Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Meiningen (FST)
Aktenzeichen
S 20 R 2387/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 2 R 760/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei den rentenrechtlichen Kindererziehungszeiten räumt § 56 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch den Eltern eine Dispositionsfreiheit ein, wem von beiden die Erziehungszeit zuzuordnen ist. Das gilt auch dann, wenn beide Elternteile an der Erziehung des Kindes gleichermaßen und gleichberechtigt beteiligt sind. Eine „doppelte“ Zuordnung in vollem Umfang sowohl zur Mutter als auch zum Vater ist rentenrechtlich nicht möglich.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 28. März 2017 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten in seinem Versicherungsverlauf zusätzlich zu der bereits erfolgten Zuerkennung desselben Zeitraums bei der Kindesmutter.
Der 1980 geborene Kläger ist neben seiner 1983 geborenen Lebensgefährtin - der Beigeladenen - Elternteil der 2013 geborenen Tochter A. E ...
Mit Schreiben vom 11. Februar 2015 teilte der Kläger gemeinsam mit der Beigeladenen dem Beklagten mit, dass die Kindsmutter in der Zeit vom 23. November 2013 bis 26. September 2014 Elternzeit genommen habe und er in der Zeit vom 27. Juni 2014 bis 26. August 2014. Es wurde um Berücksichtigung bei der Rentenberechnung gebeten. In dem ihm übersandten Fragebogen verneinte der Kläger die Frage "Wurde das Kind während der gemeinsamen Erziehung überwiegend von einem Elternteil erzogen?" Entsprechendes erklärte die Beigeladene in ihrem Antrag. Ferner teilten der Kläger und die Beigeladene mit weiterem Schreiben vom 8. Juni 2015 mit, dass die Kindererziehungszeit "vorerst" der Beigeladenen zugeordnet werden solle. Sie behielten sich vor, dies nochmal rechtlich prüfen zu lassen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25. Juni 2015 die Anerkennung der Kindererziehungs-/Berücksichtigungszeiten für den Kläger ab, da die rentenrechtlichen Zeiten bei gemeinsamer Erziehung der Mutter zuzuordnen seien.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2015 als unbegründet zurückgewiesen. In dem geltend gemachten Zeitraum sei Elternzeit von dem Kläger und der Beigeladenen in Anspruch genommen worden. Eine überwiegende Erziehung durch ein Elternteil sei nicht festzustellen. Daher sei die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen.
Hiergegen hat der Kläger unter dem 26. November 2015 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Elternteile gleich behandelt werden müssten und jedem Elternteil, der gemeinsam mit seinem Partner die Erziehungszeit nehme, diese Rentenberücksichtigungszeiten anerkannt werden müssten. Die Regelung, dass die Erziehungszeit der Mutter zuerkannt werde, wenn keine übereinstimmende Erklärung zur Zuordnung der Kindererziehungszeiten abgegeben würde, sei mit Art. 3 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. März 2017 abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachte Zeit könne ihm nicht zugeordnet werden. Sofern beide Elternteile das Kind gemeinsam erzogen hätten, würde die Erziehungszeit einem Elternteil zugerechnet. Die Eltern können durch übereinstimmende Erklärung angeben, welchem Elternteil sie zuzuordnen sei. Da der Kläger und die Kindesmutter keine entsprechende Erklärung abgegeben hätten, sei die Zeit der Mutter zuzurechnen. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er verweist nochmals darauf, dass die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht mehr dem gesetzgeberischen Willen entspreche, beide Elternteile an der Erziehung des Kindes gleichermaßen zu beteiligen und die finanziellen Lohneinbußen durch Zurechnungszeiten zur Rentenversicherung auszugleichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 28. März 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2015 zu verpflichten, die Zeit vom 27. Juni 2014 bis 26. August 2014 auch bei ihm in vollem Umfang als Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Gleichbehandlung bedeute im vorliegenden Zusammenhang, dass beide Elternteile den gleichen Zugang zur rentenwirksamen Anerkennung dieser Zeiten hätten. Gleichbehandlung bedeute jedoch nicht, dass die Geburt eines Kindes die Begünstigung bei der späteren Rentenberechnung doppelt bewirken soll.
Die (mit Beschluss vom 3. Juli 2018 notwendig) Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch (der ausdrücklich allein auf zusätzliche Feststellung der Zeiten neben der Beigeladenen gerichtet ist) nicht. Der Bescheid vom 25. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2015 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 27. Juni bis 26. August 2014 als Kindererziehungszeit, wobei als Anspruchsgrundlage nur § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI in Verbindung mit § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in Betracht kommt, deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Gleiches gilt im Hinblick auf die beanspruchte Berücksichtigungszeit (§ 57 SGB VI).
Auf den Anspruch anzuwenden ist § 56 SGB VI in der Fassung vom 28. November 2018, gültig ab 1. Januar 2019 (aufgrund des Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 28. November 2018, BGBl. I 2018, S. 2016). Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Von § 300 Abs. 1 SGB VI abweichende Regelungen sind vorliegend nicht einschlägig (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 – 5 RJ 16/93 –, SozR 3-2600 § 56 Nr 7, SozR 3-1200 § 30 Nr 11, Rn. 19).
Nach § 56 Abs. 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten die Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn (1.) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (2.) die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (3.) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
Der Anspruch des Klägers scheitert daran, dass die geltend gemachte Zeit ihm nicht zuzuordnen ist. Die begehrte Zuordnung scheidet allerdings nicht bereits deshalb aus, weil die Zeit schon bestandskräftig bei der Beigeladenen als rentenrechtliche Zeit festgestellt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Gerichte bei einer Entscheidung zugunsten des Klägers nicht an frühere Feststellungen zum Versicherungsverlauf des anderen Elternteils gebunden (Urteil vom 17. April 2008, B 13 R 131/07 R; vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 1984, 11 RA 60/83).
Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet (Satz 2). Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist (Satz 3). Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden (Satz 4). Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben (Satz 5). Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt (Satz 6). Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 SGB I über die Antragstellung entsprechend (Satz 7). Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat (Satz 8). Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat (Satz 9). Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist (Satz 10). Nach § 56 Abs. 5 Satz 1 SGB VI beginnt die Kindererziehungszeit nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten.
Eine rechtzeitige übereinstimmende Erklärung über die Zuordnung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI liegt hier nicht vor. Vielmehr haben der Kläger und die Beigeladene erklärt, ihr Kind in der streitigen Zeit gemeinsam zu erziehen, und die Frage, ob das Kind während der gemeinsamen Erziehung überwiegend von einem Elternteil erzogen wurde, ausdrücklich verneint. Die gemeinsame Erklärung des Klägers und der Beigeladenen vom 08. Juni 2015, wonach die Kindererziehungszeit "vorerst" der Beigeladenen zugeordnet werden solle, ist keine übereinstimmende Erklärung im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI. Diese Erklärung steht unter Vorbehalt. Im Übrigen konnte aufgrund § 56 Abs. 2 Satz 6 SGB VI die Erklärung nur für zwei Kalendermonate rückwirkend abgegeben werden, sodass von der im Juni 2015 abgegebenen Erklärung die Elternzeit des Klägers vom 27. Juni 2014 bis 26. August 2014 nicht mehr erfasst ist.
Mithin sind die streitgegenständlichen Zeiten gemäß § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI der Beigeladenen als Kindesmutter zuzuordnen. Ist eine Erklärung über die Zuordnung überhaupt nicht, nicht übereinstimmend oder nicht rechtswirksam abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat (§ 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI). Es ist daher durch den Versicherungsträger und im Streitfall das Gericht zu ermitteln, wer das Kind nach objektiven Gesichtspunkten überwiegend erzogen hat. Ist eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht feststellbar, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat (§ 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI; ebenso zur bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Rechtslage: BSG, Urteil vom 17. April 2008, B 13 R 131/07 R; BSG, Urteil vom 31. August 2000; B 4 RA 28/00 R; BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997, 4 RA 60/97). Der Kläger und die Beigeladene haben übereinstimmend erklärt, dass das Kind von beiden gemeinsam erzogen worden sei, ohne dass ein überwiegender Erziehungsanteil eines Elternteils vorgelegen habe. Für den Senat ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, am Wahrheitsgehalt dieser Erklärung zu zweifeln. Auch die Beklagte hat die Angabe nicht in Zweifel gezogen. Auf dieser Grundlage ist die geltend gemachte Zeit allein der Mutter zuzuordnen.
Die Zuordnung einer Erziehungszeit lediglich zu einem Elternteil - wie hier durch § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI - verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG noch gegen die speziellen Diskriminierungsverbote in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 79, 1,17; 126, 400, 416; BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09, stRspr). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE 110, 412, 431;112, 164, 174; 116, 164, 180; 124, 199, 218; 126, 400,416; 133, 377; BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09; stRspr). Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 88, 87, 96; 117, 1, 30; 124,199, 219; 126, 400, 416; 133, 377; BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012 - 2 BvR1397/09; stRspr).
§ 56 SGB VI regelt die Anerkennung von Zeiten der Erziehung eines Kindes als Pflichtbeitragszeiten zur sozialen Absicherung der Erziehenden in einer Phase, in der eine Betreuung des Kindes in vorschulischen Einrichtungen im Allgemeinen noch nicht in Betracht kommt. So soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es dem betreuenden Elternteil während der Erziehung des Kindes nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, eigene Rentenanwartschaften aufzubauen. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung sollte ein entscheidender Beitrag zu einer Gleichbewertung der Tätigkeit in der Familie und der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit sein (vgl. BT-Drs. 10/2677, S. 28). Die Vorschrift dient hingegen nicht dazu, es beiden Elternteilen zu ermöglichen, gemeinsam eine Zeit ohne Erwerbstätigkeit mit dem Kind zu verbringen und zugleich jedem für sich in vollem Umfang Rentenanwartschaften zu erwerben. Erfolgt die Betreuung durch ein Elternteil, so ist die Betreuung des Kindes gerade gesichert, sodass die Erwerbstätigkeit des anderen Elternteils im Grundsatz möglich ist. Sofern die Eltern eine gemeinsame Betreuungszeit ohne Erwerbstätigkeit wünschen, kann gleichwohl die Begünstigung des § 56 SGB VI nur einem Elternteil zukommen. Die vom Kläger gewollte, nicht lediglich hälftige, sondern volle Zuordnung der Kindererziehungszeiten bei beiden Elternteilen läuft ersichtlich dem Gesetzeszweck zuwider (vgl. BT-DRs. 10/2677, S. 29: "Für denselben Zeitraum der Erziehung ist nur ein Elternteil versichert").
Dem Umstand, dass Elternteile an der Erziehung des Kindes gleichermaßen und gleichberechtigt beteiligt werden sollen, ist dadurch Rechnung getragen, dass § 56 Abs. 2 SGB VI den Eltern eine Dispositionsbefugnis einräumt, wem von beiden die Erziehungszeit zuzuordnen ist. Es handelt sich bei § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI insoweit nur eine widerlegliche Vermutung (zur bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Rechtslage des § 56 Abs. 2 Satz 8 a.F. vgl. BSG, Urteile vom 25. Februar 1992, B 4 RA 34/91; vom 16. November 1993, B 4 RA 39/92; vom 25. Januar 1994, B 4 RA 48/92, vom 23. Oktober 2003, B 4 RA 15/03 R). Die ab dem 1. Januar 2019 in Kraft getretene Änderung des § 56 SGB VI hat an diesem Prinzip festgehalten (vgl. BR-Drs. 425/18, S. 27: "Eine Zuordnung von Kindererziehungszeiten auf der Grundlage der bisherigen Regelung kann bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen in bestimmten Fällen nicht erfolgen, wenn die Eltern keine wirksame Erklärung abgegeben haben und eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vorliegt. [ ...] Im Übrigen erfolgt aus rechtssystematischen Gründen eine Umstellung der bisherigen Sätze 8 und 9, die der durch die Rechtsprechung geprägten stufenweisen Zuordnung der Kindererziehungszeiten entspricht."). Damit obliegt es den Elternteilen in eigener Verantwortung zu bestimmen, wem die Kindererziehungszeiten zuzurechnen sind.
Soweit die gesetzliche Zuweisung der Erziehungszeit an die Mutter bei gleichwertigen Erziehungsbeiträgen und insbesondere bei gemeinsamer Erziehung durch die Eltern im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 und 3 GG für bedenklich gehalten wird, weil die Zuordnungsregel einerseits das überkommene Rollenbild der Erziehung durch die Mutter typisierend zugrunde lege und andererseits den erziehenden Vater diskriminiere (vgl. Schuler-Harms in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. A. 2013, § 56 SGB VI, Rdnr. 37), war dem hier nicht nachzugehen, weil sich der Kläger ausdrücklich nicht gegen die Zuweisung an die Mutter wendet, sondern für sich die gleiche Behandlung begehrt, was versicherungsrechtlich nicht möglich ist. Dies zeigt auch die mit Wirkung zum 1. Januar 2019 erfolgte Ergänzung des § 56 Abs. 2 SGB VI durch Satz 10: Hiernach werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wenn eine anderweitige Zuordnung nicht möglich ist (Satz 10). Hiermit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine vollständige Berücksichtigung bei beiden Elternteilen weiterhin nicht in Betracht kommt, sondern die Zeiten zwischen beiden aufzuteilen sind, sofern eine Zuordnung nach den vorhergehenden Vorschriften nicht möglich ist.
Diese Ausführungen gelten entsprechend für die Anerkennung als Berücksichtigungszeit nach § 57 SG VI.
Zum selben Ergebnis gelangt der Senat bei Anwendung des im Zeitpunkt der angegriffenen Bescheide geltenden Rechts, weshalb auch die hier erhobene Anfechtungsklage nicht erfolgreich ist.
Weil der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ausdrücklich auf die zusätzliche Feststellung bei ihm (neben der vollen Zuordnung zur Beigeladenen) gerichtet ist, hat der Senat den Antrag nicht im Wege des "Minus" unter dem Gesichtspunkt der lediglich hälftigen Zuordnung zum Kläger geprüft. Darauf ist der Kläger hingewiesen worden und hat dagegen keine Einwendungen erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten in seinem Versicherungsverlauf zusätzlich zu der bereits erfolgten Zuerkennung desselben Zeitraums bei der Kindesmutter.
Der 1980 geborene Kläger ist neben seiner 1983 geborenen Lebensgefährtin - der Beigeladenen - Elternteil der 2013 geborenen Tochter A. E ...
Mit Schreiben vom 11. Februar 2015 teilte der Kläger gemeinsam mit der Beigeladenen dem Beklagten mit, dass die Kindsmutter in der Zeit vom 23. November 2013 bis 26. September 2014 Elternzeit genommen habe und er in der Zeit vom 27. Juni 2014 bis 26. August 2014. Es wurde um Berücksichtigung bei der Rentenberechnung gebeten. In dem ihm übersandten Fragebogen verneinte der Kläger die Frage "Wurde das Kind während der gemeinsamen Erziehung überwiegend von einem Elternteil erzogen?" Entsprechendes erklärte die Beigeladene in ihrem Antrag. Ferner teilten der Kläger und die Beigeladene mit weiterem Schreiben vom 8. Juni 2015 mit, dass die Kindererziehungszeit "vorerst" der Beigeladenen zugeordnet werden solle. Sie behielten sich vor, dies nochmal rechtlich prüfen zu lassen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25. Juni 2015 die Anerkennung der Kindererziehungs-/Berücksichtigungszeiten für den Kläger ab, da die rentenrechtlichen Zeiten bei gemeinsamer Erziehung der Mutter zuzuordnen seien.
Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2015 als unbegründet zurückgewiesen. In dem geltend gemachten Zeitraum sei Elternzeit von dem Kläger und der Beigeladenen in Anspruch genommen worden. Eine überwiegende Erziehung durch ein Elternteil sei nicht festzustellen. Daher sei die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen.
Hiergegen hat der Kläger unter dem 26. November 2015 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Elternteile gleich behandelt werden müssten und jedem Elternteil, der gemeinsam mit seinem Partner die Erziehungszeit nehme, diese Rentenberücksichtigungszeiten anerkannt werden müssten. Die Regelung, dass die Erziehungszeit der Mutter zuerkannt werde, wenn keine übereinstimmende Erklärung zur Zuordnung der Kindererziehungszeiten abgegeben würde, sei mit Art. 3 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. März 2017 abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachte Zeit könne ihm nicht zugeordnet werden. Sofern beide Elternteile das Kind gemeinsam erzogen hätten, würde die Erziehungszeit einem Elternteil zugerechnet. Die Eltern können durch übereinstimmende Erklärung angeben, welchem Elternteil sie zuzuordnen sei. Da der Kläger und die Kindesmutter keine entsprechende Erklärung abgegeben hätten, sei die Zeit der Mutter zuzurechnen. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er verweist nochmals darauf, dass die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht mehr dem gesetzgeberischen Willen entspreche, beide Elternteile an der Erziehung des Kindes gleichermaßen zu beteiligen und die finanziellen Lohneinbußen durch Zurechnungszeiten zur Rentenversicherung auszugleichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 28. März 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2015 zu verpflichten, die Zeit vom 27. Juni 2014 bis 26. August 2014 auch bei ihm in vollem Umfang als Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Gleichbehandlung bedeute im vorliegenden Zusammenhang, dass beide Elternteile den gleichen Zugang zur rentenwirksamen Anerkennung dieser Zeiten hätten. Gleichbehandlung bedeute jedoch nicht, dass die Geburt eines Kindes die Begünstigung bei der späteren Rentenberechnung doppelt bewirken soll.
Die (mit Beschluss vom 3. Juli 2018 notwendig) Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch (der ausdrücklich allein auf zusätzliche Feststellung der Zeiten neben der Beigeladenen gerichtet ist) nicht. Der Bescheid vom 25. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2015 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 27. Juni bis 26. August 2014 als Kindererziehungszeit, wobei als Anspruchsgrundlage nur § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI in Verbindung mit § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI in Betracht kommt, deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Gleiches gilt im Hinblick auf die beanspruchte Berücksichtigungszeit (§ 57 SGB VI).
Auf den Anspruch anzuwenden ist § 56 SGB VI in der Fassung vom 28. November 2018, gültig ab 1. Januar 2019 (aufgrund des Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 28. November 2018, BGBl. I 2018, S. 2016). Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Von § 300 Abs. 1 SGB VI abweichende Regelungen sind vorliegend nicht einschlägig (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 – 5 RJ 16/93 –, SozR 3-2600 § 56 Nr 7, SozR 3-1200 § 30 Nr 11, Rn. 19).
Nach § 56 Abs. 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten die Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn (1.) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (2.) die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (3.) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.
Der Anspruch des Klägers scheitert daran, dass die geltend gemachte Zeit ihm nicht zuzuordnen ist. Die begehrte Zuordnung scheidet allerdings nicht bereits deshalb aus, weil die Zeit schon bestandskräftig bei der Beigeladenen als rentenrechtliche Zeit festgestellt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Gerichte bei einer Entscheidung zugunsten des Klägers nicht an frühere Feststellungen zum Versicherungsverlauf des anderen Elternteils gebunden (Urteil vom 17. April 2008, B 13 R 131/07 R; vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 1984, 11 RA 60/83).
Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet (Satz 2). Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist (Satz 3). Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden (Satz 4). Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben (Satz 5). Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt (Satz 6). Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 SGB I über die Antragstellung entsprechend (Satz 7). Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat (Satz 8). Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat (Satz 9). Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist (Satz 10). Nach § 56 Abs. 5 Satz 1 SGB VI beginnt die Kindererziehungszeit nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten.
Eine rechtzeitige übereinstimmende Erklärung über die Zuordnung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI liegt hier nicht vor. Vielmehr haben der Kläger und die Beigeladene erklärt, ihr Kind in der streitigen Zeit gemeinsam zu erziehen, und die Frage, ob das Kind während der gemeinsamen Erziehung überwiegend von einem Elternteil erzogen wurde, ausdrücklich verneint. Die gemeinsame Erklärung des Klägers und der Beigeladenen vom 08. Juni 2015, wonach die Kindererziehungszeit "vorerst" der Beigeladenen zugeordnet werden solle, ist keine übereinstimmende Erklärung im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI. Diese Erklärung steht unter Vorbehalt. Im Übrigen konnte aufgrund § 56 Abs. 2 Satz 6 SGB VI die Erklärung nur für zwei Kalendermonate rückwirkend abgegeben werden, sodass von der im Juni 2015 abgegebenen Erklärung die Elternzeit des Klägers vom 27. Juni 2014 bis 26. August 2014 nicht mehr erfasst ist.
Mithin sind die streitgegenständlichen Zeiten gemäß § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI der Beigeladenen als Kindesmutter zuzuordnen. Ist eine Erklärung über die Zuordnung überhaupt nicht, nicht übereinstimmend oder nicht rechtswirksam abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat (§ 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI). Es ist daher durch den Versicherungsträger und im Streitfall das Gericht zu ermitteln, wer das Kind nach objektiven Gesichtspunkten überwiegend erzogen hat. Ist eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht feststellbar, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat (§ 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI; ebenso zur bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Rechtslage: BSG, Urteil vom 17. April 2008, B 13 R 131/07 R; BSG, Urteil vom 31. August 2000; B 4 RA 28/00 R; BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997, 4 RA 60/97). Der Kläger und die Beigeladene haben übereinstimmend erklärt, dass das Kind von beiden gemeinsam erzogen worden sei, ohne dass ein überwiegender Erziehungsanteil eines Elternteils vorgelegen habe. Für den Senat ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, am Wahrheitsgehalt dieser Erklärung zu zweifeln. Auch die Beklagte hat die Angabe nicht in Zweifel gezogen. Auf dieser Grundlage ist die geltend gemachte Zeit allein der Mutter zuzuordnen.
Die Zuordnung einer Erziehungszeit lediglich zu einem Elternteil - wie hier durch § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI - verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG noch gegen die speziellen Diskriminierungsverbote in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 79, 1,17; 126, 400, 416; BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09, stRspr). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE 110, 412, 431;112, 164, 174; 116, 164, 180; 124, 199, 218; 126, 400,416; 133, 377; BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012, 2 BvR 1397/09; stRspr). Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 88, 87, 96; 117, 1, 30; 124,199, 219; 126, 400, 416; 133, 377; BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012 - 2 BvR1397/09; stRspr).
§ 56 SGB VI regelt die Anerkennung von Zeiten der Erziehung eines Kindes als Pflichtbeitragszeiten zur sozialen Absicherung der Erziehenden in einer Phase, in der eine Betreuung des Kindes in vorschulischen Einrichtungen im Allgemeinen noch nicht in Betracht kommt. So soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es dem betreuenden Elternteil während der Erziehung des Kindes nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, eigene Rentenanwartschaften aufzubauen. Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung sollte ein entscheidender Beitrag zu einer Gleichbewertung der Tätigkeit in der Familie und der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit sein (vgl. BT-Drs. 10/2677, S. 28). Die Vorschrift dient hingegen nicht dazu, es beiden Elternteilen zu ermöglichen, gemeinsam eine Zeit ohne Erwerbstätigkeit mit dem Kind zu verbringen und zugleich jedem für sich in vollem Umfang Rentenanwartschaften zu erwerben. Erfolgt die Betreuung durch ein Elternteil, so ist die Betreuung des Kindes gerade gesichert, sodass die Erwerbstätigkeit des anderen Elternteils im Grundsatz möglich ist. Sofern die Eltern eine gemeinsame Betreuungszeit ohne Erwerbstätigkeit wünschen, kann gleichwohl die Begünstigung des § 56 SGB VI nur einem Elternteil zukommen. Die vom Kläger gewollte, nicht lediglich hälftige, sondern volle Zuordnung der Kindererziehungszeiten bei beiden Elternteilen läuft ersichtlich dem Gesetzeszweck zuwider (vgl. BT-DRs. 10/2677, S. 29: "Für denselben Zeitraum der Erziehung ist nur ein Elternteil versichert").
Dem Umstand, dass Elternteile an der Erziehung des Kindes gleichermaßen und gleichberechtigt beteiligt werden sollen, ist dadurch Rechnung getragen, dass § 56 Abs. 2 SGB VI den Eltern eine Dispositionsbefugnis einräumt, wem von beiden die Erziehungszeit zuzuordnen ist. Es handelt sich bei § 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI insoweit nur eine widerlegliche Vermutung (zur bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Rechtslage des § 56 Abs. 2 Satz 8 a.F. vgl. BSG, Urteile vom 25. Februar 1992, B 4 RA 34/91; vom 16. November 1993, B 4 RA 39/92; vom 25. Januar 1994, B 4 RA 48/92, vom 23. Oktober 2003, B 4 RA 15/03 R). Die ab dem 1. Januar 2019 in Kraft getretene Änderung des § 56 SGB VI hat an diesem Prinzip festgehalten (vgl. BR-Drs. 425/18, S. 27: "Eine Zuordnung von Kindererziehungszeiten auf der Grundlage der bisherigen Regelung kann bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen in bestimmten Fällen nicht erfolgen, wenn die Eltern keine wirksame Erklärung abgegeben haben und eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vorliegt. [ ...] Im Übrigen erfolgt aus rechtssystematischen Gründen eine Umstellung der bisherigen Sätze 8 und 9, die der durch die Rechtsprechung geprägten stufenweisen Zuordnung der Kindererziehungszeiten entspricht."). Damit obliegt es den Elternteilen in eigener Verantwortung zu bestimmen, wem die Kindererziehungszeiten zuzurechnen sind.
Soweit die gesetzliche Zuweisung der Erziehungszeit an die Mutter bei gleichwertigen Erziehungsbeiträgen und insbesondere bei gemeinsamer Erziehung durch die Eltern im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 und 3 GG für bedenklich gehalten wird, weil die Zuordnungsregel einerseits das überkommene Rollenbild der Erziehung durch die Mutter typisierend zugrunde lege und andererseits den erziehenden Vater diskriminiere (vgl. Schuler-Harms in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. A. 2013, § 56 SGB VI, Rdnr. 37), war dem hier nicht nachzugehen, weil sich der Kläger ausdrücklich nicht gegen die Zuweisung an die Mutter wendet, sondern für sich die gleiche Behandlung begehrt, was versicherungsrechtlich nicht möglich ist. Dies zeigt auch die mit Wirkung zum 1. Januar 2019 erfolgte Ergänzung des § 56 Abs. 2 SGB VI durch Satz 10: Hiernach werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wenn eine anderweitige Zuordnung nicht möglich ist (Satz 10). Hiermit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine vollständige Berücksichtigung bei beiden Elternteilen weiterhin nicht in Betracht kommt, sondern die Zeiten zwischen beiden aufzuteilen sind, sofern eine Zuordnung nach den vorhergehenden Vorschriften nicht möglich ist.
Diese Ausführungen gelten entsprechend für die Anerkennung als Berücksichtigungszeit nach § 57 SG VI.
Zum selben Ergebnis gelangt der Senat bei Anwendung des im Zeitpunkt der angegriffenen Bescheide geltenden Rechts, weshalb auch die hier erhobene Anfechtungsklage nicht erfolgreich ist.
Weil der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ausdrücklich auf die zusätzliche Feststellung bei ihm (neben der vollen Zuordnung zur Beigeladenen) gerichtet ist, hat der Senat den Antrag nicht im Wege des "Minus" unter dem Gesichtspunkt der lediglich hälftigen Zuordnung zum Kläger geprüft. Darauf ist der Kläger hingewiesen worden und hat dagegen keine Einwendungen erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.
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