Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 24 R 636/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 145/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 15/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1963 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 12.07.2012 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Beklagten lagen Befunde und Gutachten aus einem abgeschlossen Rentenverfahren vor. Des Weiteren lag der Beklagten ein Ärztlicher Entlassungsbericht zur durchgeführten medizinischen Rehabilitation vom 28.02.2012 vor. Sie holte Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein.
Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erfolgte eine orthopädische Begutachtung. Der Facharzt f. Orthopädie und Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. S. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 29.11.2012 bei der Klägerin Chondropathie beider Kniegelenke – rechts stärker als links, Cervicobrachialsyndrom, Lumbalsyndrom, Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung/DD Fibromyalgiesyndrom, arterielle Hypertonie und Funktionseinschränkung linker Ellenbogen. Der Gutachter kam zur Einschätzung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens für leichte Arbeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt. Einschränkungen bestünden hinsichtlich des Bewegungs- und Haltungsapparates für Tätigkeiten im Bücken, Hocken, Knien und längere Zwangshaltungen. Die Beklagte beauftragte außerdem Dr. K., Facharzt f. Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 08.08.2013 diagnostizierte er bei der Klägerin Chronisches Schmerzsyndrom bei funktioneller Funktionseinschränkung großer Gelenke nach Mehrfachoperation, Schwindel multifaktorieller Genese – cervikale Komponente denkbar, Hypertension – unter Behandlung kompensiert sowie Metatarsalgie. Der Sachverständige schätzte ein, die Klägerin könne eine leichte Tätigkeit überwiegend im Sitzen und zeitweise im Stehen und Gehen mindestens sechs Stunden und mehr am allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Einschränkungen bestünden hinsichtlich Schichtarbeiten, Heben und Tragen schwerer Lasten, Zwangshaltung und bei Absturzgefahr. Die Klägerin könne nicht mehr Arbeiten unter hohem Zeitdruck mit ständig wechselnden Anforderungssituationen und ständig sehr hohen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit verrichten.
Mit Bescheid vom 16.09.2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Klägerin liege ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten im Rahmen einer Fünftagewoche unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vor.
Mit ihrer am 19.12.2013 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter. Sie trägt vor, nach den Gutachten ermögliche ihr der inzwischen eingetretene Gesundheitszustand, sowohl aus orthopädischer Sicht als auch aus psychologischer Sicht, nur Tätigkeiten bis zu maximal drei Stunden. Alle bisherigen Schmerztherapien seien erfolglos verlaufen. Trotz Versuches der Aufnahme einer Tätigkeit von täglich bis zu fünf Stunden, könne sie keiner Erwerbstätigkeit von mehr als drei Stunden auf Dauer nachkommen. Die Schmerzen hielten während des gesamten Tages und in der Nacht an. Die körperlich anstrengenden Arbeiten im Haushalt übernehme der Ehegatte. Die medizinischen Feststellungen der Beklagten berücksichtigten die Angaben der behandelnden Ärzte nur ungenügend.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab dem 01.07.2012 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat medizinische Ermittlungen in der Sache angeregt.
Die Klägerin hat einen Arztbrief des Prof. Dr. M. vom 02.10.2012 vorgelegt, in dem dieser mitteilt, der Klägerin könne eine berufliche Tätigkeit nur in einem Umfang von weniger als drei Stunden zugemutet werden. Neben einer orthopädischen Begutachtung hat er zusätzlich eine psychiatrische/psychosomatische Begutachtung empfohlen. Zudem hat sie einen Ultraschallbefund vom 03.02.2014 sowie einen Überweisungsschein vorgelegt.
Das Gericht hat zur weiteren medizinischen Sachverhaltsaufklärung Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte (Dr. A. vom 14.02.2014, Prof. Dr. M. vom 19.02.2014, Dr. R. vom 07.03.2014 und Dipl. Med. S. vom 03.09.2015) eingeholt sowie eine Epikrise des A. St. J.-Krankenhauses D. vom 19.05.2015 beigezogen. Die Klägerin hat ein Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt e. V. vom 12.11.2014, einen Arztbrief des Dr. S. vom 02.02.2015 und eine fachärztliche Bescheinigung des Prof. Dr. M. vom 21.07.2015 beigebracht. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie Dr. V. In seinem Gutachten vom 27.11.2015 hat der Sachverständige bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Anpassungsstörungen diagnostiziert. Der Gutachter hat eingeschätzt, die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich eine leichte bis mittelschwere und mittelschwierige Tätigkeit im Gehen, Stehen und Sitzen durchführen. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, häufiges Bücken und Knien, Arbeiten mit häufigen oder in andauernden Zwangshaltungen der Knie, Wirbelsäule oder Schultern – wie z. B. Überkopfarbeiten, Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord oder am Fließband seien zu vermeiden. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit durch ambulante psychotherapeutische Maßnahmen, aber auch eine psychosomatisch orientierte medizinische Rehabilitationsmaßnahme innerhalb von sechs Monaten bei zumutbarer Willensanspannung gebessert werden könne.
Mit ihrer Stellungnahme vom 07.01.2016 beanstandet die Klägerin das Gutachten und die hierin festgehaltenen sozialmedizinischen Schlüsse. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 02.02.2016 geht der Sachverständige auf die Gegendarstellungen der Klägerin ein und hält an seiner Leistungseinschätzung fest.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
1. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch, Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie – neben weiteren Voraussetzungen – teilweise erwerbsgemindert sind. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie – neben weiteren Voraussetzungen – voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach Überzeugung der Kammer kann die Klägerin noch sechs Stunden und mehr täglich arbeitstätig sein. Zwar ist das Leistungsvermögen der Klägerin in Folge von Krankheit eingeschränkt. Sie ist jedoch noch in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere sowie mittelschwierige Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen auszuführen. Zu vermeiden sind Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, häufiges Bücken und Knien, Arbeiten mit häufigen oder in andauernden Zwangshaltungen der Knie, Wirbelsäule oder Schultern – wie z. B. Überkopfarbeiten und Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord oder am Fließband.
Die Kammer folgt insoweit den überzeugenden Feststellungen des Gutachters Dr. V., der aufgrund der erhobenen Befunde und hierauf begründeten Diagnosen zu dem Ergebnis kommt, dass die Klägerin in der Leistungsfähigkeit in qualitativer Hinsicht nicht jedoch in quantitativer Hinsicht eingeschränkt ist. Auf der Grundlage der umfangreich erhobenen Befunde des Gutachters hält die Kammer die Einschätzung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Klägerin für schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend. Der Sachverständige Dr. V. hat die Klägerin eingehend untersucht und umfassende Befunde einschließlich der Testpsychologie sowie eine ausführliche Anamnese erhoben. Er hat unter Auswertung der Gerichts- und Verwaltungsakte die medizinischen Befunde und Unterlagen in seine Begutachtung einbezogen und kritisch gewürdigt. So konnte der Sachverständige feststellen, dass sich die qualitativen Einschränkungen aus verminderter psychischer und emotionaler Belastbarkeit und schmerzhafter Beschwerdeverstärkung durch spezielle körperliche Belastungen ergeben. Die Beschwerden unterliegen dabei der willkürlichen Steuerungsfähigkeit der Klägerin. Im Rahmen der Konsistenzprüfung erwiesen sich die subjektiven Angaben zu den Beschwerden, die auch Teile testpsychologischer Angaben einschließen, als hierzu diskrepant. Hinweise auf wesentlich eingeschränkte Alltagsaktivitäten fanden sich nicht. Dagegen hat der Sachverständige eine begründete Aussicht auf Behandlungsmöglichkeit zur Besserung der Beschwerden binnen sechs Monaten aufzeigen können. Die therapeutischen Möglichkeiten sind bisher keineswegs ausgeschöpft. Eine entsprechende Arbeits- und Veränderungsbereitschaft ist von der Klägerin zu erwarten und ihr zumutbar. Solange zumutbare Behandlungsoptionen auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet, sei es ärztlicher, therapeutischer oder auch medikamentöser Art bestehen, scheidet die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgericht aus (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.1990, 5 RJ 8889; Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 3105 R; Bayrisches Landessozialgericht, Urteil vom 21.03.2012, L 19 R 35/08). Die angeführten Diagnosen beeinträchtigen die körperlichen Funktionen in den genannten qualitativen Einschränkungen nicht jedoch in quantitativer Hinsicht.
Die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. S. vom 29.11.2012 und des Dr. K. vom 08.08.2013, die die Kammer im Rahmen des Urkundsbeweises nach § 118 Abs. 3 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung verwertet, stützen die Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. V. und kommen ebenfalls zum Vorliegen eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens unter Beachtung qualitativer Einschränkungen.
Daneben geben die im Klageverfahren von den behandelnden Ärzten eingeholten Befundberichte keinen Anlass, an diesem Ergebnis zu zweifeln. Sie bestätigen die bekannten Diagnosen und haben Eingang in der Beurteilung des aktuellen Sachverständigengutachtens gefunden. In der Epikrise vom 19.05.2015 und dem Befundbericht vom 03.09.2015 werden ausdrücklich die vom Sachverständigen aufgezeigten Behandlungsoptionen bestätigt. Auch die die Klägerin behandelnde Dipl. Med. S. bestätigt ein Leistungsvermögen der Klägerin für leichte körperliche Arbeiten mit zusätzlichen qualitativen Einschränkungen von sechs Stunden und mehr.
Insgesamt ergibt sich hieraus das Bild einer durch die genannten Krankheiten eingeschränkten aber nicht in zeitlicher Hinsicht aufgehobenen Leistungsfähigkeit der Klägerin im Berufsleben. Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ist die Klägerin nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Absatz 1 Satz 2 SGB VI. Ist die Klägerin danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist sie erst recht nicht voll erwerbsgemindert.
Es liegt auch keine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes vor. Versicherte sind trotz eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens dann als voll erwerbsgemindert zu sehen, wenn besondere gesundheitliche Einschränkungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen, die eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich machen. Eine konkrete Tätigkeit die die Klägerin auch in Ansehung der körperlichen und geistigen Einschränkungen noch verrichten kann, muss im Rahmen des § 43 Absatz 1 Satz 1 SGB VI in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung nicht genannt werden. Insbesondere stellen auch die festgestellten Einschränkungen keine ungewöhnliche Leistungseinschränkungen oder spezifische Leistungsbehinderung, wie z.B. Einarmigkeit oder Einäugigkeit dar, die die Verrichtung selbst leichtester Tätigkeiten vielfältig und im erheblichen Umfang einschränken. Die festgestellten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin bewegen sich in dem Rahmen, in dem eine pauschale Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für zulässig gehalten wird (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 104).
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1963 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten am 12.07.2012 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Beklagten lagen Befunde und Gutachten aus einem abgeschlossen Rentenverfahren vor. Des Weiteren lag der Beklagten ein Ärztlicher Entlassungsbericht zur durchgeführten medizinischen Rehabilitation vom 28.02.2012 vor. Sie holte Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein.
Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erfolgte eine orthopädische Begutachtung. Der Facharzt f. Orthopädie und Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. S. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 29.11.2012 bei der Klägerin Chondropathie beider Kniegelenke – rechts stärker als links, Cervicobrachialsyndrom, Lumbalsyndrom, Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung/DD Fibromyalgiesyndrom, arterielle Hypertonie und Funktionseinschränkung linker Ellenbogen. Der Gutachter kam zur Einschätzung eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens für leichte Arbeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt. Einschränkungen bestünden hinsichtlich des Bewegungs- und Haltungsapparates für Tätigkeiten im Bücken, Hocken, Knien und längere Zwangshaltungen. Die Beklagte beauftragte außerdem Dr. K., Facharzt f. Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem Gutachten vom 08.08.2013 diagnostizierte er bei der Klägerin Chronisches Schmerzsyndrom bei funktioneller Funktionseinschränkung großer Gelenke nach Mehrfachoperation, Schwindel multifaktorieller Genese – cervikale Komponente denkbar, Hypertension – unter Behandlung kompensiert sowie Metatarsalgie. Der Sachverständige schätzte ein, die Klägerin könne eine leichte Tätigkeit überwiegend im Sitzen und zeitweise im Stehen und Gehen mindestens sechs Stunden und mehr am allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Einschränkungen bestünden hinsichtlich Schichtarbeiten, Heben und Tragen schwerer Lasten, Zwangshaltung und bei Absturzgefahr. Die Klägerin könne nicht mehr Arbeiten unter hohem Zeitdruck mit ständig wechselnden Anforderungssituationen und ständig sehr hohen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit verrichten.
Mit Bescheid vom 16.09.2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2013 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei der Klägerin liege ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten im Rahmen einer Fünftagewoche unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vor.
Mit ihrer am 19.12.2013 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter. Sie trägt vor, nach den Gutachten ermögliche ihr der inzwischen eingetretene Gesundheitszustand, sowohl aus orthopädischer Sicht als auch aus psychologischer Sicht, nur Tätigkeiten bis zu maximal drei Stunden. Alle bisherigen Schmerztherapien seien erfolglos verlaufen. Trotz Versuches der Aufnahme einer Tätigkeit von täglich bis zu fünf Stunden, könne sie keiner Erwerbstätigkeit von mehr als drei Stunden auf Dauer nachkommen. Die Schmerzen hielten während des gesamten Tages und in der Nacht an. Die körperlich anstrengenden Arbeiten im Haushalt übernehme der Ehegatte. Die medizinischen Feststellungen der Beklagten berücksichtigten die Angaben der behandelnden Ärzte nur ungenügend.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab dem 01.07.2012 auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat medizinische Ermittlungen in der Sache angeregt.
Die Klägerin hat einen Arztbrief des Prof. Dr. M. vom 02.10.2012 vorgelegt, in dem dieser mitteilt, der Klägerin könne eine berufliche Tätigkeit nur in einem Umfang von weniger als drei Stunden zugemutet werden. Neben einer orthopädischen Begutachtung hat er zusätzlich eine psychiatrische/psychosomatische Begutachtung empfohlen. Zudem hat sie einen Ultraschallbefund vom 03.02.2014 sowie einen Überweisungsschein vorgelegt.
Das Gericht hat zur weiteren medizinischen Sachverhaltsaufklärung Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte (Dr. A. vom 14.02.2014, Prof. Dr. M. vom 19.02.2014, Dr. R. vom 07.03.2014 und Dipl. Med. S. vom 03.09.2015) eingeholt sowie eine Epikrise des A. St. J.-Krankenhauses D. vom 19.05.2015 beigezogen. Die Klägerin hat ein Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt e. V. vom 12.11.2014, einen Arztbrief des Dr. S. vom 02.02.2015 und eine fachärztliche Bescheinigung des Prof. Dr. M. vom 21.07.2015 beigebracht. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie Dr. V. In seinem Gutachten vom 27.11.2015 hat der Sachverständige bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Anpassungsstörungen diagnostiziert. Der Gutachter hat eingeschätzt, die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich eine leichte bis mittelschwere und mittelschwierige Tätigkeit im Gehen, Stehen und Sitzen durchführen. Das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, häufiges Bücken und Knien, Arbeiten mit häufigen oder in andauernden Zwangshaltungen der Knie, Wirbelsäule oder Schultern – wie z. B. Überkopfarbeiten, Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord oder am Fließband seien zu vermeiden. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit durch ambulante psychotherapeutische Maßnahmen, aber auch eine psychosomatisch orientierte medizinische Rehabilitationsmaßnahme innerhalb von sechs Monaten bei zumutbarer Willensanspannung gebessert werden könne.
Mit ihrer Stellungnahme vom 07.01.2016 beanstandet die Klägerin das Gutachten und die hierin festgehaltenen sozialmedizinischen Schlüsse. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 02.02.2016 geht der Sachverständige auf die Gegendarstellungen der Klägerin ein und hält an seiner Leistungseinschätzung fest.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16.09.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
1. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch, Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie – neben weiteren Voraussetzungen – teilweise erwerbsgemindert sind. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie – neben weiteren Voraussetzungen – voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach Überzeugung der Kammer kann die Klägerin noch sechs Stunden und mehr täglich arbeitstätig sein. Zwar ist das Leistungsvermögen der Klägerin in Folge von Krankheit eingeschränkt. Sie ist jedoch noch in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere sowie mittelschwierige Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen auszuführen. Zu vermeiden sind Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, häufiges Bücken und Knien, Arbeiten mit häufigen oder in andauernden Zwangshaltungen der Knie, Wirbelsäule oder Schultern – wie z. B. Überkopfarbeiten und Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord oder am Fließband.
Die Kammer folgt insoweit den überzeugenden Feststellungen des Gutachters Dr. V., der aufgrund der erhobenen Befunde und hierauf begründeten Diagnosen zu dem Ergebnis kommt, dass die Klägerin in der Leistungsfähigkeit in qualitativer Hinsicht nicht jedoch in quantitativer Hinsicht eingeschränkt ist. Auf der Grundlage der umfangreich erhobenen Befunde des Gutachters hält die Kammer die Einschätzung hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Klägerin für schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend. Der Sachverständige Dr. V. hat die Klägerin eingehend untersucht und umfassende Befunde einschließlich der Testpsychologie sowie eine ausführliche Anamnese erhoben. Er hat unter Auswertung der Gerichts- und Verwaltungsakte die medizinischen Befunde und Unterlagen in seine Begutachtung einbezogen und kritisch gewürdigt. So konnte der Sachverständige feststellen, dass sich die qualitativen Einschränkungen aus verminderter psychischer und emotionaler Belastbarkeit und schmerzhafter Beschwerdeverstärkung durch spezielle körperliche Belastungen ergeben. Die Beschwerden unterliegen dabei der willkürlichen Steuerungsfähigkeit der Klägerin. Im Rahmen der Konsistenzprüfung erwiesen sich die subjektiven Angaben zu den Beschwerden, die auch Teile testpsychologischer Angaben einschließen, als hierzu diskrepant. Hinweise auf wesentlich eingeschränkte Alltagsaktivitäten fanden sich nicht. Dagegen hat der Sachverständige eine begründete Aussicht auf Behandlungsmöglichkeit zur Besserung der Beschwerden binnen sechs Monaten aufzeigen können. Die therapeutischen Möglichkeiten sind bisher keineswegs ausgeschöpft. Eine entsprechende Arbeits- und Veränderungsbereitschaft ist von der Klägerin zu erwarten und ihr zumutbar. Solange zumutbare Behandlungsoptionen auf neurologisch/psychiatrischem Gebiet, sei es ärztlicher, therapeutischer oder auch medikamentöser Art bestehen, scheidet die Annahme einer quantitativen Leistungsminderung nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgericht aus (Bundessozialgericht, Urteil vom 12.09.1990, 5 RJ 8889; Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 3105 R; Bayrisches Landessozialgericht, Urteil vom 21.03.2012, L 19 R 35/08). Die angeführten Diagnosen beeinträchtigen die körperlichen Funktionen in den genannten qualitativen Einschränkungen nicht jedoch in quantitativer Hinsicht.
Die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. S. vom 29.11.2012 und des Dr. K. vom 08.08.2013, die die Kammer im Rahmen des Urkundsbeweises nach § 118 Abs. 3 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung verwertet, stützen die Leistungseinschätzung des Gutachters Dr. V. und kommen ebenfalls zum Vorliegen eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens unter Beachtung qualitativer Einschränkungen.
Daneben geben die im Klageverfahren von den behandelnden Ärzten eingeholten Befundberichte keinen Anlass, an diesem Ergebnis zu zweifeln. Sie bestätigen die bekannten Diagnosen und haben Eingang in der Beurteilung des aktuellen Sachverständigengutachtens gefunden. In der Epikrise vom 19.05.2015 und dem Befundbericht vom 03.09.2015 werden ausdrücklich die vom Sachverständigen aufgezeigten Behandlungsoptionen bestätigt. Auch die die Klägerin behandelnde Dipl. Med. S. bestätigt ein Leistungsvermögen der Klägerin für leichte körperliche Arbeiten mit zusätzlichen qualitativen Einschränkungen von sechs Stunden und mehr.
Insgesamt ergibt sich hieraus das Bild einer durch die genannten Krankheiten eingeschränkten aber nicht in zeitlicher Hinsicht aufgehobenen Leistungsfähigkeit der Klägerin im Berufsleben. Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich ist die Klägerin nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Absatz 1 Satz 2 SGB VI. Ist die Klägerin danach schon nicht teilweise erwerbsgemindert, so ist sie erst recht nicht voll erwerbsgemindert.
Es liegt auch keine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes vor. Versicherte sind trotz eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens dann als voll erwerbsgemindert zu sehen, wenn besondere gesundheitliche Einschränkungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen, die eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich machen. Eine konkrete Tätigkeit die die Klägerin auch in Ansehung der körperlichen und geistigen Einschränkungen noch verrichten kann, muss im Rahmen des § 43 Absatz 1 Satz 1 SGB VI in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung nicht genannt werden. Insbesondere stellen auch die festgestellten Einschränkungen keine ungewöhnliche Leistungseinschränkungen oder spezifische Leistungsbehinderung, wie z.B. Einarmigkeit oder Einäugigkeit dar, die die Verrichtung selbst leichtester Tätigkeiten vielfältig und im erheblichen Umfang einschränken. Die festgestellten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin bewegen sich in dem Rahmen, in dem eine pauschale Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für zulässig gehalten wird (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 104).
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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