 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt B ... zu gewähren.

Dem Gericht haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Auf diese wird ergänzend Bezug genommen.

II. Die Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG-) ist zulässig; sie ist insbesondere gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung des Sozialgerichts eingelegt worden. Sie ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt B ...

Gemäß § 73a SGG i. V. m. 116 Satz 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag eine Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Die Regelung soll sicherstellen, dass Prozesskostenhilfe nur gewährt wird, wenn die Kosten nicht von den Vermögensträgern aufgebracht werden können, denen ein Erfolg des beabsichtigten Rechtsstreits zugutekommt. Der Kläger hat aufgrund der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO glaubhaft gemacht, die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufbringen zu können (BAG, Beschluss vom 08. Mai 2003 – 2 AZB 56/02 –, Rn. 14, juris). Ihm ist auch keine eigene Beteiligung an den Kosten des Prozesses zumutbar, auch dann nicht, wenn der Erfolg des Prozesses vornehmlich seine eigenen Vergütungsansprüche befriedigen würde (BGH, Beschluss vom 18. September 2003 – IX ZB 460/02 –, juris). Der wirtschaftlich beteiligten Beklagten ist es nicht zumutbar, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, da sie allein im Interesse der sozial schwächeren Gläubiger und ohne eigenes Gewinnstreben handelt (BeckOK ZPO/Reichling, ZPO, § 116, Rn.12.4, juris) und der Kläger gerade ein abhängiges sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen bestreitet (Fischer in Muslielak/Volz, ZPO, 15. Auflage 2018, § 116, Rn. 9).

Gemäß § 116 Satz 2 ZPO ist § 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ZPO anzuwenden. Danach ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Maßgebend für die Beurteilung der Mutwilligkeit wie auch der Erfolgsaussichten sind grundsätzlich die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Beschwerde (Geimer in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 119, Rn. 44). Ein früherer Zeitpunkt kommt dann in Betracht, wenn sich die Entscheidung über die PKH-Beschwerde trotz Entscheidungsreife pflichtwidrig verzögert (Geimer in Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 119 ZPO, Rn. 46) und sich z. B. inzwischen die Erfolgsprognose für das Klageverfahren verschlechtert hat (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 05. Dezember 2018 – 2 BvR 2257/17 –, Rn. 15, juris). Dann ist ausnahmsweise auf den (Ex-ante-)Erkenntnisstand im Zeitpunkt der nicht hinausgeschobenen oder sonst verzögerten Entscheidungsreife abzustellen; auch kann eine Rückwirkung der PKH auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife angezeigt sein (Groß in Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 114 Rn. 39, 42, 43; § 127 Rn. 66, 67, juris). Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 – B 13 RJ 83/97 R –, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, SozR 3-1750 § 114 Nr. 5, Rn. 26, juris), ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 –, BVerfGE 81, 347-362, juris). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 73a Rn. 7ff.) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH-Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 05. Dezember 2018 – 2 BvR 2257/17 –, Rn. 14, juris; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Juli 1993 – 1 BvR 1523/92 –, Rn. 21, juris). Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das PKH-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Die Prüfung sollte deshalb eine summarische sein, das Prüfungsverfahren zügig durchgeführt und etwaige Ermittlungen auf ein Minimum beschränkt bleiben (Groß in Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/ Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 114 Voraussetzungen, Rn. 36, juris).

Gemessen an diesen Erwägungen liegt eine hinreichende Erfolgsaussicht vor, wenn der Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest vertretbar ist und in tatsächlicher Hinsicht das Gericht auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon überzeugt ist, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs gegeben ist, mithin der Kläger im Sinne einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit seinem Begehren Erfolg haben kann.

Gemäß § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt eine hinreichende Erfolgsaussicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist auch nicht mutwillig.

Dem Kläger fehlt es nicht an einer Klagebefugnis. Zwar führt die Anzeige der Masseunzulänglichkeit zu einer Änderung des Verfahrenszwecks. Der Verfahrenszweck beschränkt sich auf eine zügige Restabwicklung ausschließlich im Interesse der Massegläubiger (Uhlenbruck/Ries, 15. Aufl. 2019, InsO § 208 Rn. 40). Hiernach ist das Insolvenzverfahren einzustellen (§ 211 InsO; Uhlenbruck/Ries, 15. Aufl. 2019, InsO § 208, Rn. 40). Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit löst die Rechtsfolge des § 209 InsO und damit eine Rangordnung der sonstigen Masseverbindlichkeiten aus (Vorrang der Vergütungs- und Auslagenerstattungsansprüche des Verwalters gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO und der Neumassegläubiger gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO bei der Verteilung) und das Vollstreckungsverbot für Altmassegläubiger (§ 210 InsO; Landfermann in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 9. Aufl. 2018, § 208 Anzeige der Masseunzulänglichkeit, Rn. 24). § 208 InsO dient dazu, das Verfahren möglichst zügig zu Ende zu bringen und den Erlös aus der Restverwertung zur Befriedigung der Masseverbindlichkeiten nach Maßgabe des Verteilungsschlüssels des § 209 zu verwenden. Damit soll gerade auch der Verwalter von weiteren Haftungsrisiken gegenüber Neugläubigern entlastet und aus seinem persönlichen Risiko genommen werden. Entsprechend ist der Pflichtenkreis des Insolvenzverwalters gemäß § 208 Abs. 3 InsO weiter darauf festgelegt, die Masse zu verwalten und zu verwerten (Uhlenbruck/Ries, 15. Aufl. 2019, InsO § 208 Rn. 36). Er ist verpflichtet, eine weitere Schädigung der Gläubiger zu vermeiden, sich auf die dringend notwendige Begründung neuer Masseverbindlichkeiten zu beschränken und nur solche Masseverbindlichkeiten neu zu begründen, bei denen die Deckung durch die vorhandene Insolvenzmasse gewährleistet ist (Uhlenbruck/Ries, 15. Aufl. 2019, InsO § 208 Rn. 39).

Die (hier nur einschlägige) Aufgabe der Verwaltung der Masse gemäß § 208 Abs. 3 Alt. 1 InsO wird dadurch geprägt, dass keine Zahlungen nach § 187 Abs. 2 InsO auf Insolvenzforderungen im Sinne von §§ 38, 39 InsO geleistet werden dürfen und nach Maßgabe des Verteilungsschlüssels des § 209 InsO Ansprüche der Altmassegläubiger, wenn überhaupt, allenfalls noch quotal befriedigt werden (Uhlenbruck/Ries, 15. Aufl. 2019, InsO § 208 Rn. 43).

§ 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ermächtigt nicht zur bloßen (unzulässigen) Elementenfeststellung einer abhängigen Beschäftigung, sondern verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung zur Feststellung der Versicherungspflicht (BSG, Urteil vom 04. September 2018 – B 12 KR 11/17 R –, BSGE 126, 235-244, SozR 4-2400 § 7a Nr. 10, Rn. 12, juris). Da die Voraussetzungen des § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV nicht gegeben sind, weil der Beigeladene den Antrag auf Einleitung eines Statusverfahrens nicht innerhalb eines Monats nach Beginn seiner Tätigkeit gestellt hatte, tritt die Versicherungspflicht nach den besonderen Vorschriften in den einzelnen Versicherungszweigen bereits mit dem Tag des Eintritts in das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis ein. Die angefallenen und nicht verjährten Gesamtsozialversicherungsbeiträge sind dann vom Arbeitgeber nachzuzahlen (vgl. §§ 28e, 28g SGB IV; Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, 07/08, § 7a SGB IV, Rn. 47). Um Insolvenzforderungen nach §§ 38, 39 InsO handelt es sich, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist (Bäuerle in Eberhard Braun, InsO, 6. Aufl. 2014, § 55, Rn. 61) und um Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn sie durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Soweit es sich dabei um Sozialversicherungsbeiträge handelt, welche aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Insolvenzschuldnerin begründet waren (Entstehungsprinzip nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), handelt es sich zwar um Insolvenzforderungen nach §§ 38, 39 InsO und nicht um Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 2. Fall InsO (Bäuerle/Schneider in Eberhard Braun, InsO, 6. Aufl., 2014, § 55, Rn. 61), auch wenn die Befriedigung beitragsrechtlich nach der Verfahrenseröffnung zu erfolgen hat, weil Widerspruch und Klage gegen eine Statusfeststellungsentscheidung gemäß § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV aufschiebende Wirkung haben (Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, 07/08, § 7a SGB IV, Rn. 51). Da der Kläger aber nicht die sofortige Liquidation betrieben, sondern das Unternehmen im Rahmen des Insolvenzverfahrens fortgeführt hat (vgl. § 1 Satz 1 2. Alt. InsO), hat der Kläger für die Dauer der Fortführung Arbeitgeberpflichten wahrzunehmen (KassKomm/Wehrhahn, 105. EL August 2019, SGB IV § 28e Rn. 8) und seinen Melde- und Zahlungspflichten gemäß §§ 28a, 28e SGB IV nachzukommen (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R m. Anmerkung von Prof. Dr. Hermann Plagemann, NZI 2016, 31). Soweit somit Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sein sollten, darf die Beitragssumme dem Kläger gegenüber trotz eines - möglicherweise bestehenden - Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO durch Leistungs- bzw. Zahlungsbescheid festgesetzt werden und stellt eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) dar (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, SozR 4-2400 § 28p Nr. 5, Rn. 20, 21 juris).

Der Beginn, das Ende und das Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses knüpfen an den Beginn, das Ende und das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses (§ 7 SGB IV) an (Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 7 SGB IV, Rn. 65). Das Beschäftigungsverhältnis darf nicht, z. B. durch Kündigung, beendet worden sein, muss also andauern. Ist dies gegeben, wird eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt für höchstens einen Monat (die Zeiten verschiedener Unterbrechungstatbestände sind zusammenzurechnen) nach dem Tag, für den letztmals Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sine von § 14 SGB IV bestand, als fortbestehend fingiert (§ 7 Abs. 3 SGB IV; Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 7 SGB IV, Rn. 66). Das Ende des Beschäftigungsverhältnisses tritt im Allgemeinen mit der Arbeitsaufgabe ein. Maßgebend hierbei ist zusätzlich das Ende der Bereitschaft des Arbeitnehmers, sich der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers zu unterstellen, sodass der Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses von dem der Arbeitsniederlegung abweichen kann (Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 7 SGB IV, Rn. 65). Dabei ist allein entscheidend für die Beitragspflicht das Entstehen des Entgeltanspruchs (z. B. bei Annahmeverzug des Arbeitgebers gemäß § 615 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]; BSG, Urteil vom 15. September 2016 – B 12 R 2/15 R –, SozR 4-2400 § 22 Nr. 5, Rn. 28). Ermittlungen und Feststellungen der Beklagten dazu fehlen (im Übrigen ebenso wie ein Widerspruchbescheid), obwohl sich diese nicht zuletzt im Hinblick auf den Vortrag des Klägers und den Beginn der Regelaltersrente des Beigeladenen (am 01.09.2014) auf der Grundlage des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 20 SGB X) aufgedrängt hätten. Jedoch hat die Aufhebung der Befristung der Feststellung des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in der Abhilfeentscheidung vom 07.12.2016 allein aufgrund der ungefilterten Angaben des Beigeladenen - jedenfalls konkludent - die unbefristete Feststellung der damit einhergehenden Versicherungspflicht zur Folge.

Sollte sich im Widerspruchs-/Hauptsacheverfahren ergeben, dass der (nunmehr unbefristete) Bescheid vom 22.03.2016 in der Fassung vom 07.12.2016 rechtmäßig wäre und das Beschäftigungsverhältnis und damit die Versicherungspflicht über die Insolvenzeröffnung am 01.03.2016 hinaus fortbestanden hätten, wären gegebenenfalls Masseverbindlichkeiten gemäß §§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 209 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 InsO begründet worden, welche in den Pflichten- und Aufgabenkreis des Klägers fielen und Tatbestandswirkung im weiteren Verteilungsverfahren entfalten könnten. Denn von der vorhandenen Insolvenzmasse von 222.321,57 EUR ist nach Abzug der vorrangig zu verteilenden Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO; § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO) in Höhe von ungefähr 184.700 EUR noch die Restsumme für Masseverbindlichkeiten in der Reihenfolge nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 InsO zu verteilen.

Die Statusfeststellungsentscheidung vom 22.03.2016 in der Fassung vom 07.12.2016 bildet die Grundlage für durch Leistungs- bzw. Zahlungsbescheide festzusetzende Beitragssummen der Einzugsstelle und entfaltet nicht zuletzt wegen der notwendigen Beiladung der Sozialversicherungsträger, und damit auch der Einzugsstelle, zum Hauptsacheverfahren Bindungswirkung (§ 75 Abs. 2 SGG).

Wenn auch hier das streitgegenständliche Statusverfahren auf das Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses und der Versicherungspflicht gerichtet ist und damit nicht unmittelbar die Insolvenzmasse betrifft, so liegt gleichwohl ein ausreichender mittelbarer Bezug zur Insolvenzmasse vor. Denn die Beklagte bzw. die zuständige Einzugsstelle kann auf der Basis der Entscheidung des Sozialgerichts vermögensrechtliche Ansprüche geltend machen. Dementsprechend betrifft eine Statusfeststellungsklage die Insolvenzmasse, wenn sie den Weg für einen vermögensrechtlichen Anspruch und damit für eine Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit ebnet (vgl. zur Kündigungsschutzklage: BAG, Urteil vom 18. Oktober 2006 – 2 AZR 563/05 –, BAGE 120, 27-34, Rn. 19 m. w. N., juris), auch wenn die Geltendmachung von Beitragsansprüchen und der Beitragseinzug an sich (vgl. hierzu den Zusammenhang zwischen § 28h Abs. 1 Sätze 2 und 3, § 7a Abs. 1, Abs. 6 Satz 2, § 28p Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, § 76 Abs. 3 und 4 SGB IV) Sache der Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderungen ist und von diesen in einem gesonderten Verwaltungsverfahren vorzunehmen ist (BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 R 16/13 R –, SozR 4-2400 § 28p Nr. 5, Rn. 23, juris). Etwas anderes gilt nur bei nicht vermögensrechtlichen oder höchstpersönlichen Streitigkeiten oder wenn der gesamte streitige Anspruch nicht zur Insolvenzmasse gehört.

Bei verständiger Würdigung aller Umstände kann somit davon ausgegangen werden, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist. Die Durchführung einer Statusfeststellung in Insolvenzfällen ist in der Regel aus Gründen der Rechtssicherheit sowohl im Interesse des Auftragnehmers als auch des Auftraggebers durchzuführen (Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7a SGB IV, Rn. 79). Nicht zuletzt hat der Gesetzgeber der Rechtsverfolgung durch Insolvenzverwalter ein eigenständiges, schutzwürdiges öffentliches Interesse beigemessen (BGH, Beschluss vom 27. September 1990 – IX ZR 250/89 –, Rn. 15, juris). Nach der amtlichen Begründung soll die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Konkursverwalter (jetzt Insolvenzverwalter) die Regel, die Verweigerung die Ausnahme sein (BT-Drucksache 8/3068 S. 26, Entwurf zu § 114 c ZPO). Der Kläger muss sich gegen die von den Bescheiden vom 22.03.2016 und 07.12.2016 ausgehenden die Insolvenzmasse mittelbar belastenden Rechtswirkungen zur Wehr setzen können.

Der Klage kann auch aus den oben genannten Gründen eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht von vornherein abgesprochen werden. Ob überhaupt ein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat und wenn, ein befristetes oder unbefristetes, muss der Beweisaufnahme im (nachzuholenden [§ 114 SGG analog; BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 12/17 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 34, Rn. 19, juris]) Widerspruchs- und Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Auch die Beiordnung des Rechtsanwalts ist im Sinne von § 73 a SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich. Danach wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist und wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Hinsichtlich der besonderen Stellung des Klägers ist § 5 Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) zu beachten. Nach § 5 Abs. 1 InsVV kann der als Rechtsanwalt zugelassene Insolvenzverwalter für Tätigkeiten, die ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Verwalter angemessenerweise einem Rechtsanwalt übertragen hätte, nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Gebühren und Auslagen gesondert aus der Insolvenzmasse entnehmen. Vor diesem Hintergrund ist es geboten, im Rahmen des § 121 Abs. 2 ZPO dem Insolvenzverwalter unter den Voraussetzungen des § 5 InsVV in aller Regel einen Rechtsanwalt beizuordnen. Die danach maßgebliche Frage, ob vorliegend die Übertragung des Rechtsstreits auf einen Rechtsanwalt angemessen ist, ist nach Auffassung des Senats zu bejahen. Denn Angemessenheit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Sach- und/oder Rechtslage schwierig oder schwer zu übersehen ist. Insbesondere letzteres ist hier der Fall, da voraussichtlich eine Beweisaufnahme durchzuführen und die Klärung der Sach- und Rechtslage für alle Beteiligten von Bedeutung ist. Auf die Beschwerde des Klägers ist daher diesem Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts zu gewähren (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 02. Mai 2019 – L 9 KR 75/16 B PKH –, Rn. 40, m. w. N. juris).

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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