Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 51 R 765/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 R 6/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1972 in der T. geborene Klägerin absolvierte dort keine Berufsausbildung und lebt seit 1986 in Deutschland. Seit 1991 arbeitete sie als Reinigungskraft in einem Krankenhaus.
Im August 2007 erlitt die Klägerin einen Arbeitsunfall, als ein Kollege ihr ein Krankenbett in den rechten Rückfuß schob. Es kam zu einer Prellung des Fersenbeins, im weiteren Verlauf bildete sich ein Erguss im oberen und unteren Sprunggelenk und nachfolgend eine Osteochondrosis dissecans (Knorpelablösung) am innerseitigen Sprunggelenk.
Im Juni 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation wegen fortbestehender Beschwerden. Der von der Beklagten beauftragte Facharzt für Chirurgie Dr. N. führte in seinem Gutachten vom 28. Juli 2008 aus, dass die von der Klägerin angegebenen Belastungsschmerzen im rechten Fuß mit der Notwendigkeit der Verwendung von zwei Unterarmgehstützen nicht mehr nachvollziehbar seien. Er gehe daher von einer psychosomatischen Überlagerung aus. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin eine psychosomatische Rehabilitation, die sie Ende 2008 durchführte. Sie wurde daraus als arbeitsunfähig entlassen und ihr wurden ambulante physiotherapeutische und psychiatrische Behandlungsmaßnahmen empfohlen.
Am 15. Januar 2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte zunächst die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. ein Gutachten vom 16. Februar 2009. Sie referierte darin die Angaben der Klägerin, wonach der Haushalt und die Einkäufe von ihrem Mann und den Kindern erledigt werden müssten. Sie sehe einen Frauenkopf, der sie beschimpfe und zweimal zum Suizid aufgefordert habe. Sie leide auch unter Vergesslichkeit und Schlafstörungen. Weiter hat Dr. M. berichtet, die Klägerin habe sich lebhaft und zielorientiert gezeigt. Die Stimmung sei vorwiegend indifferent, gelegentlich etwas tränennah, aber in jedem Fall ohne Hinweis auf vitale Depressivität. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei unauffällig. Hinweise für eine vorzeitige Erschöpfbarkeit fänden sich nicht. Insgesamt gebe es keine relevanten Symptome einer psychischen Störung, der Zustand imponiere vielmehr als bewusstseinsnah gesteuerter Versagenszustand. Es ergäben sich somit keine relevanten Funktionseinschränkungen und die Klägerin sei arbeitstäglich sechs Stunden und mehr belastbar für mittelschwere Tätigkeiten.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin daraufhin durch Bescheid vom 17. März 2009 ab. Aufgrund ihres dagegen erhobenen Widerspruchs holte die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme des Internisten Dr. E. vom 23. April 2009 ein, der sich der Einschätzung von Dr. M. anschloss. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2009 zurück.
Mit ihrer am 17. August 2008 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Pflegegutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nord (MDK), ein Gutachten der Arbeitsagentur Hamburg vom 22. Juni 2009, die medizinischen Unterlagen des B. Unfallkrankenhauses B1 sowie Befundberichte des Facharztes für Chirurgie Dr. S. und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H1 eingeholt. Es hat ferner die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamts beigezogen.
Im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens nach dem Schwerbehindertenrecht hat die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M1 in einem Gutachten vom 27. Mai 2010 die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung mit psychotischer Begleitsymptomatik in Form von akustischen Halluzinationen vorliege. Außerdem hat der Orthopäde Dr. S1 in einem versorgungsärztlichen Gutachten vom 4. September 2010 ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden und Einschränkungen fielen völlig aus dem Rahmen und ließen sich mit den objektiven Veränderungen nicht erklären.
Auf Veranlassung des Sozialgerichtes hat die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ein Gutachten vom 5. März 2012 erstellt. Sie hat zunächst berichtet, dass die Klägerin angegeben habe, die Stimme einer kraushaarigen Frau zu hören, die sie zum Selbstmord auffordere. Sie tue zu Hause praktisch nichts, ihr Ehemann bereite ihr morgens einen Kaffee zu. Raus gehe sie nicht, auch nicht in Begleitung ihres Mannes, da sie sie sich beobachtet fühle. Dr. L. hat ferner ausgeführt, dass die Klägerin beim Bericht über die halluzinatorischen Symtpome keine wesentlichen Ängste gezeigt habe, auf Nachfragen lasse sich ein hinter den angegebenen Erlebnissen stehendes Wahngebäude nicht explorieren. Hinweise auf Sinnestäuschungen hätten sich in der gesamten Untersuchungssituation nicht ergeben. Das formale Denken sei nicht eingeschränkt, auch seitens der kognitiven und mnestischen Funktionen ergäben sich keine Einschränkungen. Anfangs sei die Klägerin oft tränennah gewesen, später hätten hintergründig empört-gereizte Affekte dominiert. Überlagert werde dieses Bild durch eine bewusstseinsnahe Beschwerde- und Befundbetonung, welche im Rahmen der körperlichen Untersuchung nochmals zugenommen habe. Zu keinem Zeitpunkt habe es Hinweise auf ein akute psychotische Symptomatik gegeben. Zusammengefasst sei von einer mittelgradigen depressiven Episode auszugehen, überlagert durch bewusstseinsnahe Aggravation. Ferner liege eine Adipositas, ein Zustand nach Osteochondrosis dissecans des Sprungbeins mit Belastungsbeschwerden, ein gemischtes Asthma bronchiale sowie ein Zustand nach kürzlich erfolgter Operation an den Stimmbändern vor. Geleistet werden könnten vollschichtig leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art und Verantwortung, in wechselnder Körperhaltung, nicht ausschließlich oder überwiegend mit schwerem Tragen, Heben und Bücken, nicht unter Zeitdruck, im Akkord oder in Nachtarbeit, unter Schutz vor Staub und Dämpfen sowie Witterung, zu ebener Erde, nicht auf Leitern und Gerüsten oder sonstigen gefährdenden Arbeitsplätzen, nicht an Arbeitsplätzen mit vermehrter Sprachanstrengung. Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung könnten überwunden werden.
Die Klägerin hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 vom 20. April 2012 eingereicht, welches dieser im Rahmen eines Rechtsstreits gegen eine private Versicherungsgesellschaft (Landgericht Hamburg, Az. 306 O 194/11) erstattet hatte. Der Sachverständige ist darin zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin eine schwere Depression mit psychotischen Symptomen vorliege. Leitsymptome seien eine niedergeschlagene, ängstliche Grundstimmung, ein soziales Rückzugsverhalten, Schlafstörungen, mehrere Suizidversuche, Suizidgedanken, das Hören einer Stimme herabsetzenden und kommentierenden Inhalts. Die Klägerin sei damit zu 100 % berufsunfähig für eine Tätigkeit als Raumpflegerin.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat des Weiteren der Orthopäde Dr. N2 die Klägerin untersucht und in seinem Gutachten vom 30. November 2012 ausgeführt, dass eine Minderbelastbarkeit der unteren Gliedmaßen bei Vorliegen einer Osteochondrosis dissecans der medialen Talusschulter rechts sowie einer stattgehabten Zerrung des Außenbandapparates des linken Sprunggelenks bestehe. Daneben liege ein sogenanntes Dekonditionierungssyndrom bei extremer Adipositas vor. Ausgehend von der objektiven Befundlage sei die Belastbarkeit der unteren Gliedmaßen mäßig eingeschränkt mit der Folge, dass langanhaltende Tätigkeiten im Gehen und Stehen, häufige und anhaltende Tätigkeiten im Knien und Hocken, auch häufige und anhaltende Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten auszuschließen seien. Ebenfalls auszuschließen sei das Heben und Tragen schwerer Lasten. Leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen, überwiegend im Sitzen, seien aus orthopädischer Sicht vollschichtig möglich. Die Klägerin sei auch wegefähig. Die Notwendigkeit zum Einsatz von Gehhilfen sei anhand der objektiven Befundlage nicht zu begründen. Über Gesundheitsstörungen der unteren Gliedmaßen hinaus seien keine Funktionseinschränkungen des Halte- und Bewegungsapparates von sozialmedizinischer Bedeutung gefunden worden. Insbesondere habe die Klägerin keinen sehr schmerzgeplagten Eindruck vermittelt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 12. Dezember 2013 hat Dr. L. ihr schriftliches Gutachten erläutert. Außerdem hat das Sozialgericht den Arbeitsberater M2 als berufskundigen Sachverständigen gehört. Wegen Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage sodann mit Urteil vom 12. Dezember 2013 unter Bezugnahme auf die medizinischen Feststellungen der Sachverständigen Dr. L. und Dr. N2 abgewiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 15. Januar 2014 zugestellte Urteil am 20. Januar 2014 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe insbesondere die Ausführungen des vom Landgericht Hamburg bestellten Sachverständigen Dr. L1 nicht hinreichend gewürdigt. Richtig sei, dass sie an einer chronischen schweren depressiven Störung mit psychotischen Symptomen leide und daher unfähig sei, eine Berufstätigkeit auszuüben. Zu der psychischen Erkrankung träten noch Wirbelsäulenveränderungen, die Gelenkveränderungen beider Beine und eine Verletzung am linken Sprunggelenk. Es sei unerfindlich, warum das Sozialgericht die Notwendigkeit von Gehhilfen infrage gestellt habe. Vielmehr sei diese schon aufgrund der bestehenden Adipositas gegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist daraufhin, dass es trotz vielfacher Begutachtungen seit Jahren nicht gelungen sei, eine verlässliche medizinische Beurteilung zu erlangen. Dies sei mit diversen Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten, insbesondere in der Zusammenschau mit den Angelegenheiten des Ehemannes der Klägerin, zu begründen. Nach Durchsicht der Akte des Ehemannes sei das Vorbringen beider Eheleute mit Blick auf ihren identischen Vortrag zum Sichtverfolgtfühlen und Stimmenhören als konstruiert zu bewerten.
Im laufenden Berufungsverfahren hat die Klägerin ein Pflegegutachten des MDK vom 13. Dezember 2014, den Entlassungsbericht der A. Klinik H. vom 26. November 2014 über einen stationären Aufenthalt vom 13. September bis 13. November 2014 sowie das ihren Ehemann betreffende Pflegegutachten des MDK vom 22. Juli 2013 eingereicht.
Auf Veranlassung des Landessozialgerichts hat der Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. N1 ein Gutachten vom 29. März 2015 erstellt. Anlässlich der Untersuchung der Klägerin hat diese ihm den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 20. Januar 2015 (671a XVII 136/14) überreicht, mit dem ihr Ehemann zu ihrem gesetzlichen Betreuer für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Vertretung in Arbeitsangelegenheiten bestellt worden ist. Zu ihrer aktuellen Lebenssituation hat die Klägerin gegenüber Dr. N1 angegeben, sich schlecht und antriebslos zu fühlen und Schmerzen am ganzen Körper zu haben. Sie habe das Gefühl beobachtet zu werden und verlasse daher das Haus allenfalls in Begleitung. Nachts höre sie eine oder mehrere weibliche Stimmen, die sie beschimpften und aufforderten, sich zu suizidieren. Im Halbschlaf sehe sie manchmal auch einen langhaarigen Kopf, der sich über sie beuge. Die Tochter helfe ihr beim Duschen, Waschen und Ankleiden, der Ehemann bereite das Mittagessen zu. Sie sei glücklich, dass ihr Ehemann sie unterstütze und ihr ständig helfe. Dieser kümmere sich auch um ihre finanziellen und administrativen Angelegenheiten. Dr. N1 hat festgestellt, die Klägerin sei wach und in allen Qualitäten orientiert, aber teilweise depressiv gehemmt und berichte über akustische und optische Halluzinationen. Es bestehe eine deutlich gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Antriebsminderung, Erschöpfung und Ermüdung sowie das Gefühl von Wertlosigkeit. Sie leide unter einer schweren, die psychischen Grundfunktionen erheblich einengenden Depression mit psychotischen Symptomen. Sie sei damit seit Antragstellung zu regelmäßiger Arbeit nicht mehr in der Lage. Die psychischen Gesundheitsstörungen seien auch so stark ausgeprägt, dass sie nicht mehr in der Lage sei, Willenskräfte zu mobilisieren, um Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Eine Besserung sei zwar nicht unwahrscheinlich, setze aber eine weitere kontinuierliche und intensivierte Fachbehandlung voraus.
Der Senat hat am 26. April 2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der sich der als Zeuge geladene Ehemann mit der Beiziehung seiner Rentenakte einverstanden erklärt hat. In der Sitzungsniederschrift wurde festgehalten, dass die Klägerin auf die Mitglieder des Senats einen durchaus wachen Eindruck gemacht und sich sichtbar zurückgezogen habe, sobald sie sich beobachtet gefühlt habe. Die Terminsvertreterin der Beklagten hat diesen Eindruck bestätigt.
Nach erfolgter Beiziehung der Rentenakten des Ehemannes der Klägerin hat Dr. N1 in einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Juli 2016 ausgeführt, dass sich hieraus neue Gesichtspunkte ergeben hätten. Zu berücksichtigen sei insbesondere das Pflegegutachten über den Ehemann der Klägerin vom 22. Juli 2013, dem zu entnehmen sei, dass dessen Pflege durch die Tochter, den Bruder und die Klägerin erfolge, die ihn bei Körperpflege und hauswirtschaftlichen Versorgungen unterstütze. Ferner sei auffällig, dass der Ehemann zum Betreuer der Klägerin bestellt worden sei, obwohl er nach seinem Pflegegutachten depressiv und dement und in seiner Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sei. Für den Referenten hätten sich zwar anlässlich der Exploration keine Anhaltspunkte für eine Simulation ergeben, allerdings sei es mit dem erhobenen psychopathologischen Befund undenkbar, dass die Klägerin ihren nach dessen Pflegegutachten antriebsgeminderten, depressiven und möglicherweise dementen Ehemann bei Körperpflege und Hauswirtschaft unterstütze. Rückschauend sei also denkbar, dass die anlässlich früherer Begutachtungen dargebotene schwere depressive Symptomatik deutlich willensnah aggraviert sei, dass der Verlauf der depressiven Erkrankung wechselhaft sei oder dass die gesamte Konstellation arglistig simuliert worden sei. Gegen die Annahme einer willensnahen Aggravation spreche, dass die Klägerin von verschiedenen Ärzten untersucht, behandelt und begutachtet worden sei. Auszuschließen sei dies jedoch nicht. Gegen eine arglistige Simulation spreche, dass die Klägerin sich mit derartigen Symptomen wochenlang in stationärer Behandlung befunden habe und es schwierig sei, eine solche Simulation über einen derart langen Zeitraum durchzuhalten. Für einen wechselnden Verlauf spreche, dass der Ausprägungsgrad depressiver Episoden typischerweise schwankend sei; dies sei daher aus Sicht des Gutachters die wahrscheinlichste Möglichkeit. Ein aufgehobenes Leistungsvermögen könne damit jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Das Amtsgericht Hamburg-St.Georg hat die Klägerin mit Urteil vom 27. September 2017 (949 Ds 344/16) wegen Betruges zum Nachteil der zuständigen Pflegekasse zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Amtsgericht hat es als erwiesen angesehen, dass die Klägerin jedenfalls in der Zeit vom 1. August bis 30. September 2014 – wahrscheinlich aber auch lange Zeit darüber hinaus – Leistungen der Pflegekasse in Anspruch genommen hat, obwohl sie tatsächlich nicht pflegebedürftig war und ihren Zustand nur vorgeschoben hat.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, die Verwaltungsakten der Beklagten betreffend die Klägerin und ihren Ehemann sowie die weiteren in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach den vorliegenden medizinischen Gutachten und Unterlagen kann nicht mit der hier erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Klägerin voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Vorliegen einer relevanten Erwerbsminderung in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 V 1/12 R – Juris, m.w.N.). Dies ist jedoch nicht der Fall; vielmehr sind nach Auswertung aller Unterlagen zumindest erhebliche Zweifel am Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzung verblieben.
Die Klägerin hat zur Begründung ihres geltend gemachten Rentenanspruchs insbesondere orthopädische und psychische Gesundheitsstörungen vorgebracht. Aus den vorliegenden orthopädischen Gutachten ergibt sich jedoch übereinstimmend, dass die auf diesem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen eine rentenrechtlich relevante Leistungseinschränkung nicht zu begründen vermögen. Bereits Dr. N. hat in seinem im Rahmen des Rehabilitationsverfahrens erstellten Gutachten vom 28. Juli 2008 ausgeführt, dass die geklagten Beschwerden mit der objektiven Befundlage nicht in Einklang zu bringen seien und die Verwendung von Gehhilfen nicht nachvollziehbar sei. Ebenso hat Dr. S1 in seinem versorgungsärztlichen Gutachten vom 24. August 2010 festgestellt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden und Einschränkungen völlig aus dem Rahmen fielen und sich mit objektiven Veränderungen nicht erklären ließen. Schließlich hat auch Dr. N2 in seinem Gutachten vom 30. November 2012 nur eine mäßige Einschränkung der Belastbarkeit der unteren Gliedmaßen festgestellt und daraus bestimmte qualitative Einschränkungen für zumutbare Arbeiten abgeleitet. Diese hindern die Klägerin jedoch nicht daran, leichte bis zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten, welche diesen Einschränkungen entsprechen, täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Die Notwendigkeit eines Einsatzes von Gehhilfen hat Dr. N2 nicht gesehen. Auch weitere Funktionseinschränkungen des Halte- und Bewegungsapparates hat er verneint und überdies den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin nicht sonderlich schmerzgeplagt gewesen sei. Der Senat folgt – ebenso wie das Sozialgericht – den überzeugenden und schlüssigen Darlegungen des medizinischen Sachverständigen, die überdies mit den Vorgutachten übereinstimmen. Die Klägerin hat auch im Berufungsverfahren keine medizinischen Unterlagen eingereicht, die eine andere Beurteilung rechtfertigen oder Anlass zu weiteren Ermittlungen geben würden.
Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lässt sich das Vorliegen einer relevanten Erwerbsminderung nicht feststellen. Der psychische Gesundheitszustand der Klägerin ist in der Vergangenheit von verschiedenen Ärzten und Gutachtern kontrovers beurteilt worden. So hat Dr. M1 in ihrem versorgungsärztlichen Gutachten vom 27. Mai 2010 die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung mit psychotischen Begleitsymptomen gegeben sei. Dr. L1 hat in seinem für das Landgericht Hamburg erstellten Gutachten die Diagnose einer schweren Depression mit psychotischen Symptomen gestellt. Auch der Entlassungsbericht der A. Klinik H. vom 26. November 2014 sowie das Pflegegutachten des MDK vom 13. Dezember 2014 enthalten die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung bei seinerzeit schweren Episoden mit psychotischen Symptomen in Form von beschimpfenden und abwertenden Stimmen sowie Verfolgungs- und Beobachtungserleben. Diese Auffassung hat zunächst auch Dr. N1 in seinem Gutachten vom 29. März 2015 geteilt und ist auf dieser Grundlage zu der Feststellung eines aufgehobenen Leistungsvermögens gelangt. Allerdings ist er – nach Einsichtnahme in weitere Unterlagen – von dieser Einschätzung in seiner Stellungnahme vom 30. Juli 2016 wieder abgerückt.
Dr. L. ist demgegenüber in ihrem Gutachten vom 5. März 2012 lediglich von einer mittelgradigen depressiven Symptomatik ausgegangen, die von bewusstseinsnah gesteuerter Versagenshaltung oder zumindest von einer bewusstseinsnahen Aggravation überlagert werde. Sie hat keine psychotische Symptomatik gesehen und beim Bericht der Klägerin über halluzinatorische Symptome auch keine wesentlichen Ängste oder ein dahinter stehendes Wahngebäude festgestellt. Sie hat die Klägerin daher für in der Lage erachtet, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Diese Einschätzung stimmt im Wesentlichen überein mit den Ausführungen von Dr. M. in ihrem Gutachten vom 17. Februar 2009, die keine relevanten Symptome einer psychischen Störung gesehen hat, sondern vielmehr von einem bewusstseinsnah gesteuerten Versagenszustand ausgegangen ist.
Erhebliche Zweifel am Vorliegen der von der Klägerin geschilderten Symptomatik ergeben sich aber vor allem aus dem Abgleich mit den ihren Ehemann betreffenden medizinischen Unterlagen aus dessen Verfahren gegen die Beklagte und die Pflegekasse. Hieraus ergibt sich, dass die Eheleute zur Begründung ihrer jeweils geltend gemachten Ansprüche im Wesentlichen gleiche Symptome schildern. So hat auch der im Rentenverfahren des Ehemannes beauftragte Neurologe und Psychiater Dr. A1 in seinem Gutachten vom 8. September 2008 berichtet, dass der Ehemann aufgrund von Schmerzen im ganzen Körper zwei Gehstöcke benutze und das Gefühl habe, beobachtet und verfolgt zu werden. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M1 hat in zwei versorgungsärztlichen Gutachten vom 24. Juli 2008 und 23. Mai 2013, welche sich in den Akten der Beklagten befinden, niedergelegt, dass der Ehemann der Klägerin berichtet habe, verfolgt und beobachtet zu werden und Stimmen zu hören, die ihn fragten, warum bzw. wie lange er noch leben wolle.
Auffällig sind auch die weitgehend übereinstimmenden Symptomschilderungen von Dr. H1, der die Eheleute seit Juli bzw. August 2007 behandelt. So hat er in seinen Befundberichten vom 18. März 2010 und 29. November 2010 bezüglich der Klägerin ausgeführt, dass er ihre Erkrankung ursprünglich als chronische schwere depressive Störung mit psychotischen Symptomen eingeordnet habe. Mittlerweile hätten sich aber Symptome einer paranoiden Schizophrenie gezeigt, denn sie leide durchgehend unter akuten psychotischen Symptomen in Form von Stimmen, die zum Suizid aufforderten, die lediglich durch lang anhaltende depressive Episoden unterbrochen würden. Sie sei damit auf nicht absehbare Zeit belastungs- und leistungsunfähig und damit nicht arbeits- und erwerbsfähig. Bezüglich des Ehemannes der Klägerin hat Dr. H1 in seinem Befundbericht vom 15. November 2011 ausgeführt, dass im Vordergrund eine schwere depressive Entwicklung mit psychotischen Symptomen stehe, die sich offenbar auf dem Boden eines frühen dementiellen Syndroms entwickelt habe. Er fühle sich beobachtet, höre Stimmen und rede nach Auskunft der Ehefrau mit sich selbst. Seit September 2007 sei er nicht mehr in der Lage gewesen, seinen Haushalt selbst zu führen. In einem weiteren Befundbericht vom 21. August 2014 hat Dr. H1 berichtet, dass die gemischt-vaskuläre Demenz weiter fortgeschritten sei und der Patient deutlich belastungs- und leistungsunfähig sei.
Soweit diese Umstände bereits erhebliche Zweifel an der Beschwerdeschilderung der Klägerin begründen, gilt dies umso mehr für die von den Eheleuten in ihren Verfahren behaupteten Pflege- und Unterstützungsleistungen durch den jeweils anderen Partner. Die Klägerin hat gegenüber Dr. M., Dr. L. und Dr. L1 angegeben, dass sie zu Hause praktisch nichts mehr tun könne und der Haushalt und die Einkäufe von ihrem Mann und ihren Kindern erledigt würden. Gegenüber Dr. N1 hat sie berichtet, dass ihr Ehemann ihr ständig helfe. Er bereite ihr das Mittagessen zu und kümmere sich um ihre finanziellen und administrativen Angelegenheiten. Auch im Pflegegutachten vom 13. Dezember 2014 ist der Ehemann der Klägerin – neben den in Vollzeit berufstätigen Töchtern und der Schwester – als Pflegeperson angegeben worden. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 20. Januar 2015 ist der Ehemann sogar zu ihrem gesetzlichen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Vertretung in Arbeitsangelegenheiten bestellt worden. All dies ist jedoch nicht mit der Schilderung der schweren Erkrankungen ihres Ehemanns (schwere depressive Entwicklung mit psychotischen Symptomen, ab 2014 bereits fortgeschrittene Demenz) vereinbar, die dieser in seinen eigenen Verfahren gegen die Beklagte und die Pflegekasse vorgebracht hat und die von Dr. H1 geschildert wurden. Vielmehr hat Dr. H1 angegeben, dass der Kläger bereits seit 2007 nicht mehr in der Lage sei, seinen Haushalt zu führen. In den Pflegegutachten des MDK vom 28. Januar 2008 und 22. Juli 2013 wurde überdies die Klägerin als Pflegeperson benannt und ausgeführt, der Ehemann könne nichts mehr allein und erhalte Hilfe bei allen Verrichtungen.
Nachdem diese widersprechenden Angaben nicht in Einklang zu bringen sind, was auch Dr. N1 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. Juli 2016 bestätigt hat, verbleiben durchgreifende Zweifel an den Schilderungen der Klägerin. Diese werden schließlich noch verstärkt durch die im Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 27. September 2017 wiedergegebene Zeugenaussage der Polizeibeamtin M3. Diese hat ausgesagt, die Klägerin anlässlich der Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses am 10. November 2015 in ihrer Wohnung angetroffen zu haben, wobei sich diese frei und ohne Hilfsmittel bewegt habe. Einen Stock und einen Rollator habe man erst im Keller gefunden, das Schlafzimmer habe sich im Obergeschoss befunden. Die Unterhaltung mit der Klägerin sei zunächst problemlos in deutscher Sprache verlaufen, erst nach Erscheinen des Ehemannes habe die Klägerin nur noch teilnahmslos in den Raum geblickt und nicht mehr auf Ansprachen reagiert.
Da derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die objektive Feststellungslast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen trägt, geht dies zu Lasten der Klägerin, sodass vom Vorliegen einer rentenrechtlich relevanten Erwerbsminderung nicht auszugehen ist. Auf die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine Erwerbsminderungsrente kommt es damit nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1972 in der T. geborene Klägerin absolvierte dort keine Berufsausbildung und lebt seit 1986 in Deutschland. Seit 1991 arbeitete sie als Reinigungskraft in einem Krankenhaus.
Im August 2007 erlitt die Klägerin einen Arbeitsunfall, als ein Kollege ihr ein Krankenbett in den rechten Rückfuß schob. Es kam zu einer Prellung des Fersenbeins, im weiteren Verlauf bildete sich ein Erguss im oberen und unteren Sprunggelenk und nachfolgend eine Osteochondrosis dissecans (Knorpelablösung) am innerseitigen Sprunggelenk.
Im Juni 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation wegen fortbestehender Beschwerden. Der von der Beklagten beauftragte Facharzt für Chirurgie Dr. N. führte in seinem Gutachten vom 28. Juli 2008 aus, dass die von der Klägerin angegebenen Belastungsschmerzen im rechten Fuß mit der Notwendigkeit der Verwendung von zwei Unterarmgehstützen nicht mehr nachvollziehbar seien. Er gehe daher von einer psychosomatischen Überlagerung aus. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin eine psychosomatische Rehabilitation, die sie Ende 2008 durchführte. Sie wurde daraus als arbeitsunfähig entlassen und ihr wurden ambulante physiotherapeutische und psychiatrische Behandlungsmaßnahmen empfohlen.
Am 15. Januar 2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte zunächst die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. ein Gutachten vom 16. Februar 2009. Sie referierte darin die Angaben der Klägerin, wonach der Haushalt und die Einkäufe von ihrem Mann und den Kindern erledigt werden müssten. Sie sehe einen Frauenkopf, der sie beschimpfe und zweimal zum Suizid aufgefordert habe. Sie leide auch unter Vergesslichkeit und Schlafstörungen. Weiter hat Dr. M. berichtet, die Klägerin habe sich lebhaft und zielorientiert gezeigt. Die Stimmung sei vorwiegend indifferent, gelegentlich etwas tränennah, aber in jedem Fall ohne Hinweis auf vitale Depressivität. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei unauffällig. Hinweise für eine vorzeitige Erschöpfbarkeit fänden sich nicht. Insgesamt gebe es keine relevanten Symptome einer psychischen Störung, der Zustand imponiere vielmehr als bewusstseinsnah gesteuerter Versagenszustand. Es ergäben sich somit keine relevanten Funktionseinschränkungen und die Klägerin sei arbeitstäglich sechs Stunden und mehr belastbar für mittelschwere Tätigkeiten.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin daraufhin durch Bescheid vom 17. März 2009 ab. Aufgrund ihres dagegen erhobenen Widerspruchs holte die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme des Internisten Dr. E. vom 23. April 2009 ein, der sich der Einschätzung von Dr. M. anschloss. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2009 zurück.
Mit ihrer am 17. August 2008 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Pflegegutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nord (MDK), ein Gutachten der Arbeitsagentur Hamburg vom 22. Juni 2009, die medizinischen Unterlagen des B. Unfallkrankenhauses B1 sowie Befundberichte des Facharztes für Chirurgie Dr. S. und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H1 eingeholt. Es hat ferner die Schwerbehindertenakte des Versorgungsamts beigezogen.
Im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens nach dem Schwerbehindertenrecht hat die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M1 in einem Gutachten vom 27. Mai 2010 die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung mit psychotischer Begleitsymptomatik in Form von akustischen Halluzinationen vorliege. Außerdem hat der Orthopäde Dr. S1 in einem versorgungsärztlichen Gutachten vom 4. September 2010 ausgeführt, die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden und Einschränkungen fielen völlig aus dem Rahmen und ließen sich mit den objektiven Veränderungen nicht erklären.
Auf Veranlassung des Sozialgerichtes hat die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ein Gutachten vom 5. März 2012 erstellt. Sie hat zunächst berichtet, dass die Klägerin angegeben habe, die Stimme einer kraushaarigen Frau zu hören, die sie zum Selbstmord auffordere. Sie tue zu Hause praktisch nichts, ihr Ehemann bereite ihr morgens einen Kaffee zu. Raus gehe sie nicht, auch nicht in Begleitung ihres Mannes, da sie sie sich beobachtet fühle. Dr. L. hat ferner ausgeführt, dass die Klägerin beim Bericht über die halluzinatorischen Symtpome keine wesentlichen Ängste gezeigt habe, auf Nachfragen lasse sich ein hinter den angegebenen Erlebnissen stehendes Wahngebäude nicht explorieren. Hinweise auf Sinnestäuschungen hätten sich in der gesamten Untersuchungssituation nicht ergeben. Das formale Denken sei nicht eingeschränkt, auch seitens der kognitiven und mnestischen Funktionen ergäben sich keine Einschränkungen. Anfangs sei die Klägerin oft tränennah gewesen, später hätten hintergründig empört-gereizte Affekte dominiert. Überlagert werde dieses Bild durch eine bewusstseinsnahe Beschwerde- und Befundbetonung, welche im Rahmen der körperlichen Untersuchung nochmals zugenommen habe. Zu keinem Zeitpunkt habe es Hinweise auf ein akute psychotische Symptomatik gegeben. Zusammengefasst sei von einer mittelgradigen depressiven Episode auszugehen, überlagert durch bewusstseinsnahe Aggravation. Ferner liege eine Adipositas, ein Zustand nach Osteochondrosis dissecans des Sprungbeins mit Belastungsbeschwerden, ein gemischtes Asthma bronchiale sowie ein Zustand nach kürzlich erfolgter Operation an den Stimmbändern vor. Geleistet werden könnten vollschichtig leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art und Verantwortung, in wechselnder Körperhaltung, nicht ausschließlich oder überwiegend mit schwerem Tragen, Heben und Bücken, nicht unter Zeitdruck, im Akkord oder in Nachtarbeit, unter Schutz vor Staub und Dämpfen sowie Witterung, zu ebener Erde, nicht auf Leitern und Gerüsten oder sonstigen gefährdenden Arbeitsplätzen, nicht an Arbeitsplätzen mit vermehrter Sprachanstrengung. Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung könnten überwunden werden.
Die Klägerin hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 vom 20. April 2012 eingereicht, welches dieser im Rahmen eines Rechtsstreits gegen eine private Versicherungsgesellschaft (Landgericht Hamburg, Az. 306 O 194/11) erstattet hatte. Der Sachverständige ist darin zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin eine schwere Depression mit psychotischen Symptomen vorliege. Leitsymptome seien eine niedergeschlagene, ängstliche Grundstimmung, ein soziales Rückzugsverhalten, Schlafstörungen, mehrere Suizidversuche, Suizidgedanken, das Hören einer Stimme herabsetzenden und kommentierenden Inhalts. Die Klägerin sei damit zu 100 % berufsunfähig für eine Tätigkeit als Raumpflegerin.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat des Weiteren der Orthopäde Dr. N2 die Klägerin untersucht und in seinem Gutachten vom 30. November 2012 ausgeführt, dass eine Minderbelastbarkeit der unteren Gliedmaßen bei Vorliegen einer Osteochondrosis dissecans der medialen Talusschulter rechts sowie einer stattgehabten Zerrung des Außenbandapparates des linken Sprunggelenks bestehe. Daneben liege ein sogenanntes Dekonditionierungssyndrom bei extremer Adipositas vor. Ausgehend von der objektiven Befundlage sei die Belastbarkeit der unteren Gliedmaßen mäßig eingeschränkt mit der Folge, dass langanhaltende Tätigkeiten im Gehen und Stehen, häufige und anhaltende Tätigkeiten im Knien und Hocken, auch häufige und anhaltende Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten auszuschließen seien. Ebenfalls auszuschließen sei das Heben und Tragen schwerer Lasten. Leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen, überwiegend im Sitzen, seien aus orthopädischer Sicht vollschichtig möglich. Die Klägerin sei auch wegefähig. Die Notwendigkeit zum Einsatz von Gehhilfen sei anhand der objektiven Befundlage nicht zu begründen. Über Gesundheitsstörungen der unteren Gliedmaßen hinaus seien keine Funktionseinschränkungen des Halte- und Bewegungsapparates von sozialmedizinischer Bedeutung gefunden worden. Insbesondere habe die Klägerin keinen sehr schmerzgeplagten Eindruck vermittelt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 12. Dezember 2013 hat Dr. L. ihr schriftliches Gutachten erläutert. Außerdem hat das Sozialgericht den Arbeitsberater M2 als berufskundigen Sachverständigen gehört. Wegen Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage sodann mit Urteil vom 12. Dezember 2013 unter Bezugnahme auf die medizinischen Feststellungen der Sachverständigen Dr. L. und Dr. N2 abgewiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 15. Januar 2014 zugestellte Urteil am 20. Januar 2014 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe insbesondere die Ausführungen des vom Landgericht Hamburg bestellten Sachverständigen Dr. L1 nicht hinreichend gewürdigt. Richtig sei, dass sie an einer chronischen schweren depressiven Störung mit psychotischen Symptomen leide und daher unfähig sei, eine Berufstätigkeit auszuüben. Zu der psychischen Erkrankung träten noch Wirbelsäulenveränderungen, die Gelenkveränderungen beider Beine und eine Verletzung am linken Sprunggelenk. Es sei unerfindlich, warum das Sozialgericht die Notwendigkeit von Gehhilfen infrage gestellt habe. Vielmehr sei diese schon aufgrund der bestehenden Adipositas gegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Dezember 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist daraufhin, dass es trotz vielfacher Begutachtungen seit Jahren nicht gelungen sei, eine verlässliche medizinische Beurteilung zu erlangen. Dies sei mit diversen Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten, insbesondere in der Zusammenschau mit den Angelegenheiten des Ehemannes der Klägerin, zu begründen. Nach Durchsicht der Akte des Ehemannes sei das Vorbringen beider Eheleute mit Blick auf ihren identischen Vortrag zum Sichtverfolgtfühlen und Stimmenhören als konstruiert zu bewerten.
Im laufenden Berufungsverfahren hat die Klägerin ein Pflegegutachten des MDK vom 13. Dezember 2014, den Entlassungsbericht der A. Klinik H. vom 26. November 2014 über einen stationären Aufenthalt vom 13. September bis 13. November 2014 sowie das ihren Ehemann betreffende Pflegegutachten des MDK vom 22. Juli 2013 eingereicht.
Auf Veranlassung des Landessozialgerichts hat der Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. N1 ein Gutachten vom 29. März 2015 erstellt. Anlässlich der Untersuchung der Klägerin hat diese ihm den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 20. Januar 2015 (671a XVII 136/14) überreicht, mit dem ihr Ehemann zu ihrem gesetzlichen Betreuer für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Vertretung in Arbeitsangelegenheiten bestellt worden ist. Zu ihrer aktuellen Lebenssituation hat die Klägerin gegenüber Dr. N1 angegeben, sich schlecht und antriebslos zu fühlen und Schmerzen am ganzen Körper zu haben. Sie habe das Gefühl beobachtet zu werden und verlasse daher das Haus allenfalls in Begleitung. Nachts höre sie eine oder mehrere weibliche Stimmen, die sie beschimpften und aufforderten, sich zu suizidieren. Im Halbschlaf sehe sie manchmal auch einen langhaarigen Kopf, der sich über sie beuge. Die Tochter helfe ihr beim Duschen, Waschen und Ankleiden, der Ehemann bereite das Mittagessen zu. Sie sei glücklich, dass ihr Ehemann sie unterstütze und ihr ständig helfe. Dieser kümmere sich auch um ihre finanziellen und administrativen Angelegenheiten. Dr. N1 hat festgestellt, die Klägerin sei wach und in allen Qualitäten orientiert, aber teilweise depressiv gehemmt und berichte über akustische und optische Halluzinationen. Es bestehe eine deutlich gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Antriebsminderung, Erschöpfung und Ermüdung sowie das Gefühl von Wertlosigkeit. Sie leide unter einer schweren, die psychischen Grundfunktionen erheblich einengenden Depression mit psychotischen Symptomen. Sie sei damit seit Antragstellung zu regelmäßiger Arbeit nicht mehr in der Lage. Die psychischen Gesundheitsstörungen seien auch so stark ausgeprägt, dass sie nicht mehr in der Lage sei, Willenskräfte zu mobilisieren, um Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung zu überwinden. Eine Besserung sei zwar nicht unwahrscheinlich, setze aber eine weitere kontinuierliche und intensivierte Fachbehandlung voraus.
Der Senat hat am 26. April 2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der sich der als Zeuge geladene Ehemann mit der Beiziehung seiner Rentenakte einverstanden erklärt hat. In der Sitzungsniederschrift wurde festgehalten, dass die Klägerin auf die Mitglieder des Senats einen durchaus wachen Eindruck gemacht und sich sichtbar zurückgezogen habe, sobald sie sich beobachtet gefühlt habe. Die Terminsvertreterin der Beklagten hat diesen Eindruck bestätigt.
Nach erfolgter Beiziehung der Rentenakten des Ehemannes der Klägerin hat Dr. N1 in einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Juli 2016 ausgeführt, dass sich hieraus neue Gesichtspunkte ergeben hätten. Zu berücksichtigen sei insbesondere das Pflegegutachten über den Ehemann der Klägerin vom 22. Juli 2013, dem zu entnehmen sei, dass dessen Pflege durch die Tochter, den Bruder und die Klägerin erfolge, die ihn bei Körperpflege und hauswirtschaftlichen Versorgungen unterstütze. Ferner sei auffällig, dass der Ehemann zum Betreuer der Klägerin bestellt worden sei, obwohl er nach seinem Pflegegutachten depressiv und dement und in seiner Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sei. Für den Referenten hätten sich zwar anlässlich der Exploration keine Anhaltspunkte für eine Simulation ergeben, allerdings sei es mit dem erhobenen psychopathologischen Befund undenkbar, dass die Klägerin ihren nach dessen Pflegegutachten antriebsgeminderten, depressiven und möglicherweise dementen Ehemann bei Körperpflege und Hauswirtschaft unterstütze. Rückschauend sei also denkbar, dass die anlässlich früherer Begutachtungen dargebotene schwere depressive Symptomatik deutlich willensnah aggraviert sei, dass der Verlauf der depressiven Erkrankung wechselhaft sei oder dass die gesamte Konstellation arglistig simuliert worden sei. Gegen die Annahme einer willensnahen Aggravation spreche, dass die Klägerin von verschiedenen Ärzten untersucht, behandelt und begutachtet worden sei. Auszuschließen sei dies jedoch nicht. Gegen eine arglistige Simulation spreche, dass die Klägerin sich mit derartigen Symptomen wochenlang in stationärer Behandlung befunden habe und es schwierig sei, eine solche Simulation über einen derart langen Zeitraum durchzuhalten. Für einen wechselnden Verlauf spreche, dass der Ausprägungsgrad depressiver Episoden typischerweise schwankend sei; dies sei daher aus Sicht des Gutachters die wahrscheinlichste Möglichkeit. Ein aufgehobenes Leistungsvermögen könne damit jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Das Amtsgericht Hamburg-St.Georg hat die Klägerin mit Urteil vom 27. September 2017 (949 Ds 344/16) wegen Betruges zum Nachteil der zuständigen Pflegekasse zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Amtsgericht hat es als erwiesen angesehen, dass die Klägerin jedenfalls in der Zeit vom 1. August bis 30. September 2014 – wahrscheinlich aber auch lange Zeit darüber hinaus – Leistungen der Pflegekasse in Anspruch genommen hat, obwohl sie tatsächlich nicht pflegebedürftig war und ihren Zustand nur vorgeschoben hat.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, die Verwaltungsakten der Beklagten betreffend die Klägerin und ihren Ehemann sowie die weiteren in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach den vorliegenden medizinischen Gutachten und Unterlagen kann nicht mit der hier erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Klägerin voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Vorliegen einer relevanten Erwerbsminderung in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 V 1/12 R – Juris, m.w.N.). Dies ist jedoch nicht der Fall; vielmehr sind nach Auswertung aller Unterlagen zumindest erhebliche Zweifel am Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzung verblieben.
Die Klägerin hat zur Begründung ihres geltend gemachten Rentenanspruchs insbesondere orthopädische und psychische Gesundheitsstörungen vorgebracht. Aus den vorliegenden orthopädischen Gutachten ergibt sich jedoch übereinstimmend, dass die auf diesem Gebiet bestehenden Gesundheitsstörungen eine rentenrechtlich relevante Leistungseinschränkung nicht zu begründen vermögen. Bereits Dr. N. hat in seinem im Rahmen des Rehabilitationsverfahrens erstellten Gutachten vom 28. Juli 2008 ausgeführt, dass die geklagten Beschwerden mit der objektiven Befundlage nicht in Einklang zu bringen seien und die Verwendung von Gehhilfen nicht nachvollziehbar sei. Ebenso hat Dr. S1 in seinem versorgungsärztlichen Gutachten vom 24. August 2010 festgestellt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden und Einschränkungen völlig aus dem Rahmen fielen und sich mit objektiven Veränderungen nicht erklären ließen. Schließlich hat auch Dr. N2 in seinem Gutachten vom 30. November 2012 nur eine mäßige Einschränkung der Belastbarkeit der unteren Gliedmaßen festgestellt und daraus bestimmte qualitative Einschränkungen für zumutbare Arbeiten abgeleitet. Diese hindern die Klägerin jedoch nicht daran, leichte bis zeitweilig mittelschwere Tätigkeiten, welche diesen Einschränkungen entsprechen, täglich sechs Stunden und mehr auszuüben. Die Notwendigkeit eines Einsatzes von Gehhilfen hat Dr. N2 nicht gesehen. Auch weitere Funktionseinschränkungen des Halte- und Bewegungsapparates hat er verneint und überdies den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin nicht sonderlich schmerzgeplagt gewesen sei. Der Senat folgt – ebenso wie das Sozialgericht – den überzeugenden und schlüssigen Darlegungen des medizinischen Sachverständigen, die überdies mit den Vorgutachten übereinstimmen. Die Klägerin hat auch im Berufungsverfahren keine medizinischen Unterlagen eingereicht, die eine andere Beurteilung rechtfertigen oder Anlass zu weiteren Ermittlungen geben würden.
Auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lässt sich das Vorliegen einer relevanten Erwerbsminderung nicht feststellen. Der psychische Gesundheitszustand der Klägerin ist in der Vergangenheit von verschiedenen Ärzten und Gutachtern kontrovers beurteilt worden. So hat Dr. M1 in ihrem versorgungsärztlichen Gutachten vom 27. Mai 2010 die Auffassung vertreten, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung mit psychotischen Begleitsymptomen gegeben sei. Dr. L1 hat in seinem für das Landgericht Hamburg erstellten Gutachten die Diagnose einer schweren Depression mit psychotischen Symptomen gestellt. Auch der Entlassungsbericht der A. Klinik H. vom 26. November 2014 sowie das Pflegegutachten des MDK vom 13. Dezember 2014 enthalten die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung bei seinerzeit schweren Episoden mit psychotischen Symptomen in Form von beschimpfenden und abwertenden Stimmen sowie Verfolgungs- und Beobachtungserleben. Diese Auffassung hat zunächst auch Dr. N1 in seinem Gutachten vom 29. März 2015 geteilt und ist auf dieser Grundlage zu der Feststellung eines aufgehobenen Leistungsvermögens gelangt. Allerdings ist er – nach Einsichtnahme in weitere Unterlagen – von dieser Einschätzung in seiner Stellungnahme vom 30. Juli 2016 wieder abgerückt.
Dr. L. ist demgegenüber in ihrem Gutachten vom 5. März 2012 lediglich von einer mittelgradigen depressiven Symptomatik ausgegangen, die von bewusstseinsnah gesteuerter Versagenshaltung oder zumindest von einer bewusstseinsnahen Aggravation überlagert werde. Sie hat keine psychotische Symptomatik gesehen und beim Bericht der Klägerin über halluzinatorische Symptome auch keine wesentlichen Ängste oder ein dahinter stehendes Wahngebäude festgestellt. Sie hat die Klägerin daher für in der Lage erachtet, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Diese Einschätzung stimmt im Wesentlichen überein mit den Ausführungen von Dr. M. in ihrem Gutachten vom 17. Februar 2009, die keine relevanten Symptome einer psychischen Störung gesehen hat, sondern vielmehr von einem bewusstseinsnah gesteuerten Versagenszustand ausgegangen ist.
Erhebliche Zweifel am Vorliegen der von der Klägerin geschilderten Symptomatik ergeben sich aber vor allem aus dem Abgleich mit den ihren Ehemann betreffenden medizinischen Unterlagen aus dessen Verfahren gegen die Beklagte und die Pflegekasse. Hieraus ergibt sich, dass die Eheleute zur Begründung ihrer jeweils geltend gemachten Ansprüche im Wesentlichen gleiche Symptome schildern. So hat auch der im Rentenverfahren des Ehemannes beauftragte Neurologe und Psychiater Dr. A1 in seinem Gutachten vom 8. September 2008 berichtet, dass der Ehemann aufgrund von Schmerzen im ganzen Körper zwei Gehstöcke benutze und das Gefühl habe, beobachtet und verfolgt zu werden. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M1 hat in zwei versorgungsärztlichen Gutachten vom 24. Juli 2008 und 23. Mai 2013, welche sich in den Akten der Beklagten befinden, niedergelegt, dass der Ehemann der Klägerin berichtet habe, verfolgt und beobachtet zu werden und Stimmen zu hören, die ihn fragten, warum bzw. wie lange er noch leben wolle.
Auffällig sind auch die weitgehend übereinstimmenden Symptomschilderungen von Dr. H1, der die Eheleute seit Juli bzw. August 2007 behandelt. So hat er in seinen Befundberichten vom 18. März 2010 und 29. November 2010 bezüglich der Klägerin ausgeführt, dass er ihre Erkrankung ursprünglich als chronische schwere depressive Störung mit psychotischen Symptomen eingeordnet habe. Mittlerweile hätten sich aber Symptome einer paranoiden Schizophrenie gezeigt, denn sie leide durchgehend unter akuten psychotischen Symptomen in Form von Stimmen, die zum Suizid aufforderten, die lediglich durch lang anhaltende depressive Episoden unterbrochen würden. Sie sei damit auf nicht absehbare Zeit belastungs- und leistungsunfähig und damit nicht arbeits- und erwerbsfähig. Bezüglich des Ehemannes der Klägerin hat Dr. H1 in seinem Befundbericht vom 15. November 2011 ausgeführt, dass im Vordergrund eine schwere depressive Entwicklung mit psychotischen Symptomen stehe, die sich offenbar auf dem Boden eines frühen dementiellen Syndroms entwickelt habe. Er fühle sich beobachtet, höre Stimmen und rede nach Auskunft der Ehefrau mit sich selbst. Seit September 2007 sei er nicht mehr in der Lage gewesen, seinen Haushalt selbst zu führen. In einem weiteren Befundbericht vom 21. August 2014 hat Dr. H1 berichtet, dass die gemischt-vaskuläre Demenz weiter fortgeschritten sei und der Patient deutlich belastungs- und leistungsunfähig sei.
Soweit diese Umstände bereits erhebliche Zweifel an der Beschwerdeschilderung der Klägerin begründen, gilt dies umso mehr für die von den Eheleuten in ihren Verfahren behaupteten Pflege- und Unterstützungsleistungen durch den jeweils anderen Partner. Die Klägerin hat gegenüber Dr. M., Dr. L. und Dr. L1 angegeben, dass sie zu Hause praktisch nichts mehr tun könne und der Haushalt und die Einkäufe von ihrem Mann und ihren Kindern erledigt würden. Gegenüber Dr. N1 hat sie berichtet, dass ihr Ehemann ihr ständig helfe. Er bereite ihr das Mittagessen zu und kümmere sich um ihre finanziellen und administrativen Angelegenheiten. Auch im Pflegegutachten vom 13. Dezember 2014 ist der Ehemann der Klägerin – neben den in Vollzeit berufstätigen Töchtern und der Schwester – als Pflegeperson angegeben worden. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 20. Januar 2015 ist der Ehemann sogar zu ihrem gesetzlichen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Vertretung in Arbeitsangelegenheiten bestellt worden. All dies ist jedoch nicht mit der Schilderung der schweren Erkrankungen ihres Ehemanns (schwere depressive Entwicklung mit psychotischen Symptomen, ab 2014 bereits fortgeschrittene Demenz) vereinbar, die dieser in seinen eigenen Verfahren gegen die Beklagte und die Pflegekasse vorgebracht hat und die von Dr. H1 geschildert wurden. Vielmehr hat Dr. H1 angegeben, dass der Kläger bereits seit 2007 nicht mehr in der Lage sei, seinen Haushalt zu führen. In den Pflegegutachten des MDK vom 28. Januar 2008 und 22. Juli 2013 wurde überdies die Klägerin als Pflegeperson benannt und ausgeführt, der Ehemann könne nichts mehr allein und erhalte Hilfe bei allen Verrichtungen.
Nachdem diese widersprechenden Angaben nicht in Einklang zu bringen sind, was auch Dr. N1 in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. Juli 2016 bestätigt hat, verbleiben durchgreifende Zweifel an den Schilderungen der Klägerin. Diese werden schließlich noch verstärkt durch die im Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 27. September 2017 wiedergegebene Zeugenaussage der Polizeibeamtin M3. Diese hat ausgesagt, die Klägerin anlässlich der Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses am 10. November 2015 in ihrer Wohnung angetroffen zu haben, wobei sich diese frei und ohne Hilfsmittel bewegt habe. Einen Stock und einen Rollator habe man erst im Keller gefunden, das Schlafzimmer habe sich im Obergeschoss befunden. Die Unterhaltung mit der Klägerin sei zunächst problemlos in deutscher Sprache verlaufen, erst nach Erscheinen des Ehemannes habe die Klägerin nur noch teilnahmslos in den Raum geblickt und nicht mehr auf Ansprachen reagiert.
Da derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die objektive Feststellungslast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen trägt, geht dies zu Lasten der Klägerin, sodass vom Vorliegen einer rentenrechtlich relevanten Erwerbsminderung nicht auszugehen ist. Auf die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine Erwerbsminderungsrente kommt es damit nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
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