L 1 SF 54/18 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 15 SF 4440/14 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 SF 54/18 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 18. Dezember 2017 wird wie folgt neu gefasst: Die in dem Verfahren S 15 AS 5387/13 ER zu erstattende Vergütung des Be-schwerdegegners wird auf 975,80 EUR festgesetzt. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 18. Dezember 2017 wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein beim Sozialgericht Gotha anhängig gewesenes Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz (S 15 AS 5387/13 ER). Mit ihrem Eilantrag vom 10. November 2013 machten die Antragstellerin und ihre beiden minderjährigen Kinder im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anspruch auf Auszahlung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 800,52 EUR abzüglich bereits an Dritte gezahlter Beträge von 373,39 EUR für den Monat November 2011 geltend. Mit Schriftsatz vom 19. November 2013 wurde der Eilantrag dahingehend erweitert, den Antragstellern Leistungen in Höhe von 960,52 EUR für den November 2011 zumindest vorläufig auszuzahlen und einen Betrag in Höhe von 3.083,42 EUR darlehensweise zu gewähren. Streitig waren der Zufluss von Unterhaltsleistungen an die Antragstellerinnen zu 2) und 3) und die darlehensweise Übernahme aufgelaufener Mietschulden bzw. die Höhe der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung. Am 10. Dezember 2013 erließ das Jobcenter einen Änderungsbescheid, woraufhin der Rechtsstreit durch den Beschwerdegegner für erledigt erklärt wurde. Das Jobcenter erklärte sich dem Grunde nach zur Übernahme von 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereit. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2013 bewilligte das Sozialgericht den Antragstellerinnen Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdegegners.

Mit Schriftsatz vom 29. Januar 2014 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG 500,00 EUR Erhöhungsgebühr 2 weitere Auftraggeber Nr. 1008 VV RVG 300,00 EUR Post- und Telekommunikationsentgelt gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 820,00 EUR Mehrwertsteuer hieraus in Höhe von 19 % nach Nr. 7008 VV RVG 155,80 EUR Endsumme 975,80 EUR

Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 19. Juni 2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattenden Gebühren auf insgesamt 595,00 EUR fest. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG sei in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerinnen sei leicht überdurchschnittlich. Dagegen hat der Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und darauf verwiesen, dass er in der Angelegenheit umfangreiche Telefonate tätigen und Schriftsätze fertigen musste. Die Bedeutung sei für die Antragsteller weit überdurchschnittlich gewesen. Diese hätten die Auszahlung von Grundsicherungsleistungen begehrt.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2017 hat das Sozialgericht den Vergütungsfestsetzungsbeschluss abgeändert und die zu erstattende Verfahrensgebühr auf 500,00 EUR festgesetzt. Das Verfahren sei sehr zeitaufwendig gewesen und der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit liege deutlich über dem eines Durchschnittsverfahrens.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 4. Januar 2018 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 595,00 EUR festzusetzen. Der zeitliche Aufwand für den Beschwerdegegner habe das Normalmaß nur gering überschritten. Die Telefonate seien nur von kurzer Dauer gewesen. Der zeitliche Aufwand für die Fertigstellung der eidesstattlichen Versicherung sei angesichts deren Umfang als gering einzuschätzen. Zwar seien auf die Antragsschrift sechs weitere Schriftsätze gefolgt. Diese Schriftsätze bauten jedoch inhaltlich aufeinander auf.

Der Beschwerdegegner ist der Beschwerde entgegengetreten.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter des Senats.

Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung ab dem 1. August 2013, denn die Beiordnung des Beschwerdegegners ist nach diesem Zeitpunkt erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR. Die Beschwerde des Beschwerdeführers hat in der Sache keinen Erfolg.

Vorab ist festzustellen, dass das Sozialgericht die an den Beschwerdegegner zu zahlende Vergütung nicht festgesetzt hat. Das Sozialgericht hat lediglich die zu erstattende Verfahrensgebühr auf 500,00 EUR festgesetzt. Dementsprechend war der Beschluss des Sozialgerichts klarstellend zu fassen.

Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RVG werden Gebühren auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v. H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m. w. N., Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B m. w. N., nach Juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss 14. Februar 2011 - Az.: L 6 SF 1376/10 B, nach Juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. Nr. 3102 VV RVG ist auf 500,00 EUR festzusetzen. Diese ist für zwei weitere Antragstellerinnen nach Nr. 1008 VV RVG um je 30 v. H. (insgesamt 300,00 EUR) zu erhöhen. Die vom Beschwerdegegner geltend gemachte Vergütung in Höhe von 500,00 EUR übersteigt nicht den Toleranzrahmen. Nach Ziffer 3102 VV RVG beträgt die Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten 50,00 bis 550,00 EUR. Vorliegend ist unter Berücksichtigung aller Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Geltendma-chung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 500,00 EUR nicht zu beanstanden bzw. übersteigt jedenfalls nicht den Toleranzrahmen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit liegt im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren erheblich über dem Durchschnitt. Der durchschnittliche Umfang orientiert sich am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens, jeweils bezogen auf das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld. Zu berücksichtigen ist der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tat-sächlich in der Sache betrieb und objektiv verwenden musste. Der Beschwerdegegner fertigte in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zunächst eine sechsseitige Antragschrift. Darin wurde der geltend gemachte Anspruch auf zumindest vorläufige Auszahlung von Leistungen nach dem SGB II für den Monat November 2013 beziffert. Auf Seite 4 der Antragschrift wurden die Ansprüche bezogen auf alle drei Antragstellerinnen im Einzelnen dargestellt. Auf Seite 5 der Antragschrift erfolgte eine Darlegung der Erwerbseinkünfte für den Zeitraum April bis Juli 2013. Umfangreiche Anlagen waren der Antragschrift ebenfalls beigefügt. Zu der Stellungnahme des Jobcenters vom 18. November 2013 wurde umgehend einen Tag später mit einem fünfseitigen Schriftsatz Stellung genommen. Erneut wurden die Ansprüche für den Monat November 2013 bezogen auf die jeweiligen Antragstellerinnen im Einzelnen berechnet. Erörtert wurde auch die Problematik, inwieweit das Jobcenter die Abtretungserklärung an den Vermieter befolgt hat und die Höhe der bislang angefallenen Mietschulden. Nach Eingang eines weiteren Schriftsatzes des Jobcenters vom 22. November 2013 replizierte der Beschwerdegegner umgehend einen Tag später mit einem dreiseitigen Schriftsatz. Ferner trug er zur Zahlung eines Unterhaltsvorschusses für die Antragstellerin zu 2) vor und berichtete über eine Kontaktaufnahme mit der Unterhaltsvorschusskasse und deren Ergebnis. Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2013 übermittelte der Beschwerdegegner den Nachweis über die Unterhaltsvor-schusszahlungseinstellung. Dieses Vorbringen wurde mit weiterem Schriftsatz vom 6. Dezember 2013 im Hinblick auf Auskünfte des Jugendamtes der Stadt E. und die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung durch die Antragstellerin zu 1) ergänzt. Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2013 erklärte der Beschwerdegegner sein Einverständnis aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 4. Dezember 2013, das Darlehen nicht mehr im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verfolgen. Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2013 teilte der Beschwerdegegner aufgrund des von der Gegenseite erlassenen Änderungsbescheides vom 10. Dezember 2013 mit, dass beabsichtigt sei, die Hauptsache für erledigt zu erklären. Die Erledigungserklärung erfolgte sodann mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2013.

Insgesamt ist festzustellen, dass sich alle Schriftsätze dadurch auszeichnen, dass der Beschwerdegegner immer konkret auf den Einzelfall Bezug genommen hat. Es kann nicht davon die Rede sein, dass nur allgemeine Ausführungen erfolgt sind. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdebegründung vom 8. Februar 2018 kann auch nicht von einem ersparten Arbeitsaufwand angesichts fehlender Akteneinsicht die Rede sein. Durch entsprechende Vorlage der entscheidungserheblichen Unterlagen ist nachgewiesen, dass der Beschwerdegegner zu jeder Zeit über den maßgeblichen Sachverhalt informiert war. Der zugrundeliegende Sachverhalt ist auch als überdurchschnittlich komplex und schwierig einzuordnen. Festzuhalten ist auch, dass der Beschwerdegegner jeweils auf Antragserwiderung durch die Gegenseite umgehend und detailliert reagiert hat. Die Bedeutung der Angelegenheit war für die Antragsteller überdurchschnittlich. Abzustellen ist auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit. Die Antragsteller machten die Verpflichtung zumindest zur vorläufigen Auszahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 800,52 EUR abzüglich bereits an Dritte gezahlter Leistungen in Höhe von 373,39 EUR bzw. mit späterem Schriftsatz im Sinne einer Antragserweiterung in Höhe von 960,52 EUR abzüglich der bereits verrechneten 373,39 EUR geltend. Ferner wurde mit Schriftsatz vom 9. November 2013 die Verpflichtung zur darlehensweisen Gewährung eines Betrages in Höhe von 3.083,42 EUR hinsichtlich der Mietschulden begehrt. Dies belegt die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller. Demgegenüber tritt zurück, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger unterdurchschnittlich und Anhaltspunkte für ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdegegners weder vorgetragen noch ersichtlich sind.

Zu vergüten sind weiter die zwischen den Beteiligten nicht streitige Pauschale (Nr. 7002 VV RVG) und die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG).

Damit errechnet sich die Vergütung des Beschwerdegegners wie folgt:

Verfahrensgebühr gem. §§ 3, 14 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG 500,00 EUR Gebührenerhöhung um je 30 % für jedes weitere Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (2 weitere Mitglieder der BG bzw. Haushalt) § 38 SGB II, § 14 Nr. 1008 VV RVG 300,00 EUR Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme netto 820,00 EUR 19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 155,80 EUR Gesamtbetrag 975,80 EUR

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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