Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 279/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 57/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Arbeitsunfall in Gestalt eines durch einen Feueralarm ausgelösten Lärmtraumas erlitten hat.
Der am xxxxx 1960 geborene Kläger verrichtete gerade seinen Dienst als bei der P. GmbH, S., beschäftigter Altenpfleger, als am 11. Juli 2010 gegen 12.00 Uhr ein akustischer Feuer(fehl)alarm ausgelöst wurde. Er befand sich zum Zeitpunkt der Auslösung mit seinem rechten Ohr etwa 1,10 m vom Warntongeber entfernt. Die Warntöne hielten über einen Zeitraum von bis zu 30 Minuten an.
Vier Tage danach, am 15. Juli 2010, suchte der Kläger die Hals-Nasen-Ohren-Arztpraxis S1/Dr. R. (im Folgenden auch in anderer Zusammensetzung: HNO-Praxis) auf und berichtete, dass die Lautstärke der Sirene sein Gehör beeinträchtigt habe. Der HNO-Arzt S1 diagnostizierte ein Lärmtrauma und einen Tinnitus, verordnete M Prednisolon Tabletten, hielt den Kläger jedoch für arbeitsfähig.
Am 6. September 2010 wurde dem Kläger eine Hörhilfe verordnet. Ab 14. September 2010 wurde er wegen eines Tinnitus arbeitsunfähig geschrieben.
Der beratende Facharzt der Beklagten Dr. K1 gab in seiner Stellungnahme vom 5. Oktober 2010 an, dass das Ereignis zu gering und zu kurzzeitig gewesen sei, um einen bleibenden Hörschaden auszulösen. Die Verordnung einer Hörhilfe zu Lasten der Beklagten sei daher nicht gerechtfertigt.
Daraufhin teilte die Beklagte der HNO-Praxis mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 mit, dass keine Unfallfolgen vorlägen und somit die Verordnung zu Lasten der zuständigen Krankenkasse gehe. Dieses Schreiben erhielt der Kläger mit gleichem Datum zur Kenntnis.
Unter dem 13. Oktober 2010 widersprach der Kläger dieser Entscheidung. Er sei durch einen Fehlalarm in Ausübung seines Berufes überrascht worden und habe infolge der Einwirkungen der extrem lauten Sirene einen dauerhaften Gehörschaden erlitten, welcher eine Hörhilfe nötig mache. Überdies leide er seit diesem Ereignis an einem Tinnitus, könne keine Nacht mehr schlafen, habe zunehmend Konzentrationsprobleme und sei in seiner Kommunikation eingeschränkt. Es könne keinen Zweifel darüber geben, dass ein Arbeitsunfall vorliege.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass in der Vergangenheit am rechten Ohr eine Operation durchgeführt worden sei. Ihm sei dabei eine Hörprothese eingesetzt worden. Ein Hörgerät sei ihm aber erst nach dem Unfall verordnet worden.
Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilten die Technischen Aufsichtspersonen der Beklagten, die Dipl.-Ing. S2 und N., das Ergebnis einer Begehung des Unfallbetriebs und Lärmmessung vom 25. März 2011 mit, bei denen auch der Kläger, dessen zum Unfallzeitpunkt ebenfalls Dienst tuende Kollegin S3, der Haustechniker S4 sowie der Techniker für Feueralarm der Firma E. , W. anwesend waren. Es sei ein Spitzenschalldruckpegel des Feueralarms von 107,5 dB(C) gemessen worden. Der äquivalente Dauerschallpegelpegel habe bei 90 dB(C) gelegen. Diesem Schalldruck sei der Kläger in der anfänglichen Entfernung von 1,10 m zum rechten Ohr maximal 5 Sekunden ausgesetzt gewesen. Danach habe ein Abstand von mindestens 2 m bestanden und der Lärm nach Angaben der Zeugin S3 noch für einige Minuten, aber keine halbe Stunde angedauert. Währenddessen habe ein geschätzter Schalldruck auf das Ohr des Klägers, der nichts zur Dauer des Alarmtons habe sagen können, von maximal 104,5 dB(C) bzw. dauernd 87 dB(C) bestanden. Die gemessenen Spitzenschalldruckpegel seien nicht geeignet, ein gesundes Ohr zu schädigen. Ob der gemessene Lärm möglicherweise die angegebene Vorschädigung habe verstärken können, bedürfe der medizinischen Klärung.
Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. G. ein, der unter dem 14. April 2011 ausführte, dass nach den vorliegenden Angaben bei dem Kläger von einer operierten Otosklerose rechts mit Steigbügelersatzplastik auszugehen sei. Das Tonschwellenaudiogramm vom 6. September 2010 zeige eine geringgradige pancochleäre Schwerhörigkeit beidseits, rechts etwas ausgeprägter als links ohne relevante zusätzliche Schallleitungskomponente. Es sei ein Ohrgeräusch rechts bei 4 kHz mit 50 dB überschwellig verdeckbar angegeben worden. Da keine Hörprüfungen aus der Zeit vor dem angeschuldigten Unfallereignis am 11. Juli 2010 aktenkundig seien, könne kein Vergleich zur Hörprüfung vom 6. September 2010 gezogen werden. Aufgrund der Vorohrerkrankung habe vor der Operation mit Wahrscheinlichkeit eine Schallleitungsschwerhörigkeit rechts bestanden. Bekannt sei, dass Otosklerose-Ohren, die mit einer solchen prothetischen Operation versorgt worden seien, vermehrt lärmsensibel reagieren könnten. Er teile die Auffassung, dass der gemessene Spitzenschalldruck von 107,5 dB normalerweise nicht geeignet sei, ein gesundes Ohr dauerhaft zu schädigen. Hinweise auf eine höher liegende Lärmbelastung lägen nicht vor. Es erscheine somit wahrscheinlich, dass es anlässlich des Ereignisses zu einer richtunggebenden Verschlimmerung gekommen sei, endgültige Aussagen über den Schwerhörigkeitsverlauf seien aber erst möglich, wenn Hörprüfungen vor dem Ereignis vom 11. Juli 2010 vorlägen.
Nach Vorlage von Hörprüfungen aus der Zeit vor dem angeschuldigten Ereignis, nämlich aus den Jahren 1997, 2000, 2002, 2003, 2004 – dem Jahr der Otosklerose-Operation – und 2010 nahm Dr. G. unter dem 19. Juni 2011 erneut Stellung und gab an, dass insbesondere seit 2002 neben der durch die Otosklerose bedingten Schallleitungsschwerhörigkeit bereits eine deutliche, messbare Seitendifferenz in der innenohrrelevanten Knochenleitungskurve zu Ungunsten der rechten Seite im Vergleich zu links bestanden habe. Dieses habe sich bei der Tonschwellenhörprüfung vom 6. September 2010 nach dem angeschuldigten Lärmereignis ebenfalls vergleichbar dokumentieren lassen. Hier habe sich die Tonschwellenüberprüfung auf beiden Seiten zwischen 2004 und 2010 gleichartig verschlechtert gehabt ohne überproportionale Verschlechterung der rechten Seite. Daher müsse nach Wertung der nunmehr vorliegenden Hörprüfungen davon ausgegangen werden, dass es durch das Ereignis vom 11. Juli 2010 mit Wahrscheinlichkeit nicht zu einer richtunggebenden Verschlechterung des Hörvermögens gekommen sei. Demgegenüber sei es zwischen 2004 und 2010 auf beiden Ohren zu einer Verschlechterung des Innenohrgehörs gekommen. Genaue Zeitverläufe über diese Verschlechterungen, die den gesamten Frequenzbereich beträfen, könnten nicht gemacht werden. Aufgrund der Schädigung des Innenohrgehörs über alle Frequenzen könne jedoch das Ereignis vom 11. Juli 2010 nicht als wahrscheinliche Ursache angenommen werden. Hier wäre es mit Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Verschlechterung isoliert im Hochtonbereich gekommen.
Unter Bezugnahme hierauf wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2011 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 2. November 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Feststellung begehrt, dass er einen Arbeitsunfall erlitten habe. Dieser habe im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung zu einer Hörminderung und im Übrigen zu einem Tinnitus geführt, der seit 1997 bis zum Unfallereignis nur in leichter Ausprägung bestanden und sich seither ins Unerträgliche gesteigert habe. Zur Begründung hat er sich auf die erste Stellungnahme des Herrn Dr. G. bezogen, der sich zum Tinnitus gar nicht geäußert, aber hinsichtlich der Hörminderung mit seiner zweiten Stellungnahme einen Zusammenhang jedenfalls nicht ausgeschlossen, u.a. den Grad der Wahrscheinlichkeit nicht angegeben habe. Seit dem Unfallereignis quäle sich der Kläger, der sich seit 2003 wegen starker Depressionen in entsprechender fachärztlicher Behandlung befinde, und es sei nicht auszuschließen, dass durch die dadurch entstandenen weiteren seelischen und körperlichen Belastungen der Tinnitus und das Hörvermögen weiter gelitten hätten. Er sei stark traumatisiert, leide unter Schlafstörungen. Eine Hörgeräteversorgung sowie eine gezielte Behandlung des Tinnitus zulasten der Beklagten seien dringend erforderlich.
Die Beklagte ist dem mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, dass mit der zweiten Beurteilung des Herrn Dr. G. nach Auswertung der zwischenzeitlich vorgelegten Tonaudiogramme dessen erste Beurteilung überholt sei. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 11. Juli 2010 und der angegebenen Verschlechterung des vorbestehenden Tinnitus und der damit einhergehenden Kombinationsschwerhörigkeit sei zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich.
Das SG hat einen Befundbericht der HNO-Praxis vom 26. April 2012 eingeholt, in dem geschildert wird, dass der Kläger sich 1997 erstmals wegen Hörproblemen wegen Tinnitus vorgestellt habe. Wegen der bereits damals bestehenden Kombinationsschwerhörigkeit rechts habe sich der Kläger 2004 zu einer Otosklerose-Operation bereit erklärt, die zwar das Hören leicht verbessert habe, aber nicht den Tinnitus. Seit dem Unfallereignis vom 11. Juli 2010 leide der Kläger subjektiv zunehmend unter dem Tinnitus. Eine medikamentöse Therapie habe keine Besserung gebracht. Der subjektive Leidensdruck des Klägers und die objektiven Befunde wichen voneinander ab. Eine Hörgeräteversorgung auf Krankenkassenkosten mit eventueller Zuzahlung lehne der Kläger ab, da er die Zunahme seiner Beschwerden auf den Unfall zurückführe.
Des Weiteren hat das SG den Entlassungsbericht der R1 Klinik in B. beigezogen, in der der Kläger Mai/Juni 2011 eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung erfuhr.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines HNO-fachärztlichen Gutachtens von Dr. D./Dr. B2 vom Universitätsklinikum H. (als Sachverständiger eingesetzt worden ist Dr. D., Sachbearbeiter ist Dr. B2 gewesen, der den Kläger allein untersucht hat, Dr. D. hat sein Einverständnis mit dem Gutachten "aufgrund Kenntnis der Akten und eigener Urteilsbildung" kundgetan, unterschrieben ist das Gutachten weder von Dr. D. noch von Dr. B2), die nach Untersuchung des Klägers am 17. Dezember 2012 unter dem 31. Januar 2013 darauf hingewiesen haben, dass die vorliegenden präoperativen audiometrischen Untersuchungen aus den Jahren 1997, 2003 und 2004 trotz teilweise stark schwankender Angaben zeigten, dass bei dem Kläger konstant eine kombinierte Schwerhörigkeit mit deutlicher Schallleitungskomponente als Zeichen einer Mittelohrproblematik bestanden habe. Postoperativ habe diese behoben werden können. Das Innenohr stelle sich im Laufe der auffallend häufigen Untersuchungen ebenfalls schwankend dar. Dennoch lasse sich im Vergleich der Befunde vom 2. Juni 2004 (unmittelbar präoperativ) und aktuell vom 17. Dezember 2012 kein wesentlicher Abfall nachweisen. Im Falle eines Lärmtraumas komme es für gewöhnlich zu einer Schädigung insbesondere der hohen Frequenzen. Diese seien jedoch im Verlauf bei dem Kläger am wenigsten beeinträchtigt. Am ehesten schwankten die Werte im Bereich der tiefen und mittleren Frequenzen. Die von den technischen Sachverständigen ermittelte Schallexposition sei bei gesunden Personen für gewöhnlich nicht geeignet, eine dauerhafte Hörschädigung zu verursachen. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde sei anzunehmen, dass trotz der erhöhten Lärmempfindlichkeit bei dem Kläger aufgrund der vorbekannten Otosklerose die Lärmeinwirkung zu keiner nennenswerten richtungweisenden Hörminderung geführt habe. Unmittelbar postoperativ habe der Kläger am 26. Oktober 2004 einen Tinnitus von 31 dB bei 500 Hz gezeigt. Die nach dem Unfallereignis und aktuell erhobenen Werte wiesen keine dauerhafte bzw. richtungsgebende Verschlimmerung nach. Es sei nachvollziehbar, dass der Kläger subjektiv den Eindruck gewonnen habe, die Hörminderung und der Tinnitus hätten zugenommen, was am ehesten der erneut vorhandenen unfallunabhängigen Mittelohrproblematik zuzurechnen sei. Die Beschwerden können ggf. entweder durch eine suffiziente Hörgeräteanpassung oder wahrscheinlich auch durch einen operativen Eingriff verbessert werden
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 6. Mai 2013 hat der vom SG unmittelbar beauftragte Dr. B2 (der diese nunmehr ebenso unterschrieben hat wie mit Einverständnis "aufgrund Kenntnis der Akten und eigener Urteilsbildung" Dr. D.) bekräftigt, dass sowohl die Innenohrleistung des rechten Ohrs als auch der dortige Tinnitus sich auf dem Niveau vorbekannter Werte befänden, dass der Tinnitus messtechnisch sogar geringer als unmittelbar nach der Operation im Jahr 2004 sei. Wenn der Kläger den Tinnitus lauter wahrnehme, hänge dies am ehesten mit der gesteigerten Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen zusammen. Es sei allerdings möglich, dass eine psychische Komponente ursächlich in der Verstärkung der Subjektivität sei. Die erneut aufgetretene Schallleitungsminderung könne aus einer Vernarbungsreaktion oder einer Dislokation oder Malfunktion der Prothese im Mittelohr resultieren, sei jedoch keine Folge des Lärmereignisses, weil übermäßige Schalleinwirkungen nicht geeignet seien, Schallleitungsminderungen zu verursachen.
Das SG hat im Anschluss auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein psychiatrisches Gutachten von Dr. B1 vom 20. April 2014 eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers am 7. April 2014 erklärt hat, dass in diagnostischer Hinsicht von einer bis weit in die Jugend des Klägers zurückreichenden Depression auszugehen sei. Des Weiteren liege bei dem Kläger ein Tinnitus vor, welcher schon seit vielen Jahren bestehe, lange vor dem Feueralarmereignis im Juni 2010. Es werde davon ausgegangen, dass das Ereignis bei dem Kläger, bei fortbestehender Prädisposition zu Depressionen, im Rahmen einer Stresssituation zu einer sich anschließenden subjektiven Verstärkung des Tinnitus geführt haben könne, ohne dass sich dafür organische Korrelate finden ließen. Erschwerend kämen bei dem Kläger vorhandene Traumata in jungen Jahren und durch das Miterleben von Kriegsereignissen hinzu. Es sei aus psychiatrischer Sicht nicht möglich, dass Feueralarmereignis naturwissenschaftlich als Ursache für die von dem Kläger angegebene deutliche Verschlimmerung des Tinnitus anzugeben. Es sei davon auszugehen, dass das Unfallereignis als Stress über einen längeren Zeitraum aus psychiatrischer Sicht die bei dem Kläger anzutreffenden Gesundheitsstörungen deutlich verschlimmert habe, ohne jedoch einen ausschließlichen ursächlichen direkten Zusammenhang postulieren zu können.
Das SG hat die Klage nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6. November 2014 mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erwiesen sich als rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Es fehle bereits an dem Nachweis, dass es durch die äußere Einwirkung der Alarmsirene bei dem Kläger zu einem Gesundheitsschaden im Rahmen einer Hörminderung bzw. eines Tinnitus gekommen sei. Nachvollziehbar hätten sowohl der Gutachter Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2011 als auch der im gerichtlichen Verfahren angehörte Sachverständige Dr. B2 in seinem Gutachten vom 31. Januar 2013 ausgeführt, dass es durch das Ereignis weder zu einer richtunggebenden Verschlimmerung (Dr. G.) noch im Vergleich zu früheren Befunden bezüglich einer Schalleitungsschwerhörigkeit und eines Tinnitus zu einem messbaren traumatischen Schaden gekommen sei (im Ergebnis Dr. B2). Selbst der von dem Kläger vorgeschlagene Gutachter Dr. B1 komme in seinem Gutachten vom 20. April 2014 – ohne dass es für die Entscheidung in der Sache darauf ankomme – zu dem Ergebnis, dass ein vom Kläger beschriebener Tinnitus bereits seit vielen Jahren bestehe. Aber auch unter Berücksichtigung der nach dem Unfall diagnostizierten Gesundheitsschäden, einer Hörminderung und eines Tinnitus, könnten diese nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Ereignis vom 11. Juli 2010 zurückgeführt werden. Die für einen Kausalzusammenhang sprechenden Umstände überwögen nicht. Gegen die Annahme eines Unfallzusammenhangs spreche vor allem, dass nach plausibler Aussage der zur Unfallkausalität angehörten Ärzte und Gutachter die Einwirkung eines Spitzenschalldruckpegels von 107,5 dB für 5 Sekunden von vornherein nicht geeignet sei, eine Hörschädigung an einem gesunden Ohr hervorzurufen. Zwar habe es sich bei dem rechten Ohr des Klägers nicht um ein gesundes Ohr gehandelt, denn ihm sei bereits vor dem Ereignis eine Hörprothese eingesetzt worden. Dennoch hätten die Gutachter keine Anhaltspunkte für eine unfallbedingte weitere oder verschlimmernde Schädigung des Hörvermögens festgestellt. Gegen einen Unfallzusammenhang spreche zudem, dass Dr. B2 plausibel erläutert habe, dass es im Falle eines angenommenen Lärmtraumas für gewöhnlich zu einer Schädigung insbesondere der hohen Frequenzen komme, welche bei dem Kläger jedoch am wenigsten beeinträchtigt seien. Auch habe Dr. B2, neben Dr. G., überzeugend dargestellt, dass bei dem Kläger bereits aus den Jahren 1997, 2003 und 2004 konstant eine kombinierte Schwerhörigkeit mit deutlicher Schallleitungskomponente als Zeichen einer Mittelohrproblematik hervorgehe, welche sich anlässlich des Feueralarmereignisses nicht in geänderter Form dargestellt habe, sodass dieses Ereignis als Grund für eine Schwerhörigkeit ausscheiden müsse. Darüber hinaus spreche gegen einen durch das Lärmereignis verursachten Tinnitus, dass die von Dr. B2 überprüften Werte keine Verschlimmerung gegenüber dem vor dem Ereignis bestehenden Tinnitus aufwiesen und messtechnisch sogar ein geringerer Tinnitus als unmittelbar nach der Operation habe nachgewiesen werden können. Aufschlussreich, aber für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung sei die Mitteilung von Dr. B1 in seinem Gutachten, dass er von einer subjektiven – und damit objektiv nicht nachweisbaren – Verstärkung des Tinnitus ausgehe, welches aber seinen Ursprung überwiegend in der aufgrund früherer Traumata fortbestehenden Neigung des Klägers zu Depressionen habe. Das Feueralarmereignis möge Anlass für eine gesteigerte subjektive (psychische) Empfindlichkeit des Klägers gewesen sein. Jedoch komme diesem Ereignis aufgrund seiner Geringfügigkeit sowie der dagegen stehenden erheblichen Prädisposition des Klägers keine wesentliche Bedeutung für die subjektive Verstärkung seiner Leiden zu.
Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 18. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Dezember 2014 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Feststellungsbegehren weiter verfolgt und die Ansicht vertritt, dass der von ihm erlittene Unfall "zumindest subjektiv kausal" für den bestehenden unerträglichen Tinnitus sei. Bei dem Unfall sei zumindest ein "psychisch determinierter Schaden" entstanden, der eine erhebliche Verschlimmerung herbeigeführt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. November 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 aufzuheben und festzustellen, dass er am 11. Juli 2010 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für richtig und nimmt auf deren Gründe Bezug.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. November 2017 und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, st. Rspr. des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. nur Urteil vom 4. Dezember 2014 – B 2 U 10/13 R, BSGE 118, 1) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in dessen Rechten. Der Kläger hat am 11. Juli 2010 keinen Arbeitsunfall erlitten. Es lässt sich kein durch das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich zumindest mitverursachter Gesundheitserstschaden feststellen.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; st.Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – B 2 U 10/13 R, a.a.O., m.w.N.); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern – vor allem – für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96,196, m.w.N.).
Für die Kausalitätsfeststellung zwischen den durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufenen Gesundheitserstschäden (haftungsbegründende Kausalität) und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, a.a.O., m.w.N.).
Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Versicherungsfalles basieren auf der im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach geht es auf einer ersten Stufe der Kausalitätsprüfung um die Frage, ob ein Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne vorliegt, d. h. ob eine objektive (Mit-)Verursachung zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R, SozR 4-2700, § 8 Nr. 44). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der möglicherweise aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, a.a.O.) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen (Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., Stand: 3/2017, § 8 SGB VII Rn. 10 ff. m.N.). In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann durch Wertung nach Maßgabe des Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die wesentlich sind, weil sie rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, a.a.O; BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich vorliegend schon nicht im erforderlichen Vollbeweis feststellen, dass nach dem angeschuldigten Lärmereignis vom 11. Juli 2010 ein Gesundheitserstschaden eingetreten ist.
Die vom Kläger als Unfallfolgen angegebenen Gesundheitsstörungen in Form einer Hörminderung sowie eines Tinnitus lagen bereits vor dem 11. Juli 2010 vor. Aus den Unterlagen der den Kläger seit 1997 behandelnden HNO-Praxis ergibt sich nicht nur, dass seither eine Kombinationsschwerhörigkeit mit Hörproblemen und Tinnitus bestand, wegen derer im Jahr 2004 eine Otosklerose-Operation erfolgte, sondern auch, dass die Hörminderung und der Tinnitus – soweit objektivierbar – auch nach der Operation mindestens so deutlich ausgeprägt waren wie nach dem angeschuldigten Lärmereignis vom 11. Juli 2010, sodass auch ein Gesundheitserstschaden in Gestalt einer Verschlimmerung vorbestehender Leiden nicht zur vollen Überzeugung des Senats feststellbar ist. Die vom Kläger gegenüber den Sachverständigen angegebene deutliche Verschlimmerung der Symptomatik nach dem Feueralarm haben alle gehörten Sachverständigen in Übereinstimmung mit der behandelnden HNO-Praxis als subjektiv, von den objektiven Befunden abweichend eingeordnet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen der Dres. B2 und D. im Sachverständigengutachten vom 31. Januar 2013 trotz der fehlenden Unterschriften und des Umstandes, dass der eingesetzte Sachverständige Dr. D. den Kläger nicht selbst untersucht hat, uneingeschränkt verwertbar sind. Denn zum einen gilt dies nicht für deren von beiden unterschriebene ergänzende Stellungnahme vom 6. Mai 2013, mit der sie sich zumindest konkludent die Ausführungen in dem nicht unterschriebenen Gutachten zu eigen gemacht haben, wobei angesichts des Gegenstandes der Begutachtung eine persönliche Untersuchung durch den Sachverständigen nicht erforderlich gewesen sein dürfte, zum anderen geben die Dres. B2 und D. lediglich wieder, was sich auch ohne deren sachverständige Hilfe aus dem übrigen Akteninhalt, insbesondere aus dem Befundbericht der HNO-Praxis vom 26. April 2012, den vorgerichtlichen Stellungnahmen des Dr. G. und schließlich dem Gutachten des Dr. B1 ablesen ließe. Die von den gehörten Sachverständigen zu einem späteren Zeitpunkt festgestellte Mittelohrproblematik kommt schon aufgrund des späteren Zeitpunkts ihrer Feststellung nicht als Gesundheitserstschaden in Betracht und wäre im Übrigen – wie auch der von Dr. G. beschriebene Hörverlust in allen Frequenzbereichen – nach den schlüssigen Ausführungen der gehörten HNO-Sachverständigen nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit kausal auf ein Lärmtrauma zurückführbar, weil ein solches allenfalls zu einer Innenohrschädigung mit Beeinträchtigungen vor allem im hohen Frequenzbereich führen könnte (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Abschnitte 7.3.2.1.1 und 7.3.3.2).
Soweit Dr. B1 in seinem Sachverständigengutachten ein posttraumatisches Stresssyndrom annimmt, das auf dem Boden der bis in die Jugend zurückreichenden Depression des Klägers – und ggf. einer posttraumatischen Belastungsstörung – zur subjektiven Verstärkung des Tinnitus geführt haben könnte, kann sich der Senat nicht von dessen Auftreten überzeugen. Die Ausführungen des Sachverständigen, der es aus psychiatrischer Sicht gleichzeitig als nicht möglich beschreibt, das Feueralarmereignis naturwissenschaftlich als Ursache für die angegebene deutliche Verschlimmerung des Tinnitus anzugeben, sind insoweit nicht schlüssig, als sie eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit unterstellen, wobei angesichts der schwammigen und wechselnden Formulierungen unklar bleibt, von welchem Grad der Wahrscheinlichkeit oder auch nur Möglichkeit Dr. B1 ausgeht. Dessen Ausführungen sind durch keinerlei zeitnah erhobene ärztliche Befunde untermauert, sondern beruhen lediglich auf seiner fast vier Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis erfolgten Untersuchung. Nach Aktenlage fällt demgegenüber auf, dass der Kläger sich erst vier Tage nach dem Feueralarm in HNO-ärztliche Behandlung begab und dass in dessen Erstbericht an die Beklagte ebenso wie in dem auch die Zeit danach betreffenden Befundbericht für das Gericht keine Hinweise auf eine psychische Gesundheitsstörung enthalten sind. Vielmehr wurde von Anfang an von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers ausgegangen und erstmals zwei Monate später eine Arbeitsunfähigkeit wegen des Tinnitus angenommen. Aus dem Entlassungsbericht der psychosomatischen Reha-Klinik B. ergibt sich, dass der Kläger in den zwölf Monaten nach dem angeschuldigten Ereignis weniger als drei Monate arbeitsunfähig war. Damit fehlt es an zeitnahen Anknüpfungspunkten für eine erhebliche psychische Gesundheitsstörung, die als Gesundheitserstschaden nach dem Feueralarm in Betracht kommen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Arbeitsunfall in Gestalt eines durch einen Feueralarm ausgelösten Lärmtraumas erlitten hat.
Der am xxxxx 1960 geborene Kläger verrichtete gerade seinen Dienst als bei der P. GmbH, S., beschäftigter Altenpfleger, als am 11. Juli 2010 gegen 12.00 Uhr ein akustischer Feuer(fehl)alarm ausgelöst wurde. Er befand sich zum Zeitpunkt der Auslösung mit seinem rechten Ohr etwa 1,10 m vom Warntongeber entfernt. Die Warntöne hielten über einen Zeitraum von bis zu 30 Minuten an.
Vier Tage danach, am 15. Juli 2010, suchte der Kläger die Hals-Nasen-Ohren-Arztpraxis S1/Dr. R. (im Folgenden auch in anderer Zusammensetzung: HNO-Praxis) auf und berichtete, dass die Lautstärke der Sirene sein Gehör beeinträchtigt habe. Der HNO-Arzt S1 diagnostizierte ein Lärmtrauma und einen Tinnitus, verordnete M Prednisolon Tabletten, hielt den Kläger jedoch für arbeitsfähig.
Am 6. September 2010 wurde dem Kläger eine Hörhilfe verordnet. Ab 14. September 2010 wurde er wegen eines Tinnitus arbeitsunfähig geschrieben.
Der beratende Facharzt der Beklagten Dr. K1 gab in seiner Stellungnahme vom 5. Oktober 2010 an, dass das Ereignis zu gering und zu kurzzeitig gewesen sei, um einen bleibenden Hörschaden auszulösen. Die Verordnung einer Hörhilfe zu Lasten der Beklagten sei daher nicht gerechtfertigt.
Daraufhin teilte die Beklagte der HNO-Praxis mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 mit, dass keine Unfallfolgen vorlägen und somit die Verordnung zu Lasten der zuständigen Krankenkasse gehe. Dieses Schreiben erhielt der Kläger mit gleichem Datum zur Kenntnis.
Unter dem 13. Oktober 2010 widersprach der Kläger dieser Entscheidung. Er sei durch einen Fehlalarm in Ausübung seines Berufes überrascht worden und habe infolge der Einwirkungen der extrem lauten Sirene einen dauerhaften Gehörschaden erlitten, welcher eine Hörhilfe nötig mache. Überdies leide er seit diesem Ereignis an einem Tinnitus, könne keine Nacht mehr schlafen, habe zunehmend Konzentrationsprobleme und sei in seiner Kommunikation eingeschränkt. Es könne keinen Zweifel darüber geben, dass ein Arbeitsunfall vorliege.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass in der Vergangenheit am rechten Ohr eine Operation durchgeführt worden sei. Ihm sei dabei eine Hörprothese eingesetzt worden. Ein Hörgerät sei ihm aber erst nach dem Unfall verordnet worden.
Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilten die Technischen Aufsichtspersonen der Beklagten, die Dipl.-Ing. S2 und N., das Ergebnis einer Begehung des Unfallbetriebs und Lärmmessung vom 25. März 2011 mit, bei denen auch der Kläger, dessen zum Unfallzeitpunkt ebenfalls Dienst tuende Kollegin S3, der Haustechniker S4 sowie der Techniker für Feueralarm der Firma E. , W. anwesend waren. Es sei ein Spitzenschalldruckpegel des Feueralarms von 107,5 dB(C) gemessen worden. Der äquivalente Dauerschallpegelpegel habe bei 90 dB(C) gelegen. Diesem Schalldruck sei der Kläger in der anfänglichen Entfernung von 1,10 m zum rechten Ohr maximal 5 Sekunden ausgesetzt gewesen. Danach habe ein Abstand von mindestens 2 m bestanden und der Lärm nach Angaben der Zeugin S3 noch für einige Minuten, aber keine halbe Stunde angedauert. Währenddessen habe ein geschätzter Schalldruck auf das Ohr des Klägers, der nichts zur Dauer des Alarmtons habe sagen können, von maximal 104,5 dB(C) bzw. dauernd 87 dB(C) bestanden. Die gemessenen Spitzenschalldruckpegel seien nicht geeignet, ein gesundes Ohr zu schädigen. Ob der gemessene Lärm möglicherweise die angegebene Vorschädigung habe verstärken können, bedürfe der medizinischen Klärung.
Die Beklagte holte daraufhin eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. G. ein, der unter dem 14. April 2011 ausführte, dass nach den vorliegenden Angaben bei dem Kläger von einer operierten Otosklerose rechts mit Steigbügelersatzplastik auszugehen sei. Das Tonschwellenaudiogramm vom 6. September 2010 zeige eine geringgradige pancochleäre Schwerhörigkeit beidseits, rechts etwas ausgeprägter als links ohne relevante zusätzliche Schallleitungskomponente. Es sei ein Ohrgeräusch rechts bei 4 kHz mit 50 dB überschwellig verdeckbar angegeben worden. Da keine Hörprüfungen aus der Zeit vor dem angeschuldigten Unfallereignis am 11. Juli 2010 aktenkundig seien, könne kein Vergleich zur Hörprüfung vom 6. September 2010 gezogen werden. Aufgrund der Vorohrerkrankung habe vor der Operation mit Wahrscheinlichkeit eine Schallleitungsschwerhörigkeit rechts bestanden. Bekannt sei, dass Otosklerose-Ohren, die mit einer solchen prothetischen Operation versorgt worden seien, vermehrt lärmsensibel reagieren könnten. Er teile die Auffassung, dass der gemessene Spitzenschalldruck von 107,5 dB normalerweise nicht geeignet sei, ein gesundes Ohr dauerhaft zu schädigen. Hinweise auf eine höher liegende Lärmbelastung lägen nicht vor. Es erscheine somit wahrscheinlich, dass es anlässlich des Ereignisses zu einer richtunggebenden Verschlimmerung gekommen sei, endgültige Aussagen über den Schwerhörigkeitsverlauf seien aber erst möglich, wenn Hörprüfungen vor dem Ereignis vom 11. Juli 2010 vorlägen.
Nach Vorlage von Hörprüfungen aus der Zeit vor dem angeschuldigten Ereignis, nämlich aus den Jahren 1997, 2000, 2002, 2003, 2004 – dem Jahr der Otosklerose-Operation – und 2010 nahm Dr. G. unter dem 19. Juni 2011 erneut Stellung und gab an, dass insbesondere seit 2002 neben der durch die Otosklerose bedingten Schallleitungsschwerhörigkeit bereits eine deutliche, messbare Seitendifferenz in der innenohrrelevanten Knochenleitungskurve zu Ungunsten der rechten Seite im Vergleich zu links bestanden habe. Dieses habe sich bei der Tonschwellenhörprüfung vom 6. September 2010 nach dem angeschuldigten Lärmereignis ebenfalls vergleichbar dokumentieren lassen. Hier habe sich die Tonschwellenüberprüfung auf beiden Seiten zwischen 2004 und 2010 gleichartig verschlechtert gehabt ohne überproportionale Verschlechterung der rechten Seite. Daher müsse nach Wertung der nunmehr vorliegenden Hörprüfungen davon ausgegangen werden, dass es durch das Ereignis vom 11. Juli 2010 mit Wahrscheinlichkeit nicht zu einer richtunggebenden Verschlechterung des Hörvermögens gekommen sei. Demgegenüber sei es zwischen 2004 und 2010 auf beiden Ohren zu einer Verschlechterung des Innenohrgehörs gekommen. Genaue Zeitverläufe über diese Verschlechterungen, die den gesamten Frequenzbereich beträfen, könnten nicht gemacht werden. Aufgrund der Schädigung des Innenohrgehörs über alle Frequenzen könne jedoch das Ereignis vom 11. Juli 2010 nicht als wahrscheinliche Ursache angenommen werden. Hier wäre es mit Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Verschlechterung isoliert im Hochtonbereich gekommen.
Unter Bezugnahme hierauf wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 2011 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 2. November 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Feststellung begehrt, dass er einen Arbeitsunfall erlitten habe. Dieser habe im Sinne einer richtunggebenden Verschlimmerung zu einer Hörminderung und im Übrigen zu einem Tinnitus geführt, der seit 1997 bis zum Unfallereignis nur in leichter Ausprägung bestanden und sich seither ins Unerträgliche gesteigert habe. Zur Begründung hat er sich auf die erste Stellungnahme des Herrn Dr. G. bezogen, der sich zum Tinnitus gar nicht geäußert, aber hinsichtlich der Hörminderung mit seiner zweiten Stellungnahme einen Zusammenhang jedenfalls nicht ausgeschlossen, u.a. den Grad der Wahrscheinlichkeit nicht angegeben habe. Seit dem Unfallereignis quäle sich der Kläger, der sich seit 2003 wegen starker Depressionen in entsprechender fachärztlicher Behandlung befinde, und es sei nicht auszuschließen, dass durch die dadurch entstandenen weiteren seelischen und körperlichen Belastungen der Tinnitus und das Hörvermögen weiter gelitten hätten. Er sei stark traumatisiert, leide unter Schlafstörungen. Eine Hörgeräteversorgung sowie eine gezielte Behandlung des Tinnitus zulasten der Beklagten seien dringend erforderlich.
Die Beklagte ist dem mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, dass mit der zweiten Beurteilung des Herrn Dr. G. nach Auswertung der zwischenzeitlich vorgelegten Tonaudiogramme dessen erste Beurteilung überholt sei. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 11. Juli 2010 und der angegebenen Verschlechterung des vorbestehenden Tinnitus und der damit einhergehenden Kombinationsschwerhörigkeit sei zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich.
Das SG hat einen Befundbericht der HNO-Praxis vom 26. April 2012 eingeholt, in dem geschildert wird, dass der Kläger sich 1997 erstmals wegen Hörproblemen wegen Tinnitus vorgestellt habe. Wegen der bereits damals bestehenden Kombinationsschwerhörigkeit rechts habe sich der Kläger 2004 zu einer Otosklerose-Operation bereit erklärt, die zwar das Hören leicht verbessert habe, aber nicht den Tinnitus. Seit dem Unfallereignis vom 11. Juli 2010 leide der Kläger subjektiv zunehmend unter dem Tinnitus. Eine medikamentöse Therapie habe keine Besserung gebracht. Der subjektive Leidensdruck des Klägers und die objektiven Befunde wichen voneinander ab. Eine Hörgeräteversorgung auf Krankenkassenkosten mit eventueller Zuzahlung lehne der Kläger ab, da er die Zunahme seiner Beschwerden auf den Unfall zurückführe.
Des Weiteren hat das SG den Entlassungsbericht der R1 Klinik in B. beigezogen, in der der Kläger Mai/Juni 2011 eine psychosomatische Rehabilitationsbehandlung erfuhr.
Das SG hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines HNO-fachärztlichen Gutachtens von Dr. D./Dr. B2 vom Universitätsklinikum H. (als Sachverständiger eingesetzt worden ist Dr. D., Sachbearbeiter ist Dr. B2 gewesen, der den Kläger allein untersucht hat, Dr. D. hat sein Einverständnis mit dem Gutachten "aufgrund Kenntnis der Akten und eigener Urteilsbildung" kundgetan, unterschrieben ist das Gutachten weder von Dr. D. noch von Dr. B2), die nach Untersuchung des Klägers am 17. Dezember 2012 unter dem 31. Januar 2013 darauf hingewiesen haben, dass die vorliegenden präoperativen audiometrischen Untersuchungen aus den Jahren 1997, 2003 und 2004 trotz teilweise stark schwankender Angaben zeigten, dass bei dem Kläger konstant eine kombinierte Schwerhörigkeit mit deutlicher Schallleitungskomponente als Zeichen einer Mittelohrproblematik bestanden habe. Postoperativ habe diese behoben werden können. Das Innenohr stelle sich im Laufe der auffallend häufigen Untersuchungen ebenfalls schwankend dar. Dennoch lasse sich im Vergleich der Befunde vom 2. Juni 2004 (unmittelbar präoperativ) und aktuell vom 17. Dezember 2012 kein wesentlicher Abfall nachweisen. Im Falle eines Lärmtraumas komme es für gewöhnlich zu einer Schädigung insbesondere der hohen Frequenzen. Diese seien jedoch im Verlauf bei dem Kläger am wenigsten beeinträchtigt. Am ehesten schwankten die Werte im Bereich der tiefen und mittleren Frequenzen. Die von den technischen Sachverständigen ermittelte Schallexposition sei bei gesunden Personen für gewöhnlich nicht geeignet, eine dauerhafte Hörschädigung zu verursachen. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde sei anzunehmen, dass trotz der erhöhten Lärmempfindlichkeit bei dem Kläger aufgrund der vorbekannten Otosklerose die Lärmeinwirkung zu keiner nennenswerten richtungweisenden Hörminderung geführt habe. Unmittelbar postoperativ habe der Kläger am 26. Oktober 2004 einen Tinnitus von 31 dB bei 500 Hz gezeigt. Die nach dem Unfallereignis und aktuell erhobenen Werte wiesen keine dauerhafte bzw. richtungsgebende Verschlimmerung nach. Es sei nachvollziehbar, dass der Kläger subjektiv den Eindruck gewonnen habe, die Hörminderung und der Tinnitus hätten zugenommen, was am ehesten der erneut vorhandenen unfallunabhängigen Mittelohrproblematik zuzurechnen sei. Die Beschwerden können ggf. entweder durch eine suffiziente Hörgeräteanpassung oder wahrscheinlich auch durch einen operativen Eingriff verbessert werden
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 6. Mai 2013 hat der vom SG unmittelbar beauftragte Dr. B2 (der diese nunmehr ebenso unterschrieben hat wie mit Einverständnis "aufgrund Kenntnis der Akten und eigener Urteilsbildung" Dr. D.) bekräftigt, dass sowohl die Innenohrleistung des rechten Ohrs als auch der dortige Tinnitus sich auf dem Niveau vorbekannter Werte befänden, dass der Tinnitus messtechnisch sogar geringer als unmittelbar nach der Operation im Jahr 2004 sei. Wenn der Kläger den Tinnitus lauter wahrnehme, hänge dies am ehesten mit der gesteigerten Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen zusammen. Es sei allerdings möglich, dass eine psychische Komponente ursächlich in der Verstärkung der Subjektivität sei. Die erneut aufgetretene Schallleitungsminderung könne aus einer Vernarbungsreaktion oder einer Dislokation oder Malfunktion der Prothese im Mittelohr resultieren, sei jedoch keine Folge des Lärmereignisses, weil übermäßige Schalleinwirkungen nicht geeignet seien, Schallleitungsminderungen zu verursachen.
Das SG hat im Anschluss auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein psychiatrisches Gutachten von Dr. B1 vom 20. April 2014 eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers am 7. April 2014 erklärt hat, dass in diagnostischer Hinsicht von einer bis weit in die Jugend des Klägers zurückreichenden Depression auszugehen sei. Des Weiteren liege bei dem Kläger ein Tinnitus vor, welcher schon seit vielen Jahren bestehe, lange vor dem Feueralarmereignis im Juni 2010. Es werde davon ausgegangen, dass das Ereignis bei dem Kläger, bei fortbestehender Prädisposition zu Depressionen, im Rahmen einer Stresssituation zu einer sich anschließenden subjektiven Verstärkung des Tinnitus geführt haben könne, ohne dass sich dafür organische Korrelate finden ließen. Erschwerend kämen bei dem Kläger vorhandene Traumata in jungen Jahren und durch das Miterleben von Kriegsereignissen hinzu. Es sei aus psychiatrischer Sicht nicht möglich, dass Feueralarmereignis naturwissenschaftlich als Ursache für die von dem Kläger angegebene deutliche Verschlimmerung des Tinnitus anzugeben. Es sei davon auszugehen, dass das Unfallereignis als Stress über einen längeren Zeitraum aus psychiatrischer Sicht die bei dem Kläger anzutreffenden Gesundheitsstörungen deutlich verschlimmert habe, ohne jedoch einen ausschließlichen ursächlichen direkten Zusammenhang postulieren zu können.
Das SG hat die Klage nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6. November 2014 mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erwiesen sich als rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Es fehle bereits an dem Nachweis, dass es durch die äußere Einwirkung der Alarmsirene bei dem Kläger zu einem Gesundheitsschaden im Rahmen einer Hörminderung bzw. eines Tinnitus gekommen sei. Nachvollziehbar hätten sowohl der Gutachter Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. Juni 2011 als auch der im gerichtlichen Verfahren angehörte Sachverständige Dr. B2 in seinem Gutachten vom 31. Januar 2013 ausgeführt, dass es durch das Ereignis weder zu einer richtunggebenden Verschlimmerung (Dr. G.) noch im Vergleich zu früheren Befunden bezüglich einer Schalleitungsschwerhörigkeit und eines Tinnitus zu einem messbaren traumatischen Schaden gekommen sei (im Ergebnis Dr. B2). Selbst der von dem Kläger vorgeschlagene Gutachter Dr. B1 komme in seinem Gutachten vom 20. April 2014 – ohne dass es für die Entscheidung in der Sache darauf ankomme – zu dem Ergebnis, dass ein vom Kläger beschriebener Tinnitus bereits seit vielen Jahren bestehe. Aber auch unter Berücksichtigung der nach dem Unfall diagnostizierten Gesundheitsschäden, einer Hörminderung und eines Tinnitus, könnten diese nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ursächlich auf das Ereignis vom 11. Juli 2010 zurückgeführt werden. Die für einen Kausalzusammenhang sprechenden Umstände überwögen nicht. Gegen die Annahme eines Unfallzusammenhangs spreche vor allem, dass nach plausibler Aussage der zur Unfallkausalität angehörten Ärzte und Gutachter die Einwirkung eines Spitzenschalldruckpegels von 107,5 dB für 5 Sekunden von vornherein nicht geeignet sei, eine Hörschädigung an einem gesunden Ohr hervorzurufen. Zwar habe es sich bei dem rechten Ohr des Klägers nicht um ein gesundes Ohr gehandelt, denn ihm sei bereits vor dem Ereignis eine Hörprothese eingesetzt worden. Dennoch hätten die Gutachter keine Anhaltspunkte für eine unfallbedingte weitere oder verschlimmernde Schädigung des Hörvermögens festgestellt. Gegen einen Unfallzusammenhang spreche zudem, dass Dr. B2 plausibel erläutert habe, dass es im Falle eines angenommenen Lärmtraumas für gewöhnlich zu einer Schädigung insbesondere der hohen Frequenzen komme, welche bei dem Kläger jedoch am wenigsten beeinträchtigt seien. Auch habe Dr. B2, neben Dr. G., überzeugend dargestellt, dass bei dem Kläger bereits aus den Jahren 1997, 2003 und 2004 konstant eine kombinierte Schwerhörigkeit mit deutlicher Schallleitungskomponente als Zeichen einer Mittelohrproblematik hervorgehe, welche sich anlässlich des Feueralarmereignisses nicht in geänderter Form dargestellt habe, sodass dieses Ereignis als Grund für eine Schwerhörigkeit ausscheiden müsse. Darüber hinaus spreche gegen einen durch das Lärmereignis verursachten Tinnitus, dass die von Dr. B2 überprüften Werte keine Verschlimmerung gegenüber dem vor dem Ereignis bestehenden Tinnitus aufwiesen und messtechnisch sogar ein geringerer Tinnitus als unmittelbar nach der Operation habe nachgewiesen werden können. Aufschlussreich, aber für die vorliegende Entscheidung ohne Bedeutung sei die Mitteilung von Dr. B1 in seinem Gutachten, dass er von einer subjektiven – und damit objektiv nicht nachweisbaren – Verstärkung des Tinnitus ausgehe, welches aber seinen Ursprung überwiegend in der aufgrund früherer Traumata fortbestehenden Neigung des Klägers zu Depressionen habe. Das Feueralarmereignis möge Anlass für eine gesteigerte subjektive (psychische) Empfindlichkeit des Klägers gewesen sein. Jedoch komme diesem Ereignis aufgrund seiner Geringfügigkeit sowie der dagegen stehenden erheblichen Prädisposition des Klägers keine wesentliche Bedeutung für die subjektive Verstärkung seiner Leiden zu.
Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 18. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Dezember 2014 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Feststellungsbegehren weiter verfolgt und die Ansicht vertritt, dass der von ihm erlittene Unfall "zumindest subjektiv kausal" für den bestehenden unerträglichen Tinnitus sei. Bei dem Unfall sei zumindest ein "psychisch determinierter Schaden" entstanden, der eine erhebliche Verschlimmerung herbeigeführt habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. November 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2011 aufzuheben und festzustellen, dass er am 11. Juli 2010 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für richtig und nimmt auf deren Gründe Bezug.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. November 2017 und den weiteren Inhalt der Prozessakte sowie der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, st. Rspr. des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. nur Urteil vom 4. Dezember 2014 – B 2 U 10/13 R, BSGE 118, 1) zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in dessen Rechten. Der Kläger hat am 11. Juli 2010 keinen Arbeitsunfall erlitten. Es lässt sich kein durch das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich zumindest mitverursachter Gesundheitserstschaden feststellen.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; st.Rspr., vgl. nur BSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – B 2 U 10/13 R, a.a.O., m.w.N.); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern – vor allem – für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96,196, m.w.N.).
Für die Kausalitätsfeststellung zwischen den durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufenen Gesundheitserstschäden (haftungsbegründende Kausalität) und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, a.a.O., m.w.N.).
Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Versicherungsfalles basieren auf der im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach geht es auf einer ersten Stufe der Kausalitätsprüfung um die Frage, ob ein Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne vorliegt, d. h. ob eine objektive (Mit-)Verursachung zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R, SozR 4-2700, § 8 Nr. 44). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der möglicherweise aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, a.a.O.) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen (Mehrtens in Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., Stand: 3/2017, § 8 SGB VII Rn. 10 ff. m.N.). In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann durch Wertung nach Maßgabe des Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die wesentlich sind, weil sie rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, a.a.O; BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R, a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich vorliegend schon nicht im erforderlichen Vollbeweis feststellen, dass nach dem angeschuldigten Lärmereignis vom 11. Juli 2010 ein Gesundheitserstschaden eingetreten ist.
Die vom Kläger als Unfallfolgen angegebenen Gesundheitsstörungen in Form einer Hörminderung sowie eines Tinnitus lagen bereits vor dem 11. Juli 2010 vor. Aus den Unterlagen der den Kläger seit 1997 behandelnden HNO-Praxis ergibt sich nicht nur, dass seither eine Kombinationsschwerhörigkeit mit Hörproblemen und Tinnitus bestand, wegen derer im Jahr 2004 eine Otosklerose-Operation erfolgte, sondern auch, dass die Hörminderung und der Tinnitus – soweit objektivierbar – auch nach der Operation mindestens so deutlich ausgeprägt waren wie nach dem angeschuldigten Lärmereignis vom 11. Juli 2010, sodass auch ein Gesundheitserstschaden in Gestalt einer Verschlimmerung vorbestehender Leiden nicht zur vollen Überzeugung des Senats feststellbar ist. Die vom Kläger gegenüber den Sachverständigen angegebene deutliche Verschlimmerung der Symptomatik nach dem Feueralarm haben alle gehörten Sachverständigen in Übereinstimmung mit der behandelnden HNO-Praxis als subjektiv, von den objektiven Befunden abweichend eingeordnet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen der Dres. B2 und D. im Sachverständigengutachten vom 31. Januar 2013 trotz der fehlenden Unterschriften und des Umstandes, dass der eingesetzte Sachverständige Dr. D. den Kläger nicht selbst untersucht hat, uneingeschränkt verwertbar sind. Denn zum einen gilt dies nicht für deren von beiden unterschriebene ergänzende Stellungnahme vom 6. Mai 2013, mit der sie sich zumindest konkludent die Ausführungen in dem nicht unterschriebenen Gutachten zu eigen gemacht haben, wobei angesichts des Gegenstandes der Begutachtung eine persönliche Untersuchung durch den Sachverständigen nicht erforderlich gewesen sein dürfte, zum anderen geben die Dres. B2 und D. lediglich wieder, was sich auch ohne deren sachverständige Hilfe aus dem übrigen Akteninhalt, insbesondere aus dem Befundbericht der HNO-Praxis vom 26. April 2012, den vorgerichtlichen Stellungnahmen des Dr. G. und schließlich dem Gutachten des Dr. B1 ablesen ließe. Die von den gehörten Sachverständigen zu einem späteren Zeitpunkt festgestellte Mittelohrproblematik kommt schon aufgrund des späteren Zeitpunkts ihrer Feststellung nicht als Gesundheitserstschaden in Betracht und wäre im Übrigen – wie auch der von Dr. G. beschriebene Hörverlust in allen Frequenzbereichen – nach den schlüssigen Ausführungen der gehörten HNO-Sachverständigen nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit kausal auf ein Lärmtrauma zurückführbar, weil ein solches allenfalls zu einer Innenohrschädigung mit Beeinträchtigungen vor allem im hohen Frequenzbereich führen könnte (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, Abschnitte 7.3.2.1.1 und 7.3.3.2).
Soweit Dr. B1 in seinem Sachverständigengutachten ein posttraumatisches Stresssyndrom annimmt, das auf dem Boden der bis in die Jugend zurückreichenden Depression des Klägers – und ggf. einer posttraumatischen Belastungsstörung – zur subjektiven Verstärkung des Tinnitus geführt haben könnte, kann sich der Senat nicht von dessen Auftreten überzeugen. Die Ausführungen des Sachverständigen, der es aus psychiatrischer Sicht gleichzeitig als nicht möglich beschreibt, das Feueralarmereignis naturwissenschaftlich als Ursache für die angegebene deutliche Verschlimmerung des Tinnitus anzugeben, sind insoweit nicht schlüssig, als sie eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende Wahrscheinlichkeit unterstellen, wobei angesichts der schwammigen und wechselnden Formulierungen unklar bleibt, von welchem Grad der Wahrscheinlichkeit oder auch nur Möglichkeit Dr. B1 ausgeht. Dessen Ausführungen sind durch keinerlei zeitnah erhobene ärztliche Befunde untermauert, sondern beruhen lediglich auf seiner fast vier Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis erfolgten Untersuchung. Nach Aktenlage fällt demgegenüber auf, dass der Kläger sich erst vier Tage nach dem Feueralarm in HNO-ärztliche Behandlung begab und dass in dessen Erstbericht an die Beklagte ebenso wie in dem auch die Zeit danach betreffenden Befundbericht für das Gericht keine Hinweise auf eine psychische Gesundheitsstörung enthalten sind. Vielmehr wurde von Anfang an von einer Arbeitsfähigkeit des Klägers ausgegangen und erstmals zwei Monate später eine Arbeitsunfähigkeit wegen des Tinnitus angenommen. Aus dem Entlassungsbericht der psychosomatischen Reha-Klinik B. ergibt sich, dass der Kläger in den zwölf Monaten nach dem angeschuldigten Ereignis weniger als drei Monate arbeitsunfähig war. Damit fehlt es an zeitnahen Anknüpfungspunkten für eine erhebliche psychische Gesundheitsstörung, die als Gesundheitserstschaden nach dem Feueralarm in Betracht kommen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
Saved