L 1 KR 31/02

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 32 KR 82/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 31/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 3) wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Juli 2000 insoweit geändert, als die angefochtenen Bescheide die Rentenversicherungspflicht des Klägers betreffend aufgehoben worden sind und festgestellt worden ist, der Kläger unterliege nicht der Rentenversicherungspflicht. 2. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rentenversicherungspflicht des Klägers in der Zeit vom 1. März bis 30. September 2000 (Mitgliedschaftsende bei der Beklagten) streitig.

Der am XX.XXXXX 1968 geborene Kläger nahm am 15. Juni 1993 sein erstes Studium auf. Er wechselte den Studiengang am 1. August 1993. Im Sommersemester 1996 war er nicht immatrikuliert. Seinerzeit beabsichtigte er von der Universität Hamburg in einen Studiengang der Fachhochschule Hamburg zu wechseln. Die Immatrikulation wurde ihm zunächst verweigert. Am 22. Januar 1997 wurde er rückwirkend ab 1. September 1996 immatrikuliert und nahm ab Januar 1997 das Studium an der Fachhochschule durch den Besuch von Vorlesungen auf.

Bereits ab 4. September 1995 war der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) als Kundenbetreuer beschäftigt. Er hatte zunächst verschiedene Zeitverträge. Im bis zum 30. April 1996 gültigen ersten Anstellungsvertrag (vom 24.8.95) war eine Arbeitszeit von höchstens 20 Stunden wöchentlich im Semester, in den Semesterferien nach Absprache mehr, vorgesehen. Nach dem zweiten Vertrag (vom 31.7.96) – gültig vom 22. Juli 1996 bis 31. August 1996 - betrug die Arbeitszeit 20 Stunden wöchentlich mit der erklärten Bereitschaft, auch über diese Mindeststundenzahl hinaus tätig zu sein. Ursprünglich wurde dieser Vertrag bis zum 21. Januar 1997 verlängert (Vortrag des Klägers in der Sitzung des Sozialgerichts vom 28.2.02). Der Kläger arbeitete in dieser Zeit auch mehr als 20 Stunden - nämlich bis zu 37,65 Stunden - wöchentlich. Im rückwirkend unter dem Datum des 27. November 1996 geschlossenen Vertrag (gültig vom 1. September 1996 bis 21. Januar 1997, verlängert bis 21. Juli 1997) war dann eine Arbeitszeit von regulär höchstens 20 Stunden wöchentlich, in den Semesterferien mehr vorgesehen. Seit 22. Juli 1997 ist der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) unbefristet beschäftigt.

Nachdem die Beigeladene zu 1) vorsorglich alle bei ihr beschäftigten Studenten als Arbeitnehmer bei der Beklagten angemeldet hatte, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2000 gegenüber dem Kläger dessen Versicherungspflicht fest. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2000 zurück. Der Kläger habe aufgrund der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) ab 1. März 2000 bis 30. September 2000 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen. Auf das Werkstudentenprivileg könne er sich nicht berufen, weil er in der Zeit vom 21. Juli 1996 bis 30. November 1996 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Auf die Klage hin hat das Sozialgericht mit Urteil vom 18. Juli 2002 die angegriffenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger seit dem 22. Januar 1997 nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege.

Gegen diese Entscheidung hat die Beigeladene zu 3) Berufung eingelegt. Zu Unrecht sei das Sozialgericht von der Rentenversicherungsfreiheit des Klägers ausgegangen. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 230 Abs. 4 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), wonach nur jemand, der am 30. September 1996 versicherungsfrei gewesen sei, sich auch später auf das Werkstudentenprivileg berufen könne. Der Kläger sei jedoch allenfalls ab 22. Januar 1997 von seinem Erscheinungsbild her Student, zuvor aber Arbeitnehmer gewesen. Hieran ändere auch eine rückwirkende Immatrikulation ab 1. September 1996 nichts.

Die Beigeladene zu 3) beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Juli 2002 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit es die Rentenversicherungspflicht betrifft.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger, der seine ursprünglich eingelegte klageerweiternde Anschlussberufung zurückgenommen hat, hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Lediglich in der vorlesungsfreien Zeit, wie u.a. in der Zeit vom 2. Juli 1996 bis 30. November 1996 habe er bis zu 37,65 Stunden wöchentlich gearbeitet. Aufgrund der rückwirkenden Immatrikulation sei er am 30. September 1996 ordentlich Studierender gewesen. Dies habe auch seinem Erscheinungsbild entsprochen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung nicht bestanden habe, weil der Kläger am 30. September 1996 seinem Erscheinungsbild nach Arbeitnehmer gewesen sei. Sie weist darauf hin, dass der Kläger bei ihr vom 1. Januar 1998 bis 30. September 2000 Mitglied war und im Rahmen der Krankenversicherung der Studenten geführt wurde.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) haben keinen Antrag gestellt.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 7. Juli 2004 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Streitig ist im Berufungsverfahren ausschließlich die Frage der Rentenversicherungspflicht. Im Übrigen ist das angegriffene Urteil bestandskräftig.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beigeladenen zu 3) (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist begründet.

Versicherungspflichtig sind u. a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1.1.98 geltenden Fassung). Eine Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)). Versicherungsfreiheit besteht bei geringfügiger Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Eine solche liegt vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht übersteigt oder die Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens zwei Monate oder fünfzig Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass sie berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt die genannten Grenzen übersteigt (§ 8 SGB IV). Die Beschäftigung war nicht von vornherein zeitlich auf längstens zwei Monate oder fünfzig Arbeitstage begrenzt. Da es die Hauptbeschäftigung des Klägers war, überstieg das Arbeitsentgelt ein Sechstel seines Gesamteinkommens. Es überstieg auch ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße. Der Kläger übte daher eine versicherungspflichtige Tätigkeit aus.

Die Versicherungspflicht ist auch nicht deswegen entfallen, weil der Kläger als Werkstudent am 30. September 1996 versicherungsfrei war. Gemäß § 5 Abs. 3 SGB VI in der ab 1. April 1999 geltenden Fassung sind in der Rentenversicherung versicherungsfrei Personen, die während der Dauer eines Studiums als ordentlich Studierende einer Fachschule oder Hochschule in einer in der Vorschrift näher bestimmten Form ein Praktikum ableisten. Das trifft auf den Fall des Klägers nicht zu. Das früher in dieser Vorschrift erfasste Werkstudentenprivileg galt nur bis zum 30. September 1996. Nach der Übergangsvorschrift des § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI bleiben Personen, die am 1. Oktober 1996 in einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit als ordentliche Studierende einer Fachschule oder Hochschule versicherungsfrei waren, in dieser Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei. Gemeint ist in der Vorschrift, dass jemand direkt vor dem 1. Oktober 1996 als Werkstudent versicherungsfrei gewesen sein muss, das Abstellen auf den 1. Oktober 1996 stellt ein Redaktionsversehen dar (vgl. BSG 22.5.03 – B 12 KR 24/02 R, SozR 4-2600 § 5 Nr. 1). Der Kläger war am 30. September 1996 nicht Student. Hierfür fehlte es seinerzeit bereits an der Einschreibung an einer Hochschule oder Fachhochschule. Diese erfolgte nämlich erst im Januar 1997, wenn auch rückwirkend ab 1. September 1996. Eine rückwirkende Einschreibung reicht allein nicht aus, um die Voraussetzungen der Übergangsregelung zu erfüllen. Bei Studenten ist entscheidend, ob das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nimmt und er damit trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student bleibt (BSG 11.11.03 – B 12 KR 24/03 R, SGb 2004, 440). Zu dem Stichtag war der Kläger nach seinem Erscheinungsbild kein Student. Er studierte nämlich nicht. Nach seinen eigenen Angaben war er in dieser Zeit mehr als 20 - bis zu 37,65 - Stunden wöchentlich für die Beigeladene zu 1) tätig. Sein (neues) Studium nahm er erst im Januar 1997 durch den Besuch von Vorlesungen auf, nachdem er die Immatrikulation erstritten hatte. Darauf, dass er ab 22. Januar 1997 wieder von seinem Erscheinungsbild her Student gewesen sein mag, kommt es nicht an.

Da bei dem Kläger somit die Voraussetzungen der Übergangsregelung des § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI nicht vorliegen, unterlag er im streitigen Zeitraum der Rentenversicherungspflicht. Dabei kann unentschieden bleiben, ob eine Versicherungsfreiheit über das Ende des damaligen Zeitvertrages hinaus auf das erst ab 22. Juli 1997 vereinbarte unbefristete Beschäftigungsverhältnis überhaupt fortgewirkt hätte, es sich insoweit also noch um dieselbe Beschäftigung im Sinne des § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gehandelt hätte.

Entgegen seiner Auffassung kann der Kläger auch aus dem Urteil des BSG vom 29. September 1992 (12 RK 24/92, SozR3-2500 § 6 Nr. 2) für eine Versicherungsfreiheit im vorliegenden Fall nichts herleiten. In dieser Entscheidung hat das BSG dargelegt, dass das Werkstudentenprivileg dann nicht entfällt, wenn ein immatrikulierter Student wegen eines ihm erteilten Hausverbotes die Hochschule nicht besuchen konnte und während des Semesters mehr als vier Monate vollschichtig beschäftigt war. Abgesehen davon, dass der Kläger über einen weit längeren Zeitraum (nämlich ab 22. Juli 1996 bis 21. Januar 1997) die Hochschule nicht besuchte und daher von seinem äußeren Erscheinungsbild nicht studierte, lag bei ihm auch keine Unterbrechung des Studiums, sondern ein Hochschul- und Fachrichtungswechsel vor, wobei wegen zunächst verweigerter Immatrikulation völlig offen war, ob dieser Wechsel werde erfolgen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Beklagte Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Sozialgerichts nicht eingelegt hat.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved