L 1 KR 394/17

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 15 KR 493/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 394/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch Entlassungsmitteilung bzw. Checkliste einer Rehabilitationseinrichtung

Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V kann auch anlässlich der Beendigung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erfolgen - etwa in dem Entlassungsbericht, der Entlassungsmitteilung oder der Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. März 2017 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 25. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2016 verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 5. Mai 2016 bis 14. August 2016 zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Krankengeld.

Die 1959 geborene Klägerin war seit dem 11.11.2015 aufgrund eines Impingementsyndroms der rechten Schulter arbeitsunfähig erkrankt. Bis einschließlich Februar 2016 stand sie in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Ab 23.12.2015 bezog sie von der Beklagten als Krankenversicherungsträger Krankengeld (kalendertäglich 28,65 EUR brutto / 25,10 EUR netto).

Im Zeitraum vom 07.04.2016 bis 04.05.2016 absolvierte die Klägerin eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme, während der sie von der Beklagten als Rentenversicherungsträger Übergangsgeld bezog. Die Entlassung aus der Maßnahme am 04.05.2016 (Mittwoch) erfolgte als arbeitsunfähig.

Am 09.05.2016 (Montag) suchte die Klägerin ihre behandelnde Ärztin auf, die erneut – für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 12.06.2016 – Arbeitsunfähigkeit attestierte. Für die Folgezeit liegen lückenlose Bescheinigungen über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit bis zum 14.08.2016 vor.

Zunächst bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 20.05.2016 unter Bezugnahme auf die bis zum 12.06.2016 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit erneut Krankengeld. Die Gutschrift des Krankengeldes für die Zeit vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 werde am ersten Arbeitstag des folgenden Monats erfolgen. Weiteres Krankengeld werde nur bei rechtzeitiger Vorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gewährt.

Dann aber verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2016, der ohne vorherige Anhörung erging, dass der Anspruch auf Krankengeld am 04.05.2016 ende. Der Bescheid vom 20.05.2016 werde aufgehoben. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit der Maßgabe zurück, dass der Bescheid vom 25.05.2016 insoweit geändert werde, als dieser den Bescheid vom 20.05.2016 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurücknehme (Widerspruchsbescheid vom 14.07.2016). Die Gewährung von Krankengeld wäre längstens bis zum 04.05.2016 (Ende der Rehabilitationsmaßnahme) möglich gewesen. Ein erneuter Arztbesuch und die erneute Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seien erst am 09.05.2016 erfolgt. Es fehle somit an der erforderlichen lückenlosen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit. Angesichts der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses habe die Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld nur bis zum 04.05.2016 fortbestanden. Der Bescheid vom 20.05.2016 werde nach § 45 SGB X zurückgenommen. Er sei rechtswidrig begünstigend. Vertrauensschutz könne nicht eingeräumt werden, da kein Leistungsverbrauch entstanden sei. Es seien keine Zahlungen aus dem rechtswidrigen Bescheid erbracht worden. Unter Berücksichtigung des Schutzes der Versichertengemeinschaft vor einer finanziellen Belastung durch ungerechtfertigte Zahlungen könne im Rahmen der Ermessenausübung von der Rücknahme nicht abgesehen werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.08.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2016 aufzuheben. Arbeitsunfähigkeit habe fortlaufend bestanden. Sie sei am 04.05.2016 als arbeitsunfähig aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen worden. Eine ärztliche Vorstellung am 05.05.2016 zur Bescheinigung der weiteren Arbeitsunfähigkeit sei nicht möglich gewesen, da es sich um einen Feiertag (Christi Himmelfahrt) gehandelt habe. Am 06.05.2016 sei ein Arztbesuch nicht möglich gewesen, weil an diesem "Brückentag" sowohl die behandelnde Orthopädiepraxis als auch die Praxis des behandelnden Hausarztes geschlossen gewesen seien. Eine Vorstellung beim Arzt sei damit erst am Montag, den 09.05.2016, – dem nächsten Werktag – möglich gewesen. Im Übrigen sei bereits anlässlich der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme am 04.05.2016 die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit attestiert worden.

Mit Urteil vom 15.03.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei angesichts der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 01.03.2016 seit dem 05.05.2016 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Die aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende Pflichtmitgliedschaft habe zwar zunächst gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) fortbestanden. Ab dem 05.05.2016 bestehe jedoch kein Anspruch mehr, da die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs – die angesichts der abschnittsweisen Bewilligung des Krankengeldes für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festzustellen seien – nicht mehr vorgelegen hätten. Erst am 09.05.2016 habe der behandelnde Orthopäde die Arbeitsunfähigkeit erneut festgestellt. Die rückwirkende Attestierung ab dem 05.05.2016 sei indes nicht dazu geeignet, einen Anspruch auf Krankengeld zu begründen. Die Klägerin wäre zur Aufrechterhaltung ihres Krankengeldanspruchs gehalten gewesen, entweder am 06.05.2016 ("Brückentag") den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch zu nehmen oder sich bereits während der laufenden ambulanten Rehabilitationsmaßnahme erneut bei ihrem behandelnden Arzt zum Zwecke der Bescheinigung der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit vorzustellen. Daraus, dass die Klägerin am 04.05.2016 als arbeitsunfähig aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen worden sei, folge nichts anderes. Diese Einschätzung stelle keine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit dar, zumal ein zeitlicher Endpunkt für die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit dort nicht benannt werde.

Gegen das ihr am 24.03.2017 zugestellte Urteil des SG richtet sich die Berufung der Klägerin vom 07.04.2017. Angesichts der durchgängig bestehenden Arbeitsunfähigkeit lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld vor, ohne dass es insoweit einer erneuten ärztlichen Feststellung bedurft hätte (Verweis auf SG Speyer, Beschluss vom 08.09.2014 – S 19 KR 519/14 ER – juris). Im Übrigen sei eine solche Feststellung vorliegend erfolgt. Denn die Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme sei am 04.05.2016 als arbeitsunfähig erfolgt. Hierin liege die erforderliche ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 23.09.2016 – L 5 KR 3888/14 – und Urteil vom 25.05.2016 – L 5 KR 1063/14 – juris; SG Regensburg, Urteil vom 01.06.2016 – S 14 KR 106/16 – juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2016 – L 6 KR 192/15 B – juris). Zum nächst möglichen Zeitpunkt (09.05.2016) habe sie ihren behandelnden Arzt aufgesucht. Sie habe damit, wie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert, alles in ihrer Macht stehende und für sie Zumutbare zur Aufrechterhaltung ihres Krankengeldanspruchs getan. Das Aufsuchen der Notaufnahme am Feiertag bzw. am Brückentag sei keine zumutbare Alternative gewesen, da kein Notfall vorgelegen habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. März 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 5. Mai 2016 bis zum 14. August 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld hätte es des Aufsuchens eines Arztes spätestens am 06.05.2016 bedurft.

Beigezogen waren die Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Auf diese und auf die Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

1. Streitgegenständlich im Verfahren ist – neben dem Urteil des SG vom 15.03.2017 – der Bescheid der Beklagten vom 25.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2016.

a) Die angefochtenen Bescheide enthalten mehrere Regelungen im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X: Zum einen wird der Bescheid vom 20.05.2016 zurückgenommen. Dies deshalb, weil mit diesem Bescheid bereits Krankengeld für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 bewilligt worden war ("Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir das Krankengeld für die Zeit vom 5. Mai 2016 bis 31. Mai 2016 zahlen werden."). Zum anderen wird die Gewährung von Krankengeld über den 04.05.2016 hinaus abgelehnt. Gegen beide Regelungen wendet sich die Klägerin zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4, § 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

b) Im Streit steht hierbei die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 14.08.2016. Zwar war erstinstanzlich in zeitlicher Hinsicht nur der Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 streitgegenständlich. Denn der von der Klägerin vor dem SG formulierte reine Anfechtungsantrag ("Aufhebung des Bescheids vom 25.05.2016 in Form des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2016") hätte im Erfolgsfalle zum "Wiederaufleben" des Bescheids vom 20.05.2016 geführt, der indes nur eine Bewilligungsentscheidung für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 enthält. Soweit die Klägerin nunmehr im Berufungsverfahren darüber hinausgehend begehrt, Krankengeld bis zum 14.08.2016 zu erhalten, liegt jedoch eine nach § 153 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG ohne weiteres zulässige Klageerweiterung vor. Selbst wenn man anstelle einer Klageerweiterung von einer Klageänderung ausgehen wollte, wäre diese als sachdienlich im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG – und damit als zulässig – anzusehen, zumal im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren über das diesbezügliche Leistungsbegehren bereits (ablehnend) entschieden wurde (zur Zulässigkeit des Übergangs von der Anfechtungs-/Verpflichtungsklage zur Leistungsklage siehe Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leit-herer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 99 Rn. 4 m.w.N.). Für eine Klageänderung im Berufungsverfahren gelten insoweit dieselben Grundsätze wie im erstinstanzlichen Verfahren, wobei lediglich zu beachten ist, dass es sich um eine zulässige Berufung handeln muss. Dies ist vorliegend der Fall, insbesondere ist – im Hinblick auf den Bruttobetrag des Krankengeldes (siehe hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2019 – L 11 KR 3841/18 – juris Rn. 20 f. – nachgehend: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05.12.2019 – B 3 KR 5/19 R – juris [Terminsbericht]; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2018 – L 1 KR 764/14 – juris Rn. 39) – der Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG überschritten.

2. Das SG hat den geltend gemachten Anspruch zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Krankengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 05.05.2016 bis 14.08.2016.

a) Für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 ergibt sich der Anspruch bereits aus dem Bescheid vom 20.05.2016, mit dem die Beklagte für den vorbenannten Zeitraum Krankengeld bewilligt hat. Diesen Bescheid konnte die Beklagte nicht rechtswirksam zurücknehmen. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X oder eine Aufhebung nach § 48 SGB X liegen nicht vor.

aa) Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten, wonach es sich bei dem Bescheid vom 20.05.2016 um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt handele, liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X nicht vor. Denn nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein solcher Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X normiert hierbei besondere Voraussetzungen, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden soll. Dies ist nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X möglich. Anders als die Beklagte meint, handelt es sich vorliegend um eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit. Dem steht der Verweis der Beklagten auf den fehlenden Leistungsverbrauch nicht entgegen. Maßgeblich abzustellen für die Beantwortung der Frage, ob eine Rücknahme für die Vergangenheit vorliegt, ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Rücknahmebescheids (Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 76 m.w.N.). Wirkung (auch) für die Vergangenheit hat damit jeder Verwaltungsakt, der Geltungswirkung für Zeiträume vor oder bis zur Bekanntgabe beansprucht. Die Rückwirkung kann sich hierbei auch auf einen im Zeitraum der Bekanntgabe noch laufenden Bewilligungszeitraum erstrecken. Dauert ein bereits vor Bekanntgabe durch Verwaltungsakt geregelter Bewilligungszeitraum noch an, erfolgt die Rücknahme nur dann mit Wirkung für die Zukunft, wenn sie mit Beginn des nächsten Leistungszeitraums beginnt (Schütze, a.a.O., m.w.N.). Unerheblich ist hierbei, ob die für die Vergangenheit bewilligten Leistungen bereits ausbezahlt wurden (BSG, Urteil vom 24.04.1997 – 13 RJ 23/96 – juris Rn. 50 m.w.N.). Auf das von der Beklagten herangezogene Kriterium des Leistungsverbrauchs kommt es damit nicht an. Hier liegt demnach eine Rücknahme für die Vergangenheit vor. Der Bescheid vom 25.05.2016, mit dem "der Bescheid vom 20.05.2016 aufgehoben" wird, gilt am 28.05.2016 als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Er hebt die Leistungsbewilligung für die Zeit ab 05.05.2016 – und damit für einen in der Vergangenheit begonnenen Bewilligungsabschnitt – auf. Die Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X unterliegt damit den Restriktionen des § 45 Abs. 4 SGB X, so dass eine Rücknahme nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X (Bösgläubigkeit) oder des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X (Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung) möglich wäre, welche indes vorliegend unstreitig nicht erfüllt sind.

bb) Im Übrigen war der Bescheid vom 20.05.2016 nicht rechtswidrig, weil die Klägerin Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 04.05.2016 hinaus hat (hierzu im Folgenden). Rechtsgrundlage für eine Aufhebung könnte damit ohnehin nur § 48 SGB X sein. Dessen Voraussetzungen liegen indes bereits deshalb nicht vor, weil vorliegend keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist.

b) Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 04.05.2016 hinaus bis zum Ende der fortlaufend attestierten Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 14.08.2016.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden.

aa) Hierbei ist höchstrichterlich geklärt, dass Krankengeldzahlungen grundsätzlich als abschnittsweise Leistungsbewilligung anzusehen sind (siehe zuletzt BSG, Urteil vom 08.08.2019 – B 3 KR 6/18 R – juris Rn. 13 sowie Urteil vom 25.10.2018 – B 3 KR 23/17 R – juris Rn. 12 m.w.N.). Bei – wie hier – zeitlich befristeten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und dementsprechender Krankengeldgewährung sind die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festzustellen (BSG, Urteil vom 28.03.2019 – B 3 KR 22/17 R – juris Rn. 16). Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs ist es dabei erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit bei Ablauf eines jeden Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird. Ob und in welchem Umfang der Versicherte bei erneuter ärztlicher Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit Krankengeld beanspruchen kann, bestimmt sich dann nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für das Krankengeld besteht. Der von der Klägerin angeführten anderslautenden Rechtsprechung des SG Speyer ist das BSG in ständiger Rechtsprechung nicht gefolgt. Vor diesem Hintergrund ist der Einzelanspruch auf Gewährung von Krankgengeld – wenn, wie hier, abweichende Übergangsregelungen nicht bestehen – anhand des im jeweiligen Bewilligungsabschnitt geltenden Rechts zu prüfen (BSG, Urteil vom 08.08.2019 – B 3 KR 6/18 R – juris Rn. 13; Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R – juris Rn. 16). Vorliegend richtet sich der Anspruch mithin nach dem ab 23.07.2015 (bis zum 10.05.2019) geltenden Recht.

bb) Nach § 46 Satz 1 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung vom 16.07.2015 entsteht der Anspruch auf Krankengeld bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr. 1), im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Nr. 2).

Unstreitig bestand – unbeschadet der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 01.03.2016 – bis zum 04.05.2016 dem Grunde nach Anspruch auf Gewährung von Krankengeld, der während der Rehabilitationsmaßnahme nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ruhte. Denn angesichts des fortlaufenden Bezugs von Krankengeld ab 23.12.2015 bzw. des Bezugs von Übergangsgeld während der Rehabilitationsmaßnahme im Zeitraum vom 07.04.2016 bis 04.05.2016 bestand die Mitgliedschaft der Klägerin mit Anspruch auf Gewährung von Krankengeld fort (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB V).

Entgegen der Ansicht der Beklagten bestand der Krankengeldanspruch auch über den 04.05.2016 hinaus fort. Zwar geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass es für das Fortbestehen der Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld nach dem bis zum 10.05.2019 geltenden Recht erforderlich war, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig – d.h. spätestens am Folgetag der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit – erneut ärztlich feststellen zu lassen, weil ein neuer Anspruch auf Krankengeld dann nur entstehen kann, wenn bei Beginn des neuen Bewilligungsabschnitts die Voraussetzungen für die Entstehung eines Krankengeldanspruchs weiterhin vorliegen. Die ärztliche Feststellung des Fortdauerns der Arbeitsunfähigkeit ist vorliegend indes rechtzeitig – nämlich am letzten Tag des die Mitgliedschaft bis dahin aufrechterhaltenden Übergangsgeldbezugs – erfolgt. Dies deswegen, weil die Klägerin aus der Rehabilitationsmaßnahme am 04.05.2016 als arbeitsunfähig entlassen wurde.

Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit muss weder durch einen Vertragsarzt noch auf dem durch § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie vorgesehenen Vordruck erfolgen (BSG, Urteil vom 10.05.2015 – B 1 KR 20/11 R – juris Rn. 13; Urteil vom 12.03.2013 – B 1 KR 7/12 R – juris Rn. 15; Beschluss vom 14.08.2018 – B 3 KR 5/18 B – juris Rn. 9). Anlass und Zweck der ärztlichen Äußerung zur Arbeitsunfähigkeit sind unerheblich (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.09.2015 – L 5 KR 3888/14 – juris Rn. 10 [Krankenhausaufnahmebescheinigung]; Urteil vom 25.05.2016 – L 5 KR 1063/15 – juris Rn. 47 [MDK-Gutachten]). Inhaltlich genügt es, dass der Arzt – aufgrund persönlicher Untersuchung des Versicherten (§ 4 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) – feststellt, dass der Patient krank ist und seiner letzten Beschäftigung nicht mehr nachgehen kann. Die Verwendung des Begriffs Arbeitsunfähigkeit ist im Allgemeinen ausreichend, da unterstellt werden kann, dass der überkommene Rechtsbegriff den Ärzten bekannt ist und von ihnen im Allgemeinen zutreffend angewandt wird (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2016 – L 6 KR 192/15 B – juris Rn. 25). Die von § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V geforderte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kann daher auch in einem Rehabilitationsentlassungsbericht getroffen werden (Sächsisches LSG, Urteil vom 27.09.2019 – L 9 KR 63/19 – juris Rn. 30; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.12.2017 – L 5 KR 501/16 – juris Rn. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.09.2017 – L 4 KR 2475/15 – juris Rn. 42; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2016 – L 6 KR 192/15 B – juris Rn. 25). Dies gilt insbesondere auch für die anlässlich der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme erstellte "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.01.2019 – L 1 KR 247/18 – juris Rn. 35).

Vorliegend hat die anlässlich der Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme am 04.05.2016 durchgeführte ärztliche Abschlussuntersuchung ergeben, dass die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig war. Dies folgt aus der Entlassungsmitteilung, die der Beklagten noch am gleichen Tag übersandt wurde. Gleichfalls übersandt wurde die "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" (Formular G833 des Rentenversicherungsträgers). Hier ist ausgeführt, dass auch nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme noch Restbeschwerden bestünden. Aus diesem Grund könne aktuell auch durch eine stufenweise Wiedereingliederung Arbeitsfähigkeit noch nicht wieder hergestellt werden. Damit ist ärztlich festgestellt, dass die Klägerin aufgrund des bislang bestehenden Leidens über den Entlassungstag hinaus weiterhin arbeitsunfähig war. Dass diese Feststellung nicht mit einer Prognose einherging, ab wann die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt sein würde, die Mitteilung mithin keine zeitliche Befristung der Arbeitsunfähigkeit enthielt, ist rechtlich unerheblich. Das BSG hat bereits entschieden, dass der Grundsatz, dass die leistungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Krankengeld für jeden Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen sind, es nicht ausschließt, eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener Zeit, die – als unbefristete Feststellung – den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasst, als ausreichend für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld anzusehen (BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 20/11 R – juris Rn. 12 f. und Urteil vom 12.03.2013 – B 1 KR 7/12 R – juris Rn. 15). Vor diesem Hintergrund kann auch eine Krankschreibung "auf nicht absehbare Zeit" oder "bis auf Weiteres" die für den Anspruch auf Krankgeld erforderliche ärztliche Feststellung im Sinne des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V enthalten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2014 – L 11 KR 4174/12 – juris Rn. 23 m.w.N.). Daran, dass die Klägerin tatsächlich über den 04.05.2016 hinaus arbeitsunfähig war, bestehen vorliegend keine Zweifel. Denn bereits am 09.05.2016 wurde erneut, diesmal durch die behandelnde Ärztin, Arbeitsunfähigkeit – rückwirkend zum 05.05.2016 – bescheinigt, so dass von einer durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden muss (siehe hierzu auch § 4a der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie in der seit 17.03.2016 geltenden Fassung, wonach der Krankenhausarzt bzw. der Rehabilitationsarzt im Rahmen des Entlassungsmanagements dazu berechtigt ist, wie ein Vertragsarzt Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen nach der Entlassung festzustellen). Ob es der Klägerin zuzumuten gewesen wäre, am 06.05.2016 ("Brückentag" nach Christi Himmelfahrt) den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (zu dessen Sicherstellungsauftrag an sog. Brückentagen, d.h. zwischen gesetzlich geregelten Feiertagen und dem Wochenende gelegenen Einzeltagen, siehe § 2 Abs. 2 Satz 3 der Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, Stand: 01.10.2015) in Anspruch zu nehmen, mit der Folge, dass sie nicht alles in ihrer Macht stehende und ihr Zumutbare zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit getan hätte (siehe hierzu BSG, Urteil vom 11.05.2017 – B 3 KR 22/15 R – juris), kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Dies bereits deshalb, weil sie außer Kraft getretenes Recht betrifft. Die Vorschrift des § 46 SGB V wurde mit Wirkung ab 11.05.2019 geändert (siehe nunmehr § 46 Satz 3 SGB V). Die Voraussetzungen für das Entstehen eines Anspruchs auf Krankengeld nach dem bis zum 10.05.2019 geltenden Recht sind höchstrichterlich geklärt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage, welche rechtlichen Anforderungen an die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung und an die Nahtlosigkeit von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei abschnittsweise bewilligtem Krankengeld zu stellen sind (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 14.08.2018 – B 3 KR 5/18 B – juris Rn. 8 [zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Rehabililtationsentlassungsbericht]).
Rechtskraft
Aus
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