Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 14 AS 1055/05 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 542/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1977 geborene Antragstellerin leidet unter einer organischen Hirnschädigung mit geistiger Behinderung (Lernbehinderung) und einer Persönlichkeitsstörung sowie Niederblutdruck (Hypotonie) mit Beschwerden. Auf Grund dieses Gesundheitszustandes wurde der Antragstellerin mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 5. Juni 2002 die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 zuerkannt. Die Antragstellerin absolvierte nach dem Besuch einer staatlichen Sonderschule für Lernbehinderte und einem Berufsvorbereitungsjahr eine Berufsausbildung zur Hauswirtschaftshelferin. In der Folgezeit ab September 1997 war sie ausschließlich im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, Rehabilitations- und Qualifizierungsmaßnahmen beschäftigt, die durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert wurden, oder arbeitslos. Unter Berücksichtigung ihrer hierdurch bisher erworbenen Rentenanwartschaften teilte die Landesversicherungsanstalt Thüringen am 27. November 2004 mit, dass die Antragstellerin ab dem 65. Lebensjahr ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen eine monatliche Altersrente von 528,34 EUR zu erwarten habe, sollte sie wie im Durchschnitt der letzten 5 Jahre weitere Entgeltpunkte erwerben. Sollte die Antragstellerin zum Auskunftszeitpunkt wegen gesundheitlicher Einschränkungen voll erwerbsgemindert werden, erhielte sie eine monatliche Rente von 366,90 Euro. Die Antragstellerin hat derzeit kein Einkommen und lebte bis Ende April 2005 durchgehend mit ihrer 60-jährigen Mutter in einem Haushalt. Sie verfügt über zwei private Rentenversicherungen. Die Rentenversicherung mit der Nr. 1 wurde von ihr unter dem 27. April 2000 mit der Sparkassenversicherung Hessen-Nassau-Thüringen Lebensversicherungs AG abgeschlossen. Der Rückkaufswert dieser Versicherung betrug zum 1. August 2005 nach Auskunft des Versicherungsunternehmens (Bl. 39 der GA) 13.327,00 Euro, worauf 430,00 Euro an Kapitalsteuern und 34,00 Euro an Solidaritätszuschlag angefallen wären. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt Beiträge in Höhe von 12.782,30 Euro durch die Mutter der Antragstellerin eingezahlt worden. Diese Versicherung ist nach den ihr zugrunde liegenden allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung jederzeit zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres, d.h. dem 30. April 2006 kündbar. Nach dem Versicherungsvertrag erhält die Antragstellerin im Erlebensfall ab dem 1. Mai 2022 (ihrem 46. Lebensjahr) eine garantierte monatliche Rente in Höhe von 189,51 DM (entspricht 96,89 Euro) oder wahlweise eine Kapitalabfindung in Höhe von 49.476,00 DM (entspricht 25.296,68 Euro). Unter dem 1. August 2002 schloss die Antragstellerin eine weitere Rentenversicherung (Nr.: 2) mit einem einmaligen Beitrag in Höhe von 20.000,00 Euro ab, den ebenfalls ihre Mutter entrichtete. Hieraus wäre ihr im Erlebensfall ab dem 1. August 2037 (61. Lebensjahr) eine garantierte monatliche Rente in Höhe von 234,64 Euro zu zahlen. Dieser Vertrag ist nach den ihm zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen (Bl. 55 VA) jederzeit zum Schluss einer Versicherungsperiode kündbar. Der Rückkaufswert betrug zum 1. August 2005 20.791,00 Euro (abzüglich Kapitalsteuer in Höhe von 454,00 Euro und Solidaritätszuschlag in Höhe von 31,00 Euro).
Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bis einschließlich zum 27. April 2003 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 12. Mai 2003 lehnte die Bundesagentur für Arbeit den Antrag ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch der Antragstellerin wegen fehlender Bedürftigkeit zurück, da sie über verwertbares Vermögen in Form der beiden Rentenversicherungen verfüge. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen (Az.: S 9 AL 784/03) ist bisher nicht abgeschlossen. Am 30. September 2004 beantragte die Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, die ihr mit Bescheid vom 17. Januar 2005 für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 bewilligt wurden. Am 14. April 2005 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II und teilte mit, dass sie ab dem 1. Mai 2005 eine eigene Wohnung beziehen werde, was sie auch tat. Für die 44,22 m² große Wohnung hat sie eine Nettomiete in Höhe von 203,41 Euro sowie eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 44,00 Euro monatlich zu entrichten. Vor Anmietung dieser Wohnung hatte die Antragstellerin der Antragsgegnerin einen Wohnbesichtigungsschein vorgelegt, auf den eine ihrer Mitarbeiterinnen handschriftlich das Kürzel "gen. 24.02.05 L." setzte.
Nachdem die Antragsgegnerin bis zum 22. Juni 2005 keine Entscheidung über die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II getroffen hatte, hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Nordhausen beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Mai 2005 zu gewähren. Diesen Antrag hat sie damit begründet, dass sie über kein Einkommen und keine finanziellen Mittel verfüge und daher ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könne. Auch drohten ihr Mietschulden und ggf. der Verlust der angemieteten Wohnung. Die Rentenversicherungen seien als Vermögen nicht zu berücksichtigen, da ihre Berücksichtigung für sie eine besondere Härte bedeuten würde. Die Mutter der Antragstellerin habe aus ihren eigenen Ersparnissen die Beiträge zu den privaten Rentenversicherungen der Antragstellerin aufgebracht, um ihre Tochter für die Zukunft abzusichern, da ihr bisheriger beruflicher Werdegang deutlich zeige, dass sie niemals einen gesetzlichen Rentenanspruch erwerben könne, der ihre angemessene Altersversorgung sicherstelle. Um die Bedürftigkeit der Antragstellerin im Alter auszuschließen, habe ihre Mutter diese private Vorsorge treffen wollen. Die Kosten der Unterkunft seien unabhängig davon bereits deshalb zu gewähren, da ihr die Übernahme dieser Kosten durch die erfolgte Genehmigung auf dem Wohnbesichtigungsschein zugesichert worden sei.
Das Sozialgericht Nordhausen hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 14. Juli 2005 (zugestellt am 20. Juli 2005) verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II im Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum 30. November 2005 zu gewähren und den weitergehenden Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Hilfebedürftigkeit der Klägerin stehe nicht zu berücksichtigendes Vermögen entgegen. Zwar überstiege das Vermögen der Klägerin in Form der Rentenversicherungen die Freibeträge des § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 5.600,00 Euro und § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II in Höhe von 750,00 Euro für notwendige Anschaffungen. Die Versicherungen seien jedoch nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen, da ihre Verwertung eine besondere Härte für die Klägerin bedeuten würde. Die gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin und ihr bisheriger schulischer und beruflicher Werdegang ließen mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass sie auf Dauer nicht in der Lage sein werde, ihre angemessene Lebensführung und insbesondere ihre angemessene Altersversorgung abzusichern. Die Art der gesundheitlichen Schädigungen der Antragstellerin ließe vielmehr vermuten, dass es für sie mit zunehmendem Alter noch schwieriger werde, eine angemessene Lebensführung aufrecht zu erhalten und für eine angemessene Altersicherung zu sorgen. Es sei abzusehen, dass die Antragstellerin nicht in eine feste, dauerhafte und ungeförderte Anstellung gelangen werde und sich somit keine angemessene berufliche Basis und kein angemessenes Rentenversicherungsguthaben aufbauen könne.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 27. Juli 2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht Nordhausen nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegnerin ist der Rechtsauffassung, dass die Antragstellerin nicht bedürftig im Sinne des SGB II sei, da sie über hinreichendes verwertbares Vermögen verfüge. Die Rentenversicherungen könnten, selbst wenn sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht kündbar sein sollten, beliehen oder verkauft werden. Ihre Verwertung stelle insbesondere auf Grund des Umstandes, dass die Antragstellerin diese Vermögenspositionen durch unentgeltliche Zuwendungen ihrer Mutter erhalten habe, keine besondere Härte dar. Darüber hinaus sei vom Gesetzgeber zur Schaffung einer angemessenen Altersversorgung ein Betrag von 200,00 Euro pro Lebensjahr, maximal 13.000,00 Euro als angemessen vorgesehen. Zwar sei nicht absehbar, wie lange die Antragstellerin arbeitslos sei, dies allein begründe für sich betrachtet jedoch keine unbillige Härte, da in den seltensten Fällen konkret einzuschätzen sei, wie lange Arbeitslosigkeit bzw. Hilfebedürftigkeit andauern werde. Sie gehe ferner davon aus, dass es trotz der Schwerbehinderteneigenschaft der Antragstellerin durchaus möglich sei, die Antragstellerin in absehbarer Zeit zumindest in ein gefördertes Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Auch sei möglich, dass die Antragstellerin einen ungeförderten Arbeitsplatz dauerhaft erhalten könne. Eine besondere Härte solle lediglich bei ganz atypischen Fällen zu einer Nichtanrechnung von Vermögen führen. Eine körperliche Behinderung stelle eine solche atypische Situation jedoch nicht dar. Abgesehen von diesen Erwägungen seien jedenfalls die Kosten für Unterkunft und Heizung der Antragstellerin nicht zu bewilligen, da die Antragstellerin die bei ihrer Mutter ein freies Wohnrecht gehabt habe ohne erkennbaren Grund ihren monatlichen Bedarf durch den Bezug einer eigenen Wohnung erhöht habe. Dieses folge aus § 34 SGB II. Eine Zustimmung zum Umzug sei von der Antragsgegnerin nicht erteilt worden, vielmehr sei auf dem Wohnungsbesichtigungsschein lediglich vermerkt worden, dass diese eventuell anzumietende Wohnung von der Größe unter Umständen als angemessen anzusehen sei.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Juli 2005 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, hilfsweise, den Beschluss dahingehend abzuändern, Arbeitslosengeld II als Darlehen und mit Ausnahme der Kosten für die Unterkunft zu gewähren
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die die Antragstellerin betreffende Akte der Antragsgegnerin lag vor und ist Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86 b Abs. 4 SGG).
Ein Anordnungsantrag ist - im Rahmen einer Regelungsanordnung - begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch (materiell-rechtlicher Hilfeanspruch, wie er im SGB II normiert ist) und einen Anordnungsgrund (nötig Erscheinen einer Regelung zur Abwendung eines wesentlichen Nachteils) bejahen kann (vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 1996, § 123 Rz 62 f.). Ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit oder Dringlichkeit der Rechtsschutzgewährung) liegt vor, wenn es für den Antragsteller unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden, wobei auf die Bedeutung der Folgen für den Fall des Nichterlasses der begehrten einstweiligen Anordnung abzustellen ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rz. 292). Dabei stellt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 2005 (1 BVR 569/05) Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an das Eilverfahren auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose. Sofern sich das Verfahren an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert, muss die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft werden. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens dürfen nicht überspannt werden. Außerdem sind Fragen des Grundrechtsschutzes mit einzubeziehen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch hier sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Da die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und diese Sicherstellung eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates ist, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt, kommt einem hierauf gerichteten Antragsbegehren daher ein besonderes grundrechtliches Gewicht zu, das ausreichend zu würdigen ist.
Im vorliegenden Fall ist dem Senat eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich.
Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen (Berechtigte), die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Die Voraussetzungen der Nr. 1., 2. und 4. erfüllt die Antragstellerin unstreitig, fraglich ist ausschließlich ihr Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Antragstellerin kann ihren Lebensunterhalt weder durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit noch aus ihrem Einkommen sichern. Sie erhält die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen. Zwar hat die Mutter der Antragstellerin sie jedenfalls in der Vergangenheit (s. Bl. 19 VA) finanziell unterstützt, nachdem die Bundesagentur für Arbeit die Zahlung von Arbeitslosenhilfe versagt hatte. Selbst wenn die Antragstellerin diese Hilfe auch weiterhin von ihrer Mutter erhalten sollte, steht dies ihrer Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Hat nämlich ein Dritter die Hilfeleistung nur deshalb erbracht, weil der Träger der Grundsicherung nicht rechtzeitig eingegriffen oder ein Eingreifen abgelehnt hat, beseitigt dieser Umstand nicht die Bedürftigkeit (vgl. Radüge, juris PK SGB II, § 9 Rz. 29, BVerwG vom 2. September 1993 zum Sozialhilfeanspruch, BVerwGE 94, 127-136).
Zu entscheiden war hier aber, ob die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt aus zu berücksichtigendem Vermögen sichern kann. Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Verwertbar ist das Vermögen, dessen Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet und unmittelbar zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden können. Für einen Einsatz kommt aber nur dasjenige Vermögen in Betracht, durch dessen Verwertung der Notlage oder dem Bedarf abgeholfen werden kann und das dafür rechtzeitig zur Verfügung steht (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGBII, § 12 Rz. 116, Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 12 Rz. 33, zum Sozialhilferecht BVerwG vom 19.12.1997, BVerwGE 106, 105). Vom Vermögen sind nach § 12 Abs. 2 SBG II abzusetzen: 1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 4.100 Euro; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13.000 Euro nicht übersteigen, 1 a. ein Grundfreibetrag in Höhe von 4.100 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind, 2. Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet, 3. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 13.000 Euro nicht übersteigt, 4. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen. Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist (§ 12 Abs. 3 S.1 Nr. 3) und Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6). Für die Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend (§ 12 Abs. 3 S. 2 SGB II).
Die Antragstellerin verfügt über zwei Rentenversicherungen mit einem Rückkaufswert von insgesamt 34.118,00 EUR, deren Verwertbarkeit im Anordnungszeitraum von Mai bis einschließlich November 2005 schon fraglich ist. Da diese Versicherungen, die bisher von der Antragstellerin nicht gekündigt wurden, nach den ihnen zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen und der hiermit übereinstimmenden Auskunft eines Mitarbeiters des Versicherungsunternehmens nunmehr erst zum Ende der Monate April (Versicherung Nr. 1) und September 2006 (Versicherung Nr. 2, gem. §§ 7 und 9 Versicherungsvertragsgesetz umfasst die Versicherungsperiode den Zeitraum von jeweils einem Jahr ab dem Tag des Vertragsschlusses) gekündigt werden können, steht jedenfalls der hieraus resultierende Rückkaufswert der Antragstellerin im streitgegenständlichen Bedarfszeitraum nicht zur Verfügung. Durch Beleihung an den Versicherer können die Versicherungen nach der durch den Senat eingeholten telefonischen Auskunft des Versicherungsunternehmens, die mit der vom Sozialgericht Nordhausen im Verfahren über die Zahlung von Arbeitslosenhilfe eingeholten schriftlichen Auskunft (Bl. 47 VA) übereinstimmt, nicht verwertet werden. Die Möglichkeit der Aufnahme eines verzinslichen Darlehens bei einem Kreditinstitut ist ebenfalls unwahrscheinlich, da die Antragstellerin die Kreditverbindlichkeiten aus ihren Alg II-Leistungen nicht würde bestreiten können und damit von ihrer fehlenden Bonität auszugehen ist. Darüber hinaus kaufen zwar verschiedene Unternehmen bestehende Rentenversicherungen auf, ob die Möglichkeit des Verkaufs allerdings konkret für die Antragstellerin bestanden hätte ist ohne weitere Ermittlungen nicht ersichtlich, da der Ankauf häufig von geringen Restlaufzeiten der Versicherung abhängig gemacht wird. Der Senat hat davon abgesehen, diesbezüglich weiter zu ermitteln, da unabhängig von der Frage der Verwertbarkeit auch die weiter erforderliche Aufklärung der Sach- und Rechtslage den zeitlichen Rahmen eines Eilverfahrens überschreitet.
Das Vermögen der Antragstellerin übersteigt die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 4 SGB II. Weitere Beträge können nicht abgesetzt werden, da es sich bei den Rentenersicherungen der Antragstellerin weder um eine sog. "Riester-Anlageform" i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II handelt noch um sonstiges Altersvorsorgevermögen i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, da die Versicherungen vor Eintritt in den Ruhestand von der Antragstellerin verwertet werden können. Damit ist – die Verwertbarkeit der Versicherungen unterstellt - entscheidungserheblich, ob das gesamte Vermögen der Antragstellerin als Schonvermögen i.S.d. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II unberücksichtigt bleibt. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II schützt in einem Auffangtatbestand Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder eine besondere Härte bedeutet. Wann eine besondere Härte vorliegt, ist im Gesetz nicht definiert. Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, auf dessen Empfehlung die Vorschrift erst in das Gesetz aufgenommen wurde, nennt nur das vom Sozialgericht bereits zitierte Beispiel für eine besondere Härte (BT-Drucks, 15/ 1749 S. 32). Nach dem Sinn und Zweck von Härteregelungen begründen nur besondere Umstände des Einzelfalls, nicht jedoch allgemein gültige Verhältnisse eine besondere Härte. Bei der Bestimmung des Begriffs der besonderen Härte kommt es darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften bezüglich des Vermögenseinsatzes in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II wegen des Vorliegens einer Atypik zu einem den Leitvorstellungen der SGB II Vorschriften nicht entsprechenden Ergebnis führen würde (Radüge, juris PK SGB II, § 12 Rz. 51). Zur Beantwortung der Frage, ob die Verwertung ihrer Rentenversicherungen für die Antragstellerin eine besondere Härte darstellt, kommt es daher zunächst darauf an, ob bei ihr besondere Lebensumstände vorliegen, durch die die Vermögenssituation atypisch wird und die mit den in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II verfolgten Ziele durch die vorgesehenen Privilegierungen nicht mehr erreicht werden können. Die Herkunft des Vermögens ist dabei regelmäßig unerheblich (BVerwG vom 19. Dezember 1997, BVerwGE 106, 105-115). Ausnahmen hiervon kommen allenfalls in Betracht, wenn das Vermögen aus Einkünften resultiert, die nach Maßgabe des § 11 Abs. 3 SGB II nicht als Einkommen einzusetzen sind (Brühl in LPK-SGB II, § 12 Rz. 56, Mecke in Eicher/Spellbrink SGB II, § 12 Rz. 92), was hier nicht ersichtlich ist. Dem besonderen Umstand der Behinderung und den vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin kommt nur Bedeutung zu, sofern sie zu einer atypischen Vermögenssituation der Antragstellerin führen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes erhöhte Aufwendungen hat, die nicht durch Leistungen für Mehrbedarfe gem. § 21 SGB II abgedeckt werden können und daher eine weitere Privilegierung ihres Vermögens rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Aufgrund des Leitgedankens des § 12 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II – Erhaltung einer angemessenen Alterssicherung – kann aber die Vermögensverwertung eine besondere Härte darstellen, wenn Ersparnisse für die Altervorsorge trotz lückenhafter Rentenversicherung eingesetzt werden müssen (Schmidt in Oestreicher SGB XII/SGB II, § 12 Rz. 113, so auch BSG vom 25.Mai 2005, Az: B 11a/11 AL 73/04 R zur Arbeitslosenhilfe). Dies setzt voraus, dass aufgrund der Behinderung der Antragstellerin sowie der Art ihrer konkreten gesundheitlichen Einschränkungen von einer Rentenversicherungslücke ausgegangen werden kann, die größer ist als die Versorgungslücke, die bei einer durchschnittlichen Berufsbiografie eines Alg II - Empfängers in dem Alter und mit dem Ausbildungsstand der Antragstellerin zu erwarten ist. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, da die Vorsorgesituation eines nicht behinderten Alg II - Empfängers mit dem Ausbildungsstand der Antragstellerin möglicherweise keine erheblichen Abweichungen zum Altersvorsorgeniveau der Antragstellerin aufweist und daher eine atypische Vermögenssituation der Antragstellerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nur angenommen werden kann, wenn aufgrund konkreter Umstände von einer weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und damit einhergehender Vergrößerung der Versorgungslücken ausgegangen werden könnte. Die zur Beantwortung dieser Fragen erforderlichen Ermittlungen bedürften eines Zeitaufwandes, der einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht mehr angemessenen ist.
Die vom Bundesverfassungsgericht für diesen Fall geforderte Folgenabwägung rechtfertigt die vom Sozialgericht erlassene Anordnung in vollem Umfang.
Sollte die beantragte einstweilige Anordnung unterbleiben, hätte dies für die Antragstellerin zur Folge, dass sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache gezwungen wäre, ihre Rentenversicherungen zu verwerten. Hierdurch würde ihr ein Nachteil entstehen, der nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnte, da die Ablaufleistung einer Versicherung den Rückkaufs- oder Verkaufswert regelmäßig übersteigt. Demgegenüber kann die Antragsgegnerin die aufgrund einer einstweiligen Anordnung vorläufig erbrachten Leistungen von der Antragsgegnerin im Falle ihres Obsiegens in der Hauptsache zurückfordern und zur Realisierung ihrer Forderung auf die Rentenversicherungen der Antragstellerin zurückgreifen. Der Antragstellerin sind auch die ihr entstehenden Kosten der Unterkunft, für deren Unangemessenheit keinerlei Anhaltspunkte bestehen, in vollem Umfang vorläufig zu zahlen. Volljährige Kindern, wie die Antragstellerin, können aus rechtlichen Gründen nicht daran gehindert werden, eine eigene Wohnung zu beziehen. Es sind auch keine rechtlichen Ansatzpunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin verpflichtet wäre, in die Wohnung ihrer Mutter zurückzukehren. Da der Auszug der Antragstellerin von ihrer Mutter nicht nur gebilligt, sondern auch aktiv unterstützt wurde, hat sie von dem ihr nach § 1612 Abs. 2 BGB zustehenden Bestimmungsrecht, ihrer volljährigen Tochter keinen Naturalunterhalt (Kost und Logis im elterlichen Haushalt) mehr zu gewähren, Gebrauch gemacht (OVG Schleswig – Holstein vom 16. Januar 2002, info also 2002, 130 – 131). Eine solche Bestimmung ist für die Antragsgegnerin solange verbindlich, wie sie nicht durch das Vormundschaftsgericht abgeändert wurde. Zudem kann entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin, die mit 28 Jahren erstmalig eigenen Wohnraum bezogen hat, dies ohne wichtigen Grund im Sinne des § 34 SGB II getan hat. Zur Entwicklung einer eigenverantwortlichen, von ihrer Mutter unabhängigen Lebensführung erscheint dieses gerade auch unter Berücksichtigung der Behinderung der Antragstellerin vielmehr erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1977 geborene Antragstellerin leidet unter einer organischen Hirnschädigung mit geistiger Behinderung (Lernbehinderung) und einer Persönlichkeitsstörung sowie Niederblutdruck (Hypotonie) mit Beschwerden. Auf Grund dieses Gesundheitszustandes wurde der Antragstellerin mit Bescheid des Versorgungsamtes vom 5. Juni 2002 die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 zuerkannt. Die Antragstellerin absolvierte nach dem Besuch einer staatlichen Sonderschule für Lernbehinderte und einem Berufsvorbereitungsjahr eine Berufsausbildung zur Hauswirtschaftshelferin. In der Folgezeit ab September 1997 war sie ausschließlich im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, Rehabilitations- und Qualifizierungsmaßnahmen beschäftigt, die durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert wurden, oder arbeitslos. Unter Berücksichtigung ihrer hierdurch bisher erworbenen Rentenanwartschaften teilte die Landesversicherungsanstalt Thüringen am 27. November 2004 mit, dass die Antragstellerin ab dem 65. Lebensjahr ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen eine monatliche Altersrente von 528,34 EUR zu erwarten habe, sollte sie wie im Durchschnitt der letzten 5 Jahre weitere Entgeltpunkte erwerben. Sollte die Antragstellerin zum Auskunftszeitpunkt wegen gesundheitlicher Einschränkungen voll erwerbsgemindert werden, erhielte sie eine monatliche Rente von 366,90 Euro. Die Antragstellerin hat derzeit kein Einkommen und lebte bis Ende April 2005 durchgehend mit ihrer 60-jährigen Mutter in einem Haushalt. Sie verfügt über zwei private Rentenversicherungen. Die Rentenversicherung mit der Nr. 1 wurde von ihr unter dem 27. April 2000 mit der Sparkassenversicherung Hessen-Nassau-Thüringen Lebensversicherungs AG abgeschlossen. Der Rückkaufswert dieser Versicherung betrug zum 1. August 2005 nach Auskunft des Versicherungsunternehmens (Bl. 39 der GA) 13.327,00 Euro, worauf 430,00 Euro an Kapitalsteuern und 34,00 Euro an Solidaritätszuschlag angefallen wären. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt Beiträge in Höhe von 12.782,30 Euro durch die Mutter der Antragstellerin eingezahlt worden. Diese Versicherung ist nach den ihr zugrunde liegenden allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung jederzeit zum Schluss des laufenden Versicherungsjahres, d.h. dem 30. April 2006 kündbar. Nach dem Versicherungsvertrag erhält die Antragstellerin im Erlebensfall ab dem 1. Mai 2022 (ihrem 46. Lebensjahr) eine garantierte monatliche Rente in Höhe von 189,51 DM (entspricht 96,89 Euro) oder wahlweise eine Kapitalabfindung in Höhe von 49.476,00 DM (entspricht 25.296,68 Euro). Unter dem 1. August 2002 schloss die Antragstellerin eine weitere Rentenversicherung (Nr.: 2) mit einem einmaligen Beitrag in Höhe von 20.000,00 Euro ab, den ebenfalls ihre Mutter entrichtete. Hieraus wäre ihr im Erlebensfall ab dem 1. August 2037 (61. Lebensjahr) eine garantierte monatliche Rente in Höhe von 234,64 Euro zu zahlen. Dieser Vertrag ist nach den ihm zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen (Bl. 55 VA) jederzeit zum Schluss einer Versicherungsperiode kündbar. Der Rückkaufswert betrug zum 1. August 2005 20.791,00 Euro (abzüglich Kapitalsteuer in Höhe von 454,00 Euro und Solidaritätszuschlag in Höhe von 31,00 Euro).
Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bis einschließlich zum 27. April 2003 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 12. Mai 2003 lehnte die Bundesagentur für Arbeit den Antrag ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch der Antragstellerin wegen fehlender Bedürftigkeit zurück, da sie über verwertbares Vermögen in Form der beiden Rentenversicherungen verfüge. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen (Az.: S 9 AL 784/03) ist bisher nicht abgeschlossen. Am 30. September 2004 beantragte die Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, die ihr mit Bescheid vom 17. Januar 2005 für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 bewilligt wurden. Am 14. April 2005 beantragte die Antragstellerin die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II und teilte mit, dass sie ab dem 1. Mai 2005 eine eigene Wohnung beziehen werde, was sie auch tat. Für die 44,22 m² große Wohnung hat sie eine Nettomiete in Höhe von 203,41 Euro sowie eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 44,00 Euro monatlich zu entrichten. Vor Anmietung dieser Wohnung hatte die Antragstellerin der Antragsgegnerin einen Wohnbesichtigungsschein vorgelegt, auf den eine ihrer Mitarbeiterinnen handschriftlich das Kürzel "gen. 24.02.05 L." setzte.
Nachdem die Antragsgegnerin bis zum 22. Juni 2005 keine Entscheidung über die Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II getroffen hatte, hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Nordhausen beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1. Mai 2005 zu gewähren. Diesen Antrag hat sie damit begründet, dass sie über kein Einkommen und keine finanziellen Mittel verfüge und daher ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könne. Auch drohten ihr Mietschulden und ggf. der Verlust der angemieteten Wohnung. Die Rentenversicherungen seien als Vermögen nicht zu berücksichtigen, da ihre Berücksichtigung für sie eine besondere Härte bedeuten würde. Die Mutter der Antragstellerin habe aus ihren eigenen Ersparnissen die Beiträge zu den privaten Rentenversicherungen der Antragstellerin aufgebracht, um ihre Tochter für die Zukunft abzusichern, da ihr bisheriger beruflicher Werdegang deutlich zeige, dass sie niemals einen gesetzlichen Rentenanspruch erwerben könne, der ihre angemessene Altersversorgung sicherstelle. Um die Bedürftigkeit der Antragstellerin im Alter auszuschließen, habe ihre Mutter diese private Vorsorge treffen wollen. Die Kosten der Unterkunft seien unabhängig davon bereits deshalb zu gewähren, da ihr die Übernahme dieser Kosten durch die erfolgte Genehmigung auf dem Wohnbesichtigungsschein zugesichert worden sei.
Das Sozialgericht Nordhausen hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 14. Juli 2005 (zugestellt am 20. Juli 2005) verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II im Zeitraum vom 1. Mai 2005 bis zum 30. November 2005 zu gewähren und den weitergehenden Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Hilfebedürftigkeit der Klägerin stehe nicht zu berücksichtigendes Vermögen entgegen. Zwar überstiege das Vermögen der Klägerin in Form der Rentenversicherungen die Freibeträge des § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 5.600,00 Euro und § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II in Höhe von 750,00 Euro für notwendige Anschaffungen. Die Versicherungen seien jedoch nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 SGB II nicht als Vermögen zu berücksichtigen, da ihre Verwertung eine besondere Härte für die Klägerin bedeuten würde. Die gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin und ihr bisheriger schulischer und beruflicher Werdegang ließen mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass sie auf Dauer nicht in der Lage sein werde, ihre angemessene Lebensführung und insbesondere ihre angemessene Altersversorgung abzusichern. Die Art der gesundheitlichen Schädigungen der Antragstellerin ließe vielmehr vermuten, dass es für sie mit zunehmendem Alter noch schwieriger werde, eine angemessene Lebensführung aufrecht zu erhalten und für eine angemessene Altersicherung zu sorgen. Es sei abzusehen, dass die Antragstellerin nicht in eine feste, dauerhafte und ungeförderte Anstellung gelangen werde und sich somit keine angemessene berufliche Basis und kein angemessenes Rentenversicherungsguthaben aufbauen könne.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 27. Juli 2005 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht Nordhausen nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegnerin ist der Rechtsauffassung, dass die Antragstellerin nicht bedürftig im Sinne des SGB II sei, da sie über hinreichendes verwertbares Vermögen verfüge. Die Rentenversicherungen könnten, selbst wenn sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht kündbar sein sollten, beliehen oder verkauft werden. Ihre Verwertung stelle insbesondere auf Grund des Umstandes, dass die Antragstellerin diese Vermögenspositionen durch unentgeltliche Zuwendungen ihrer Mutter erhalten habe, keine besondere Härte dar. Darüber hinaus sei vom Gesetzgeber zur Schaffung einer angemessenen Altersversorgung ein Betrag von 200,00 Euro pro Lebensjahr, maximal 13.000,00 Euro als angemessen vorgesehen. Zwar sei nicht absehbar, wie lange die Antragstellerin arbeitslos sei, dies allein begründe für sich betrachtet jedoch keine unbillige Härte, da in den seltensten Fällen konkret einzuschätzen sei, wie lange Arbeitslosigkeit bzw. Hilfebedürftigkeit andauern werde. Sie gehe ferner davon aus, dass es trotz der Schwerbehinderteneigenschaft der Antragstellerin durchaus möglich sei, die Antragstellerin in absehbarer Zeit zumindest in ein gefördertes Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Auch sei möglich, dass die Antragstellerin einen ungeförderten Arbeitsplatz dauerhaft erhalten könne. Eine besondere Härte solle lediglich bei ganz atypischen Fällen zu einer Nichtanrechnung von Vermögen führen. Eine körperliche Behinderung stelle eine solche atypische Situation jedoch nicht dar. Abgesehen von diesen Erwägungen seien jedenfalls die Kosten für Unterkunft und Heizung der Antragstellerin nicht zu bewilligen, da die Antragstellerin die bei ihrer Mutter ein freies Wohnrecht gehabt habe ohne erkennbaren Grund ihren monatlichen Bedarf durch den Bezug einer eigenen Wohnung erhöht habe. Dieses folge aus § 34 SGB II. Eine Zustimmung zum Umzug sei von der Antragsgegnerin nicht erteilt worden, vielmehr sei auf dem Wohnungsbesichtigungsschein lediglich vermerkt worden, dass diese eventuell anzumietende Wohnung von der Größe unter Umständen als angemessen anzusehen sei.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß
den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Juli 2005 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, hilfsweise, den Beschluss dahingehend abzuändern, Arbeitslosengeld II als Darlehen und mit Ausnahme der Kosten für die Unterkunft zu gewähren
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die die Antragstellerin betreffende Akte der Antragsgegnerin lag vor und ist Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall von § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1, Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2, Regelungsanordnung). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86 b Abs. 4 SGG).
Ein Anordnungsantrag ist - im Rahmen einer Regelungsanordnung - begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch (materiell-rechtlicher Hilfeanspruch, wie er im SGB II normiert ist) und einen Anordnungsgrund (nötig Erscheinen einer Regelung zur Abwendung eines wesentlichen Nachteils) bejahen kann (vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 1996, § 123 Rz 62 f.). Ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit oder Dringlichkeit der Rechtsschutzgewährung) liegt vor, wenn es für den Antragsteller unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden, wobei auf die Bedeutung der Folgen für den Fall des Nichterlasses der begehrten einstweiligen Anordnung abzustellen ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rz. 292). Dabei stellt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 2005 (1 BVR 569/05) Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an das Eilverfahren auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose. Sofern sich das Verfahren an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert, muss die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft werden. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens dürfen nicht überspannt werden. Außerdem sind Fragen des Grundrechtsschutzes mit einzubeziehen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch hier sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Da die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen und diese Sicherstellung eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates ist, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt, kommt einem hierauf gerichteten Antragsbegehren daher ein besonderes grundrechtliches Gewicht zu, das ausreichend zu würdigen ist.
Im vorliegenden Fall ist dem Senat eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich.
Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen (Berechtigte), die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Die Voraussetzungen der Nr. 1., 2. und 4. erfüllt die Antragstellerin unstreitig, fraglich ist ausschließlich ihr Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Die Antragstellerin kann ihren Lebensunterhalt weder durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit noch aus ihrem Einkommen sichern. Sie erhält die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen. Zwar hat die Mutter der Antragstellerin sie jedenfalls in der Vergangenheit (s. Bl. 19 VA) finanziell unterstützt, nachdem die Bundesagentur für Arbeit die Zahlung von Arbeitslosenhilfe versagt hatte. Selbst wenn die Antragstellerin diese Hilfe auch weiterhin von ihrer Mutter erhalten sollte, steht dies ihrer Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Hat nämlich ein Dritter die Hilfeleistung nur deshalb erbracht, weil der Träger der Grundsicherung nicht rechtzeitig eingegriffen oder ein Eingreifen abgelehnt hat, beseitigt dieser Umstand nicht die Bedürftigkeit (vgl. Radüge, juris PK SGB II, § 9 Rz. 29, BVerwG vom 2. September 1993 zum Sozialhilfeanspruch, BVerwGE 94, 127-136).
Zu entscheiden war hier aber, ob die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt aus zu berücksichtigendem Vermögen sichern kann. Nach § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Verwertbar ist das Vermögen, dessen Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet und unmittelbar zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden können. Für einen Einsatz kommt aber nur dasjenige Vermögen in Betracht, durch dessen Verwertung der Notlage oder dem Bedarf abgeholfen werden kann und das dafür rechtzeitig zur Verfügung steht (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGBII, § 12 Rz. 116, Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 12 Rz. 33, zum Sozialhilferecht BVerwG vom 19.12.1997, BVerwGE 106, 105). Vom Vermögen sind nach § 12 Abs. 2 SBG II abzusetzen: 1. ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 4.100 Euro; der Grundfreibetrag darf für den volljährigen Hilfebedürftigen und seinen Partner jeweils 13.000 Euro nicht übersteigen, 1 a. ein Grundfreibetrag in Höhe von 4.100 Euro für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind, 2. Altersvorsorge in Höhe des nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderten Vermögens einschließlich seiner Erträge und der geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträge, soweit der Inhaber das Altersvorsorgevermögen nicht vorzeitig verwendet, 3. geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 13.000 Euro nicht übersteigt, 4. ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen. Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige oder sein Partner von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist (§ 12 Abs. 3 S.1 Nr. 3) und Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6). Für die Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend (§ 12 Abs. 3 S. 2 SGB II).
Die Antragstellerin verfügt über zwei Rentenversicherungen mit einem Rückkaufswert von insgesamt 34.118,00 EUR, deren Verwertbarkeit im Anordnungszeitraum von Mai bis einschließlich November 2005 schon fraglich ist. Da diese Versicherungen, die bisher von der Antragstellerin nicht gekündigt wurden, nach den ihnen zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen und der hiermit übereinstimmenden Auskunft eines Mitarbeiters des Versicherungsunternehmens nunmehr erst zum Ende der Monate April (Versicherung Nr. 1) und September 2006 (Versicherung Nr. 2, gem. §§ 7 und 9 Versicherungsvertragsgesetz umfasst die Versicherungsperiode den Zeitraum von jeweils einem Jahr ab dem Tag des Vertragsschlusses) gekündigt werden können, steht jedenfalls der hieraus resultierende Rückkaufswert der Antragstellerin im streitgegenständlichen Bedarfszeitraum nicht zur Verfügung. Durch Beleihung an den Versicherer können die Versicherungen nach der durch den Senat eingeholten telefonischen Auskunft des Versicherungsunternehmens, die mit der vom Sozialgericht Nordhausen im Verfahren über die Zahlung von Arbeitslosenhilfe eingeholten schriftlichen Auskunft (Bl. 47 VA) übereinstimmt, nicht verwertet werden. Die Möglichkeit der Aufnahme eines verzinslichen Darlehens bei einem Kreditinstitut ist ebenfalls unwahrscheinlich, da die Antragstellerin die Kreditverbindlichkeiten aus ihren Alg II-Leistungen nicht würde bestreiten können und damit von ihrer fehlenden Bonität auszugehen ist. Darüber hinaus kaufen zwar verschiedene Unternehmen bestehende Rentenversicherungen auf, ob die Möglichkeit des Verkaufs allerdings konkret für die Antragstellerin bestanden hätte ist ohne weitere Ermittlungen nicht ersichtlich, da der Ankauf häufig von geringen Restlaufzeiten der Versicherung abhängig gemacht wird. Der Senat hat davon abgesehen, diesbezüglich weiter zu ermitteln, da unabhängig von der Frage der Verwertbarkeit auch die weiter erforderliche Aufklärung der Sach- und Rechtslage den zeitlichen Rahmen eines Eilverfahrens überschreitet.
Das Vermögen der Antragstellerin übersteigt die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 4 SGB II. Weitere Beträge können nicht abgesetzt werden, da es sich bei den Rentenersicherungen der Antragstellerin weder um eine sog. "Riester-Anlageform" i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II handelt noch um sonstiges Altersvorsorgevermögen i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, da die Versicherungen vor Eintritt in den Ruhestand von der Antragstellerin verwertet werden können. Damit ist – die Verwertbarkeit der Versicherungen unterstellt - entscheidungserheblich, ob das gesamte Vermögen der Antragstellerin als Schonvermögen i.S.d. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II unberücksichtigt bleibt. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II schützt in einem Auffangtatbestand Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder eine besondere Härte bedeutet. Wann eine besondere Härte vorliegt, ist im Gesetz nicht definiert. Der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, auf dessen Empfehlung die Vorschrift erst in das Gesetz aufgenommen wurde, nennt nur das vom Sozialgericht bereits zitierte Beispiel für eine besondere Härte (BT-Drucks, 15/ 1749 S. 32). Nach dem Sinn und Zweck von Härteregelungen begründen nur besondere Umstände des Einzelfalls, nicht jedoch allgemein gültige Verhältnisse eine besondere Härte. Bei der Bestimmung des Begriffs der besonderen Härte kommt es darauf an, ob die Anwendung der Regelvorschriften bezüglich des Vermögenseinsatzes in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II wegen des Vorliegens einer Atypik zu einem den Leitvorstellungen der SGB II Vorschriften nicht entsprechenden Ergebnis führen würde (Radüge, juris PK SGB II, § 12 Rz. 51). Zur Beantwortung der Frage, ob die Verwertung ihrer Rentenversicherungen für die Antragstellerin eine besondere Härte darstellt, kommt es daher zunächst darauf an, ob bei ihr besondere Lebensumstände vorliegen, durch die die Vermögenssituation atypisch wird und die mit den in § 12 Abs. 2 und 3 SGB II verfolgten Ziele durch die vorgesehenen Privilegierungen nicht mehr erreicht werden können. Die Herkunft des Vermögens ist dabei regelmäßig unerheblich (BVerwG vom 19. Dezember 1997, BVerwGE 106, 105-115). Ausnahmen hiervon kommen allenfalls in Betracht, wenn das Vermögen aus Einkünften resultiert, die nach Maßgabe des § 11 Abs. 3 SGB II nicht als Einkommen einzusetzen sind (Brühl in LPK-SGB II, § 12 Rz. 56, Mecke in Eicher/Spellbrink SGB II, § 12 Rz. 92), was hier nicht ersichtlich ist. Dem besonderen Umstand der Behinderung und den vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin kommt nur Bedeutung zu, sofern sie zu einer atypischen Vermögenssituation der Antragstellerin führen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes erhöhte Aufwendungen hat, die nicht durch Leistungen für Mehrbedarfe gem. § 21 SGB II abgedeckt werden können und daher eine weitere Privilegierung ihres Vermögens rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Aufgrund des Leitgedankens des § 12 Abs. 2 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB II – Erhaltung einer angemessenen Alterssicherung – kann aber die Vermögensverwertung eine besondere Härte darstellen, wenn Ersparnisse für die Altervorsorge trotz lückenhafter Rentenversicherung eingesetzt werden müssen (Schmidt in Oestreicher SGB XII/SGB II, § 12 Rz. 113, so auch BSG vom 25.Mai 2005, Az: B 11a/11 AL 73/04 R zur Arbeitslosenhilfe). Dies setzt voraus, dass aufgrund der Behinderung der Antragstellerin sowie der Art ihrer konkreten gesundheitlichen Einschränkungen von einer Rentenversicherungslücke ausgegangen werden kann, die größer ist als die Versorgungslücke, die bei einer durchschnittlichen Berufsbiografie eines Alg II - Empfängers in dem Alter und mit dem Ausbildungsstand der Antragstellerin zu erwarten ist. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, da die Vorsorgesituation eines nicht behinderten Alg II - Empfängers mit dem Ausbildungsstand der Antragstellerin möglicherweise keine erheblichen Abweichungen zum Altersvorsorgeniveau der Antragstellerin aufweist und daher eine atypische Vermögenssituation der Antragstellerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nur angenommen werden kann, wenn aufgrund konkreter Umstände von einer weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und damit einhergehender Vergrößerung der Versorgungslücken ausgegangen werden könnte. Die zur Beantwortung dieser Fragen erforderlichen Ermittlungen bedürften eines Zeitaufwandes, der einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht mehr angemessenen ist.
Die vom Bundesverfassungsgericht für diesen Fall geforderte Folgenabwägung rechtfertigt die vom Sozialgericht erlassene Anordnung in vollem Umfang.
Sollte die beantragte einstweilige Anordnung unterbleiben, hätte dies für die Antragstellerin zur Folge, dass sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache gezwungen wäre, ihre Rentenversicherungen zu verwerten. Hierdurch würde ihr ein Nachteil entstehen, der nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnte, da die Ablaufleistung einer Versicherung den Rückkaufs- oder Verkaufswert regelmäßig übersteigt. Demgegenüber kann die Antragsgegnerin die aufgrund einer einstweiligen Anordnung vorläufig erbrachten Leistungen von der Antragsgegnerin im Falle ihres Obsiegens in der Hauptsache zurückfordern und zur Realisierung ihrer Forderung auf die Rentenversicherungen der Antragstellerin zurückgreifen. Der Antragstellerin sind auch die ihr entstehenden Kosten der Unterkunft, für deren Unangemessenheit keinerlei Anhaltspunkte bestehen, in vollem Umfang vorläufig zu zahlen. Volljährige Kindern, wie die Antragstellerin, können aus rechtlichen Gründen nicht daran gehindert werden, eine eigene Wohnung zu beziehen. Es sind auch keine rechtlichen Ansatzpunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin verpflichtet wäre, in die Wohnung ihrer Mutter zurückzukehren. Da der Auszug der Antragstellerin von ihrer Mutter nicht nur gebilligt, sondern auch aktiv unterstützt wurde, hat sie von dem ihr nach § 1612 Abs. 2 BGB zustehenden Bestimmungsrecht, ihrer volljährigen Tochter keinen Naturalunterhalt (Kost und Logis im elterlichen Haushalt) mehr zu gewähren, Gebrauch gemacht (OVG Schleswig – Holstein vom 16. Januar 2002, info also 2002, 130 – 131). Eine solche Bestimmung ist für die Antragsgegnerin solange verbindlich, wie sie nicht durch das Vormundschaftsgericht abgeändert wurde. Zudem kann entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin, die mit 28 Jahren erstmalig eigenen Wohnraum bezogen hat, dies ohne wichtigen Grund im Sinne des § 34 SGB II getan hat. Zur Entwicklung einer eigenverantwortlichen, von ihrer Mutter unabhängigen Lebensführung erscheint dieses gerade auch unter Berücksichtigung der Behinderung der Antragstellerin vielmehr erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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