L 1 SF 136/18 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 17 SF 368/15 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 136/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 29. November 2017 sowie der Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 31. August 2015 abgeändert. Die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 17 R 3247/14 wird auf 737,80 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts i.V.m. dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung, denn die Beiordnung des Rechtsanwalts ist nach diesem Zeitpunkt er-folgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR. Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.

Der Beschwerdeführer begehrt mit seiner Beschwerde eine höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG als Höchstgebühr (hierzu 1.). Weiter begehrt er die Gewährung einer fik-tiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG (hierzu 2.) sowie einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG (hierzu 3.) jeweils unter Festsetzung der Höchstgebühr.

1. Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. Novem-ber 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N., jeweils nach juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Dem Beschwerdeführer steht die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr (300,00 Euro) zu. Die Feststellungen des Sozialgerichts hierzu sind nicht zu beanstanden. Auf die zutreffenden Gründe des Sozialgerichts wird in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verwiesen. Insbesondere liegt nur eine (leicht) überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit vor. Die geforderte Höchstgebühr kommt hingegen dann in Betracht, wenn entweder alle Umstände für diese Erhöhung sprechen oder bestimmte Umstände (z.B. die Schwierigkeit) so erheblich sind, dass sie alle anderen Gesichtspunkte überwiegen (Kompensationstheorie). Die vom Beschwerdeführer behauptete erhebliche Bedeutung der Sache für den Kläger ist nicht gegeben. Eine Konstellation wie z.B. bei einer begehrten Dauerrente, für die die Rechtsprechung eine weit überdurchschnittliche Bedeutung angenommen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 3. September 2018 - L 1 SF 628/17 B, Rn. 18 nach juris), liegt nicht vor. Es geht vorliegend vielmehr um die Anerkennung von Beitragszeiten, ohne dass die Rente als solches im Streit steht. Im Übrigen würde auch allein die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger nicht die Festsetzung der Höchstgebühr rechtfertigen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. September 2018 - L 1 SF 628/17 B, Rn. 17 nach juris). So ist hier zu berücksichtigen, dass - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - die rechtliche Schwierigkeit und der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit tatsächlich unterdurchschnittlich waren. Die vom Beschwerdeführer angeführten 22 ("mühsamen") Besprechungstermine mit dem Kläger noch vor der Klageerhebung und auch die über einjährige Vorbereitungszeit der Klage führen zu keiner anderen Beurteilung. Mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG wird die Tätigkeit für Verfahren vor den Sozialgerichten vergütet. Tätigkeiten, die vor der Klageerhebung im Verwaltungsverfahren erfolgen, werden hingegen durch die Geschäftsgebühr, die jedoch nicht von der gewährten Prozesskostenhilfe umfasst ist, berücksichtigt. Insofern hat sich der Beschwerdeführer, der offenbar auch schon im Verwaltungsverfahren mandatiert war, an seinen Mandanten zu halten. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht zu erkennen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse waren - ausweislich der vorgelegten Prozesskostenhilfeunterlagen - weit unterdurchschnittlich. Unter Berücksichti-gung der Kompensationstheorie ist die vom Sozialgericht festgesetzte Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr angemessen.

2. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht festzusetzen. Die in Nr. 3106 VV RVG aufgeführten Verfahrenskonstellationen sind nicht gegeben. Danach entsteht eine Terminsgebühr auch, wenn in einem Verfahren für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (Nr. 1), nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird (Nr. 2) oder das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Nr. 3). Das Verfahren wurde nicht durch ein angenommenes Anerkenntnis nach § 101 Abs. 2 SGG erledigt. Ein Anerkenntnis, hätte ein im Wege einseitiger Erklärung gegebenes uneingeschränktes Zugeständnis erfordert, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch besteht (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 101 Rn. 20). Ein solches Anerkenntnis der Beklagten liegt weder prozessrechtlich (Anerkenntniserklärung) noch materiell-rechtlich vor. Mit dem Feststellungsbescheid vom 10. November 2014 wurden nicht alle klageweise geltend gemachten Versicherungszeiten berücksichtigt. Entsprechend hatte der Beschwerdeführer - nach erfolgloser Beibringung weiterer Unterlagen - für den Kläger "Teilerledigung" und im Übrigen Klagerücknahme erklärt (Schriftsatz vom 3. August 2015). Ob hierin ein Teilanerkenntnis vorliegt, kann hier offen bleiben. Ein solches löst ohnehin keine fiktive Terminsgebühr aus (ständige Senatsrecht-sprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 4. Januar 2019 - L 1 SF 993/16 B, Rn. 31 nach juris).

3. Der Beschwerdeführer kann jedoch eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG beanspruchen. Die Entstehung der Erledigungsgebühr setzt nach Nr. 1006, 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG voraus, dass sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt. Letzteres ist hier der Fall. Auf den Bescheid vom 10. November 2014 hin und nach der Erkenntnis, dass weitere Unterlagen nicht vorgelegt werden können und ein (weiterer) Klageerfolg nicht erreichbar ist, erfolgte eine Teilerledigungserklärung und im Übrigen eine Klagerücknahme. Diese Konstellation ist mit der Konstellation der Annahme eines Teilanerkenntnisses und einer Erledigungserklärung vergleichbar. Hier bejaht der Senat in ständiger Rechtsprechung das Entstehen der Erledigungsgebühr (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 27. September 2018 - L 1 SF 1163/16 B, Rn. 23 nach juris). Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn des Gesetzes. Denn die Erledigungsgebühr soll belohnen, dass dem Gericht die Mühen für die Abfassung eines Urteils erspart bleiben. Durch die Erledigungserklärung und Klagerücknahme im Übrigen musste das Sozialgericht nicht mehr über die weiteren Versicherungszeiten entscheiden. Das Verfahren hatte sich insgesamt erledigt.

Der Streit über die entsprechend geltend gemachten Versicherungszeiten war - entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners - auch tatsächlich Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Unbeachtlich ist dabei, dass die Beklagte auf Feststellungen des polnischen Versicherungsträgers angewiesen war und ohne dessen Zutun nicht positiv im Sinne des Klägers entscheiden konnte. Dieser Umstand kann allenfalls im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe berücksichtigt werden. An die einmal bewilligte Prozesskostenhilfe ist der Senat jedoch gebunden.

Die Höhe der Einigungsgebühr entspricht der Höhe der Verfahrensgebühr.

4. Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdeführers wie folgt:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005, 1002 VV RVG 300,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 620,00 EUR 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG 117,80 EUR Gesamt 737,80 EUR.

Die zu gewährende Vergütung ist im Tenor ohne Berücksichtigung des Vorschusses festzustellen. Die Anrechnung des geleisteten Vorschusses hat vor der Auszahlung zu erfolgen (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2018 - L 1 SF 1302/17 B, Rn. 27 nach juris)

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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