S 50 AS 2089/19 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
50
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 50 AS 2089/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch- Grundsicherung für Arbeitsuchende- (SGB II).

Der am 03.05.1988 in der Sowjetunion geborene Antragsteller lebt in Gelsenkirchen. Nach eigenen Angaben ist er im März 2017 nach Deutschland eingereist und hat sich in verschiedenen Großstädten aufgehalten. Er ist derzeit obdachlos und nächtigt in öffentlichen Parkanlagen. Seine Post wird an Herrn B unter der Anschrift N-Straße in H zugestellt, nachdem der Antragsteller seine Meldeadresse bei der Caritas aufgeben musste. Der Antragsteller gibt an, über einen rumänischen Pass und deshalb über die rumänische Staatsbürgerschaft zu verfügen. Das Personaldokument des Antragstellers wurde wegen des Verdachts der Urkundenfälschung sichergestellt. Dazu wird derzeit eine Begutachtung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft F durchgeführt.

Der Antragsteller stellte am 25.04.2019 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er gab dabei an, vom 01.10.2017 bis zum 31.12.2017 bei der Firma E und vom 26.02.2018 bis zum 28.02.2018 bei der Firma F beschäftigt gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 10.05.2019 lehnte der Antragsgegner die begehrte Leistungsbewilligung ab. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil er gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei. Als EU-Bürger sei eine Arbeitstätigkeit des Antragstellers erforderlich. Der Antragsteller gehe jedoch derzeit keiner Beschäftigung nach. Auch die angegebenen vormaligen Beschäftigungen bei den Firmen F und E seien nicht geeignet einen Arbeitnehmerstatus zu vermitteln. Insbesondere ergebe sich aus diesen Tätigkeiten keine Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU).

Der Antragsgegner wies den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2019 als unbegründet zurück und verwies dabei auf die im angefochtenen Ablehnungsbescheid enthaltene Begründung. Hierzu hat der Antragsteller am 25.07.2019 ein Klageverfahren anhängig gemacht, welches bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen geführt wird.

Der Antragsteller hat am 05.08.2019 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung der Leistungen nach dem SGB II begehrt. Er ist der Ansicht, dass er einen Anspruch auf Leistungen habe und sich die Eilbedürftigkeit daraus ergebe, dass er nicht über die Mittel verfüge, um den allgemeinen Lebensbedarf zu decken und eine Unterkunft zu zahlen.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich ausdrücklich,

den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren

und

die Stadt Gelsenkirchen als Sozialhilfeträger zum Verfahren beizuladen.

Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Antrag abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund bestehe und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom 10.05.2019 und dem dazu ergangenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor, dass die Herkunft des Antragstellers ungeklärt sei. Nach eigenen Angaben sei der Antragsteller in der CSSR geboren, habe aber die rumänische Staatsbürgerschaft. Selbst wenn der Antragsteller EU-Bürger sei, sei er mangels aktueller oder fortwirkender Arbeitnehmereigenschaft von Leistungen ausgeschlossen.

Der Prozessbevollmächtigte hat in diesem sowie in dem Hauptsacheverfahren zwecks Darlegung der Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers die Kündigung der Firma F vom 26.02.2018 vorgelegt, aus welcher sich ergibt, dass die zum 26.02.2018 aufgenommene Tätigkeit zum 28.02.2019 in der Probezeit fristlos gekündigt wurde. Ferner legte der Prozessbevollmächtigte eine Kündigung der Firma E vom 15.12.2017 vor. Danach wurde das Vertragsverhältnis vom 01.10.2017 zum 31.12.2017 aufgekündigt.

Das Gericht hat am 20.08.2019 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten unter Hinzuziehung einer russischen Dolmetscherin durchgeführt. In diesem Rahmen hat der Antragsteller angegeben und in Teilen nach entsprechender Belehrung eidesstattlich versichert, dass er aus Aserbaidschan stamme, dann nach Russland und von Russland schließlich nach Europa gegangen sei. In Rumänien habe er gearbeitet und dort den rumänischen Pass erhalten. Er sei im März 2017 nach Deutschland eingereist und habe nach seiner Erinnerung ab Mai 2017 gearbeitet bei der Firma E. Danach sei er bei der Firma F tätig gewesen. Nach der Tätigkeit bei der letztgenannten Firma habe er keine Beschäftigung mehr aufgenommen. Er verfüge weder über Konten noch über Bargeld und lebe vom Pfandflaschensammeln. Der Antragsteller hat im Termin ergänzend eine Meldebescheinigung für den Arbeitnehmer nach § 25 DEÜV für die Beschäftigung bei der Firma E vorgelegt, aus der sich eine Beschäftigung ab dem 01.10.2017 ergibt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Protokolls des Termins zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten vom 20.08.2019 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die beigezogene Verfahrensakte mit dem Aktenzeichen Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gem. § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem der Antragsteller eigene Rechte - ins-besondere Leistungsansprüche - ableitet (Anordnungsanspruch). Ferner ist erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden. Dabei darf die einstweilige Anordnung des Gerichts wegen des summarischen Charakters des Verfahrens grundsätzlich nicht die endgültige Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, da sonst die Erfordernisse, die bei einem Hauptsacheverfahren zu beachten sind, umgangen würden. Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde, Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes in summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 29.07.2003, 2 BvR 311/03). Aus diesem Grund kann eine Verpflichtung zur Erbringung von Geldleistungen - wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird - in diesem Verfahren nur ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller weiterhin glaubhaft macht, dass ihm andernfalls schwerwiegende Nachteile im Sinne einer existentiellen Notlage drohen und zudem bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass er in der Hauptsache obsiegt.

Bezüglich einer Leistungsgewährung für die Vergangenheit ist ein Anordnungsgrund grundsätzlich nicht gegeben ist, da der jeweilige Hilfebedürftige seinen Bedarf gedeckt hat. Leistungen vor der Antragstellung bei Gericht können im Wege der einstweiligen Anordnung nicht gesichert werden (Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss v. 14.09.2006, L 12 B 105/06 AS ER; Beschluss v. 14.12.2006, L 9 B 104/06 AS ER und Beschluss v. 05.02.2007, L 20 B 296/06 AS). Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes können nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung aktueller, d.h. gegenwärtig noch bestehender Notlagen erforderlich sind, § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG (LSG NRW, Beschluss v. 23.10.2006, L 9 B 106/06 AS ER und Beschluss v. 15.11.2006, L 9 B 38/06 AS). Gesichtspunkte, die in diesem Fall ein Abweichen von diesem Grundsatz gebieten könnten, sind nicht ersichtlich.

Für die Zeit ab dem 25.07.2019 (Antragstellung bei Gericht) hat der Antragsteller nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung weder einen Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Zwar hat der Antragsteller das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Er ist auch grundsätzlich erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 SGB II. Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsfähigkeit in gesundheitlicher Hinsicht (§ 8 Abs. 1 SGB II) liegen nicht vor. Auch mag der Antragsteller hilfebedürftig i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 und 2 SGB II sein. Doch ist der Antragsteller nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen.

Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller EU-Bürger ist oder nicht.

Sofern der Antragsteller aus Aserbaidschan oder Russland stammt und die dortige Staatsbürgerschaft besitzt, ist er Drittstaatsangehöriger. Ein materielles Aufenthaltsrecht oder eine Leistungsberechtigung nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Sofern der Antragsteller rumänischer Staatsangehöriger ist, ist er als Unions-Bürger Ausländer im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG; er ist jedoch aus dem Kreis der Leistungsberechtigten dennoch ausgeschlossen, da er keine tatsächliche Erwerbstätigkeit glaubhaft gemacht hat und damit nicht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 1. Alt. FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt ist. Auch ergibt sich nach dem Vortrag des Antragstellers keine Fortwirkung eines zuvor begründeten Arbeitnehmerstatus gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 bzw. S. 2 FreizügG/EU. Demnach wirkt der Arbeitnehmerstatus bei einer unfreiwilligen durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigen Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Beschäftigung fort. Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung ergibt sich eine Fortwirkung während der Dauer von sechs Monaten.

Nach eigenem Vortrag des Antragstellers ist er aktuell nicht arbeitstätig. Somit ist er derzeit kein Arbeitnehmer. Der Begriff des Arbeitnehmers in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ist, wie die Wortverbindung in dessen Nr. 1 zum FreizügigG/EU zeigt, europarechtlich geprägt. Durch dieses Gesetz wird die die Freizügigkeitsrechte der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Union regelnde Richtlinie (RL) 2004/38/EG- auf Grundlage der europäischen Verträge- in das nationale Recht umgesetzt. Eine gesetzliche Definition des Arbeitnehmerbegriffs findet sich im Europarecht nicht. Es ist daher auf die Ausprägung zurückzugreifen, die der Begriff auf Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfahren hat. Die Arbeitnehmereigenschaft wird danach bei der Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als gegeben angesehen. Die Beurteilung erfolgt aufgrund objektiver Kriterien und anhand einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen. Um Arbeitnehmer zu sein, muss die betreffende Person während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH, Urteil v. 04.02.2010 (Genc), Az.: C-14-09 m.w.N.). Dabei sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Dies bedeutet, dass eine Integration in den Betrieb des Arbeitgebers gegeben sein muss, bei der die betreffende Person unter der Weisung oder Aufsicht eines Dritten steht, der die zu erbringenden Leistungen und/oder die Arbeitszeiten vorschreibt und dessen Anordnungen durch den Arbeitnehmer zu befolgen sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil v. 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R m.w.N.). Der Umstand, dass das Einkommen der Person nicht einen ganzen Lebensunterhalt deckt, sowie die Tatsache, dass die Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis unter dem Existenzminimum liegt oder die normale Arbeitszeit selbst zehn Wochen nicht übersteigt, hindern nicht daran, diese dennoch als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV anzusehen (siehe nur EuGH, Urteil v. 18.07.2007 (Geven), C-213/05). Derzeit geht der Antragsteller jedoch keiner Beschäftigung nach.

Unabhängig davon, ob die von dem Antragsteller angegebenen vormaligen Beschäftigungen seinen Arbeitnehmerstatus zu begründen vermochten, ergibt sich auch unter Annahme dessen keine Fortwirkung auf den im Eilverfahren zu betrachtenden Leistungszeitraum. Die Beschäftigung bei der Firma E reichte vom 01.10.2017 bis zum 31.12.2017 und dauerte damit weniger als ein Jahr. Eine Fortwirkung wäre damit allenfalls für die Zeit von Januar 2018 bis einschließlich Juni 2018 anzunehmen gewesen. Die nach Unterbrechung aufgenommene Tätigkeit bei der Firma F dauerte vom 26.02.2018 bis zum 28.02.2018. Das Gericht sieht insoweit die Voraussetzungen zur Begründung einer Arbeitnehmereigenschaft als nicht gegeben an. Aber selbst bei Annahme eines Arbeitnehmerstatus ergäbe sich eine Fortwirkung nur von März 2018 bis einschließlich August 2018.

In keinem Fall ergibt sich damit eine Fortwirkung bis zur Zeit der Antragstellung im Eilverfahren.

Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs.1 SGB II hat der Antragsteller ohnehin keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

In einem auf die Gewährung laufender Leistungen für die Unterkunft und Heizung gerichteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ein Anordnungsgrund regelmäßig dann gegeben, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne deren Erlass nach Ablauf des nächstfolgenden Fälligkeitszeitpunktes für die Zahlung des Mietzinses ernsthaft mit einer Kündigung oder einer Räumungsklage zu rechnen ist (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 10.09.2014, L 7 AS 1385/14 B ER; OVG NRW, Beschluss v. 12.12.1994, 8 B 2650/94,; LSG NRW, Beschluss v. 13.08.2007, L 9 B 102/07 AS ER, m.w.N.; Beschluss v. 15.02.2007, L 1 B 4/07 AS ER; Beschluss v. 27.03.2007, L 9 B 46/07 AS ER; Beschluss v. 16.04.2007, L 9 B 48/07 AS ER; Beschluss v. 06.10.2006, L 12 B 120/06 AS ER und Beschluss v. 15.01.2007, L 12 B 199/06 AS, jeweils m.w.N.), nicht hingegen bereits dann, wenn nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln der nicht gedeckte Unterkunftsbedarf bestritten werden kann (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 13.08.2007, L 9 B 102/07 AS ER, m.w.N.; a. A.: Hessisches LSG, a.a.O.). Ob ein Anordnungsgrund dabei im Regelfall erst bei Nachweis der Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben ist (so LSG NRW, Beschluss v. 06.07.2015, L 19 AS 931/15 B ER mit Darstellung des Meinungsstandes), kann hier dahinstehen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fordert statt eines schematischen Abstellens auf eine bereits erhobene Räumungsklage eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles, da insbesondere nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass der Verlust der Wohnung noch sicher abzuwenden sei (BVerfG, Kammerbeschluss v. 01.08. 2017, 1 BvR 1910/12). Der Antragsteller hat keine Unterkunft, die konkret gefährdet und deren Kosten zu übernehmen wären. Er ist nach eigenen Angaben obdachlos.

Eine Beiladung des SGB XII-Trägers hatte nicht zu erfolgen. Gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 SGG kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen, § 75 Abs. 2 SGG. Zwar hat das BSG in Bezug auf § 23 SGB XII a.F. festgestellt, dass materiell nicht freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger im Einzelfall Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Recht der Sozialhilfe als Ermessensleistung beanspruchen können; das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist im Regelfall bei einem verfestigten Aufenthalt nach mindestens sechs Monaten auf Null reduziert. Dies sei aus einer Auslegung des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII a.F. abzuleiten (vgl. BSG, Urteil v. 03.12.2015, B 4 AS 44/15 R; Urteil v. 20.01.2016, B 14 AS 35/15 R und Urteil v. 30.08.2017, B 14 AS 31/16 R). Doch ergibt sich ein entsprechender Anspruch nach Gesetzesänderung in Bezug auf § 23 SGB XII in der Fassung vom 22.12.2016, gültig ab dem 29.12.2016, bei Ausschluss aus dem SGB II mangels Arbeitnehmereigenschaft oder deren Fortwirkung und Erwerbsfähigkeit im Übrigen nicht mehr. Sofern die behauptete Unionsbürgerschaft des Antragstellers nicht besteht, ist jedoch auch nach dem SGB XII Voraussetzung, dass für einen Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht bestehen muss. Anderenfalls gilt auch insoweit ein Leistungsausschluss. Gleiches gilt, wenn sich das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder eine Einreise erfolgt, um Sozialhilfe zu erlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe Beschwerde bei dem

Sozialgericht Gelsenkirchen, Bochumer Straße 79, 45886 Gelsenkirchen

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Rechtskraft
Aus
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