L 1 KR 71/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 KR 391/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 71/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Juni 2003 wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Der Streitwert wird auf 170,81 EUR festgesetzt. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin einen Widerspruchsbescheid zu erteilen.

Der bei der Beklagten krankenversicherten A. B. wurde am 10. Juli 2002 von einem niedergelassenen Orthopäden für drei Monate ein Paresestim-Gerät 10434 verordnet. Die Klägerin, ein Unternehmen der Medizintechnik (Leistungserbringerin), händigte dieses Gerät der Versicherten am 10. Juli 2002 aus. Sie reichte bei der Beklagten am 18. Juli 2002 den Kostenvoranschlag vom 15. Juli 2002 über einen Mietpreis von insgesamt 341,62 EUR ein. Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung kam zum Ergebnis, dass ein normales Muskelstimulationsgerät ausreichend sei. Die Beklagte teilte daraufhin der Versicherten durch Bescheid vom 30. Juli 2002 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) mit, ihr sei eine Kostenübernahme für das Paresestim-Gerät aus diesem Grunde nicht möglich. Eine Durchschrift dieses Bescheids ging an die Klägerin. Diese legte der Beklagten am 4. September 2002 die Rechnung vom 29. August 2002 über 341,62 EUR vor. Die Beklagte reichte diese Rechnung an die Klägerin mit Schreiben vom 12. September 2002 zurück. Es könne keine Rechnung gestellt werden, da die Auslieferung erst nach Genehmigung der Krankenkasse erfolgen dürfe.

Die Klägerin erhob mit (nicht unterschriebenem) Schreiben vom 26. September 2002 am 2. Oktober 2002 Widerspruch und beantragte Kostenerstattung/Freistellung gem. § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Zugleich legte sie die Abtretungsvereinbarung vom 27. September 2002 vor, in welcher unter der Bedingung, dass die Beklagte die Übernahme der Kosten für die Versorgung "mit nachstehend benannten Leistungen (insb. Hilfsmittel)" ganz oder zum Teil ablehne, die Versicherte sämtliche ihr gegenüber der Beklagten zustehenden Ansprüche aus und iVm. der Versorgung gem. § 364 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) an Erfüllungs Statt an die Klägerin abtrat. Die Abtretung erlange ihre Wirksamkeit mit Eintritt der vorgenannten Bedingung und umfasse insbesondere etwaige Kostenerstattungs- oder Freistellungsansprüche gem. § 13 Abs. 3 SGB V. In der Rubrik "Genaue Bezeichnung der erbrachten Leistung" ist auf der Abtretungsvereinbarung nichts eingetragen.

Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 4. Oktober 2002 mit, dass der Widerspruch nur von der Versicherten selbst eingelegt werden könne. Demgegenüber vertrat die Klägerin im (nicht unterschriebenen) Faxschreiben vom 7. Oktober 2002 die Auffassung, dass sie mit der Abtretungserklärung der Versicherten in deren Rechtsposition eingetreten sei. Auf die Übertragung sozialrechtlicher Ansprüche nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) fänden die Regelungen der §§ 398 ff BGB entsprechende Anwendung. Sie habe nicht für die Versicherte, sondern in eigenem Namen Widerspruch eingelegt. Dem stehe nicht entgegen, dass sich § 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I nur auf Geld- und nicht auf Sachleistungen beziehe. Der gesetzliche Anspruch der Versicherten auf Sachleistung sei durch sie - die Klägerin - erfüllt worden. Der abgetretene Anspruch sei daher der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V. Dieser sei ein auf Geldleistungen bezogener Anspruch.

Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 29. Oktober 2002 wissen, dass es bei ihrer Entscheidung vom 30. Juli 2002 verbleibe. Eine Kostenübernahme für das beantragte Paresestim-Gerät sei nicht möglich. Das Schreiben vom 29. Oktober 2002 werte sie als gesetzliche Anhörung nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Klägerin könne sich hierzu binnen zwei Wochen äußern.

Am 29. November 2002 (Schreiben vom 28. November 2002) erhob die Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid erneut Widerspruch und beantragte wiederum Kostenerstattung/Freistellung. Erhalte sie nicht innerhalb der Frist des § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einen Abhilfebescheid oder rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheid, werde sie unmittelbar nach Fristablauf Untätigkeitsklage erheben. Die Beklagte blieb in der Folge insoweit untätig.

Am 4. März 2003 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch vom 26. September 2002 gegen den Bescheid vom 30. Juli 2002 zu bescheiden.

Die Beklagte hat die Untätigkeitsklage für unzulässig erachtet. Zwischen ihr und der Klägerin bestehe kein Über- und Unterordnungsverhältnis. Sie könne gegenüber der Klägerin keine Verfügung im Sinne des § 31 SGB X treffen (und habe dies auch nicht getan). Folglich beziehe sich der Widerspruch der Klägerin auf einen ihr nicht erteilten Verwaltungsakt. Die Klägerin könne allenfalls Ansprüche aus vertraglichen Vereinbarungen erheben, welche im Wege der Leistungsklage und damit ohne vorherige Durchführung eines Vorverfahrens gem. §§ 78 ff SGG geltend zu machen seien. Durch eine – für unwirksam gehaltene - Abtretungserklärung könne kein Über- und Unterordnungsverhältnis geschaffen werden.

Ohne dass eine Anhörung nach § 105 Abs. 1 Satz 1 Satz 2 SGG erfolgt war, hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid von 10. Juni 2003 die Beklagte verurteilt, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Juli 2002 zu entscheiden. Die Beklagte habe mit dem an die Versicherte gerichteten Bescheid vom 30. Juli 2002 eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen. Die Untätigkeitsklage sei begründet, weil die Beklagte ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Widerspruchsschreibens vom 26. September 2002 über den Widerspruch entschieden habe.

Gegen den ihr am 23. Juni 2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 3. Juli 2003 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie hält mangels eines an die Klägerin gerichteten Verwaltungsaktes diese nicht für befugt, überhaupt Widerspruch zu erheben und deswegen die Untätigkeitsklage für unzulässig. Die Klägerin hätte zur Durchsetzung ihres vermeintlichen Vergütungsanspruchs vielmehr eine kein Vorverfahren voraussetzende Leistungsklage erheben müssen. Die Untätigkeitsklage sei vor dem Hintergrund der materiellen Rechtslage und dem Umstand, dass die Klägerin anwaltlich vertreten sei, zudem rechtsmissbräuchlich. Die Prozessbevollmächtigten betrieben noch weitere Verfahren als Vertreter der Klägerin, in denen es um Streitigkeiten zwischen den Beteiligten auf der Vertragsebene gehe. Auch hier sei die Beklagte von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Kenntnis der Unzulässigkeit des jeweiligen Widerspruchs mit Widersprüchen und die Sozialgerichte mit Untätigkeitsklagen überzogen worden. Dies sei nicht im Sinne des Gesetzes und verursache hohe Verwaltungskosten zu Lasten der Versichertengemeinschaft und der Allgemeinheit. Sie, die Beklagte, habe auch einen zureichenden Grund gehabt, über den Widerspruch nicht innerhalb der Frist des § 88 Abs. 2 SGG zu entscheiden. Es fehle bereits ersichtlich an einer Dringlichkeit der Angelegenheit im Verhältnis zu anderen Verfahren. Sie habe über eine Vielzahl von Widersprüchen zu entscheiden, die wesentlich früher eingegangen und dringlicher seien. Letztlich würde die Klägerin mit ihrer Untätigkeitsklage daher nur erreichen, dass über ihren Antrag vor anderem, früher eingegangenen Widersprüchen entschieden werde. Dies widerspreche dem Sinn und Zweck der Untätigkeitsklage. Die Klägerin könne auch keinerlei Ansprüche aus abgetretenem Recht herleiten. Der vermeintliche Sachleistungsanspruch der Versicherten sei nicht abtretbar und im Übrigen durch die Bereitstellung des Muskelstimulators durch die Klägerin als Leistungserbringerin der Beklagten erfüllt worden und damit erloschen. Ungeachtet der Frage der Übertragbarkeit eines Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruchs nach § 13 SGB V scheide ein solcher hier bereits deshalb aus, weil bei der Versicherten keine Zahlungsverpflichtung oder Kosten angefallen seien.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Juni 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und legt den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. September 2003 (L 1 KR 2720/03) vor. Die Beklagte versuche durch die Erörterung materiell-rechtlicher Probleme ihr die Klagebefugnis abzusprechen, sei aber verpflichtet, über jeden Widerspruch zu entscheiden, ob er nun unzulässig oder unbegründet sei. Die Beschwer der Untätigkeitsklage beziehe sich auf die Nichtbescheidung des Widerspruchs und nicht auf den materiellen Anspruch. Die gegen die Wirksamkeit der Abtretung vorgebrachten Gründe böten keinen Rechtfertigungsgrund für die Untätigkeit.

Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass sie auf die vom Sozialgericht unterlassene Anhörung nach § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG verzichten.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Prozessakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 SGG). Auch wenn der Wert des abgetretenen angeblichen Rechts hier 500 EUR nicht übersteigt, so betrifft die auf Bescheidung des Widerspruchs gerichtete Untätigkeitsklage dennoch keinen auf eine Geldleistung von nicht mehr als 500 EUR gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), so dass die Berufung der Zulassung durch das Sozialgericht nicht bedurfte.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 30. Juli 2002 zu bescheiden. Die Untätigkeitsklage ist zulässig und – weil ein zureichender Grund nicht vorliegt, dass über den Widerspruch nicht entschieden ist - auch begründet.

Die Berufung ist nicht etwa deshalb erfolgreich, weil das erstinstanzliche Urteil an einem wesentlichen Mangel leidet, aufgehoben und an das Sozialgericht zurückverwiesen werden kann (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Zwar hat das Sozialgericht die Beteiligten vor Erlass des Gerichtsbescheides nicht angehört und damit ihr rechtliches Gehör verletzt. Da die Beteiligten diesen Umstand aber ausdrücklich nicht rügen, sieht der Senat keine Veranlassung, von einer eigenen Sachentscheidung abzusehen. Diese Sachentscheidung fällt zugunsten der Klägerin aus.

Gemäß § 88 Abs. 2 iVm Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit Erhebung des Widerspruchs zulässig, wenn dieser ohne zureichenden Grund in angemessener Frist – drei Monate – nicht beschieden worden ist. Vorliegend hat die Klägerin ihre Untätigkeitsklage am 4. März 2003, also nach Ablauf von drei Monaten nach Einlegung des Widerspruchs am 2. Oktober 2002, erhoben, so dass insoweit Zulässigkeitsbedenken nicht bestehen.

Die Untätigkeitsklage ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil sich der Widerspruch nicht gegen einen Verwaltungsakt gerichtet hat. Zwar wäre sie unzulässig, wenn sich der Widerspruch nicht gegen einen Verwaltungsakt richtete, über dessen Rechtmäßigkeit in einem Vorverfahren befunden werden kann. Dass § 88 Abs. 2 SGG einen Verwaltungsakt voraussetzt, über den ein Vorverfahren anhängig sein muss, ergibt sich u. a. aus folgendem: Im Fall des § 88 Abs. 2 SGG ist ein Versicherungsträger - wie die Beklagte - , wenn die Untätigkeitsklage zulässig und begründet ist, zu verurteilen, einen Widerspruchsbescheid zu erlassen (nicht aber, den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben oder den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 88 Rdnr 9b; anders hinsichtlich § 75 Verwaltungsgerichtsordnung ( VwGO ) Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 12. 9. 2000 – 22 A 5440/99, FEVS 52, 158). Zweck des § 88 Abs. 2 SGG ist, sicher zu stellen, dass dem Bürger aus dem säumigen Verhalten der Verwaltung keine Nachteile erwachsen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 88 Rdnr 13). Er soll insbesondere keinen Nachteil dadurch erleiden, dass die Behörde vor Erhebung der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen hat (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG) und er durch die Säumnis der Behörde von der Klagerhebung abgehalten wird. Deswegen hat die Verwaltung grundsätzlich auch einen unzulässigen Widerspruch zu bescheiden, z.B. Widersprüche, die verfristet sind oder für die kein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl. Ulmer in Hennig, SGG, § 88 Rz 22). Dies gilt selbst für Widersprüche, die sich gegen einen Verwaltungsakt richten, mit denen die Behörde die beantragte Leistung mangels eigener Zuständigkeit abgelehnt hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 11. 11. 2003 – B 2 U 36/02 R, SozR 4-1500 § 88 Nr. 1). Im Widerspruchsbescheid ist dann auszuführen, dass der Widerspruch mangels Vorliegen der Zulässigkeits- oder Zuständigkeitsvoraussetzungen keinen Erfolg haben konnte.

Hier richtete sich der Widerspruch der Klägerin gegen einen Verwaltungsakt. Bei dem der Versicherten erteilten Bescheid vom 30. Juli 2002 handelte es sich um eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die die Beklagte zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 Satz 1 ( SGB X )). Zwar ist Adressat dieses Bescheids die Versicherte und nicht die Klägerin. Das ändert aber nichts daran, dass sich deren Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt richtet. Die Bekanntgabe des (schriftlichen) Verwaltungsaktes (§ 37 SGB X) an einen anderen Adressaten als den Widersprechenden lässt den Verwaltungsakt als solchen unberührt. Die Klägerin hat ihren Widerspruch auch nicht etwa (nur) gegen die ihr übermittelte Durchschrift des Bescheides vom 30. Juli 2002 gerichtet, sondern ausdrücklich gegen den der Versicherten erteilten Bescheid, so dass dahinstehen kann, ob sich der Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt gerichtet hätte, wenn ersteres der Fall gewesen wäre. Im Übrigen berühmt sich die Klägerin, dass sie durch die Abtretung vom 27. September 2002 in die – durch ein Subordinationsverhältnis geprägte - Rechtsstellung der Versicherten eingetreten ist und der Bescheid vom 30. Juli 2002 dadurch, dass sich der ursprüngliche Sachleistungsanspruch in einen – an sie übertragenen – Kostenerstattungsanspruch umgewandelt habe, auch ihre Rechte – durch Ablehnung der Kostenerstattung - verletze, dem sie nur durch die auf Kostenerstattung gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 4 SGG; vgl. Hauck-Noftz, SGB V, K § 13 Rz 47; BSGE 79, 190, 191 = SozR 3- 2500 § 31 Nr 2; 79, 261, 262 = SozR 3- 2500 § 33 Nr 21; BSGE 64, 256; 73, 271, 284) begegnen könne. Diese setzt die Durchführung eines Vorverfahrens voraus.

Der Senat kann im Ergebnis offen lassen, ob die Klägerin durch den Bescheid vom 30. Juli 2002 beschwert, ob sie widerspruchsbefugt ist und ob insbesondere ihre eigenen Rechte betroffen sind. Dies sind Fragen, die die Zulässigkeit des Widerspruchs, nicht die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage betreffen. Auch unzulässige Widersprüche müssen aber – wie ausgeführt - grundsätzlich beschieden werden. Insoweit zielen die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsschrift vom 1. Juli 2003 am Problem vorbei. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin – die sich dessen berühmt - wegen der Abtretung vom 27. September 2002 einen ehemaligen Anspruch der Versicherten, über den im Überordnungs-Unterordnungsverhältnis entschieden wurde, nunmehr aus einem Subordinationsverhältnis heraus – das ansonsten gem. §§ 69, 127ff SGB V zwischen den Beteiligten nicht besteht - gegenüber der Beklagten mit Erfolg geltend machen kann. Ob die Abtretung nach § 53 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) etwa unwirksam war, weil Ansprüche auf Sachleistungen nicht übertragen werden können, oder Ansprüche wegen der "inhaltslosen" Abtretungsurkunde nicht übertragen worden sind oder ob eine Umwandlung eines Sachleistungs- in einen Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch erfolgt und dieser als Anspruch auf Geldleistungen nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I übertragen worden ist, kann ebenfalls dahinstehen. Zwar mögen bereits insoweit Zweifel bestehen, weil ein Kostenerstattungs- bzw. Freistellungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V kaum entstehen dürfte, wenn der (vermeintliche) Sachleistungsanspruch der Versicherten durch die Leistung eines zugelassenen Leistungserbringers erfüllt worden ist – wie die Klägerin selbst ausführt - oder wenn sich die Versicherte die Sachleistung selbst – wenn keine unaufschiebbare Leistung vorlag - beschafft hat, ohne die Entscheidung des Versicherungsträgers abzuwarten. Jedoch betreffen diese Fragen allesamt materielles Recht. Auf die Begründetheit des materiell-rechtlichen Anspruchs, über den der begehrte Verwaltungsakt entscheiden soll, kommt es bei der Untätigkeitsklage aber grundsätzlich nicht an (vgl. Peters-Sautter-Wolff, SGG, § 88, 2. II/12-1-).

Zwar hat die Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauches Ausnahmen von der Bescheidungspflicht des § 88 SGG zugelassen, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinen denkbaren Umständen bestehen kann (vgl. Bundesverwaltungsgericht 28.3.1968 – VIII C 22.67, BVerwGE 29, 239, 243f; Landessozialgericht ( LSG ) Bremen 3.7.1996 – L 4 BR 39/95/ S BR 49/95, SGb 1997, 168; LSG Niedersachsen 26.11.1997 – L 4 Kr 99/96, NZS 1998, 448; Binder in Hk-SGG, § 88 Rz 4; Peters-Sautter-Wolff, aaO; offen lassend Bundessozialgericht 11. 11. 2003 – B 2 U 36/02 R, SozR 4-1500 § 88 Nr 1). Es sei zu berücksichtigen, dass das – formelle – Recht auf Bescheidung an sich nicht Selbstzweck sei, sondern immer nur der Durchsetzung materieller Ansprüche diene. Ergebe die Prüfung der Untätigkeitsklage von vornherein, dass das von der Verwaltungsbehörde nicht beschiedene Sachbegehren offensichtlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben könne, weil der mit dem Antrag (bzw. mit dem Widerspruch) geltend gemachte materielle Anspruch tatsächlich nicht bestehe, so könne die Untätigkeitsklage nicht zur Verurteilung der Behörde auf Erteilung eines (in seinem ablehnenden Inhalt feststehenden) Bescheides – oder hier Widerspruchsbescheides – führen. Die Untätigkeitsklage unterliege in solchen Fällen vielmehr unmittelbar der Abweisung, weil sich bei der gerichtlichen Prüfung erweise, dass der Kläger durch die Unterlassung des von ihm materiell zu Unrecht begehrten Verwaltungsaktes nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten verletzt sei. Denn es fehle insoweit auch unter Berücksichtigung des Anspruchs des Bürgers auf Bescheidung seines bei der Behörde gestellten Antrags – bzw. erhobenen Widerspruchs – an einem anerkennenswerten Rechtsschutzbedürfnis. An die Stelle der von der Behörde unterlassenen förmlichen Entscheidung trete das gerichtliche Urteil, das einerseits den behördlichen (Widerspruchs-) Bescheid als solchen ersetze und andererseits die Entscheidung der Vorfrage enthalte, dass der materielle Anspruch nicht gegeben sei (vgl. BVerwG, aaO). Deshalb sei eine Untätigkeitsklage z.B. auch dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich als Ausnutzung einer formalen Rechtsposition ohne eigenen Nutzen und zum Schaden (Kostenlast) für den anderen Beteiligten darstelle (Schikaneverbot, § 226 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Gebühreninteressen des Prozessbevollmächtigten könnten dabei nicht als eigene Interessen des Klägers berücksichtigt werden (vgl. LSG Bremen, aaO).

Der Senat hält im vorliegenden Fall jedoch – wie wohl auch das Sozialgericht - die Voraussetzungen der Rechtsmissbräuchlichkeit (noch) nicht für gegeben. Denn der gegebene Fall wirft eine Reihe rechtlicher Fragestellungen auf, deren Beantwortung in einem Widerspruchsbescheid auch ein Leistungserbringer erwarten durfte. Auf Rechtsmissbräuchlichkeit hat – solange die Untätigkeitsklage noch nicht erhoben war – auch die Beklagte, wie sich insbesondere ihrem Schreiben vom 29. Oktober 2002 entnehmen lässt, ihre Untätigkeit nicht gestützt, sondern sich erst mit der Klageerwiderung vom 2. Juni 2003 auf Rechtsmissbräuchlichkeit berufen.

Der Senat lässt offen, ob angesichts der Vielzahl ähnlicher von der Klägerin gegen Krankenkassen anhängig gemachten Untätigkeitsklagen Rechtsmissbräuchlichkeit in diesen Fällen stets zu verneinen sein wird. Das bedarf hier keiner Entscheidung, könnte u. U. aber davon abhängen, welchen Fortgang das vorliegende Verfahren nach der Erteilung des Widerspruchsbescheides nehmen wird.

Die Beklagte hat zureichende – tatsächliche - Gründe, wegen derer sie den Widerspruch der Klägerin nicht beschieden hat, nicht vorgetragen. Solche sind auch nicht ersichtlich. Die von der Beklagten gegen die Wirksamkeit der Abtretung vorgebrachten Gründe rechtfertigten die Untätigkeit nicht (vgl. auch LSG Baden-Württemberg vom 25. 9. 2003 – L 11 KR 2720/03 AK-B). Die von der Beklagten behauptete mangelnde Dringlichkeit der Angelegenheit und Vielzahl zu entscheidender Widerspruchsverfahren stellen solche Gründe nicht dar, zumal die Beklagte der Klägerin nach deren Schreiben vom 28. November 2002 auch keinen Zwischenbescheid erteilt hat. Die Beklagte war nach alledem nicht gehindert, den Widerspruch zu bescheiden. Ein zureichender Grund für die Säumnis iSd § 88 Abs. 2 SGG lag nicht vor.

Das Sozialgericht hat deshalb die Beklagte zu Recht antragsgemäß verurteilt, so dass die Berufung erfolglos bleibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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