L 1 KR 96/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 22 KR 2238/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 96/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Mai 2004 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung streitig.

Die am 3. Juni X.XXXXX 1918 geborene Klägerin wurde am 1. Januar 1950 Mitglied der Beklagten, sie war bis zum 31. März 1959 versicherungspflichtiges Mitglied aufgrund einer Beschäftigung und seit dem 1. April 1959 freiwilliges Mitglied. Mit Schreiben vom 27. Juni 1959, dessen genauer Wortlaut nicht bekannt ist, informierte sie die Beklagte, dass sie für eine längere Zeit ins Ausland gehen werde. Der genaue Wortlaut des Schreibens ist nicht bekannt. Damit die Mitgliedschaft zum Ruhen gebracht werden könne, bat die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Juli 1959 und Erinnerung vom 11. August 1959 um Mitteilung, wann genau die Ausreise aus dem Bundesgebiet erfolgen werde. Die Klägerin teilte mit, dass ihre Ausreise in die USA bereits am 28. Juni 1959 erfolgt sei, und bat darum, die Mitgliedschaft bis zu ihrer Rückkehr zum Ruhen zu bringen (Schreiben vom 29. August 1959). Eine Bestätigung dieses Schreibens durch die Beklagte erfolgte nicht.

Die Klägerin heirate in den USA, wo sie Wohnsitz genommen hatte, und kam in regelmäßigen Abständen für Zeiträume von 3 Wochen bis 2 Monaten auf Besuch nach Deutschland. Für diese Aufenthalte stand ihr in Hamburg eine Wohnung der Familie zur Verfügung. Seit dem 1. Juni 1979 erhält sie eine Rente nach amerikanischem Recht, ab 1. Juli 1983 darüber hinaus eine Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch.

Nachdem die Klägerin im Jahr 2000 endgültig in die Bundesrepublik zurückgekehrt war, beantragte sie unter Hinweis auf den im Jahr 1959 erfolgten Schriftwechsel mit Schreiben vom 21. November 2000 das Wiederaufleben ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2001 teilte die Beklagte ihr mit, dass weder die Voraussetzungen für eine Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) noch die Voraussetzungen für eine freiwillige Mitgliedschaft vorlägen und auch keine fortgesetzte Mitgliedschaft bestehe. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2002 zurück.

Die am 23. Dezember 2003 erhobene Feststellungsklage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 18. Mai 2004 abgewiesen. Gegen das ihr am 10. Juni 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Juli 2004, einem Montag, Berufung eingelegt.

Sie ist der Auffassung, dass der Schriftwechsel zwischen ihr und der Beklagten aus dem Jahr 1959 eine Ruhensvereinbarung darstelle, aus der sie ein Recht auf Fortsetzung der Mitgliedschaft bei der Beklagten ableiten könne. Bezüglich des Ruhens der Mitgliedschaft komme es auf die Dauer des Auslandsaufenthaltes nicht an. Es gebe keine gesetzliche Bestimmung, wonach die Mitgliedschaft automatisch ende, wenn sich das Mitglied für einen bestimmten Zeitraum nicht im Bundesgebiet aufhalte. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ruhe der Anspruch auf Leistungen vielmehr, solange sich der Versicherte im Ausland aufhalte. Auf die 1959 geltenden Versicherungsbedingungen könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie - die Klägerin - keine Möglichkeit der Kenntnisnahme gehabt habe. Die Beklagte habe ihr nie mitgeteilt, dass die Mitgliedschaft beendet sei. Es bestehe deswegen ein Vertrauensschutz, der zur Fortsetzung der Mitgliedschaft berechtige.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Mai 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2002 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin versicherungspflichtiges Mitglied, hilfsweise freiwilliges Mitglied der Beklagten mit Leistungsanspruch ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält sowohl ihre Bescheide als auch das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, insbesondere form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) liegen vor. Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Rechts zur Mitgliedschaft und damit eines Rechtsverhältnisses zwischen ihr und der Beklagten. Aufgrund des fehlenden gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes hat sie auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Mit der Feststellungsklage werden Vorschriften über die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nicht übergangen. Es ist insbesondere das Vorverfahren durchgeführt worden.

Es liegen jedoch weder die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung noch für eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten vor.

Eine Versicherungspflicht könnte lediglich aufgrund des Anspruches auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht kommen. Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V besteht jedoch mangels Vorversicherungszeiten nicht. Seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags war die Klägerin nicht mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte dieses Zeitraumes aufgrund einer Pflichtversicherung oder Familienversicherung Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Hinweis der Klägerin im Verwaltungsverfahren, dass sie zum Kreis der NS-Verfolgten im Sinne der Wiedergutmachungsgesetze gehöre, führt ebenfalls nicht zu einer Versicherungspflicht. Zwar sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 SGB V Personen, welche die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, versicherungspflichtig, wenn sie zu den in § 1 oder § 17a des Fremdrentengesetzes oder zu den in § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung genannten Personen gehören. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass der Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Stellung des Rentenantrages in das Inland verlegt wurde. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall.

Die Voraussetzungen für die Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft liegen ebenfalls nicht vor. Der Kreis derjenigen, die freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse werden können, ist abschließend in § 9 Abs. 1 SGB V umschrieben. Keiner der aufgeführten Tatbestände kommt im Falle der Klägerin in Betracht.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Fortsetzung der letzten freiwilligen Mitgliedschaft. Aus dem Schriftwechsel zwischen ihr und der Beklagten im Jahre 1959 kann sie keine Rechte geltend machen.

Ob der Schriftwechsel eine Ruhensvereinbarung zwischen der Beklagten und der Klägerin oder eine einseitige Zusicherung der Beklagten darstellt, kann dahingestellt bleiben. In jedem Fall konnte die Verpflichtung der Beklagten nur so weit gehen, dass die Klägerin nach einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebietes die Möglichkeit behalten sollte, ihre ruhende Mitgliedschaft fortzusetzen.

Nach § 23 Abs. 2 Satz 2 der Versicherungsbedingungen (VB), Stand: 1. Januar 1959 (a.F.), konnten Mitglieder der Beklagten bei einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des Geschäftsgebietes der Beklagten das Ruhen aller Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag für die Dauer des Aufenthaltes beantragen. Das Wiederaufleben der ruhenden Mitgliedschaft musste binnen vier Wochen nach Rückkehr in das Geschäftsgebiet beantragt werden, anderenfalls endete die Mitgliedschaft mit dem Tage, an dem das Geschäftsgebiet verlassen wurde.

Die Beklagte hat mit dieser Regelung für ihre freiwilligen Mitglieder im Rahmen der Satzung einen Ausnahmetatbestand geschaffen. Der Gesetzgeber hatte für freiwillige Mitglieder als Beendigungstatbestände nur Tod, Ausschluss oder Willenserklärung des Mitglieds (§§ 511, 513 RVO) vorgesehen. Über § 4 Abs. 1 Satz 2 Aufbau-Verordnung war den Ersatzkassen jedoch die Möglichkeit eingeräumt, die Versicherung nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht durch Satzungsbestimmungen zu regeln.

§ 23 VB a.F. erfasste jedoch bereits vom Wortlaut nur vorübergehende Aufenthalte im Ausland. Bei Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland endete die Mitgliedschaft (§ 4 Abs. 1 Buchstabe c VB a.F.). Etwas anderes hätte auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung gestanden. Ruhensregelungen wurden nur unter der Voraussetzung als zulässig angesehen, dass sie eine Übergangsregelung darstellten (Bundessozialgericht 13. August 1952 – 3 RK 77/69, SozR Nr. 18 zu 12. Aufbau-VO § 4).

Bei einem über 41 Jahre andauernden Aufenthalt der Klägerin in den USA handelt es sich aber nicht mehr um eine vorübergehenden Aufenthalt, auch wenn sie immer eine Wohnung – eine Art Familiensitz - in Deutschland beibehalten hat. Die Klägerin hat in den USA geheiratet, ist dort erwerbstätig gewesen und bezieht seit dem 1. Juni 1979 eine Rente nach amerikanischem Recht. Sie hat damit eindeutig ihren Lebensmittelpunkt in die USA verlegt.

Daraus, dass sich die Beklagte im Jahre 1959 nicht nach dem Ende des vorübergehenden Aufenthaltes erkundigte, kann die Klägerin keine Rechte ableiten. Ob nach einem Auslandsaufenthalt ein vorübergehender Aufenthalt, der die Mitgliedschaft lediglich zum Ruhen gebracht hat, oder eine Verlegung des Lebensmittelpunktes mit Beendigung der Mitgliedschaft vorlag, entscheidet die Beklagte nach Rückkehr des Versicherten. Eine vorherige Kenntnis ist nicht erforderlich.

Dass die Beklagte im Schriftwechsel zwischen ihr und der Klägerin im Jahre 1959 nicht ausdrücklich klargestellt hat, etwa durch wörtliche Wiedergabe der VB, dass nur für einen vorübergehenden Aufenthalt die Mitgliedschaft zum Ruhen gebracht werden kann, berechtigt die Klägerin ebenfalls nicht zur Fortsetzung ihrer Mitgliedschaft. Auch ohne ausdrückliche Klarstellung musste es jedem freiwillig Versicherten klar gewesen sein, dass die Mitgliedschaft ausnahmsweise nur im Falle eines zeitlich eng umrissenen vorübergehenden Auslandesaufenthaltes zum Ruhen gebracht werden konnte. Im Übrigen wäre es auch Sache der Klägerin gewesen, sich bei einem ihrer Deutschlandaufenthalte nach ihrer Mitgliedschaft zu erkundigen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich etwas anderes auch nicht aus § 16 SGB V. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich Versicherte im Ausland aufhalten. Hierbei handelt es sich um keine mit § 23 VB a.F. vergleichbare Regelung. Während § 23 VB a.F. das Ruhen der Mitgliedschaft auf Antrag mit Beitragsfreiheit ermöglichte, regelt § 16 SGB V das Ruhen des Leistungsanspruchs bei bestehender Mitgliedschaft und entsprechender Beitragspflicht. Letzteres ist aber auch von der Klägerin zu keinem Zeitpunkt gewollt gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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