L 1 B 171/02 ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 B 171/02 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Oktober 2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die am 31. Oktober 2002 gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 4. Oktober 2002 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und begründet. Der Senat hat deswegen den Verweisungsbeschluss an das Amtsgericht Hamburg-Barmbek aufgehoben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Im vorliegenden Fall wird die Vollstreckung aus dem Vergleich vom 22. März 2002 beansprucht, der die Verpflichtung enthält, dass die Antragsgegnerin die am Vergleich beteiligten Pflegeunternehmen – vorläufig - so behandelt, als bestünde ein Vertrag über die Durchführung und Abrechnung von Pflegeleistungen mit einem bestimmten Inhalt.

Gemäß § 198 Abs. 1 SGG gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Wenn eine Behörde in den Fällen des § 131 SGG der im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt, kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu tausend Euro durch Beschluss androhen und nach vergeblichem Fristablauf (auch wiederholt) festsetzen (vgl. § 201 SGG).

§ 201 SGG ist auf die hier streitige Vollstreckung entsprechend anzuwenden. Eine Vollstreckung gemäß § 198 SGG scheidet aus, weil der Vergleich keinen vollstreckbaren Inhalt hat, denn er weist keinen bezifferten Betrag aus, der von der Beklagten geschuldet wird. Nach seinem Wortlaut erfasst § 201 SGG nur die Vollstreckung aus Verpflichtungsurteilen. Aus Gründen der verfassungsrechtlichen Garantie eines effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz muss es auch die Möglichkeit geben, aus dem hinsichtlich der Vollstreckbarkeit einem Urteil gleichstehenden Vergleich (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGG) auch dann zu vollstrecken, wenn mangels Bezifferung der Forderung die Anwendung des § 198 SGG ausscheidet (vgl. Ruppelt in Hennig, SGG-Kommentar, Rdnr. 6 zu § 201). § 201 SGG ist deswegen verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Ausführung eines Vergleichs mittels Zwangsgeldandrohung bzw. dessen Festsetzung ebenfalls erwirkt werden kann (vgl. im Ergebnis ebenso: Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 7. Aufl., Rdnr. 2 zu § 201). Da § 131 SGG einige Sonderfälle der Urteilsformel regelt, mithin die Vorschrift nicht vollständig ist (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, Rdnr. 1 zu § 131), ist der Verweis auf sie in § 201 SGG ebenfalls nicht abschließend. Insbesondere ist auch die Vollstreckung aus einem Grundurteil und einem seinem Inhalt entsprechenden Vergleich möglich (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, Rdnr. 2 zu § 201 mwN). Der hier geschlossene Vergleich entspricht dem Inhalt eines Grundurteils, weil die Durchführung und Abrechnung von Pflegeleistungen unter Zugrundelegung einer bestimmten Vertragskonstellation vereinbart ist.

Für die Androhung (und die Festsetzung) eines Zwangsgelds gemäß § 201 SGG ist daher das Sozialgericht zuständig.

Der Senat hat den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückverwiesen, weil dieses - seiner Rechtsansicht folgend - nicht in der Sache selbst entschieden hat. Im Übrigen hat es noch nicht über die von der Antragsgegnerin in den Schreiben vom 29. Mai 2002 und 7. Oktober 2002 im Verfahren S 21 KR 792/02 ER und den entsprechenden Schreiben in den anderen verbundenen Verfahren erhobene Vollstreckungsgegenklage entschieden. Unter diesen Umständen hält der Senat eine Entscheidung des Beschwerdegerichts über die Vollstreckung nicht für geboten.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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