L 1 KR 29/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 23 KR 1730/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 29/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Ergänzungsbeschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 25. März 2004 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. März 2004 zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten beider Instanzen und auch die außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Berufungsverfahren. 3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 26.408,69 Euro festgesetzt. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung von 26.408,69 Euro zuzüglich Zinsen, welche die Klägerin für die Erbringung von Pflegeleistungen gegenüber ihren Versicherten in Ausführung des Vergleichs vom 25. Januar 2002 gezahlt hat.

Nach Kündigung eines zwischen den Beteiligten bestehenden Versorgungsvertrages zum 31. Dezember 1998 wurde im Vergleich vom 25. Januar 2002 u.a. vereinbart, dass die Erbringung von Pflegeleistungen durch die Beklagte gegenüber Versicherten der Klägerin entsprechend des ursprünglichen Vertrages mit bestimmten Modifikationen abgerechnet wird.

Die von der Beklagten in der Zeit vom 2. April 2001 bis 30. April 2002 erbrachten Pflegeleistungen wurden daraufhin von der Klägerin am 27. Februar, 1. März, 31. Mai, 29. Juli, 1. bzw. 5. August 2002 bezahlt.

Mit der Klage strebt die Klägerin die Rückzahlung der Beträge an. Die Beklagte sei ungerechtfertigt bereichert, denn die Geltung des Vergleichs sei wegen der klägerseitig mit Schreiben vom 18. August 2002 im gerichtlichen Verfahren ausgesprochenen Kündigung und der mit Schreiben an das Sozialgericht vom 17. September 2002 erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung entfallen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. März 2004 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Rückzahlungsanspruch, weil die Kündigung des Vergleichs jedenfalls keine Rückwirkung entfalten könne und die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Vergleichs nicht vorgelegen hätten.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Die erstinstanzliche Entscheidung sei unzutreffend.

Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 24. März 2004 sowie den Ergänzungsbeschluss vom 25. März 2004 hinsichtlich der Kostenentscheidung aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 26.408,69 Euro zuzüglich 9,5 % Zinsen seit Zustellung der Klage zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das erstinstanzliche Urteil sei zutreffend.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen. Sie ist Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gewesen.

II

Das Gericht kann gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin (vgl. §§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der für Pflegeleistungen gezahlten Beträge.

In entsprechender Anwendung des § 812 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist auch bei öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen derjenige, der etwas ohne rechtlichen Grund u.a. durch Leistung eines anderen erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht u.a. auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt. Gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatze des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

Vorliegend kann unentschieden bleiben, ob der zwischen den Beteiligten geschlossene Vergleich wirksam blieb oder der rechtliche Grund für die Erbringung und Bezahlung der Pflegeleistungen entfallen ist. Selbst wenn eine ungerechtfertigte Bereicherung zu bejahen wäre, ist die Rückforderung der Klägerin wegen der Regelung des § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Danach ist der Herausgabeanspruch– mit Ausnahme der Fälle der verschärften Haftung nach § 819 BGB, für die es hier keinen Anhalt gibt - beschränkt auf die noch vorhandene Bereicherung, d. h. Vor- und Nachteile sind in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu saldieren. Es ist dabei auch die Gegenleistung für das Erlangte zu berücksichtigen (vgl. zum Vorstehenden Palandt, BGB-Kommentar, Anm. 6 A und D zu § 818 BGB).

Für die gewährte Vergütung hat die Beklagte die notwendigen Pflegeleistungen gegenüber den Versicherten der Klägerin erbracht, welche die Klägerin sonst über andere Pflegebetriebe hätte sicherstellen müssen. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, dass die Klägerin – wie sie es selbst vorträgt – mit anderen Pflegediensten günstigere Preise hätte aushandeln können, indes zeigt schon der Vergleichsabschluss selbst, dass die Vergütung dem Marktwert durchaus entsprach. Da die Klägerin also für ihre Versicherten die Pflegeleistungen erhalten und hierfür einen gängigen Marktpreis gezahlt hat, ist der Saldo ausgeglichen und die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht bereichert. Es ist deswegen kein Raum für einen Herausgabeanspruch. Der Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB steht auch nicht ein der Beklagten gesetzlich zugewiesenes Entreicherungsrisiko entgegen, wonach der Wegfall der Bereicherung dann nicht eintritt, wenn in der Entgegennahme der rechtsgrundlosen Leistung eine schuldhafte Verletzung der vertraglichen Sorgfaltspflicht des Bereicherungsschuldners liegt. Da die Klägerin die Kündigung bzw. Anfechtung des Vergleichs erst nach Leistungserbringung und Rechnungsbegleichung erklärte, brauchte die Beklagte keine rechtsgrundlose Leistung zu vermuten und hat sie sich bei Entgegennahme der Leistung nicht sorgfaltswidrig verhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a SGG i.V.m. §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Senat hat die Entscheidung über die Gerichtskosten für beide Instanzen getroffen, weil dem erstinstanzlichen Urteil eine Entscheidung über die zu tragenden Gerichtskosten fehlt und der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 25. März 2004 zur Ergänzung des Urteils hinsichtlich dieser Kostenregelung keinen Bestand haben kann. Die Urteilsergänzung nach § 140 SGG kann nicht von Amts wegen ergehen, sondern setzt einen Antrag eines Beteiligten voraus (vgl. Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, Rdnr. 3 zu § 140), der vorliegend fehlt. Gleichwohl durfte der Senat der Klägerin im Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG auch die Gerichtskosten der ersten Instanz auferlegen, denn das Verböserungsverbot gilt hinsichtlich der Kostenentscheidung nicht.

Der Streitwert wird auf 26.408,69 Euro festgesetzt. Er entspricht der Festsetzung im erstinstanzlichen Verfahren, wogegen Einwände nicht erhoben worden sind und folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 Gerichtskostengesetz (Fassung bis zum 30. Juni 2004, vgl. § 72 Gerichtskostengesetz n. F.).

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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