L 2 R 122/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 20 R 861/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 122/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Oktober 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten jeweils selbst tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Nach einer Betriebsprüfung steht im Streit, ob der Beigeladene zu 1 in seiner Tätigkeit als Schiffsführer im Auftrag der Klägerin seit dem 30. März 2004 der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlag und deswegen für den Zeitraum zwischen dem 16. September 2005 und dem 31. Dezember 2008 Beiträge zu zahlen sind.

Die Klägerin ist eine eingetragene Genossenschaft, zu deren Gegenstand laut Handelsregister der Transport von Gütern aller Art auf deutschen und ausländischen Wasserstraßen gehört. Sie ist Eigentümerin des Tankmotorschiff (T.) S., das zwischen 1995 und 2012 von der Reederei B. als "Subunternehmer" eingesetzt wurde. Der am 6. November 1951 geborene Beigeladene zu 1 war kraft Bescheides der Beklagten vom 31. Oktober 2003 ab dem 29. April 2003 versicherungspflichtig auf Antrag (§ 4 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch [SGB VI]). Eine Bezeichnung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 enthielt der Bescheid nicht. Im zugrundeliegenden Antrag hatte sich der Beigeladene zu 1 als "Kapitän, Ablöser, Lotse (freiberuflich)" bezeichnet und erklärt, er führe Kapitänsvertretungen oder Lotsendienste auf Schiffen verschiedener Eigner in ganz Europa durch. Weiter hieß es im Bescheid, die Versicherungspflicht ende mit Ablauf des Tages, an dem ihre Voraussetzungen wegfielen.

In der Zeit vom 7. September 2009 bis zum 18. August 2010 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008 durch. Sie stellte hierbei fest, dass der Beigeladene zu 1 für die Klägerin wie folgt als Kapitän bzw. Ablöser tätig gewesen war: - Zwischen dem 16. September 2005 und dem 28. Oktober 2005 drei Fahrten (zu 6, 11 und 5 Tagen) mit einem Entgelt von 4.180 Euro (abzüglich Fahrkosten und Umsatzsteuer), außerdem eine Sonderzuwendung im Dezember 2005 in Höhe von 500 Euro, - Im Jahr 2006 insgesamt 12 Fahrten, die zwischen einem und 16 Tagen dauerten (im Durchschnitt 8,92 Tage) mit einem Entgelt von 20.990 Euro sowie einer im Dezember gezahlten Sondervergütung von 1000 Euro, - Im Jahr 2007 insgesamt 11 Fahrten zwischen 2 und 22 Tagen (im Durchschnitt 8,36 Tage) zu einem Entgelt von 18.800 Euro sowie einer im Dezember gezahlten Sondervergütung von 1000 Euro, - Im Jahr 2008 insgesamt 10 Fahrten zwischen einem und 21 Tagen (im Durchschnitt 9,1 Tage) zu einem Entgelt von 18.200 Euro sowie einer im Dezember gezahlten Sondervergütung von 1000 Euro. Die Rechnungen des Beigeladenen zu 1 an die Klägerin wiesen hierbei einen Tagessatz (von zunächst 190 Euro, später 200 Euro) auf, hinzu kamen ggf. Feiertagszuschläge, Umsatzsteuer und Fahrkosten.

Die Klägerin gab an, Regelungen über feste Arbeitszeiten habe es nicht gegeben. Umfang und Dauer der Aufträge hätten sich nach der Ladung, den Erfordernissen des Verladers sowie der Befahrbarkeit der Binnenschifffahrtswege gerichtet. Dementsprechend sei der Zeitrahmen bestimmt worden. Die Beauftragung der Schiffsführer sei von der Auftragslage der Klägerin abhängig gewesen. Außerdem habe es der Klägerin freigestanden, auch andere Schiffsführer zu beauftragen. Die Tagessätze würden durch die Auftragnehmer nach dem Kriterium der Branchenüblichkeit festgesetzt, wobei die Klägerin die Möglichkeit habe, die Sätze zu akzeptieren oder darüber zu verhandeln. Neben dem Kapitän sei auf der T. S. ein bei der Klägerin fest angestellter Matrose gefahren.

Der Beigeladene zu 1 gab an, er habe kein Gewerbe angemeldet, sondern sei freiberuflich tätig. Über Geschäftsräume verfüge er nicht, er beschäftige auch keine Mitarbeiter. Arbeitsbedingungen und Arbeitszeit seien nicht schriftlich vereinbart worden. Er habe selbst Werbung für seine Tätigkeit betrieben. Eine Kontrolle seiner Arbeit durch die Klägerin sei nicht erfolgt. Er könne nicht sagen, ob fest angestellte Mitarbeiter der Klägerin die gleichen Arbeiten ausführten wie er. Als Kapitän sei er verpflichtet gewesen, die ihm obliegenden Arbeiten persönlich auszuführen. Die Frage, ob er eigenes Personal beschäftigen dürfe, stelle sich bei ihm nicht, da er kein eigenes Personal beschäftige. Eigenes Kapital einsetzen oder sonstige Sicherheiten habe er nicht stellen müssen. Er habe die Übernahme von Aufträgen auch ablehnen können. Er habe konkrete Kalkulationsangebote in Konkurrenz zu anderen Auftragnehmern abgegeben. Die Preise habe er "auf den Rechnungen" selbst gestalten können. Auf die Frage, ob er gegenüber dem Auftraggeber für Schäden und Schlechtleistungen hafte, erklärte der Beigeladene zu 1 "gar nicht, sonst habe ich Haftpflicht und Rechtsschutzversicherung". Unfallversichert bei einer Berufsgenossenschaft sei er als Freiberufler nicht. Er habe ein Bordbuch führen und die Fahrzeiten entsprechend gesetzlicher Vorgaben einhalten müssen. Liefertermine habe nicht die Klägerin, sondern der Befrachter bestimmt. Sein Dienst habe am vereinbarten Tag begonnen und jeweils wie abgesprochen geendet. Auf dem Schiff sei auch Personal der Klägerin eingesetzt gewesen, da ein Einmannbordbetrieb nicht möglich sei. Er sei im Übrigen auch für zahlreiche andere Kunden tätig, was bereits gegen eine abhängige Beschäftigung spreche.

Im Anhörungsverfahren führte die Klägerin, die die Auffassung vertrat, es habe sich nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt, hierzu aus, die Schiffsführer seien auch für eine Reihe anderer Auftraggeber tätig gewesen. Auch der Beigeladene zu 1 äußerte im Anhörungsverfahren die Auffassung, er sei nicht abhängig beschäftigt gewesen. Er sei für mehrere Kunden entsprechend von deren Auftragslage tätig. Er selbst betreibe Werbung durch einen Eintrag im Schifffahrts-Telefon-Adressbuch, Visitenkarten, Firmenstempel und durch das Verteilen bedruckter Kugelschreiber. Weitere Werbemaßnahmen seien wegen der hohen Nachfrage nach seiner Tätigkeit nicht erforderlich.

Mit Bescheid vom 8. September 2010 forderte die Beklagte von der Klägerin Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 81.746,13 Euro nach, wovon 21.018,80 Euro auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 entfielen. Der Beigeladene zu 1 habe in seiner Tätigkeit als Schiffsführer in der Binnenschifffahrt in einem dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Er habe ab dem 30. März 2004 der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen, in der Zeit vom 16. September 2005 bis zum 31. Dezember 2008 auch der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung. Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände überwögen die Merkmale, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen. Die Arbeitszeit sei von der Klägerin vorgegeben worden und habe je nach Art des Einsatzes zwischen 5 und 34 Tagen gelegen. Dass die Klägerin in diesem Zusammenhang die Vorgaben seitens Dritter zu beachten gehabt habe, sei ohne Bedeutung. Eine Veränderung der Arbeitszeit sei wegen vorgebebener Liefertermine nicht möglich gewesen. Arbeitsort sei stets das Schiff der Klägerin gewesen, so dass eine freie Wahl des Arbeitsortes nicht gegeben gewesen sei. In die Arbeitsorganisation der Klägerin seien die Schiffsführer eingegliedert gewesen, da sie nicht in der Lage gewesen seien, den Auftrag ohne weiteres, von der Klägerin gestelltes Personal auszuführen. Auch ein unternehmerisches Risiko sei nicht erkennbar. Das Schiff werde von der Klägerin zu Verfügung gestellt. Eigenes Kapital oder eigene Betriebsmittel hätten die Schiffsführer nicht eingesetzt. Sie seien nicht erfolgsabhängig bezahlt worden. Den Werbemaßnahmen seitens des Beigeladenen zu 1 komme hier keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Für eine selbstständige Tätigkeit sprächen eine fehlende Vereinbarung zu Urlaubsansprüchen sowie der Umstand, dass der Beigeladene zu 1 für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sei. Diese Indizien seien jedoch von untergeordneter Bedeutung.

Gegen diesen Bescheid legten zunächst der Beigeladene zu 1 (am 27. September 2010) und später auch die Klägerin (am 8. Oktober 2010) Widerspruch ein. Die Klägerin führte aus, es habe keine detaillierten Weisungen gegeben, die Schiffsführer hätten über weitreichende Gestaltungsfreiräume verfügt. Sie seien für Ausfallzeiträume nicht abgesichert gewesen (und hätten auch keine Urlaubsansprüche gehabt) und hätten eigenständig Aufträge akquirieren müssen, u.a. durch Werbemaßnahmen. Sie seien für eine Vielzahl von Auftraggebern tätig gewesen, jeweils jedoch nur in einem eng begrenzten Zeitraum.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2011 zurück: Die Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Ausführung der Arbeit könne auf ein äußerst geringes Maß reduziert sein und bei Diensten höherer Art auch ganz fehlen. Die Dienste eines Schiffsführers seien schon angesichts der erforderlichen Qualifikation und dem Maß an Verantwortung als höhere Dienste anzusehen. Die Schiffsführer seien jedoch in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden gewesen, denn ohne das Personal der Klägerin hätten sie ihre Aufgaben nicht erfüllen können. Gegen Selbstständigkeit spreche indes, dass sie nicht eigene Schiffe oder sonst eigenes Kapital oder Personal eingesetzt hätten. Als Arbeitsort sei vielmehr ein Schiff der Klägerin festgelegt worden. Das Risiko, keine Folgeaufträge mehr zu erhalten, sei mit dem Risiko eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers vergleichbar. Verschiedene Auftraggeber seien ein – wenn auch nur schwaches – Indiz für Selbstständigkeit, das im Rahmen der Gesamtwürdigung zurückträte. Dasselbe gelte im Ergebnis für das Fehlen arbeitnehmertypischer Rechte wie bezahltem Urlaub.

Die Klägerin hat am 20. Mai 2011 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Das Sozialgericht hat von dem zunächst allein unter dem Aktenzeichen S 20 R 518/11 geführten Verfahren das Verfahren betreffend den Beigeladenen zu 1 abgetrennt (neues Az. S 20 R 861/11).

Die Klägerin hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten und ausgeführt, von einem festen Liefertermin und damit einer Festlegung der Arbeitszeit könne schon deswegen nicht gesprochen werden, weil sich in der Binnenschifffahrt feste Liefertermine häufig nicht vereinbaren ließen. Wegen der Abhängigkeit von Wasser- und Pegelständen sowie von den Witterungsverhältnissen sei die Binnenschifffahrt nur zum Transport solcher Güter geeignet, bei denen es nicht auf einen exakt fixierten Liefertermin ankomme. Somit stünden Beginn, Ende und Dauer der Tätigkeit gerade nicht von vornherein fest. Weiterhin unterlägen auch unstreitig selbstständige Binnenschiffer den Weisungen der Verlader (wie dies auch in anderen Branchen, etwa für Fuhr-, Taxi- und Kurierunternehmen gölte), weswegen diese Weisungsunterworfenheit kein taugliches Kriterium darstelle. Weiterhin sei der Beigeladene zu 1 im streitigen Zeitraum in wesentlichem Umfang auch für andere Auftraggeber tätig gewesen. Er habe insgesamt 113 Aufträge für insgesamt 25 verschiedene Auftraggeber ausgeführt. Die Führung eines Bordbuchs entspreche gesetzlichen Vorgaben und sei kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Dass die Schiffsführer auf fremden Schiffen eingesetzt würden, ändere nichts daran, dass sie ein unternehmerisches Risiko trügen, denn auch See- bzw. Hafenlotsen übten ihre (freiberufliche) Tätigkeit auf fremden Schiffen aus. Auch andere eindeutig selbstständige Berufsgruppen (wie etwa Rechtsanwälte) erhielten erfolgsunabhängige Vergütungen, so dass derlei nicht ausschlaggebend sein könne.

Der Beigeladene zu 1 ist bei seiner Rechtsauffassung geblieben. Auch die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 25. Juni 2015 hat der Beigeladene zu 1 erklärt, die T. S. sei von der Reederei D. befrachtet worden. Er selbst sei angerufen worden, wenn bei der Klägerin Bedarf bestanden habe. Er habe aber aus steuerlichen Gründen nicht alle Aufträge angenommen. Durchschnittlich sei er an ungefähr 120 Tagen im Jahr gefahren. Vor seinem ersten Auftrag bei der Klägerin habe er dort seinen damaligen Tagessatz von 190 Euro angegeben. Weiter habe er mit der Klägerin nichts zu tun gehabt, sondern nur mit der Reederei D. als Befrachter.

Die Beteiligten haben zunächst in der mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2015 erklärt, sie schlössen einen "Vergleich", in dem sich die Beklagte zur Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verpflichte. Die Beklagte hat sich den Rücktritt vom Vermerk binnen eines Monats nach Zustellung der Niederschrift vorbehalten. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2015 (eingegangen bei Gericht am 16. Juli 2015) hat die Beklagte ihren Rücktritt erklärt.

Das Sozialgericht hat sodann durch Gerichtsbescheid vom 19. Oktober 2015 (der Beklagten zugestellt am 23. Oktober 2015) den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2011 aufgehoben. Die Beklagte sei zu Unrecht vom Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und somit von der Beitragspflicht ausgegangen. Der Beigeladene zu 1 habe nicht in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 Sozialgesetzbuch – Viertes Buch (SGB IV) gestanden. Es überwögen deutlich die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte. Der Beigeladene sei weder weisungsgebunden noch in einen vorgegebenen Arbeitsprozess eingegliedert gewesen. Er sei alleinverantwortlich für die Sicherheit des Schiffes und die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gewesen. Für Weisungen seitens der Klägerin habe daher ohnehin nur beschränkt Raum bestanden. Der Beigeladene habe auch selbst entscheiden können, ob er eine Fahrt annehme und in welcher Weise er sie durchführe. Vorgaben hinsichtlich der Liefertermine habe es nur von Seiten des Befrachters gegeben, nicht aber von der Klägerin, die als bloße Schiffseignerin weder die Bewirtschaftung noch die Disposition und Befrachtung des Schiffs erledigt habe. Es habe auch keine Berichtspflicht gegenüber der Klägerin bestanden. Die Eintragungen in das Bordbuch seien aufgrund gesetzlicher Vorschriften erfolgt. Schließlich sei der Beigeladene zu 1 nach Außen als Selbstständiger und nicht als Beschäftigter der Klägerin aufgetreten, wie seine umfänglichen Werbemaßnahmen und auch der Abschluss entsprechender Versicherungen belegten.

Insgesamt seien die Grundsätze, die das Bundessozialgericht (BSG) in seiner "Freelancer-Entscheidung" (Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R) aufgestellt habe, auch auf den vorliegenden Fall übertragbar, obwohl es sich im vorliegenden Fall nicht um nebenberufliche Tätigkeiten gehandelt habe. Für eine abhängige Beschäftigung spreche, dass der Beigeladene auf ein von der Klägerin gestelltes Fahrzeug angewiesen gewesen und von einem bei der Klägerin beschäftigten Matrosen begleitet worden sei. Dies trete jedoch in der Gesamtwürdigung zurück.

Angesichts all dessen komme es auch nicht mehr darauf an, dass sich die Beklagte nicht mit ihrem eigenen Bescheid vom 30. Oktober 2003 auseinandergesetzt habe, in dem sie die Eigenschaft des Beigeladenen zu 1 als selbstständig Tätigem bestandskräftig festgestellt habe.

Die Beklagte hat am 13. November 2015 Berufung eingelegt. Sie führt aus, der Beigeladene zu 1 habe ohne eigenes Schiff kein Unternehmerrisiko getragen und sei auf die Zusammenarbeit mit dem bei der Klägerin angestellten Personal angewiesen gewesen. Die Arbeit eines Schiffsführers könne vom Zuschnitt seiner Aufgaben her sowohl im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung als auch einer selbstständigen Tätigkeit verrichtet werden. Letzteres erfordere jedoch, dass sie neben den Aufgaben eines Schiffsführers auch betriebswirtschaftliche Aufgaben wie die Entscheidung über Investitionen, den Abschluss von Transportverträgen oder die Einstellung und Entlohnung von Mitarbeitern wahrnähmen und ein eigenes wirtschaftliches Risiko trügen.

Der Beigeladene zu 1 habe für die Klägerin Güter- und Leertransporte nach den von ihr vorgegebenen Fahrplänen bwz. –routen durchgeführt. Damit seien Art, Ort und zeitlicher Umfang der Tätigkeit vorgegeben gewesen. Weiterhin habe der Beigeladene zu 1 mit dem von der Klägerin beschäftigten Personal (Matrosen) im Team arbeiten und die fachlichen und organisatorischen Weisungen der Klägerin beachten müssen. Dass es dem Beigeladenen zu 1 freigestanden habe, Aufträge abzulehnen, spreche nicht zwingend gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse seien Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überließen, ob er im Anforderungsfall tätig werden wolle oder ob er ein konkretes Arbeitsangebot ablehne (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Januar 2012 – L 11 R 1380/10). Auch das BSG habe das Recht, Aufträge abzulehnen, nicht als Indiz einer selbstständigen Tätigkeit angesehen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/09 R). Der Beigeladene zu 1 habe auch nicht etwa eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr eines Verlusts eingesetzt, sondern vielmehr ohne eigenen Ressourceneinsatz eine vorab ausgehandelte Tagespauschale erhalten. Eine fehlende vertragliche Regelung betreffend einen Urlaubsanspruch und eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall indizierten für sich betrachtet keine selbstständige Tätigkeit. In einem als abhängige Beschäftigung zu qualifizierenden Verhältnis ergäben sich derartige Ansprüche kraft gesetzlicher Regelungen. Somit laufe es auf einen Zirkelschluss hinaus, aus ihrem Fehlen auf eine Selbstständigkeit zu schließen. Unerheblich sei, ob der Beigeladene zu 1 ein Gewerbe angemeldet und wie er seine Einkünfte versteuert habe. Schließlich stehe auch der Bescheid vom 30. November 2003 den vorliegend angefochtenen Entscheidungen nicht entgegen. Er sei aufgrund der Angaben des Beigeladenen zu 1 ergangen, seit Mai 2003 auf Schiffen unterschiedlicher Eigner als Kapitän, Ablöser und Lotse in ganz Europa tätig gewesen zu sein. Zum konkret streitigen Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 habe der Bescheid keine Regelung getroffen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene zu 1 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Der Beigeladene zu 1 sei nicht weisungsgebunden gewesen und auch nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen, denn er habe seine Tätigkeit nicht in deren Geschäftsräumen ausgeübt, sondern auf der T. S ... Seine Aufträge habe er nicht von der Klägerin erhalten, sondern von der Rederei B., die Touren auch für andere Schiffseigner vermittele und in diesem Zusammenhang auch die T. S. bewirtschaftet habe. Sie habe neben der Beauftragung des Kapitäns auch die Disposition und Befrachtung des Schiffs und das technische Controlling erledigt.

Der Beigeladene zu 1 habe auch keinem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer der einzelnen Einsätze unterlegen. Die – obendrein durch die Reederei D. erfolgten – Vorgabe des Abgangs- und des Zielhafens sowie der zu transportierenden Güter seien lediglich Eckpunkte gewesen, die auch durch witterungsbedingte Umstände sowie durch den Wasserstand beeinflusst worden seien. Der Beigeladene zu 1 sei gegenüber der Klägerin auch nicht berichtspflichtig gewesen. Er habe auch über seine Arbeitskraft frei verfügen können, wie der Umstand zeige, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum für fünfzehn weitere Auftraggeber tätig gewesen sei. Weiterhin habe kein Dauerrechtsverhältnis bestanden, weswegen der Beigeladene zu 1 um weitere Aufträge habe werben müssen (Eintragung ins Schifffahrtstelefonadressenbuch, Visitenkarten und Werbepräsente in Form bedruckter Kugelschreiber). Hierbei spreche das Fehlen eines Rahmenvertrages gerade gegen eine abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1 habe seine Dienste gegenüber verschiedenen Schiffseigener nicht nur als Kapitän, sondern auch als Lotse angeboten.

Sein unternehmerisches Risiko habe darin gelegen, durch Ausbleiben weiterer Aufträge Verdienstausfälle zu erleiden. Auch habe ihm – ebenso wie einem Piloten – der Verfall seines Kapitänspatents gedroht. Diesen Risiken habe auch eine größere Unabhängigkeit bei der Bestimmung des Umfangs der Tätigkeit gegenübergestanden. Ein Dauerrechtsverhältnis habe nicht bestanden, vielmehr habe es jeweils eines individuellen Auftrags bedurft. Insbesondere habe der Beigeladene zu 1 Aufträge folgenlos ablehnen dürfen. Zu diesem unternehmerischen Risiko passten auch die Werbemaßnahmen sowie der Umstand, dass der Beigeladene seine Dienste nicht nur als Kapitän, sondern auch als Lotse angeboten habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten komme auch dem Fehlen vertraglicher Regelung zu einem Urlaubsanspruch und zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhebliche Bedeutung zu (Hinweis auf BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R, Rn. 30).

Es sei auch zu betonen, dass Lotsen freiberuflich tätig seien.

Schließlich stehe den angefochtenen Bescheiden auch der Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2003 entgegen, denn die vorliegend im Streit stehende Tätigkeit habe genau der vom Beigeladenen zu 1 damals beschriebenen Tätigkeit (Kapitän, Ablöser und Lotse auf Schiffen verschiedener Eigner) entsprochen.

Auch der Beigeladene zu 1 verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche bereits, dass eine Möglichkeit der arbeitsrechtlichen Kündigung ihm gegenüber nicht bestanden habe und dass für Streitigkeiten zwischen ihm und der Klägerin nicht die Arbeitsgerichte zuständig gewesen wären. Auch ein Kapitän ohne eigenes Schiff könne selbstständig sein. Andernfalls wären alle, die mit nicht ihnen gehörenden Produktionsmittel arbeiteten, abhängig beschäftigt. Es unterstreiche die Selbstständigkeit des Beigeladenen zu 1, dass die Klägerin ihm das Schiff zur Verfügung gestellt habe, während er selbst entschieden habe, wann er wohin fahre. Dass der Kläger seine Aufträge mündlich erhalten habe, spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung. Im Übrigen spreche schon die Wortwahl ("Auftrag") gegen eine abhängige Beschäftigung, innerhalb derer Weisungen und keine Aufträge erteilt würden. Das unternehmerische Risiko des Beigeladenen zu 1 habe darin gelegen, keine weiteren Aufträge mehr zu erhalten und sich auch anderweitig nicht als Kapitän verdingen zu können.

Im Übrigen hat der Beigeladene zu 1 seine Ausführung dahingehend ergänzt, dass auf einem Binnenschiffer immer mindestens 2 Personen anwesend sein müssten, um bis zu 14 Stunden fahren. Ansonsten habe eine Wechselbesatzung an Bord sein müssen. Auch die Matrosen seien nicht alle fest angestellt, es gebe auch freiberufliche Matrosen. Es sei seine Sache gewesen, wie ich die Fahrt gestaltetet habe. Dies sei zum Beispiel von Pegelständen abhängig gewesen. Einfluss auf die Ladung habe er nicht gehabt. Bei einem Tankschiff habe er auch nicht noch andere Ladung aufnehmen können. Die Aufwendungen, die zur Erhaltung seiner beruflichen Qualifikationen notwendig gewesen seien, habe er selber tragen müssen. Dazu hätten zum Beispiel Kosten für Lehrgänge (Gefahrgut, Tauglichkeitsuntersuchung) gehört.

Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich im Berufungsverfahren nicht näher geäußert.

Auf Nachfrage des Senats haben sich die Klägerin sowie die Reederei B. näher zum Prozedere der Auftragserteilung und –abwicklung geäußert. Die Klägerin hat erklärt, für die Disposition der Fahrten und auch für die Beauftragung der selbstständigen Kapitäne sei der – inzwischen verstorbene – Prokurist der Klägerin zuständig gewesen. Er habe mit den Kapitänen die Einzelheiten der Fahrt vereinbart und diesen als Ansprechpartner bei der Vertragsabwicklung zur Verfügung gestanden. Schifffahrtsbedingte Probleme hätten die Kapitäne eigenständig lösen müssen. Hierfür habe kein Ansprechpartner zur Verfügung gestanden. Habe einer der beauftragten Kapitäne eine Fahrt nicht durchführen können, so habe die Klägerin einen Ersatzschiffsführer beauftragt. Zu einem Haftungsfall sei es zu keinem Zeitpunkt gekommen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen hätte die Klägerin indes die Möglichkeit gehabt, einen Kapitän nach Maßgabe der §§ 280 ff, 675 Bürgerliches Gesetzbuch in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin habe die Vergütung für die Fahrten abgerechnet und an die Kapitäne ausgezahlt. Sie habe auch die Liege- und Schleusegebühren sowie alle weiteren Kosten der Fahrt getragen. Die Reederei B. hat die Fragen des Senats dahingehend beantwortet, die Entscheidung, ob eine Fahrt mit der T. S. durchgeführt worden sei, habe der Klägerin oblegen. Wem die Auswahl des Kapitäns oblegen habe, entziehe sich ihrer Kenntnis und sei für sie nicht relevant gewesen. Die im Zusammenhang mit der Fahrt anfallenden Gebühren und auch die sonstigen Kosten der Fahrt seien durch die gezahlte Fracht abgegolten worden. Alle übrigen Fragen könne sie aus ihrer Kenntnis nicht beantworten.

Der Senat hat die Berufung am 22. Februar 2017 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG). Sie ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Beigeladene zu 1 unterlag in seiner Tätigkeit als Kapitän/Ablöser der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung.

Zunächst kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die Bindungswirkung des Bescheides der Beklagten vom 31. Oktober 2003 berufen. Die eintretende Versicherungspflicht als Beschäftigter (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) hat Vorrang gegenüber der kraft Bescheides eintretenden Versicherungspflicht auf Antrag (so Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, BT-Drs. 11/4124 S. 148). Da die Versicherungspflicht als Beschäftigter in der Regel durch Aufnahme der Beschäftigung kraft Gesetzes eintritt (Vor in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 1 SGB VI Rn. 22 und 24 m.w.N.) und daher unabhängig von einer bestehenden Bescheidungslage ist, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 2 SGB VI, dass die Versicherungspflicht auf Antrag mit Ablauf des Tages endet, an dem die Voraussetzungen der Versicherungspflicht weggefallen sind. Eine Sichtweise, nach der der Eintritt einer nach § 1 SGB VI bestehenden Versicherungspflicht solange suspendiert wäre, bis ein entgegenstehender Bescheid nach § 4 SGB VI aufgehoben wird, kollidiert mit der gesetzgeberischen Konzeption der Versicherungspflicht nach § 1 SGB VI als Regelfall. Es kommt hinzu, dass sich dem Bescheid vom 31. Oktober 2003 auch keinerlei Regelungswirkung dahingehend entnehmen lässt, der Beigeladene zu 1 sei hinsichtlich seiner gesamten Tätigkeit als selbstständig anzusehen. Der Bescheid, der keinerlei Beschreibung der fraglichen Tätigkeit enthält, betrifft zunächst ausschließlich den Rechtskreis der gesetzlichen Rentenversicherung und ordnet dort Versicherungspflicht (mit ihren kraft Gesetzes eintretenden Auswirkungen) an. Das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit gehört jedenfalls nicht zu den in diesem Bescheid getroffenen Regelungen, sondern allein zu den nicht an der Bestandskraft teilhabenden Begründungselementen. Wie sich die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Klägerin auf den Bestand einer möglicherweise aus anderen Tätigkeiten resultierenden Versicherungspflicht auf Antrag auswirkt, ist vorliegend nicht zu entscheiden.

Die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 ergab sich daraus, dass er in einem Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand. Dieses Beschäftigungsverhältnis begründete Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch und dementsprechend in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Elftes Buch, in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch (SGB III) sowie in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.

Das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 war als Beschäftigung im Sinne der genannten Vorschriften zu qualifizieren. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Zentrales Kriterium für das Vorliegen einer Beschäftigung ist die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber (aus neuerer Zeit BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21 = juris, Rn. 13 f. sowie aus der Rspr. des Senats etwa Urteil vom 20. April 2014 – L 2 AL 14/14, und Urteil vom 4. Dezember 2013 – L 2 R 116/12, juris, Rn. 28 m.w.N.). Das Bundessozialgericht (a.a.O.) führt hierzu zusammenfassend aus:

"Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN)."

Im vorliegenden Fall präsentiert sich das Gesamtbild der Arbeitsleistung als das einer abhängigen Beschäftigung. Was die konkrete Vertragsgestaltung angeht, so erlaubt diese keine Zuordnung zu einem juristischen Typus (zur Möglichkeit eines solchen Offenlassens vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R, juris, Rn. 18). Den jeweils nur mündlich geschlossenen Verträgen ließ sich im Einzelfall lediglich entnehmen, dass der Beigeladene zu 1 ein bestimmtes Schiff von einem bestimmten Ausgangshafen zu einem bestimmten Zielhafen zu führen und dabei ggf. eine bestimmte Ladung zu transportieren hatte. Zwar mag aus dem Fehlen typisch arbeitsvertraglicher Regelungen der Schluss gezogen werden, die Vertragspartner hätten gerade kein Beschäftigungsverhältnis begründen wollen (zur Relevanz dieses Gesichtspunkt vgl. allerdings Senatsurteil vom 19. Februar 2014 – L 2 R 158/11, juris, Rn. 47). Andererseits ist zu beachten, dass die Tätigkeit eines Schiffsführers nicht typischerweise den freien Berufen zugeordnet ist. So erklärte bereits § 3 Abs. 1 Nr. 7 des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die Schiffsführer zu Angestellten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG und begründete ihre Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Beigeladene zu 1 unterlag dem Weisungsrecht der Klägerin jedenfalls soweit dies für seine dienende Teilhabe am Arbeitsprozess erforderlich war. Er war auch in hinreichendem Maße in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb voraus, dass der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (zuletzt BSG, Urteil vom 29. Juni 2016 – B 12 R 5/14 R, juris, Rn. 33).

Im vorliegenden Fall muss hierbei berücksichtigt werden, dass es in der Natur der Tätigkeit eines Schiffsführers liegt, das Schiff eigenständig zu führen und nicht wegen spezifisch nautischer Entscheidungen eine Weisung einzuholen. Hieraus allein lässt sich jedoch Weisungsfreiheit nicht ableiten. Vielmehr ist ein Vergleich insbesondere mit dem Leitbild des selbstständigen Frachtführers (§§ 407 ff. Handelsgesetzbuch ([HGB]) geboten (ähnlich auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2016 – L 8 R 1024/14, juris, Rn. 59 ff.). Insoweit ist allerdings die Rechtsprechung des BSG zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von Transportfahrern auch auf Schiffsführer übertragbar. Das BSG hat bereits entschieden, dass Transportfahrer jedenfalls dann sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte einzuordnen sein, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden und sehr weitreichenden gesetzlichen Bindungen (insbesondere die Weisungsunterworfenheit hinsichtlich Frachtgut, Empfänger und Lieferfrist, vgl. die §§ 407, 418, 423 HGB) beschränken, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen (BSG, Urteil vom 11. März 2009 – B 12 KR 21/07 R, juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 – B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 = juris, Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 19. August 2003 – B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 1 = juris, Rn. 30).

Bei diesem Vergleich zeigen sich allerdings erhebliche Unterschiede. So war der Beigeladene zu 1 nicht nur hinsichtlich der Fahrtroute Vorgaben seitens der Klägerin unterworfen, sondern auch – und dies unterscheidet ihn vom Frachtführer – hinsichtlich des verwendeten Fahrzeugs (auf diesen Aspekt abstellend auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2016 – L 8 R 1024/14, juris, Rn. 60) und des zu dessen Bedienung herangezogenen Personals. Zum Betrieb einer Gesellschaft, deren Gegenstand der Transport von Gütern auf Wasserstraßen ist, zählen nicht nur und nicht vornehmlich deren Büroräume, sondern in erster Linie die verwendeten Schiffe, denn nur durch deren Einsatz kommt es insoweit zu einer Wertschöpfung. Die Anwesenheit des Beigeladenen zu 1 an Bord war indes zur Verrichtung seiner Tätigkeit als Schiffsführer zwingend erforderlich, denn nach § 1.02 Nr. 4 der Binnenschifffahrtsstraßen-Ordnung muss der Schiffsführer während der Fahrt an Bord sein. Insbesondere lässt sich nicht davon sprechen, die Klägerin habe dem Beigeladenen zu 1 das Schiff dem Schiffsführer zur Verfügung gestellt. Vielmehr war er auf die Bereitstellung eines Schiffes angewiesen, wollte er seinen Vertrag erfüllen. Eine Verfügungsmacht dergestalt, dass der Schiffsführer berechtigt gewesen wäre, eigenmächtig die Fahrtroute zu ändern und etwa auf eigene Rechnung zusätzliche Fracht an Bord zu nehmen (das heißt nicht nur schifffahrtsbezogene, sondern unternehmerische Entscheidungen zu treffen), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Hinzu kommt, dass der Beigeladene zu 1 seine Aufgabe nur unter Zuhilfenahme von zusätzlichem Personal bewältigen konnte, das ihm seitens der Klägerin gestellt wurde. Mangels eines Vertrages zwischen ihm und dem bei der Klägerin beschäftigten Matrosen war er hierbei darauf angewiesen, dass die Klägerin ihm insoweit das arbeitgeberliche Direktionsrecht über den Matrosen übertrug. Diese teilweise Übertragung machte ihn insoweit zu einem Teil der Betriebsorganisation der Klägerin.

Was die Möglichkeit einer Übertragung des Auftrags auf einen vom Beigeladenen zu 1 ausgesuchten und beauftragten Subunternehmer angeht, so lässt sich eine solche rechtliche Möglichkeit mangels einer schriftlichen Abrede nicht positiv feststellen. Die Angabe der Klägerin, bei Verhinderung des ursprünglich beauftragten Kapitäns habe sie selbst einen Ersatzschiffsführer beauftragt, spricht jedenfalls dagegen, dass sie dem jeweiligen Schiffsführer eine derartige Möglichkeit einräumen wollte. Dasselbe gilt für die Angaben des Beigeladenen zu 1 im vorgerichtlichen Verfahren. Hierzu passt es, dass das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien offenbar auf großem Vertrauen in die Person des jeweils anderen beruhte, denn warum sonst hätte die Klägerin dem Beigeladenen in einer Vielzahl von Fällen Güter von erheblichem Wert anvertraut, ohne über einen auch nur den simpelsten Dokumentationszwecken genügenden schriftlichen Vertrag zu verfügen. Ein solches persönliches Vertrauensverhältnis steht allerdings einer einseitigen Übertragung der Vertragserfüllung auf einen Dritten entgegen. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kreis potentieller "Subunternehmer" des Beigeladenen zu 1 ohnehin überschaubar gewesen wäre. In Betracht gekommen wären nur Inhaber einer entsprechenden Fahrerlaubnis nach § 7 der Binnenschifferpatentverordnung (BinSchPatentV, vom 15. Dezember 1997 [BGBl. I S. 3066], zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2016 [BGBl. I S. 2948]) sowie ggf. eines nach Maßgabe von § 9 BinSchPatentV erforderlichen Streckenzeugnisses.

Dieses Weisungsrecht oblag auch der Klägerin und nicht etwa der Reederei D ... Hierbei soll nicht verkannt werden, dass die Angaben der Klägerin, des Beigeladenen zu 1 und der Reederei D. nicht völlig kongruent sind. Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin der Reederei D. das Schiff dergestalt zur Verfügung gestellt hätte, dass die Reederei es auf eigene Rechnung als Teil ihres eigenen Betriebs eingesetzt hätte. Insbesondere trug die Klägerin die Kosten der Fahrt einschließlich der Vergütung der Schiffsführer. Eine teilweise Übertragung des Weisungsrechts auf die Reederei war unschädlich, denn der Arbeitgeber kann das Weisungsrecht hinsichtlich einzelner Arbeitsaufträge auf Dritte übertragen, ohne sein grundsätzliches und vor allem übergeordnetes Weisungsrecht dadurch einzubüßen.

Nennenswerte unternehmerische Freiheiten und damit korrespondierend ein nennenswertes unternehmerisches Risiko des Schiffsführers lassen sich nicht feststellen. Unternehmerische Freiheiten liegen in der Möglichkeit, genuin unternehmerische Entscheidungen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung zu treffen. Ein unternehmerisches Risiko liegt vor, wenn eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R, juris, Rn. 27). Es geht über die Gefahr, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen, hinaus (aus neuerer Zeit etwa Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 7. Juli 2016 – L 8 KR 297/15, juris, Rn. 44). Ein echtes Unternehmerrisiko entsteht erst dann, wenn wegen Arbeitsmangels und somit ausbleibender Aufträge nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen (zu letzterem Senatsurteil vom 4. Dezember 2013 – L 2 R 116/12 m.w.N.).

Raum für spezifisch unternehmerische Entscheidungen im Rahmen der Auftragsausführung blieb dem Beigeladenen zu 1 – wie bereits dargestellt – nicht, sobald er den Auftrag angenommen hatte. Dass der Beigeladene zu 1 auch für andere Auftraggeber als die Klägerin tätig war, ist ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit, das indes im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zurücktritt. Soweit die Klägerin die Möglichkeit des Beigeladenen zu 1 betont, Angebote abzulehnen, erscheint bereits fraglich, ob dies überhaupt als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit zu verstehen ist, denn auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse sind Vertragsgestaltungen anzutreffen, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überlassen, ob er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er ein konkretes Angebot im Einzelfall ablehnt (ausführlich LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Juli 2013 – L 11 R 1083/12, juris, Rn. 36). Jedenfalls hat ist dieser Umstand von untergeordneter Bedeutung. Auch die Abrede betreffend über die Entlohnung ließ keine Möglichkeit für unternehmerisches Handeln. Wie den vorgelegten Rechnungen zu entnehmen ist, erfolgte die Vergütung im Wesentlichen nach der Anzahl der Tage, die der Beigeladene zu 1 für die Fahrt gebraucht hatte. Der Faktor Zeit fungierte somit nicht etwa – wie es auch bei klassisch Selbstständigen vorkommt – als Berechnungsgrundlage eines für den Auftrag vereinbarten Festpreises. Insbesondere hatte der Beigeladene zu 1 auch nicht die Möglichkeit, seinen Gewinn dadurch zu steigern, dass er die Strecke – unter Beibehaltung eines ungeschmälerten Vergütungsanspruchs – in geringerer als der projektierten Zeit zurücklegte. Welche Rolle den im Dezember eines jeden Jahres erbrachten Sondervergütungen zukommt, braucht angesichts all dessen nicht weiter untersucht zu werden.

Aus weitgehend denselben Gründen fehlte es auch an einem Unternehmerrisiko. Werbemaßnahmen geringen wirtschaftlichen Umfangs treten im Rahmen der Gesamtbetrachtung zurück. Im Übrigen hatten die Schiffsführer Anspruch auf eine Vergütung, die nicht vom Erfolg seiner Tätigkeit abhängig war, sondern – und hier liegt ein wesentlicher Unterschied zu dem Sachverhalt, der der sog. Freelancer-Entscheidung des BSG zugrunde gelegen hatte (Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R, juris, Rn. 27) – vom Umfang des Arbeitseinsatzes. Der Vergütungsanspruch nahm sogar zu, je länger die Ausführung eines Auftrags dauerte, denn ein genaues Lieferdatum konnte – unter Zugrundelegung der Angaben der Klägerin – auch gar nicht vereinbart werden.

Das Risiko, nach Abschluss des vorliegenden Auftrags keinen weiteren Auftrag zu erhalten, reicht hingegen für die Bejahung eines unternehmerischen Risikos nicht aus. Es unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Risiko, nach dem Ende eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses keinen neuen Arbeitsplatz zu finden. Dasselbe gilt im Übrigen auch für das Risiko, mangels Folgeaufträgen das Patent zu verlieren. Dass dem Beigeladenen zu 1 für einen Beschäftigten untypische Risiken wie insbesondere das der Absicherung im Krankheitsfall auferlegt worden sind, führt als solches nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos (Senatsurteil vom 19. Februar 2014 – L 2 R 158/11, juris).

Wenn das BSG in seiner von der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 angeführten Freelancer-Entscheidung (Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R, juris, hier insbes. Rn. 27) ein unternehmerisches Risiko auch mit dem Hinweis bejaht hat, bei den dort beigeladenen Flugzeugführern habe nicht die wirtschaftliche Verwertung ihrer Arbeitskraft im Vordergrund gestanden (kritisch zur dieser Einschätzung auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. April 2016 – L 1 KR 250/14, juris, Rn. 40), sondern die Aufrechterhaltung ihrer Fluglizenzen, fehlen im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für solche Umstände. In Anbetracht der Summen, die der nach eigenen Angaben auch für andere Auftraggeber tätige Beigeladene zu 1 eingenommen hat, sowie in Anbetracht dessen, dass der Beigeladene zu 1 während des gesamten Verfahrens seine Unternehmereigenschaft betont hat, hat für ihn die Erzielung von Einnahmen im Vordergrund gestanden. Soweit sich der Beigeladene zu 1 im Übrigen darauf beruft, er habe auch die Kosten für die Aufrechterhaltung der erforderlichen beruflichen Qualifikation selbst tragen müssen, tritt dieser Umstand in der Gesamtwürdigung ohnehin in den Hintergrund.

Soweit die Klägerin einen Vergleich der Schiffsführer mit den Lotsen anstellt, handelt es sich um zwei unterschiedliche Tätigkeiten, die insbesondere aufgrund völliger unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen nicht vergleichbar sind. Die Lotsen (zu deren sozialversicherungsrechtlicher Einordnung Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 23. März 2016 – L 5 R 117/14, juris, Rn. 23 f.), die in der Vergangenheit stellenweise Beamtenstatus hatten (so etwa im H. Hafen), sind nicht Teil der Schiffsbesatzung, wie sich etwa aus § 480 Satz 1 HGB, aus § 1 Satz 2 des Seelotsgesetzes (SeeLG) oder auch aus § 1 Abs. 1 Satz 2 des Hamburgischen Hafenlotsgesetzes (HfLotsG HA) ergibt. Sie sind in der Regel nur beratend tätig, während die Verantwortung beim Schiffsführer verbleibt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SeeLG, ggf. i.V.m. § 7 HfLotsG HA). Die Entgelte für ihre Tätigkeit (Lotsgelder) richten sich nach Rechtsverordnungen und werden nicht dem jeweils tätigen Lotsen selbst geschuldet, sondern sind an Körperschaften öffentlichen Rechts zu zahlen (§ 45 Abs. 2 und 4 SeelG; § 3 Nr. 3 HfLotsG HA, § 5 HfLotsG HA). Somit hat das Lotsenwesen eine gesetzliche Ausgestaltung erfahren, die sehr stark von öffentlich-rechtlichen Vorgaben geprägt ist und das Verhältnis zwischen dem Lotsen und dem Schiffseigner deutlich sowohl vom Typ des Dienst- bzw. Arbeitsvertrags als auch von dem des Werkvertrags unterscheidet. Hierbei kann dahinstehen, ob Vorschriften wie § 21 Abs. 1 SeeLG, der die Tätigkeit eines Lotsen als freien, nicht gewerblichen Beruf bezeichnet, oder § 129 Abs. 2 SGB VI, der von als Seelotsen selbstständig tätigen Versicherungspflichtigen spricht, konstitutiv oder deklaratorisch zu verstehen sind. Im Ergebnis ist jedenfalls der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen Lotsen ihre Tätigkeit verrichten, in einer Weise ausgestaltet, die Analogien zu anderen, nicht in derselben Weise geregelten Tätigkeiten schlicht verbietet.

Soweit sich der Beigeladene zu 1 die – nach seiner Auffassung – fehlende Einschlägigkeit arbeitsrechtlicher und arbeitsgerichtlicher Vorschriften beruft, dringt er damit schon deswegen nicht durch, weil § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV – dies zeigt schon der Wortlaut der Vorschrift ("insbesondere in einem Arbeitsverhältnis") – die Begriffe Beschäftigungsverhältnis und Arbeitsverhältnis eben nicht gleichsetzt (Segebrecht in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7 Abs. 1 SGB IV Rn. 58).

Es waren auch die Geringfügigkeitsgrenzen aus § 8 Abs. 1 SGB IV in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I 4621, ab dem 1. Januar 2006 in der wortgleichen Fassung der Neubekanntmachung des SGB IV vom 23. Januar 2006, BGBl. I 86) überschritten. Hiernach lag eine vor, wenn 1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht überstieg (sog. Entgeltgeringfügigkeit), 2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegte oder im Voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt 400 Euro im Monat überstieg (sog. Zeitgeringfügigkeit). Die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1 war weder entgelt- noch zeitgeringfügig. Geringfügigkeit liegt vor, wenn bei Aufnahme der Tätigkeit die regelmäßige Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu prognostizieren ist. Entgeltgeringfügigkeit beurteilt sich danach, welche Zahlungen der Arbeitnehmer bei vorausschauender, den Zeitraum eines Jahres umfassender Betrachtung insgesamt (laufendes Entgelt, Sonderzuwendungen wie Weihnachtsgeld etc.) zu erwarten hat (Schlegel/Knispel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 8 SGB IV Rn. 45). Für diese (im Übrigen in der Rückschau eindeutig bestätigte) Prognose war bei Aufnahme der Tätigkeit ausschlaggebend, dass der Tagessatz des Beigeladenen zu 1 damals bereits bei 190 Euro lag, während sich die genaue Dauer der Fahrt wegen der Verkehrs- und Witterungsverhältnis nicht präzise genug vorhersagen ließ, um einen hinreichend sicheren Schluss auf die Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze zu rechtfertigen. Ebenso wenig ließ sich eine Begrenzung im Sinne der Zeitgeringfügigkeit feststellen. Hierfür fehlte jeglicher Anhaltspunkt.

Der Beigeladene zu 1 war auch nicht als unständig Beschäftigter versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung. Gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 SGB III sind Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben, versicherungsfrei. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im Voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 SGB III). Die Beschäftigung erfolgte nicht unständig, da erforderliche zeitliche Begrenzung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen ließ. Auch hier geht es zu Lasten der Klägerin, dass es keine hinreichend dokumentierten Abreden über den zeitlichen Rahmen der Fahrten gab.

Weitere Mängel der angefochtenen Bescheide sind weder gerügt noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Senat nicht von einem Rechtssatz ab, den das Bundessozialgericht in seiner sog. "Freelancer-Entscheidung" (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R) aufgestellt hat.
Rechtskraft
Aus
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