L 1 RJ 118/99

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 16 RJ 1017/97
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 RJ 118/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. September 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist eine Beitragsnachforderung in Höhe von 34.378,94 DM und in diesem Zusammenhang, ob der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 1. Juni 1992 bis 31. Juli 1994 versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Beklagte führte bei der Klägerin, einem Abbruchunternehmen, im Jahre 1996 eine Betriebsprüfung durch. Der Beigeladene zu 1) gab der Beklagten am 24. Oktober 1996 zu Protokoll, von Juni 1992 bis Juli 1994 als Kraftfahrer/Transporteur nahezu ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen zu sein. Hierfür habe er zeitweise eigene Fahrzeuge genutzt, zeitweise sei ihm aber auch ein LKW der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Seine Arbeit habe darin bestanden, dass er von den Polieren/Bauleitern/Vorarbeitern der Klägerin angerufen worden sei und dann Ladungen (Bauschutt, Ersatzteile, Maschinen) transportiert habe. Habe er seine Tätigkeit unterbrechen wollen, habe er dies einige Tage vorher mit Herrn S. jun. von der Klägerin absprechen müssen. Die Rechnungslegung sei auf Stundenbasis oder für besondere Einsätze mit Nachtfahrten durch pauschale Zahlung erfolgt. Die Arbeitsstunden seien nicht kontrolliert, aber von ihm aufgestellt und für die Klägerin der Abrechnung beigefügt worden. Zur Betriebshaftpflicht und Berufsgenossenschaft habe er sich selbst angemeldet gehabt. Eine eigene Betriebsstätte habe er nicht unterhalten. Seine Arbeitszeit habe sich nach den betrieblichen Notwendigkeiten gerichtet.

Die Beklagte erteilte der Klägerin daraufhin den – ihr am 20. Dezember 1996 ausgehändigten - Bescheid vom 19. Dezember 1996 über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum und eine Beitragsschuld von 34.378,94 DM. Der Beigeladene zu 1) habe während der betriebsüblichen Arbeitszeiten dem Unternehmen der Klägerin zur Verfügung stehen müssen, sei nicht frei in der Gestaltung seiner Arbeitszeit gewesen. Die Vergütung (Entlohnung) sei nicht, wie im selbständigen Transportgewerbe üblich, nach Ladung und Entfernung erfolgt. Es habe Weisungsgebundenheit und kein unternehmerisches Risiko für den Beigeladenen zu 1) bestanden, weil er in der Hauptsache nur für die Klägerin gearbeitet, keine Mitarbeiter beschäftigt, eine eigene Betriebsstätte nicht besessen und nicht mehr an eigenem Kapital eingesetzt habe, als dies ein Arbeitnehmer getan hätte. Vielmehr habe er größtenteils auf den Fuhrpark der Klägerin zurückgegriffen. Er sei derart in deren Unternehmen eingegliedert gewesen, dass er als ihr Arbeitnehmer und nicht als Subunternehmer anzusehen sei.

Die Klägerin brachte im anschließenden Vorverfahren – und im Eilverfahren 9 J 363/97 EA im Termin des Sozialgerichts am 23. April 1997 - hiergegen vor, der Beigeladene zu 1) sei darin frei gewesen, einzelne Transportleistungen abzulehnen. Dies habe lediglich der vorherigen Abstimmung mit ihr bedurft. Er habe sich nicht von vornherein für eine bestimmte Zeit verpflichtet, sondern seine Tätigkeit jederzeit beenden können, wenn er es gewollt hätte. Für jede Stunde seiner Tätigkeit habe er 28,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer ausbezahlt bekommen. Dieser Stundensatz sei weit höher, als wenn der Beigeladene zu 1) in unselbstständiger Tätigkeit beschäftigt worden wäre. Er habe daneben auch für andere Auftraggeber tätig sein können. Der von ihr mit dem Beigeladenen zu 1) abgeschlossene Vertrag sei zwar nicht mehr auffindbar. Es sei aber davon auszugehen, dass ein Subunternehmervertrag nach dem Muster des von ihr vorgelegten Vertragsformulars abgeschlossen worden sei. Ihr Betrieb habe u. a. über ein Absetzkipperfahrzeug verfügt, das von einem langjährig beschäftigten Fahrer gefahren worden sei. Als dieser 1992 über längere Zeit erkrankt gewesen sei, habe es sich angeboten, dass der Beigeladene zu 1), der über entsprechende Fahrkenntnisse verfügt habe, dieses Fahrzeug für das Unternehmen fahre. Der Einsatzplan für das Fahrzeug sei in der Regel einen Tag vorher erstellt und dem Beigeladenen zu 1) übergeben worden, wobei täglich Änderungen im Plan aufgetreten seien oder hätten auftreten können. Der Beigeladene zu 1) sei während der Tätigkeit für das Unternehmen fast ausschließlich mit dem Fahren dieses Fahrzeugs betraut gewesen, denn der betreffende langjährige Fahrer sei die meiste Zeit krank gewesen. Bei den Fahrten, für die ein Festpreis/Pauschalpreis vorab vereinbart worden sei, habe es sich um Gerätetransportfahrten zur Zweigstelle der Klägerin in Stralsund gehandelt. Diese Aufträge hätten sich über mehrere Tage erstreckt und Nachtfahrten beinhaltet. Der Beigeladene zu 1) habe daneben auch eigene Fahrzeuge eingesetzt. Hierbei habe es sich um einen Lieferwagen sowie um einen PKW mit Anhängerkupplung gehandelt. Den Anhänger habe die Klägerin gestellt. Für solche Transportarbeiten, die in den zwei Jahren vier- bis achtmal erfolgt seien, sei in der Regel ein Festpreis vereinbart worden.

Der Beigeladene zu 1) gab im Eilverfahren 9 J 363/97 EA ergänzend an, von 1989 bis 1995 als selbstständiger Kurier und Transportunternehmer tätig (und – auch bei der Handelskammer - gemeldet) gewesen zu sein. Zu dem Auftragsverhältnis mit der Klägerin sei es dadurch gekommen, dass er Herrn S. einmal seine Visitenkarte gegeben habe. Dieser habe ihn angerufen und ihn gebeten vorzusprechen. Es sei bei der Klägerin wohl ein Fahrer ausgefallen gewesen und er habe für diesen einspringen sollen. Die Aufträge seien entweder am Abend oder Tage vorher oder auch zwischendurch erteilt worden. Es sei wohl einmal über einen schriftlichen Vertrag gesprochen worden. Ob er einen solchen bekommen habe, wisse er nicht mehr, könne einen solchen Vertrag nicht finden. Das Vertragsverhältnis habe geendet, weil er durch die Tätigkeit bei der Klägerin – täglich zehn, wöchentlich fünfzig Stunden - zeitlich zu sehr in Anspruch genommen worden sei. Die tägliche Arbeitszeit sei abhängig von der Versorgung auswärtiger Baustellen gewesen. Er habe den Dieselkraftstoff der klägerischen Tankstelle kostenlos nutzen dürfen. Deswegen habe man sich auf einen Stundenlohn, der branchenüblich zwischen 28,- und 38,- DM gelegen habe, von 30,- DM (plus Mehrwertsteuer) geeinigt. Die Pauschale werde in der Branche dann gewährt, wenn das Fahrzeug mit Fahrer über einen längeren Zeitraum gechartert werde. Bei der Ausführung seine Aufträge für die Klägerin habe er sich an die Anweisungen der jeweiligen Bauleiter oder Vorarbeiter gehalten. Er habe darauf geachtet, dass die vordringlichen Aufträge zunächst ausgeführt wurden. In den ersten drei Wochen seiner Tätigkeit für die Klägerin habe er sich noch um Aufträge anderer Firmen gekümmert, danach nicht mehr, weil absehbar gewesen sei, dass er hierfür keine Zeit mehr haben und er von der Klägerin ausreichend Aufträge erhalten würde. Während der Tätigkeit für die Klägerin sei er nicht krank gewesen. Urlaubstage seien mit Herrn S. jun. vorher abgesprochen worden. Seine Arbeitszeit habe (bei Bedarf) zum Teil bereits um 5:00 morgens begonnen und sich nach den Bedürfnissen der Klägerin/der Baustellen gerichtet. In einem Falle habe er einmal den Transport einer Maschine abgelehnt und nach Rücksprache mit der Klägerin erst durchgeführt, nachdem er Sicherungsmaterial besorgt und die Maschine gesichert habe. Seine Betriebsstätte habe in seiner Wohnung bestanden. Die Fahrzeuge hätten auf der Straße gestanden. Er habe die Rechnungen geschrieben, seine Lebenspartnerin habe das Telefon bedient. Im Übrigen sei er über das Handy erreichbar gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 1997 zurück.

Dagegen richtet sich die am 18. Juli 1997 erhobene Klage.

Das Sozialgericht hat im Termin vom 13. September 1999 Herr S. sen. (Geschäftsführer der Klägerin) und den Beigeladenen zu 1) gehört. Herr S. hat ergänzt: Die Wartung des Absetzkippers sei in der Fahrzeugwerkstatt der Klägerin erfolgt. Sicherungsgurte seien von ihr gestellt bzw. auf ihre Kosten besorgt worden. Bei der Baustellenbedienung habe der Beigeladene zu 1) freie Hand gehabt, habe die Reihenfolge selbst bestimmen können. Es sei nur klar gewesen, für welche Baustelle welche Art von Container habe abgeholt werden müssen und dass die Güter den jeweiligen Verwertungsstellen zuzuführen seien. Umgekehrt sei klar gewesen, welche Baustellen Container benötigt hätten. Im Einsatzplan sei jeweils nur die Wichtigkeit hervorgehoben worden. Die Anzahl der täglichen Transporte sei unterschiedlich hoch gewesen. Der Beigeladene zu 1) habe eine lange Liste bekommen und hätte sich melden müssen, wenn er diese nicht hätte abarbeiten können. Damit hätte er auch am nächsten Tag weiter machen können. Seine Arbeitszeit hätte er auf acht Stunden täglich beschränken können. Wenn der Beigeladene zu 1) einen freien Tag gehabt habe, sei niemand als Ersatz für ihn gefahren. Während seines Urlaubs hätten nicht voll ausgelastete Baggerfahrer den Absetzkipper gefahren.

Der Beigeladene zu 1) hat angegeben, Gegenstände zur Sicherung der Ladung habe er bei einer Ausnahme selbst gehabt. Die Klägerin habe ihm zwei Flaschenzüge zur Verfügung gestellt. Ihm seien auch Wartezeiten mit Stundenlohn bezahlt worden.

Durch Urteil vom 13. September 1999, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und angeordnet, dass die Vollziehung rückgängig zu machen sei. Der Beigeladene zu 1) sei für die Klägerin als Selbständiger tätig gewesen, nicht als ihr Arbeitnehmer.

Gegen das ihr am 11. Oktober 1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. November 1999 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Berufungsschrift enthält an ihrem Ende maschinenschriftlich die Bezeichnung "Der Geschäftsführer", darunter die Bezeichnung "I. A.", dann folgt der handschriftliche Namenszug "M. E." und darunter maschinenschriftlich "(E.)".

Die Beklagte trägt vor, der Beigeladene zu 1) habe bei der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum eine abhängige Beschäftigung verrichtet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. September 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen und höchsthilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Berufung sei nicht wirksam eingelegt, weil sie (nur) "im Auftrag" und nicht "in Vertretung" unterzeichnet sei und dieser Mangel nicht mehr behoben werden könne. Auch sei vor Erlass des Bescheides vom 19. Dezember 1996 keine Anhörung erfolgt. Für die Arbeitnehmereigenschaft sei es unwesentlich, ob ein Fahrer ein eigenes Fahrzeug oder ein solches des Auftraggebers benutze. Sie berufe sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG).

Die Beigeladenen zu 1) bis 3) stellen keinen Antrag.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakten, der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten 9 J 363/97 EA Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, frist- und formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Das Rechtsmittel ist nicht etwa deshalb unwirksam (bzw. verspätet), weil die Berufungsschrift vom 9. November 1999, die im Übrigen den Anforderungen des § 151 SGG gerecht wird, für den Geschäftsführer der Beklagten von dem Bediensteten E. "i. A." und nicht "i. V." unterschrieben ist. Zwar gibt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ein Unterzeichnender mit der Unterzeichnung "i. A". – statt "i. V." – zu erkennen, dass er für den Inhalt der Rechtsmittelschrift eine Verantwortung nicht übernehmen will und nicht übernimmt, und tritt mit einer solchen Unterzeichnung dem Gericht gegenüber nur als Erklärungsbote auf. Eine Auslegung unter Heranziehung von Umständen außerhalb der Urkunde kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht, eine Heilung eines derartigen, die wirksame Einlegung des Rechtsmittels betreffenden Mangels ist nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr möglich (BGH vom 5. November 1987 - V ZR 139/87, a. a. O.; BAG vom 26. Juli 1967 – 4 AZR 172/66, DB 1967, 1904; abw. BGH vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93, NJW 1993, 2056). Ob diese Rechtsprechung, der Sachverhalte zu Grunde liegen, in denen die Rechtsmittelschriften von Rechtsanwälten eingereicht worden sind, auf das Verfahren vor dem Sozial- und Landessozialgericht, das weder einen Vertretungs- noch Anwaltszwang kennt, übertragbar ist (abl. für das Verfahren vor dem Finanzgericht Bundesfinanzhof ( BFH ) vom 23. April 1999 – VII R 63/90, BFH/NV 1992, 180), kann dahinstehen. Vorliegend lässt die Berufungsschrift nämlich ohne Weiteres die Auslegung zu, dass der unterzeichnende Sachbearbeiter für den Inhalt der Rechtsmittelschrift die Verantwortung übernommen hat und mit dem Zusatz "i. A." lediglich hat zum Ausdruck bringen wollen, dass er kein geschäftsführungsbefugter Vertreter der Beklagten sei, nicht aber, dass er nur als Bote eine fremde, von ihm nicht zu verantwortende Prozesserklärung übermittle. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Juli 2003, wonach ihre mit "i. A." unterzeichneten Schreiben – eine mit "i. V." zu leistende Unterschrift ist dem stellvertretenden Geschäftsführer vorbehalten - darauf hinweisen, dass der Unterzeichnende zur Unterzeichnung bevollmächtigt bzw. auf Grund seiner Funktion berechtigt ist, Berufung einzulegen, er also wie alle ihre mit "i. A." unterzeichnenden Bediensteten die volle Verantwortung für den Inhalt unterschriebener Schriftstücke übernimmt. Demgegenüber betrifft die Kommentierung bei Peters-Sautter-Wolff (a.a.O.), auf die sich die Klägerin beruft, die Einlegung des Rechtsmittels durch eine dritte Person, die im eigenen Namen unterzeichnet und durch den Zusatz "i. A." zu erkennen gibt, dass sie für den Inhalt der Berufungsschrift eine Verantwortung nicht übernehmen will und auch nicht übernimmt, sondern nur als Erklärungsbote auftritt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Ob sich die Vertretungsbefugnis des Bediensteten E. vorliegend nicht bereits auf die diesem erteilte Generalterminsvollmacht stützen lässt, kann daher auf sich beruhen.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Nach § 28p Abs. 1 Satz 5 erster Halbsatz Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der ab 1. Januar 1996 geltenden Fassung des 3. SGB-Änderungsgesetzes vom 30. Juni 1995 (BGBl. I S 890) erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe, u. a. – wie hier – in der Kranken- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Auf der Grundlage dieser Bestimmung hat die zuständige Beklagte die Bescheide vom 19. Dezember 1996 und 17. Juni 1997 erlassen. Diese Bescheide sind sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.

Soweit die Klägerin eine Verletzung von § 1 Abs. 4 Satz 1 der Beitragsüberwachungsverordnung (idF des Art. 1 Nr. 1b der Verordnung vom 30. Mai 1996 ( BGBl. I S. 728 )) rügt, wonach das Ergebnis der Prüfung dem Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach Abschluss der Prüfung schriftlich mitzuteilen ist, wird hierdurch die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht in Frage gestellt. Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin auf einen Mangel der Anhörung iSd § 24 SGB X stützt. Dieser ist durch das Vorverfahren geheilt. Zwar mag es zutreffen, dass die Beitragsansprüche für 1992 unter Anwendung von § 25 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung verjährt gewesen wären, wenn die Beklagte die Klägerin angehört und ihr den Beitragsnachforderungsbescheid nach dem 31. Dezember 1996 erteilt (bekannt gegeben) hätte. Indes kann gerade bei drohender Verjährung von der Anhörung abgesehen werden (§ 24 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGB X).

Der Beigeladene zu 1) unterlag während der Zeit seiner Tätigkeit bei der Klägerin vom 1. Juni 1992 bis 31. Juli 1994 auch der Versicherungspflicht. Er war nämlich ihr Arbeitnehmer.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV in der zum 1. Juli 1977 in Kraft getretenen Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Eine selbständige Tätigkeit wird vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag. Schriftliche Vereinbarungen liegen hier nicht vor. Die Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse führt zum Ergebnis, dass der Beigeladene zu 1) abhängig beschäftigt war.

Der Beigeladene zu 1) war im streitigen Zeitraum von der Klägerin persönlich abhängig. Er war in ihren Betrieb und in ihre Arbeitsorganisation eingegliedert. Er fuhr ganz überwiegend ein Fahrzeug der Klägerin für diese, hielt sich im Rahmen der Priorität an die ihm von ihr ausgehändigten Einsatzpläne und folgte im Einzelfall den von den Polieren und Vorarbeitern der Klägerin erteilten Aufträgen/Fahranweisungen. Hierfür wurde er nach einem Stundensatz bezahlt. Auch die wenigen Fahrten nach Stralsund zur Zweigstelle der Klägerin erfolgten im Rahmen der Betriebsabläufe, wurden allerdings pauschal vergütet. Seinen Lebensunterhalt verdiente der Beigeladene zu 1) während dieser 26 Monate im Wesentlichen durch die Vergütung seiner Fahrstunden mit dem Absetzkipper. Zwar hätte er, wenn er nicht für die Klägerin gefahren wäre, seinen Lebensunterhalt eventuell durch Fahrten für andere Auftraggeber mit seinen eigenen Fahrzeugen, also durch selbständige Arbeit, verdienen können. Das steht dem Vorliegen des Merkmals der wirtschaftlichen, auch persönlichen Abhängigkeit des Beigeladenen zu 1) von der Klägerin im streitigen Zeitraum aber nicht entgegen.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Sozialgerichts, dass persönliche Abhängigkeit des Beigeladenen zu 1) von der Klägerin nicht vorgelegen habe, weil dieser in allen Umständen der Arbeitsausführung – auch hinsichtlich des Arbeitsbeginns, der Arbeitszeit und der Wahl der Urlaubs- und freien Tage - frei gewesen sei. Zwar konnte der Beigeladene zu 1) relativ selbständig entscheiden, ob der jeweilige Transport, den die Vorarbeiter und Baustellenleiter der Klägerin von ihm wünschten, möglich war, und wann er ihn durchführte. Aber er war doch gehalten, die Fahrten gemäß den Einsatzplänen abzuarbeiten, die Vorrangigkeit einzelner Aufträge zu beachten und der Klägerin Mitteilung zu machen, wenn er die Arbeit nicht erledigen konnte. Soweit das Sozialgericht deshalb davon ausgeht, dass dem Beigeladenen zu 1) keine Vorgaben hinsichtlich der Transporte gemacht wurden, trifft diese Annahme nicht zu.

Gegen abhängige Arbeit des Beigeladenen zu 1) spricht ebenfalls nicht, dass er seine Arbeit nicht immer im Rahmen eines "8-Stunden-Tages", sondern auch länger, bei oft früherem Arbeitsbeginn, verrichtet hat. Der Beigeladene hat diese "Mehrarbeit" nachvollziehbar mit den betrieblichen Notwendigkeiten begründet. Dass er, da er nach Stunden bezahlt worden ist, dadurch eine höhere Vergütung erhielt, spricht nicht gegen abhängige Beschäftigung. Zudem hat Herr S. ausgeführt, dass der Beigeladene zu 1) seine Arbeitszeit auf acht Stunden täglich hätte beschränken und die an einem Tage nicht abgearbeiteten Punkte der Einsatzliste am nächsten Tage hätte erledigen können. Auch das spricht dafür, dass die Arbeiten im Rahmen eines Arbeitnehmerverhältnisses durchgeführt wurden. Schließlich waren "freie Tage" und Urlaub des Beigeladenen zu 1) mit der Klägerin vorher abzusprechen. Das spricht für betriebliche Eingliederung und persönliche Abhängigkeit.

Ein Unternehmerrisiko trug der Beigeladene zu 1) bei seinen Fahrten mit dem Absetzkipper der Klägerin nicht. Eigene Betriebsmittel setzte er im Wesentlichen bei dieser Arbeit nicht ein. Den erforderlichen Kraftstoff tankte er bei der Klägerin und auf ihre Kosten. Dass er auch auf eigene Sicherungsgurte zur Sicherung eines Transportes der Klägerin zurückgriff, rechtfertigt nicht die Feststellung des wesentlichen Einsatzes eigener Betriebsmittel. Zwar verfügte er über einen eigenen Lieferwagen und einen PKW (mit Anhängerkupplung, aber ohne eigenen Hänger), hatte er selbst ein Transportgewerbe angemeldet und war er sowohl vor als auch nach dieser Tätigkeit bei der Klägerin selbstständig tätig, unternahm auch zu Beginn seiner Tätigkeit bei ihr noch für andere Auftraggeber Fahrten mit den eigenen Fahrzeugen. Das ändert am Gesamteindruck einer abhängigen Beschäftigung aber nichts. Denn es ist nicht ausgeschlossen, neben einer abhängigen Beschäftigung auch noch in gewissem – unbedeutenden – Umfang selbständig tätig zu sein.

Ein besonders wichtiges Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft des Beigeladenen zu 1) ist, dass zuvor ein bei der Klägerin beschäftigter Arbeitnehmer diese Tätigkeit verrichtete. Dies und der Umstand, dass die Arbeit des Beigeladenen zu 1) für den Fall der Krankheit durch Baggerfahrer der Klägerin, nicht aber durch ein selbstständiges Transportunternehmen verrichtet worden wäre, verdeutlicht die Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin. So hat die Rechtsprechung auch bereits entschieden, dass z. B. "Franchise-Nehmer" im Transportgewerbe, die (vertraglich) in ihrer Berufsausübung so stark eingeschränkt sind, dass sie weitgehend dem Berufsbild eines abhängig beschäftigten Kraftfahrers entsprechen, sozialversicherungspflichtige Beschäftigte sind (Landessozialgericht Berlin vom 27. Oktober 1993 – L 9 Kr 35/92, Breithaupt 1995,22).

Nach alledem gelangt der Senat bei einer Gesamtschau zur Feststellung, dass die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale hier überwiegen. Zutreffend führt die Beklagte in diesem Zusammenhang aus, dass die Anmeldung eines Gewerbes und der Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung sowie die Erstellung von Abrechnungen mit Ausweisung von Mehrwertsteuer zu vernachlässigen sind, weil sie lediglich die Folge einer unrichtigen Annahme von Selbständigkeit darstellen.

Die von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen des BAG sind nicht einschlägig. Der Beigeladene zu 1) benutzte ein Fahrzeug der Klägerin, war nahezu ausschließlich für sie tätig und mit seiner Fahrtätigkeit für das klägerische Unternehmen praktisch unverzichtbar. Er war verpflichtet, die in den Einsatzplänen verabredeten Fahrten abzuarbeiten, erhielt von der Klägerin eine Bezahlung auf Stundenbasis (einschließlich Wartezeiten) und hatte wegen der vollen Inanspruchnahme durch die Arbeit bei der Klägerin keine Zeit, um mit eigenen Fahrzeugen selbständige Fahraufträge zu übernehmen. Gerade hinsichtlich der – hier gegebenen - persönlichen Abhängigkeit und betrieblichen Eingliederung, aber auch bezüglich des Unternehmerrisikos unterscheidet sich der Fall des Beigeladenen zu 1) von den vom BAG entschiedenen Fällen, auf die sich die Klägerin beruft.

Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt, da die Verjährung mit dem Zugang des von der Beklagten erlassenen Verwaltungsaktes am 20. Dezember 1996 unterbrochen worden ist.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Damit ist zugleich die im Urteil getroffene Entscheidung des Sozialgerichts, die Vollziehung – entgegen dem Beschluss des Sozialgerichts vom 23. April 1997 (9 J 363/97 EA) – rückgängig zu machen, hinfällig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zu 1. Januar 2002 geltenden Fassung.

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür fehlen.
Rechtskraft
Aus
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