S 18 KN 171/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 18 KN 171/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der am 01.03.1958 geborene Kläger wurde 1974 als Bergjungarbeiter im nordrhein-westfälischen Steinkohlenbergbau angelegt. Nach Tätigkeiten als sonstiger Hilfsarbeiter, Gleisbauarbeiter und Bandwärter arbeitete er seit März 1978 in verschiedenen Hauertätigkeiten als Hauer im Streckenausbau und im Transport, als Hauer im Streb, Hauer in der Aus- und Vorrichtung, Hauer in der Gewinnung und von April 1983 bis Dezember 1996 überwiegend als Hauer in der Aus- und Vorrichtung und als Hauer in der Gewinnung. Von Janar 1997 bis Februar 1997 arbeitete er als Kolonnenführer (Lohngruppe 11), im März 1997 als Metallhandwerkervorarbeiter, von April bis Mai 1997 als Kolonnenführer (Lohngruppe 11) und zuletzt von Juni 1997 bis Dezember 1997 als Hauer in der Gewinnung. Seit dem 15.09.98 war der Kläger arbeitsunfähig und kehrte am 31.12.99 ab.

Am 07.04.98 stellte der Kläger einen Antrag bei der Beklagten, mit der er die Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit begehrte. Der Kläger wurde daraufhin am 08.07.98 im sozialmedizinischen Dienst S der Beklagten durch die Ärztin für Sozialmedizin Dr. S. untersucht. Sie stellte beim Kläger die Diagnosen: Zustand nach konservativ behandelter Tibiafraktur rechts, Hinweise auf beginnende obstruktive Ventilationsstörungen bei aufgegebenem Nikotinabusus und eine Adipositas. Sie hielt den Kläger weiterhin für in der Lage, seine Tätigkeit als Hauer durchzuführen.

Die Beklagte lehnte daraufhin durch Bescheid vom 11.09.98 die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit und Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ab.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers, der am 05.10.98 bei der Beklagten einging. Er veranlasste die Beklagte zur Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens von Dr. T. in I. In seinem Gutachten vom 09.12.98 stellte er eine folgenlos abgeheilte Unterschenkelfraktur, ein Lumbalsyndrom ohne Bewegungsdefizit, ohne neurologische Ausfallssymptomatik, ohne röntgenologisch sichtbare Veränderungen und eine periarthritische Reizung der linken Schulter ohne Funktionsstörung fest. Bei einem nach seiner Auffassung bestehenden extremen Aggravationsverhalten des Klägers hielt er ihn für in der Lage, Hauertätigkeiten unter Tage vollschichtig durchzuführen.

Wegen einer Krankenhausbehandlung des Klägers wegen einer Lungenembolie des rechten Unterlappens im N-Hospital in J hielt Dr. T. eine interne Nachbegutachtung für erforderlich. Diese erfolgte am 10.02.99 im sozialmedizinischen Dienst S durch den Internisten Dr. U. Dieser stellte die Diagnose: Marcumar-Antikoagulation nach Lungenembolie am 19.11.98 sowie tiefer Beinvenenthrombose rechtes Bein mit konsekutiver Minderbelastbarkeit im Hinblick auf erhöhtes Blutungsrisiko bei Unfallgefährdung. Er hielt den Kläger für fähig, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne Unfallgefährdung für die Dauer der Fortführung der Therapie durchzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.1999 hob der Widerspruchsausschuß J der Beklagten den Bescheid der Beklagten vom 11.09.98 teilweise auf und nahm beim Kläger ab 19.11.98 einen Zustand von verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau an. Im übrigen hielt der Widerspruchsausschuß den Kläger für in der Lage, unter anderem als Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel und Hauswart in der Wohnungswirtschaft tätig zu sein und wies den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtet sich die am 03.08.99 beim Sozialgericht Gelsenkirchen eingegangene Klage des Klägers, mit der er seinen Anspruch weiter verfolgt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er die von der Beklagten genannten Verweisungstätigkeiten nicht durchführen kann.

Er beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11.09.98 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm ab 01.01.2000 einen Zustand von Berufsunfähigkeit anzunehmen und ihm die entsprechenden Leistungen (Übergangsgeld bzw. Rente) nach Maßgabe der gesetzlichen Stimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger könne noch zumutbare Verweisungstätigkeiten durchführen.

Zur Feststellung der beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen hat das Sozialgericht Gelsenkirchen Beweis erhoben durch Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte des Klägers.

Die lnternistin und Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Frau C, J , diagnostizierte in ihrem Befundbericht vom 05.02.2000 eine allergische Rhinitis, eine Milbenallergie, eine rezidivierende Bronchitis bis 1998, bis November 1998 eine Lungenembolie rechts bei Beinvenenthrombose und eine Marcumartherapie von November 1998 bis Juni 1999. Der Arzt für innere Medizin Dr. D berichtete in seinem Befundbericht vom 11.02.00 über eine Beinvenenthrombose, eine Lungeembolie, eine Bronchitis und ein Erschöpfungssyndrom. Der Arzt für Orthopädie Dr. X, H, stellte in seinem Befundbericht vom 14.02.2000 ein Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit Neuralgien, einen Zustand nach Unterschenkelfraktur rechts aus dem Jahre 1996, einen Zustand nach Unterschenkelvenenthrombose rechts mit Lungenembolie 11/98 mit zeitweiser Marcumartherapie und eine Gonarthrose beiderseits fest, der Arzt für Urologie Dr. H in J stellte in seinem Befundbericht vom 17.02.2000 eine Zystoprostatitis und eine Epidydimitis links fest, der Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. V stellte in seinem Befundbericht vom 24.02.2000 chronisch rezidivierende Sinusitiden allergischer Diathese bei einem Zustand nach Pansinus-Operation 1993 mit rezidivierenden starken frontalen Cephalgien, eine Nasenatmungsbehinderung und gelegentlich auftretende fötide Nasensekretionen fest. Der Arzt für Neuralgie und Psychiatrie Dr. N stellte in seinem Befundbericht vom 28.02.2000 beim Kläger eine schwere neurotische Depression mit Tendenz zur Somatisierung und einen psychosomatischen Symptomenkomplex fest. Der Facharzt für für Haut- und Geschlechtskrankheiten Herr O in J stellte in seinem Befundbericht vom 11.04.2000 beim Kläger eine Urtikaria, ein seborrhoisches Ekzem im Gesicht, eine Pollinosis und eine Hausstaubmilbensensibilisierung fest und die Ärztin für Chirurgie, Dr. W stellte in ihrem Befundbericht vom 07.07.2000 beim Kläger ein Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäulensyndrom, eine PHS links und eine Überlastungsbrachialgie beiderseits fest.

Zur Feststellung der beim Kläger vorhandenen Leiden und ihrer Auswirkungen auf das Leistungsvermögen hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung es internistischen Gutachtens von Chefarzt Dr. F, eines chirurgischen Gutachtens von Prof. Dr. G beide T-Hospital in D und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. H in E. Unter Berücksichtigung der Befunde auf chirurgisch-orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet stellte Chefarzt Dr. F folgende Diagnosen: gastroskopisch pflaumengroße Hernie ohne entzündliche Veränderungen, lungenfunktionsanalytisch leichtgradig restriktive Ventilationsstörung bei Adipositas, sonographisch Gallenblasenpolypen, Zustand nach Schilddrüsenoperation des rechten Schilddrüsenlappens bei vergrößertem linken Lappen mit Knotenbildung und cystischen Veränderungen sowie euthyreoter Stoffwechsellage, ein leichtes Halswirbelsäulensyndrom auf dem Boden einer Bandscheibendegeneration zur Zeit ohne Funktionseinschränkung, ein Lumbalsyndrom ohne Funktionseinschränkung, einen Zustand nach abgelaufener tiefer Beinvenenthrombose rechts, einen Zustand nach folgenlos abgeheilter Unterschenkelfraktur rechts und Cephalgien mit Spannungscharakter. Der Kläger wurde für fähig gehalten, unter und über Tage mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen mit zeitweiligem Bücken, mit kurzfristig gebückter Haltung, mit kurzfristigem Heben und Tragen von Lasten bis zu 15 kg, auch auf Gerüsten und Leitern und zeitweilig auf Regalleitern, ohne besondere Einwirkung von Nässe, Hitze, Kälte und Zugluft, im Freien unter Witterungsschutz, wobei witterungsangepaßte Kleidung ausreicht, vollschichtig zu verrichten.

Der Kläger war mit diesem Gutachten nicht einverstanden. Auf Antrag des Klägers hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines chirurgischen Gutachtens von Oberarzt Dr. I, F Krankenhaus N und eines internistischen Gutachtens des Chefarztes der medizinischen Klinik des G Krankenhauses F, Dr. P. Dr. I stellte in seinem Gutachten vom 15.02.2001 folgende Diagnosen: Verschleißveränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und bestehender Fehlstatik im Sinne einer Steilstellung der Hals- und Lendenwirbelsäule, eine diskrete Fehlstatik im Bereich der Brustwirbelsäule mit einer beginnenden Torsionsskoliose mit endgradiger schmerzhafter Bewegungseinschränkung, ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits im Gefolge der bestehenden Verschleißveränderungen der Halswirbelsäule bei nur geringgradig eingeschränkter Funktion beider Schultergelenke, knöchern vollständig konsolidierter Bruch des rechten Schienbeins in achsengerechter Stellung, verbliebene Druckempfindlichkeit an der Schienbeinvorderkante, Zustand nach durchgemachter Thrombose und Rezidivthrombose des rechten Beines sowie Zustand nach Lungenembolie ohne Hinweise auf das Vorliegen eines postthrombotischen Syndroms, Verschleißveränderungen im Bereich der Kniescheibengleitlager beidseits im Sinne einer Chondropathia retropatellaris beidseits bei noch freier Funktion beider Kniegelenke, eine endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes um ca. 10 Grad pro Bewegungsausschlag im Vergleich zur Gegenseite. Der Kläger wurde für fähig gehalten, nur noch leichte Arbeiten, wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen in einem Verhältnis zu 1:1:1, nicht mit häufigem Bücken, ohne jegliche Zwangshaltungen, mit kurzfristigem Heben oder Tragen von Lasten bis zu maximal 10 kg, nicht auf Gerüsten und Leitern oder gar Regalleitern, ohne Einwirkung von Nässe, Hitze, Kälte und Zugluft, ohne Nachtschicht und ohne besonderen Zeitdruck wie Akkord und Fließband vollschichtig zu verrichten.

Dr. P stellte beim Kläger die Diagnosen: chronische Bronchitis, Zustand nach Arbeitsunfall mit Schienbeinfraktur rechts 1996, Thrombose des rechten Unterschenkels und nachfolgende Lungenembolie des rechten Lungenunterlappens 11/98 bei fortgeführter Marcumar-Therapie, Verdacht auf Refluxkrankheit, Zustand nach Schilddrüsen-Operation 1991, jetzt euthyreote Stoffwechsellage, Krampfaderleiden. Er hielt den Kläger wegen der chronischen Bronchitis nur noch für fähig, Tätigkeiten über Tage, leichter bis zeitweilig mittelschwerer Art, wechselweise im Gehen oder Stehen, ohne Bücken wegen der zu vermutenden Reflux-Krankheit, ohne Einwirkung von Nässe, Hitze, Kälte und Zugluft, in geschlossenen Räumen, nicht unter Wechselschicht, Nachtschicht oder·unter besonderem Zeitdruck vollschichtig zu verrichten.

Die, Beklagte reichte daraufhin eine Stellungnahme ihrer beratenden Ärztin Dr. M vom 11.03.01, ein. Sie hielt den Kläger unter Berücksichtigung der Bronchitis auch für in der Lage, in witterungsangepaßter Kleidung eine Tätigkeit im Freien zu verrichten. Auch sei der Ausschluß der Wechsel- und Nachtschichttätigkeiten nicht gerechtfertigt, da beim Kläger kein rezidivierendes Ulcusleiden bestehe. Das Gutachten von Dr. I sei nicht schlüssig, weil die geringgradigen Befunde, die Dr. I festgestellt hat, nicht zu so weitergehenden Ausschlüssen des Leistungsvermögens des Klägers führen können.

Zur Klärung der Widersprüche zwischen der Stellungnahme von Dr. M einerseits und den nach § 109 eingeholten Gutachten und den vorher durch das Gericht eingeholten Gutachten von Chefarzt Dr. F und Prof. Dr. G hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren Gutachtens von Chefarzt Dr. M und Herrn L. Chefarzt Dr. M stellte in seinem Gutachten vom 03.08.2001 folgende Diagnosen: allergisches Asthma bronchiale infolge Sensibilisierung gegen Hausmilben, leichte Hyperthyreose bei Zustand nach Operation der Schilddrüse 1991 und eine chronische Gastritis. Auf orthopädischem Gebiet unter Berücksichtigung des Gutachtens von Herrn L stellte er ein rezidivierend auftretendes Halswirbelsäulensyndrom ohne Nervenwurzelreizsymptomatik mit radiologisch mit geringen nachweisbaren Veränderungen, ein Engpasssyndrom im Bereich des rechten Schultergelenks, rezidivierend auftretende Vertebralgien und Lumbalgien ohne klinisch und radiologisch nachweisbare degenerative Veränderungen und ohne Wurzelreizsymptomatik, eine Chondropathia patellae, einen Zustand nach Unterschenkelfraktur rechts, knöchern in achsengerechter Stellung fest verheilt, und einen Zustand nach Thrombose des rechten Beines mit nachfolgender Lungenembolie fest. Er hielt den Kläger für in der Lage, über Tage leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, mit zeitweiligem Bücken, mit kurzfristig gebückter Haltung, mit kurzfristigem Heben und Tragen von Lasten bis zu 20 kg, auf Gerüsten und Leitern und zeitweilig auf Regalleitern, nicht mit besonderer Einwirkung von Nässe, Hitze und Kälte und Zugluft, unter Meidung von Arbeiten im Freien, wobei Arbeiten nur noch in geschlossenen Räumen ohne Staub und chemische Dämpfe ausgeübt werden sollten, nicht in Nachtschicht und unter besonderem Zeitdruck vollschichtig zu verrichten.

Die Beklagte reichte daraufhin eine Stellungnahme von Dr. M vom 28.08.2001 ein, worin sie darauf aufmerksam machte, dass das Lungenleiden des Klägers nicht ausgeprägt sei und die vorliegende Lungenfunktionsstörung im Sinne einer Obstruktion nach Broncholyse rückläufig war. Der Kläger sei in der Lage unter normalen Witterungsbedingungen in witterungsangepaßter Kleidung im Freien tätig zu werden, z.B. als Auslieferungsfahrer oder als Hauswart in der Wohnungswirtschaft.

Das Gericht hat daraufhin die Gerichts- und Verwaltungsakten nochmals dem Sachverständigen Dr. M mit der Bitte, zu den Ausführungen von Dr. M Stellung zu nehmen. In einer Stellungnahme vom 10.10.2001 führte Dr. M aus, dass der Kläger selbstverständlich noch Tätigkeiten, etwa als Auslieferungsfahrer für Arzneimittel durchführen könne. Seine Forderung nach Tätigkeiten in geschlossenen Räumen habe sich lediglich darauf bezogen, dass es sich nicht um eine Tätigkeit handeln dürfe, die acht Stunden täglich im Freien ausgeübt werde. Eine solche Tätigkeit könne der Kläger nicht verrichten.

Zur Abklärung möglicher Verweisungsberufe für den Kläger hat das Gericht die Auskunft des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) vom 31.10.97, eingeholt im Rechtsstreit L 18 KN 20/94 und die Entscheidung des Landessozialgerichts Nord rhein-Westfalen vom 02.03.99 im Rechtsstreit L 18 KN 20/94, sowie die Entscheidung vom 29.05.99 im Rechtsstreit L 18 KN 64/96 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten, vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert, weil dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Nach den Feststellungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren hat der Kläger die versicherungsrechtlichen· Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ( § 50 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - SGB VI) erfüllt.

Der Kläger ist jedoch nicht berufsunfähig.

Nach den gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 43 Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 gültigen Fassung sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nach den Übergangsvorschriften des§ 300 Abs. 2 und Abs. 5 iVm § 302b Abs. 1 SGB VI, letztere neugefaßt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBI 1 1827), ist diese Vorschrift für einen am 31. Dezember 2000 bestehenden Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit weiter maßgebend (vgl. auch BSG Urteil vom 24. Februar 1999 -8 5 RJ 28/98 R -SozR 3-2600 § 300 Nr. 14 mwN). Ein danach entstehender Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit richtet sich nach § 240 SGB VI, neugefaßt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000, dessen Definition der Berufsunfähigkeit im Vergleich zu der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Definition nur geringfügig verändert ist, so dass auch insoweit die bisherige Rechtsprecl1ung des BSG herangezogen werden kann (vgl. BSG Urteil vom 25.07.2001, B 8 KN 14/00 R).

Bei der Prüfung des Versicherungsfalls ist die Kammer vom Hauptberuf des Klägers als Hauer in der Gewinnung, entsprechend der Lohngruppe 11 der Lohntafel für den rheinischen-westfälischen Steinkohlenbergbau ausgegangen. Die Kammer billigte daher dem Kläger den Berufsschutz als Facharbeiter zu.

Als Facharbeiter ist der Kläger nicht bereits dann berufsunfähig, wenn er seinen Hauptberuf nicht mehr verrichten kann; er muss sich nämlich nach Ausschluß der Berufsfähigkeit nach der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts auf alle anderen, seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechenden Anlerntätigkeiten sowie auch ungelernte Tätigkeiten, die besondere Qualitätsmerkmale aufweisen (vgl. BSG 11 /123) verweisen lassen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme kann der Kläger noch über Tage leichte und zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten mit kurzfristigem Heben und Tragen von Lasten bis zu 20 kg, im Freien -unter Witterungsschutz, vollschichtig verrichten. Das so umschriebene Leistungsvermögen ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus den überzeugenden Gutachten, die die vom Gericht bestellten unabhängigen Sachverständigen Chefarzt Dr. F, Dr. G und Dr. H sowie Chefarzt Dr. M und Herr L erstellt haben. Die Kammer war der Überzeugung, dass diese Gutachten das Leistungsvermögen des Klägers zutreffend wiedergeben. Sie folgte dem Gutachten von Chefarzt Dr. F allerdings nicht in der Beurteilung des Lungenbefundes des Klägers. In diesem Zusammenhang folgte sie der Befundung, die erstmals durch Dr. P vorgenommen worden ist, der durch eine Lungenfunktionsanalyse das Vorliegen einer chronisch-obstruktivem Atemwegserkrankung gesichert hat. Präzisiert wurde die Aussage von Dr. P durch das Gutachten von Chefarzt Dr. M, der beim Kläger ein allergisches Asthma bronchiale infolge Sensibilisierung gegen Hausmilben feststellte. Entsprechend dem Hinweis der beratenden Ärztin der Beklagten Dr. M und der Stellungnahme von Dr. M vom 10.10.2001 hielt die Kammer den Kläger für in der Lage, auch solche Tätigkeiten durchzuführen, die wie beim Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel gegeben, kurzfristige Aufenthalte im Freien erfordern. Nicht zu folgen vermochte die Kammer dem Gutachten von Dr. I. Das Gutachten von Dr. I enthält keine arbeitsmedizinisch schlüssige Begründung dafür, weshalb er bei den geringfügigen Befunden, die auf seinem Fachgebiet beim Kläger bestehen, Schwerwiegende Leistungseinschränkungen fordert, die weit darüber hinausgehen, die von Prof. Dr. G und Herr L postuliert worden sind. Das Gutachten ist insofern arbeitsmedizinisch mangelhaft begründet und zudem durch das Gutachten von Herrn L, der der Kammer aus zahlreichen Verfahren als besonders erfahren bei der Beurteilung sozialmedizinischer Sachverhalte bekannt ist, widerlegt worden. So waren die Diagnosen von Dr. I bezüglich der Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenkes nicht nachvollziehbar, und es fand eine Überbewertung der Veränderungen im Bereich der Kniegelenke statt. Insgesamt schloss sich die Kammer daher der Ansicht von Herrn L an, dass das sozialmedizinische Ergebnis im Gutachten von Dr. I nicht nachvollzogen werden könne.

Mit dem Leistungsvermögen, welches die Sachverständigen nach Auffassung der Kammer zutreffend festgestellt haben, ist der Kläger noch in der Lage, die in der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Auskunft des PHAGRO beschriebenen Tätigkeit als Auslieferungsfahrer im pharmazeutischen Großhandel auszuführen,

Der Kläger verfügt über eine Fahrerlaubnis der Klasse 3 bzw. B. Zur vollwertigen Verrichtung der Tätigkeit des Auslieferungsfahrers bedarf es lediglich einer kurzen Einweisung. Lastgewichte über 7 kg fallen nach der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Auskunft des PHAGRO nicht an. Soweit danach in einzelnen Firmen Lasten bis zu 15 kg gehoben und getragen werden, ist der Kläger nach Auffassung der Kammer auch dazu in der Lage, wie sich aus der Auswertung der sozialmedizinischen Gutachten durch die Kammer ergibt. Aus den zum Gegenstand der der mündlichen Verhandlung gemachten Urteilen des Landessozialgerichts NW geht hervor, dass die Gefahr einer anhaltenden Auskühlung des Körpers oder Durchnässung der Kleidung angesichts der kurzen Wege zwischen Fahrzeug und Apotheke nicht besteht. Die Tätigkeit des Auslieferungsfahrer ist dem Kläger daher, wie Dr. M schlüssig ausführt, gesundheitlich zumutbar.

Die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer ist entsprechend den Feststellungen des Landessozialgerichts NW in den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Urteilen in die Lohngruppe V des Lohnrahmenabkommens des nordrhein-westfälischen Groß- und Außenhandel eingestuft. In dieser Tarifgruppe werden Arbeiten erfaßt, die in der Regel nach einer Anlerntätigkeit mit anschließender mehrjähriger Tätigkeit ausgeführt werden bzw. entsprechende Prüfungen und Kenntnisse voraussetzen. Sie sind nur eine Stufe unterhalb der Lohngruppe VI angesiedelt, in die bereits die Arbeiten eingestuft werden, die eine abgeschlossene Facharbeiterausbildung voraussetzen. Die tarifvertragliche Einstufung der Tätigkeit des Auslieferungsfahrers als Anlerntätigkeit begründet (vgl. auch BSG, Urteil vom 14.09.94, 5 RJ 17/94) ihre soziale Zumutbarkeit als Verweisungstätigkeit für einen Facharbeiter. Die Tätigkeit des Auslieferungsfahrers ist tarifvertraglich erfasst und damit dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteil beim

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem

Sozialgericht Gelsenkirchen, Ahstraße 22, 45879 Gelsenkirchen,

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismitte! angeben.

Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Rechtskraft
Aus
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