L 1 U 1167/18

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 18 U 2191/16
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1167/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 18. Juni 2018 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 als mitarbeitende Familienangehörige in der Landwirtschaft unter Berücksichtigung eines möglichen Stützrententatbestandes aus einem Arbeitsunfall vom 22. September 2005 Verletztenrente beanspruchen kann.

Die 1987 geborene Klägerin stürzte am 17. Oktober 2012 beim Pflaumenpflücken für das von ihrer Mutter betriebene landwirtschaftliche Unternehmen von einer Leiter. Sie verletzte sich dabei den linken Fuß und befand sich deshalb bis zum 25. Oktober 2012 in stationärer Behandlung des Klinikums F ... Dort wurden eine Talushals- und Körperfraktur des linken Fußes und eine Luxation der Peronealsehne links diagnostiziert. Am 18. Oktober 2012 er-folgte eine offene Reposition des Talus und die Versorgung mit einer Schraubenosteosynthese sowie eine Refixation. Am 22. März 2013 diagnostizierte der Durchgangsarzt ein Weichteilimpingement des linken oberen Sprunggelenks infolge der Operation und eine vorbestehende Fußheberschwäche beidseits. Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass die Klägerin am 22. September 2005 im Zuständigkeitsbereich der damaligen Gartenbauberufsgenossenschaft einen Arbeitsunfall mit Unterschenkelbruch links mit osteosynthetischer Versorgung erlitten hatte. Wegen des Weichteilimpingements des linken oberen Sprunggelenks befand sich die Klägerin vom 5. bis 9. Juni 2013 erneut in stationärer Behandlung des Klinikums F ... Dort erfolgten eine Arthroskopie und eine Revision der Peronealsehnen. Weitere Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass bei der Klägerin eine hereditäre motorische sensorische Neuropathie mit einer Parese der Fuß- und Zehenheber sowie -senker vorliegt. Nach Anhörung der Klägerin erstellten Prof. Dr. H. und der Assistenzarzt C. am 22. Januar 2014 ein Erstes Rentengutachten. Als Unfallfolgen beschreiben diese eine Tendinose der Peronealsehnen, postoperative Veränderungen im Rückfuß, Veränderungen des Kapselbandapparates und eine endgradige Bewegungseinschränkung der dorsalen Extension. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde auf 20 v.H. eingeschätzt. Der Beratungsarzt der Beklagten D. stimmte den Feststellungen in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 2. August 2014 im Wesentlichen zu. In der Zeit vom 1. bis 7. Oktober 2014 erfolgte erneut im Klinikum F. eine stationäre Behandlung. In einem operativen Eingriff am 2. Oktober 2014 wurde unter anderem Osteosynthesematerial entfernt.

In einem Ersten Rentengutachten hinsichtlich des Unfallereignisses vom 22. September 2005 schätzte Dr. V. die MdE für die Zeit ab dem 1. August 2006 mit 10 v.H. ein. Dem widersprach der Beratungsarzt der Beklagten Dr. T. in einer Stellungnahme vom 18. März 2015. Aus dem Unfallereignis aus dem Jahre 2005 resultiere keine messbare MdE.

Daraufhin erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 19. März 2015 das Ereignis vom 22. September 2005 als Arbeitsunfall an. Als Unfallfolge wurde ein achsengerecht stabil verheilter Unterschenkelbruch links mit verbliebenen kräftigen Knochennarben festgestellt. Ein Anspruch auf Rente wurde abgelehnt.

Durch weiterem Bescheid vom 14. April 2015 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 17. Oktober 2012 als Arbeitsunfall und als Unfallfolgen: "Bewegungseinschränkungen und Belastungsbeschwerden im linken oberen und unteren Sprunggelekn nach mehrfragmentärem Bruch des Sprungbeins mit knöchernem Ausriss des Außenbandes und Luxation der Peronealsehnen, radiologisch nachgewiesene Knorpel-Knochen-Läsion im Bereich der Sprungbeingelenkfläche, Reizung der Peronealsehnen" an. Ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente bestehe nicht. Die Erwerbsfähigkeit müsse auch für mitarbeitende Familienangehörige nach § 80 a Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) um mindestens 30 v.H. gemindert sein. Ein Stützrententatbestand aus dem Arbeitsunfall vom 22. September 2005 resultiere nicht. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein (Bl. 368). Im Widerspruchsverfahren beauftragte die Beklagte die Privatdozentin Dr. F. mit der Erstellung eines orthopädisch-unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachtens. Diese bezifferte in ihrem Gutachten vom 7. März 2016 die MdE aufgrund der Folgen des Unfalles vom 17. Oktober 2012 für die Zeit ab 20. August 2013 bis auf Weiteres auf 20 v.H. Nach den MdE-Empfehlungen betrage diese bei Versteifung des oberen Sprunggelenks 20 v.H., bei einer Bewegungseinschränkung Hebung/Senkung 0-0-30 Grad 10 v.H. Das untere Sprunggelenk sei bei der Klägerin nahezu eingesteift und die Beweglichkeit im Seitenvergleich links etwas vermindert, sodass zusammenfassend eine MdE von 20 v.H. auf Dauer verbleibe. Sollte sich eine Arthrose des oberen Sprunggelenks ausbilden und es auch zu einer Versteifung dort kommen, sei eine Erhöhung der MdE nicht auszuschließen. Eine arthrotische Reaktion liege zurzeit aber nicht vor. Die Unterschenkelfraktur aus dem Jahre 2005 sei zum Zeitpunkt des Unfalls vom 17. Oktober 2012 ausgeheilt gewesen. Die Folgen dieser Verletzung seien durch den aktuellen Unfall auch nicht verschlimmert worden.

Daraufhin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2016 den Wider-spruch der Klägerin zurück.

Dagegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Gotha Klage erhoben. Eine schmerzhafte Wackelsteife begründe eine MdE von 30 v.H. Des Weiteren sei die Vorschrift des § 80 a Abs. 1 SGB VII verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Sozialgericht hat Prof. Dr. B. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 1. April 2017 aus, dass die Beweglichkeit im linken oberen Sprunggelenk im Seitenvergleich nicht eingeschränkt sei. Festzustellen sei nach dem Messblatt eine endgradige Bewegungseinschränkung. Die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk sei bis auf Wackelbewegungen aufgehoben. Ein Bewegungsschmerz im oberen Sprunggelenk bei forcierter Extension und Flexion sowie im unteren Sprunggelenk bei der Supination und geringer bei der Pronation sei festzustellen. Soweit die Klägerin angebe, dass sich die Fußheberschwäche links nach dem Unfall vom 17. Oktober 2012 verschlechtert habe, lasse sich ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis nicht begründen. Bekannterweise verschlechterten sich die Ausfallerscheinung bei einer Polyneuropathie asymmetrisch und schubweise. Die Klägerin habe am 30. September 2016 einen weiteren Unfall erlitten, der wiederum das linke Bein betroffen habe. Diesmal sei es zu schwerwiegenden Verletzungen insbesondere im Oberschenkelbereich gekommen. Der ausgeprägte Bewegungsschmerz im linken Kniegelenk sei auf die Folgen des Unfallereignisses vom 30. September 2016 zurückzuführen. Sämtliche Gesundheitsschäden im Bereich des linken Fußes mit Ausnahme der Fußheberschwäche seien Folge des Unfallereignisses vom 17. Oktober 2012. Die MdE sei ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit, dem 19. August 2013, auf 20 v.H. einzuschätzen. Da das Ausmaß der Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose nicht beurteilbar sei, sei eine regelmäßige Nachuntersuchung zu empfehlen. Die MdE aufgrund des Unfalles vom 23. September 2005 sei auf 10 v.H. einzuschätzen. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. M. hält in einer Stellungnahme vom 18. Mai 2017 die MdE-Einschätzung für nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich des Ereignisses vom 22. September 2005 bestehe keine messbare MdE. Der Bruch des linken Unterschenkels sei ohne funktionelle Folgen knöchern fest verheilt. Die MdE hinsichtlich des Unfallereignisses vom 17. Oktober 2012 sei mit 10 v.H. einzuschätzen. Die Beeinträchtigung des unteren Sprunggelenks nach Fraktur des Sprungbeines sowie Dislokation der Peronealsehnen begründe nur eine MdE von 10 v.H.

Das Sozialgericht Gotha hat mit Urteil vom 18. Juni 2018 die Klage abgewiesen. Die nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 b SGB VII als im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige kraft Gesetzes versicherte Klägerin habe nach § 80 a Abs. 1 Satz 1 SGB VII abweichend von § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit um wenigstens 30 v.H. gemindert sei. Die Funktionseinschränkungen erreichten eine MdE von 30 v.H. nicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. sei das obere linke Sprunggelenk in seiner Funktion so gut wie gar nicht beeinträchtigt. Es liege eine fast komplette Versteifung des unteren linken Sprunggelenks vor. Eine solche sei nach den Erfahrungswerten mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten. Die vom Sachverständigen festgestellten Bewegungsschmerzen im oberen Sprunggelenk rechtfertige eine Höherbewertung der Unfallfolgen im Sinne einer MdE von 15 v.H. Eine schmerzhafte Wackelsteife des unteren Sprunggelenks liege nicht vor. Somit scheide eine MdE-Bewertung von 20 - 30 v.H. aus. Auch die Sachverständige Dr. F. habe Befunde erhoben, die eine MdE von 30 v.H. ersichtlich nicht rechtfertigten. Ein Stützrententatbestand aus dem Arbeitsunfall vom 22. September 2005 existiere nicht. § 80 a Abs. 1 SGB VII sei verfassungsgemäß. Die Einschränkungen des Versicherungsschutzes im Sinne der erhöhten Mindest-MdE stelle eine sachlich gerechtfertigte Kompensation der hinsichtlich des Versicherungsschutzes bestehenden Besserstellung von in der Landwirtschaft mitarbeitenden Familienangehörigen gegenüber anderen Personen dar.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Die MdE betrage mehr als 20 v. H. Das Sozialgericht lasse die vom Sachverständigen Prof. Dr. B. festgestellte endgradige Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks unberücksichtigt. Im Ergebnis sei von einer Versteifung des oberen und unteren linken Sprunggelenks auszugehen. Der Bescheid vom 19. März 2015 entfalte keine Bindungswirkung hinsichtlich der Höhe der MdE auf-grund des Arbeitsunfalles vom 22. September 2005.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 18. Juni 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 14. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2016 zu verurteilen, ihr ab dem 19. August 2013 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten das Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (§§ 143, 151 SGG).

Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 SGG). Denn sie hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 ab dem 19. August 2013. Die Folgen des Arbeitsunfalles erreichen nicht die für eine Rentenberechtigung erforderliche Höhe.

Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus Anspruch auf Gewährung von Rente, wenn die Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. gemindert ist. Abweichend von dem in § 56 Abs. 1 Satz 1 normierten Regelfall, dass eine MdE infolge eines Versicherungsfalls mit Verletztenrente zu entschädigen ist, wenn sie mindestens 20 v. H. beträgt, tritt die Entschädigungspflicht nach § 80 a Abs. 1 S.1 SGB VII erst dann ein, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 30 v. H. gemindert ist.

Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Neben der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögen des Versicherten ist dabei die Anwendung medizinischer sowie sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens erforderlich. Als Ergebnis dieser Wertung ergibt sich die Erkenntnis über den Umfang der dem Versicherten versperrten Arbeitsmöglichkeiten. Hierbei kommt es stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an (vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 24/00 R, zitiert nach Juris). Bei der Bewertung der MdE ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher maßgebend, sondern vielmehr der damit verbundene Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (vgl. BSG, Urteile vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R und vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R, beide zitiert nach Juris). Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit des Verletzten auswirken, sind zwar nicht verbindlich, bilden aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 1987 - 2 RU 42/86, zitiert nach Juris). Darüber hinaus sind bei der Beurteilung der MdE auch die von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Beurteilung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 - B 2 U 11/15 R, zitiert nach Juris).

Bei der Feststellung der MdE darf eine Einbeziehung der Folgen des weiteren Arbeitsunfalles vom 22. September 2005 nicht erfolgen, auch wenn Überschneidungen wegen der Betroffenheit des linken Beines denkbar sind. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 50/02 R, zitiert nach Juris) sind Gesundheitsschäden, die auf mehreren Arbeitsunfällen beruhen, jeweils getrennt zu beurteilen. Die Bildung einer Gesamt-MdE kommt nicht in Betracht, auch wenn durch mehrere Arbeitsunfälle dasselbe Organ betroffen und wenn für die Entschädigung dieser Unfälle derselbe Unfallversicherungsträger zuständig ist. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass beide Arbeitsunfälle hinsichtlich des linken Fußes und des linken Knies getrennt zu beurteilen sind. Wechselwirkungen dürfen nicht gebildet werden.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Klägerin, unabhängig davon, ob aus dem Arbeitsunfall vom 22. September 2005 gegenüber der Beklagten ein Stützrententatbestand resultiert, eine Verletztenrente bereits deshalb nicht beanspruchen kann, weil die Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2012 eine MdE in Höhe von 30 v.H. nicht begründen. Die bei der Klägerin vorliegenden Unfallfolgen im Bereich des linken Sprunggelenks (eine fast komplette Versteifung des unteren Sprunggelenks) begründen entsprechend den Erfahrungswerten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 712) keine MdE von 30 v.H. Nach den genannten Erfahrungswerten begründet vielmehr eine Versteifung des unteren Sprunggelenks in Neutral-Null-Stellung eine MdE von 10 v.H. Weder der Sachverständige Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom 1. April 2017 noch die Sachverständige Dr. F. in ihrem im Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachten haben eine schmerzhafte Wackelsteife des unteren Sprunggelenks festgestellt, die gegebenenfalls mit einer MdE von 20 bis 30 v.H. bewertet werden könnte. Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten festgestellt, dass der Bandapparat im linken Sprunggelenk fest ist und bei aktiver und passiver Bewegung eine Luxation der Peronealsehnen nicht feststellbar war. Die Fußsohlenbeschwielung links ist nach seinen Feststellungen etwas geringer ausgeprägt als rechts bei regelrechter seitengleicher Verteilung. Soweit Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom 1. April 2017 einen Bewegungsschmerz im oberen Sprunggelenk bei forcierter Extension und Flexion sowie im unteren Sprunggelenk insbesondere bei der Supination und geringer bei der Pronation beschreibt, hat bereits das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass, selbst wenn man deshalb eine Höherbewertung der Unfallfolgen vornehmen würde, eine MdE-Bewertung mit 30 v.H., wie bei einer schmerzhaften Wackelsteife unter Umständen gegeben, nicht in Betracht kommt. Die von Prof. Dr. B. weiter festgestellte endgradige Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk bezeichnet einen Bewegungsumfang der nur leicht vom normalen abweicht. Dies wird durch das Messblatt belegt. Danach ist die Beweglichkeit des linken oberen Sprunggelenkes gegenüber rechts um 5 Grad eingeschränkt. Ein solcher Befund ist nicht MdE-relevant. Hinsichtlich der Fußheberschwäche im linken Fuß hat Prof. Dr. B. zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Folge der bei der Klägerin vorliegenden hereditären sensomotorischen Polyneuropathie mit Fuß- und Zehenheberschwäche beidseits ist. Auch eine Verschlechterung der Fußheberfunktion links im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 17. Oktober 2012 hat er nachvollziehbar damit verneint, dass sich Ausfallerscheinungen bei einer Polyneuropathie asymmetrisch und schubweise verschlechtern. Soweit sowohl Prof. Dr. B. als auch Dr. F. in ihren jeweiligen Gutachten darauf hinweisen, dass das Ausmaß der Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose nicht beurteilbar sei und deshalb regelmäßige Nachuntersuchungen empfehlenswert sind, führt dies nicht zu einer Erhöhung der MdE. Dieser Umstand wird erst dann relevant, wenn arthrotische Veränderungen mit entsprechenden funktionellen Einschränkungen festgestellt werden. Insoweit hat die Sachverständige Dr. F. darauf hingewiesen, dass derartige arthrotische Veränderungen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegen.

Wegen des Arbeitsunfalls vom 22. September 2005 ergibt sich kein Stützrententatbestand. Die Klägerin hat sich dabei einen Bruch des linken Unterschenkels zugezogen. Nach den Ausführungen aller Sachverständiger, sowohl Prof. Dr. B. als auch Dr. F. und Prof. Dr. H. in ihren jeweiligen Gutachten, liegt insoweit ein ohne funktionelle Auswirkungen verheilter Bruch des linken Unterschenkels vor. Dieser begründet keine MdE im messbaren Bereich. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts in seinem angegriffenen Urteil kann aller-dings nicht davon ausgegangen werden, dass bereits aufgrund der Bindungswirkung des Bescheides vom 19. März 2015 hinsichtlich des Arbeitsunfalls vom 22. September 2005 festgestellt ist, dass die MdE mit unter 10 v.H. zu beziffern ist. Der Bescheid vom 19. März 2015 hat nur insoweit Bindungswirkung, als dadurch ein Arbeitsunfall anerkannt und die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt worden ist. Soweit Prof. Dr. B. in seinem Gutachten vom 1. April 2017 eine MdE von 10 v.H. angibt, bleibt er eine Begründung hierfür schuldig. Befunde die dies rechtfertigen würden, ergeben sich nicht.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass die Regelung des § 80 a Abs. 1 SGB VII, wonach mitarbeitende Familienangehörige eines landwirtschaftlichen Unternehmers erst ab einer MdE von 30 v.H. Verletztenrente beanspruchen können, verfassungsrechtlich zu beanstanden sei, schließt sich der Senat der Auffassung des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 20. März 2018 (B 2 U 11/17 R, zitiert nach Juris) an. Dort hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass aus dem Umstand, dass die Gruppe der mitarbeitenden Familienangehörigen durch § 2 Abs. 1 Nr. 5 b SGB VII überhaupt erst in den Versicherungsschutz einbezogen wird, sich die Rechtfertigung dafür ergibt, sie hinsichtlich der Voraussetzungen einer Verletztenrente mit den landwirtschaftlichen Unternehmern gleich zu behandeln, deren Anspruch auf Verletztenrente ebenfalls abweichend von § 56 SGB VII eine MdE von mindestens 30 v.H. voraussetzt. Die Regelung ist daher als verfassungsgemäß anzusehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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