Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 265/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 39/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Juni 2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Anspruch auf Insolvenzgeld.
Der 1975 geborene Kläger war seit dem 15. November 2013 als Mitarbeiter für Support/Einkauf und Marketing/CRM bei der H ... KG (im Folgenden: H. KG) beschäftigt, einem Unternehmen, dessen Gegenstand die Entwicklung, die Herstellung und der Verkauf (Vertrieb) von Softwarelösungen und damit zusammenhängende Dienstleistungen für Unternehmen im Bereich Personalmanagement waren und deren Komplementärin die H. GmbH (im Folgenden: H. GmbH) war. Mit deren einzigem und alleinvertretungsberechtigtem Geschäftsführer, Herrn S., geriet der Kläger bereits zu Beginn seiner Tätigkeit dergestalt in Konflikt, dass das Arbeitsverhältnis am 30. November 2013 fristlos gekündigt wurde. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg, das nach einem im Februar 2014 gescheiterten Gütetermin mit Urteil vom 1. Dezember 2014 unter Abweisung der Klage im Übrigen feststellte, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 2013 fortbestanden habe; darüber hinaus wurde die H. KG verurteilt, an den Kläger, der für seine Tätigkeit im November 2013 bei einer vereinbarten monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 3100,00 Euro eine Abrechnung über 1550,00 Euro brutto/981,98 Euro netto erhalten hatte, 3100,00 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengelds in Höhe von 1319,98 Euro netto (gewährt wurden von der Beklagten 1277,40 Euro monatlich/42,58 Euro täglich (Bescheid vom 6. Januar 2014, Änderungsbescheid vom 11. März 2015), der vom Arbeitsgericht zu Grunde gelegte Betrag beinhaltet auch das für den 30. November 2013, den Tag der Arbeitslosmeldung, gezahlte Arbeitslosengeld) zuzüglich Zinsen zu zahlen (26 Ca 608/13). Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der H. KG wurde dieses Urteil durch Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 16. September 2015 teilweise abgeändert. Es wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 28. Februar 2014 fortbestanden habe, und die H. KG wurde verurteilt, an den Kläger weitere 6200,00 Euro brutto "abzüglich erhaltener 2639,96 Euro" (tatsächlich hatte der Kläger für die Monate Januar und Februar 2014 lediglich 2 × 1277,40 Euro, mithin 2554,80 Euro Arbeitslosengeld bezogen) zuzüglich Zinsen zu zahlen (5 Sa 12/15). Zahlungen darauf erhielt der Kläger nicht
Am 14. November 2015 beantragte er bei der Beklagten stattdessen die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014. Er habe soeben erfahren, dass die H. KG ihre Betriebstätigkeit eingestellt habe. Soweit bekannt, sei bislang ein Antrag auf Insolvenzeröffnung nicht gestellt worden. Er habe keinerlei Gehaltsabrechnungen erhalten.
Nachdem die Beklagte schon dem Antrag auf Gewährung eines Vorschusses nicht nachgekommen war (Bescheid vom 1. Dezember 2015), lehnte sie die Gewährung von Insolvenzgeld dem Grunde nach mit Bescheid vom 4. Februar 2016 ab. Ein Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe nicht festgestellt werden können. Das Datum der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit sowie die Zahlungsunfähigkeit hätten nicht ermittelt werden können. Die H. KG sei weiterhin im Handelsregister eingetragen (Auskunft des Amtsgerichts). Das Gewerbe sei nicht abgemeldet worden (Auskunft des Gewerbeamts). Eine aktuelle Anschrift liege nicht vor (Postsendungen an die Unternehmensanschrift waren mit dem Hinweis zurückgekommen, dass diese nicht zu ermitteln sei; die Techniker Krankenkasse hatte der Beklagten die Auskunft erteilt, dass dort keine Erkenntnisse über den Zeitpunkt einer vollständigen Beendigung sämtlicher Betriebstätigkeiten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland vorlägen; Pfändungsprotokolle etc. lägen dort ebenfalls nicht vor).
Hiergegen legte der Kläger am 9. Februar 2016 Widerspruch ein. Bei § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III handle es sich um einen Auffangtatbestand, an den keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürften. Eine Gewerbeabmeldung oder Löschung im Handelsregister sei nicht erforderlich. Schon nach dem Gesetzeswortlaut ("offensichtlich") sei keine letzte Klarheit erforderlich, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht komme. Auch ein Versäumnisurteil oder eine erfolglose Zwangsvollstreckung könnten Indizien für Masselosigkeit sein. Er verwies auf das von ihm erstrittene Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 16. September 2015 und darauf, dass der in jenem Verfahren tätig gewesene Prozessbevollmächtigte der H. KG im Juni 2016 (gemeint: 2015) das Mandat niedergelegt habe und dass die H. KG seit Juli 2015 keinerlei betriebliche Tätigkeiten mehr entfaltet habe. Die derzeitige Adresse des Geschäftsführers sei unbekannt. Er verwies auf eine E-Mail vom 4. Januar 2016 der E. GmbH, einem Unternehmen, für das sowohl er als auch der Geschäftsführer S. in der Vergangenheit tätig gewesen waren, wonach nach dortiger Kenntnis die H. GmbH nicht mehr tätig sei und man daher keine Adresse mitteilen könne. Die private Adresse von Herrn S. sei dort bekannt – und wurde mitgeteilt –, allerdings gebe es dort ebenfalls Schwierigkeiten bei der Zustellung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2016 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22. April 2016 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Beklagte sei ihrer umfassenden Feststellungspflicht nicht nachgekommen und verkenne ganz offensichtlich die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sogenannten Firmenbestattung. Für die Annahme der Masseunzulänglichkeit genüge der sich aus äußeren Tatsachen ergebende Eindruck des unvoreingenommenen Betrachters, d.h. wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für Masseunzulänglichkeit sprächen. Diese Umstände seien hier erfüllt. Die H. KG übe keinerlei Betriebstätigkeit mehr aus. Hierfür spreche bereits der Umstand, dass sie keinen Geschäfts- bzw. Betriebssitz mehr habe. Seit etwa Frühjahr 2015 beschäftige sie keine Arbeitnehmer mehr. Die Beklagte hätte ermitteln müssen, bis zu welchem Zeitpunkt noch Beiträge gezahlt worden seien. Der Hinweis, dass bei der Einzugsstelle keine Beitragsrückstände bestünden, sei kein Indiz dafür, dass noch eine Betriebstätigkeit ausgeübt werde.
Die Beklagte ist dem unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass es nicht nur auf eine mögliche vollständige Betriebseinstellung ankomme, wobei auch diese nach den vorliegenden Unterlagen nicht nachgewiesen sei. Vielmehr müsse zusätzlich und gleichzeitig offensichtliche Masselosigkeit, also mehr als eine bloße Überschuldung, gegeben sein. Insbesondere hierfür ergäben sich keine Anhaltspunkte. Da keine weiteren Anträge auf Insolvenzgeld gestellt worden seien, hätten offensichtlich die Gehälter der anderen Angestellten bezahlt werden können. Allein der Umstand, dass die H. KG die sich aus dem Versäumnisurteil ergebenden Beträge nicht an den Kläger ausgezahlt habe, sei kein ausreichendes Indiz für die Annahme einer vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit bei gleichzeitiger offensichtlicher Masselosigkeit.
Das Sozialgericht hat vergeblich versucht, den Geschäftsführer S. anzuschreiben und bei den zuständigen Einwohnermeldeämtern ermittelt, dass dieser sich zum 1. April 2017 von seiner zuletzt bekannten H1 Privatanschrift nach L. umgemeldet hat und von dort später von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden ist.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2018 hat das Sozialgericht der Klage mit Urteil vom selben Tag stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Februar 2016 und des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2016 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 28. Februar 2014 "Insolvenzgeld nach einem Bruttolohn von 6340,51 Euro gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen". Der Auffangtatbestand des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III sei erfüllt. Spätestens seit dem Frühjahr 2016 liege eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der H. KG im Inland vor, weil es keine Geschäftsadresse mehr gebe und auch der ehemalige Geschäftsführer S. nicht mehr zu erreichen gewesen sei. Ein Insolvenzantrag sei nicht gestellt worden und auch mangels Masse offensichtlich nicht in Betracht gekommen. Dies ergebe sich aus der Löschung wegen Vermögenslosigkeit am 24. August 2016.
Gegen dieses ihr am 19. Juli 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. Juli 2018 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt. Die als tragender Grund genannte Löschung wegen Vermögenslosigkeit sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Die Richtigkeit dieser Tatsache unterstellt, erweise sich die Entscheidung des Sozialgerichts aber auch in der Sache als rechtsfehlerhaft. Zunächst liege das Datum der Löschung mehrere Monate nach der von dem Gericht selbst angenommenen vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland spätestens im Frühjahr 2016 und eigne sich somit schon aus zeitlichen Gründen nicht als Nachweis über die Zahlungsfähigkeit zu dem Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen seine Betriebstätigkeit vollständig beendet haben solle. Der Insolvenztatbestand nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III trete jedoch nur ein, wenn Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bereits vorliege, also vorher oder zumindest gleichzeitig eingetreten sei. Letztlich könne vom Kläger kein Zeitpunkt der Betriebseinstellung bei gleichzeitiger Masselosigkeit benannt werden und deshalb auch schon kein Insolvenzgeldzeitraum festgestellt werden. Objektive Tatsachen, die unmittelbare Rückschlüsse über die Zahlungsfähigkeit der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers zuließen, seien nicht vorgetragen und auch ansonsten nicht ersichtlich. Dass die H. KG bei vollständiger Einstellung der Betriebstätigkeit zahlungsunfähig gewesen sei, halte die Beklagte danach nicht für mehr oder weniger wahrscheinlich, als dass sie zahlungsunwillig gewesen sei und deshalb die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt habe. Die Nichterweislichkeit dieser Tatsache gehe zulasten des Klägers. Im Übrigen gehe die Beklagte nach dem eigenen Vortrag des Klägers in der Widerspruchsbegründung zur Einstellung der betrieblichen Tätigkeit im Juli 2015 davon aus, dass jener den bei ihr am 10. November 2015 eingegangenen Antrag auf Insolvenzgeld nicht innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III gestellt habe und ihm auch keine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III einzuräumen sei. Ein etwaiges Verschulden des zum damaligen Zeitpunkt mit der Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche beauftragten Rechtsanwalts müsse sich der Kläger zurechnen lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig. Ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag weist er darauf hin, dass das Sozialgericht die Beteiligten nach seiner Erinnerung etwa eine Woche vor dem Verhandlungstermin telefonisch darüber unterrichtet habe, dass die "Insolvenzschuldnerin" wegen Vermögenslosigkeit am 24. August 2016 gelöscht worden sei. Der Kammervorsitzende habe hierauf in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2018 nochmals hingewiesen. Beide Prozessvertreter hätten hierbei bestätigt, dass sie diesen mündlichen Hinweis vor dem Verhandlungstermin bereits erhalten hätten. Die Beklagte habe daher Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern. Der Vortrag der Beklagten dazu, ob die Antragsfrist eingehalten worden sei, sei als verspätet zurückzuweisen. Im Übrigen habe er zunächst unverschuldet keine Kenntnis von dem Insolvenzfall gehabt und erst Ende Oktober/Anfang November 2015 in einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der E. GmbH davon erfahren, dass die H. KG ihre Betriebstätigkeit eingestellt habe, dort keine Mitarbeiter mehr tätig seien und die an sie abgesandte Post zurückkomme.
Der Senat hat weitere Auskünfte bei Einwohnermeldeämtern, Gewerberegistern und Amtsgerichten eingeholt, die die bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht aktenkundig dokumentierte Tatsache bestätigt haben, dass sowohl die H. AG als auch die H. GmbH am 24. August 2016 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gemäß § 394 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) gelöscht worden sind, die jedoch keinen weiteren Anhaltspunkte für den derzeitigen Aufenthalt des unbekannt verzogenen ehemaligen Geschäftsführers S. erbracht haben.
Der Senat hat über die Berufung am 30. Januar 2019 mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Sitzungsniederschrift sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, wobei offen bleiben kann, ob das rechtliche Gehör der Beklagten durch die Zugrundelegung der Löschung der H. KG nach § 394 FamFG am 24. August 2016 im angefochtenen Urteil verletzt worden ist; denn eine etwaige Gehörsverletzung wäre durch die Berufungseinlegung geheilt. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2016 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in dessen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 28. Februar 2014 keinen Anspruch auf Insolvenzgeld.
Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. War das Arbeitsverhältnis – wie vorliegend – vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, wobei dieser mitzählt; dabei ist ohne Bedeutung, wie lange das Ende des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis liegt (Kühl in: Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 165 Rn. 34).
Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt als Insolvenzereignis 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Bei der vorliegend allein als Insolvenzereignis in Betracht kommenden vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit handelt es sich um einen Auffangtatbestand für diejenigen Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten und nicht leicht zu widerlegenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers keinen Lohn erhalten hat (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), s. nur Urteile vom 23. November 1981 –10/8b RAr 6/80, BSGE 53, 1, und vom 4. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R, USK 9908; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand 06/18, § 165 Rn. 72). "Offensichtlich" meint dabei nicht zweifelsfrei und erlaubt daher nicht, bei Betriebsbeendigung und Zahlungseinstellung diesen Insolvenztatbestand zu verneinen, weil keine Tatsachen vorliegen, die den zwingenden Schluss zulassen, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt; es genügt vielmehr der sich aus äußeren Tatsachen ergebende Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters, d.h. wenn alle äußeren Tatsachen (insofern der Anschein) für Masseunzulänglichkeit sprechen (BSG, a.a.O.; Voelzke, a.a.O. Rn. 79 f.). Allerdings ist die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit als Insolvenzereignis nur beachtlich, wenn die Lohnzahlung mit dem Hinweis auf die von der bloßen Zahlungsunwilligkeit zu unterscheidende Zahlungsunfähigkeit unterblieben ist und die offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bereits vorgelegen hat, also vorher oder zumindest gleichzeitig eingetreten ist (BSG, Urteil vom 4. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R, a.a.O.; Voelzke, a.a.O. Rn. 72, 80a, 82, 83; bayerisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 18. Oktober 2012 – L 10 AL 25/09, juris; jeweils m.w.N.). Kann trotz der Erleichterungen durch den Begriff "offensichtlich" eine Feststellung der Masselosigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erfolgen, so geht dies zulasten des Arbeitnehmers (BSG, Urteil vom 20. September 1993 – 10 RAr 9/91, SozR 3 - 4100 § 141b Nr. 7; Voelzke, a.a.O. Rn. 80; Bayerisches LSG, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
So aber liegt der Fall hier. Es lässt sich ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen schon nicht feststellen, wann der Betrieb der H. KG eingestellt wurde, wenn auch einiges dafür spricht, dass dies im Frühsommer 2015 der Fall war, als nach Angaben des Klägers die letzten Mitarbeiter entlassen wurden und der Prozessbevollmächtigte der H. KG nach dem Vortrag des Klägers im arbeitsgerichtlichen Verfahren sein Mandat niederlegte. Es sind jedoch keinerlei Feststellungen dazu getroffen worden und auch nicht möglich, wie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt war, ob insbesondere die Eröffnung eines eigentlich angezeigten Insolvenzverfahrens wegen offensichtlicher Masseunzulänglichkeit hätte abgelehnt werden müssen, wobei selbst eine – vorliegend auch nicht festzustellende – Überschuldung alleine nicht bedeutet, dass deshalb die Kosten für die Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorhanden wären (Bayerisches LSG, a.a.O., m.w.N.). Denkbar ist unter anderem auch, dass der ehemalige Geschäftsführer der H. KG und der H. GmbH Gelder beiseite geschafft hat, dass er keinen Überblick über seine wirtschaftliche Situation hatte, Forderungen noch in einer Höhe da waren, die ein Insolvenzverfahren hätten finanzieren können, oder dass er schlicht zahlungsunwillig war. Für Letzteres könnte sprechen, dass er mit dem Kläger bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses heftig aneinandergeraten war, was zur fristlosen Kündigung nach nur wenigen Wochen der Tätigkeit führte und ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ohne Erfolg blieb. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass anderen früheren Arbeitnehmern der H. KG außer dem Kläger Arbeitsentgelt vorenthalten wurde. Weitere Anträge auf Insolvenzgeld wurden nicht gestellt. Weitere Hinweise auf eine Unzulänglichkeit der Masse wie zum Beispiel zahlreiche gegen den Arbeitgeber ergangene arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile oder erfolglose Pfändungsversuche liegen nicht vor. Der Umstand, dass deren ehemaliger Geschäftsführer S.er sich noch im April 2017 privat von Hamburg nach L. ummeldete, spricht eher gegen eine vorherige strafrechtlich relevante Insolvenzverschleppung. Die Löschung der H. KG und der H. GmbH am 24. August 2016 wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG vermag eine offensichtliche Masselosigkeit spätestens im Zeitpunkt der vermutlich über ein Jahr zuvor erfolgten Betriebseinstellung nicht zu belegen.
Schließlich würde ein etwaiger Anspruch auf Insolvenzgeld daran scheitern, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger die von Amts wegen zu beachtende materielle Ausschlussfrist für den Antrag von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis nach § 324 Abs. 3 SGB III eingehalten oder aus ihm von ihm nicht selbst zu vertretenden Gründen versäumt und innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt hat. Nach dem eigenen Vortrag Klägers ist davon auszugehen, dass der Betrieb der H. KG im Frühsommer 2015 eingestellt wurde. Im Mai/Juni 2015 seien die letzten Mitarbeiter entlassen worden, seit Juli 2015 habe keine betriebliche Tätigkeit mehr stattgefunden, im Juni 2015 habe der Prozessbevollmächtigte der H.KG im arbeitsgerichtlichen Verfahren das Mandat niedergelegt. Spätestens dies hätte für den mit der erforderlichen Sorgfalt agierenden Gläubiger Anlass sein müssen, dem sich aufdrängenden Verdacht der Zahlungsunfähigkeit nachzugehen und nicht erst das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts im September 2015 abzuwarten und dann wiederum erst unter dem 4. November 2015 – und damit deutlich später als innerhalb von 2 Monaten – bei der Beklagten Insolvenzgeld zu beantragen, auch wenn der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt möglicherweise keine positive Kenntnis von der behaupteten Betriebseinstellung und offensichtlichen Masselosigkeit gehabt haben sollte.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die vom Kläger beantragte und vom Sozialgericht zugesprochene Höhe des Insolvenzgelds nicht der in § 167 SGB III gesetzlich vorgesehenen entspräche. Da das Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt wird, wäre von dem dem Kläger zustehenden Bruttoarbeitsentgelt zunächst ein gesetzliches Netto zu ermitteln und erst hiervon der Betrag des im Wege der sogenannten Gleichwohlgewährung (§§ 157 Abs. 3 SGB III, 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) gezahlten Arbeitslosengeldes abzuziehen, wie es auch das Arbeitsgericht Hamburg ausurteilte. Ein Abzug des Nettoarbeitslosengelds von dem Bruttolohn des Klägers und die Ermittlung eines Nettos aus dieser Differenz würden zu einem rechtswidrig höheren Insolvenzgeldbetrag führen. Dass das Arbeitsgericht und dem folgend das Landesarbeitsgericht dem klägerischen Antrag entsprechend einen zu hohen Abzugsbetrag an vermeintlich gezahltem Arbeitslosengeld ausurteilten, indem sie den eigentlichen Monatsbetrag zuzüglich der Leistung für einen weiteren Tag am 30. November 2013 als jeweilige monatliche Arbeitslosengeldzahlung zu Grunde legten, würde sich im Falle eines Klageerfolgs nicht auswirken, weil das rechtskräftig zugesprochene Arbeitsentgelt die Obergrenze des Insolvenzgeldanspruchs bildet (Voelzke, a.a.O. Rn. 168 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit ist ein Anspruch auf Insolvenzgeld.
Der 1975 geborene Kläger war seit dem 15. November 2013 als Mitarbeiter für Support/Einkauf und Marketing/CRM bei der H ... KG (im Folgenden: H. KG) beschäftigt, einem Unternehmen, dessen Gegenstand die Entwicklung, die Herstellung und der Verkauf (Vertrieb) von Softwarelösungen und damit zusammenhängende Dienstleistungen für Unternehmen im Bereich Personalmanagement waren und deren Komplementärin die H. GmbH (im Folgenden: H. GmbH) war. Mit deren einzigem und alleinvertretungsberechtigtem Geschäftsführer, Herrn S., geriet der Kläger bereits zu Beginn seiner Tätigkeit dergestalt in Konflikt, dass das Arbeitsverhältnis am 30. November 2013 fristlos gekündigt wurde. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg, das nach einem im Februar 2014 gescheiterten Gütetermin mit Urteil vom 1. Dezember 2014 unter Abweisung der Klage im Übrigen feststellte, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Dezember 2013 fortbestanden habe; darüber hinaus wurde die H. KG verurteilt, an den Kläger, der für seine Tätigkeit im November 2013 bei einer vereinbarten monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 3100,00 Euro eine Abrechnung über 1550,00 Euro brutto/981,98 Euro netto erhalten hatte, 3100,00 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengelds in Höhe von 1319,98 Euro netto (gewährt wurden von der Beklagten 1277,40 Euro monatlich/42,58 Euro täglich (Bescheid vom 6. Januar 2014, Änderungsbescheid vom 11. März 2015), der vom Arbeitsgericht zu Grunde gelegte Betrag beinhaltet auch das für den 30. November 2013, den Tag der Arbeitslosmeldung, gezahlte Arbeitslosengeld) zuzüglich Zinsen zu zahlen (26 Ca 608/13). Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der H. KG wurde dieses Urteil durch Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 16. September 2015 teilweise abgeändert. Es wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 28. Februar 2014 fortbestanden habe, und die H. KG wurde verurteilt, an den Kläger weitere 6200,00 Euro brutto "abzüglich erhaltener 2639,96 Euro" (tatsächlich hatte der Kläger für die Monate Januar und Februar 2014 lediglich 2 × 1277,40 Euro, mithin 2554,80 Euro Arbeitslosengeld bezogen) zuzüglich Zinsen zu zahlen (5 Sa 12/15). Zahlungen darauf erhielt der Kläger nicht
Am 14. November 2015 beantragte er bei der Beklagten stattdessen die Gewährung von Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 28. Februar 2014. Er habe soeben erfahren, dass die H. KG ihre Betriebstätigkeit eingestellt habe. Soweit bekannt, sei bislang ein Antrag auf Insolvenzeröffnung nicht gestellt worden. Er habe keinerlei Gehaltsabrechnungen erhalten.
Nachdem die Beklagte schon dem Antrag auf Gewährung eines Vorschusses nicht nachgekommen war (Bescheid vom 1. Dezember 2015), lehnte sie die Gewährung von Insolvenzgeld dem Grunde nach mit Bescheid vom 4. Februar 2016 ab. Ein Insolvenzereignis im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe nicht festgestellt werden können. Das Datum der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit sowie die Zahlungsunfähigkeit hätten nicht ermittelt werden können. Die H. KG sei weiterhin im Handelsregister eingetragen (Auskunft des Amtsgerichts). Das Gewerbe sei nicht abgemeldet worden (Auskunft des Gewerbeamts). Eine aktuelle Anschrift liege nicht vor (Postsendungen an die Unternehmensanschrift waren mit dem Hinweis zurückgekommen, dass diese nicht zu ermitteln sei; die Techniker Krankenkasse hatte der Beklagten die Auskunft erteilt, dass dort keine Erkenntnisse über den Zeitpunkt einer vollständigen Beendigung sämtlicher Betriebstätigkeiten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland vorlägen; Pfändungsprotokolle etc. lägen dort ebenfalls nicht vor).
Hiergegen legte der Kläger am 9. Februar 2016 Widerspruch ein. Bei § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III handle es sich um einen Auffangtatbestand, an den keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürften. Eine Gewerbeabmeldung oder Löschung im Handelsregister sei nicht erforderlich. Schon nach dem Gesetzeswortlaut ("offensichtlich") sei keine letzte Klarheit erforderlich, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht komme. Auch ein Versäumnisurteil oder eine erfolglose Zwangsvollstreckung könnten Indizien für Masselosigkeit sein. Er verwies auf das von ihm erstrittene Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 16. September 2015 und darauf, dass der in jenem Verfahren tätig gewesene Prozessbevollmächtigte der H. KG im Juni 2016 (gemeint: 2015) das Mandat niedergelegt habe und dass die H. KG seit Juli 2015 keinerlei betriebliche Tätigkeiten mehr entfaltet habe. Die derzeitige Adresse des Geschäftsführers sei unbekannt. Er verwies auf eine E-Mail vom 4. Januar 2016 der E. GmbH, einem Unternehmen, für das sowohl er als auch der Geschäftsführer S. in der Vergangenheit tätig gewesen waren, wonach nach dortiger Kenntnis die H. GmbH nicht mehr tätig sei und man daher keine Adresse mitteilen könne. Die private Adresse von Herrn S. sei dort bekannt – und wurde mitgeteilt –, allerdings gebe es dort ebenfalls Schwierigkeiten bei der Zustellung.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2016 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22. April 2016 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Beklagte sei ihrer umfassenden Feststellungspflicht nicht nachgekommen und verkenne ganz offensichtlich die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sogenannten Firmenbestattung. Für die Annahme der Masseunzulänglichkeit genüge der sich aus äußeren Tatsachen ergebende Eindruck des unvoreingenommenen Betrachters, d.h. wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für Masseunzulänglichkeit sprächen. Diese Umstände seien hier erfüllt. Die H. KG übe keinerlei Betriebstätigkeit mehr aus. Hierfür spreche bereits der Umstand, dass sie keinen Geschäfts- bzw. Betriebssitz mehr habe. Seit etwa Frühjahr 2015 beschäftige sie keine Arbeitnehmer mehr. Die Beklagte hätte ermitteln müssen, bis zu welchem Zeitpunkt noch Beiträge gezahlt worden seien. Der Hinweis, dass bei der Einzugsstelle keine Beitragsrückstände bestünden, sei kein Indiz dafür, dass noch eine Betriebstätigkeit ausgeübt werde.
Die Beklagte ist dem unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass es nicht nur auf eine mögliche vollständige Betriebseinstellung ankomme, wobei auch diese nach den vorliegenden Unterlagen nicht nachgewiesen sei. Vielmehr müsse zusätzlich und gleichzeitig offensichtliche Masselosigkeit, also mehr als eine bloße Überschuldung, gegeben sein. Insbesondere hierfür ergäben sich keine Anhaltspunkte. Da keine weiteren Anträge auf Insolvenzgeld gestellt worden seien, hätten offensichtlich die Gehälter der anderen Angestellten bezahlt werden können. Allein der Umstand, dass die H. KG die sich aus dem Versäumnisurteil ergebenden Beträge nicht an den Kläger ausgezahlt habe, sei kein ausreichendes Indiz für die Annahme einer vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit bei gleichzeitiger offensichtlicher Masselosigkeit.
Das Sozialgericht hat vergeblich versucht, den Geschäftsführer S. anzuschreiben und bei den zuständigen Einwohnermeldeämtern ermittelt, dass dieser sich zum 1. April 2017 von seiner zuletzt bekannten H1 Privatanschrift nach L. umgemeldet hat und von dort später von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden ist.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2018 hat das Sozialgericht der Klage mit Urteil vom selben Tag stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Februar 2016 und des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2016 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 28. Februar 2014 "Insolvenzgeld nach einem Bruttolohn von 6340,51 Euro gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen". Der Auffangtatbestand des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III sei erfüllt. Spätestens seit dem Frühjahr 2016 liege eine vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit der H. KG im Inland vor, weil es keine Geschäftsadresse mehr gebe und auch der ehemalige Geschäftsführer S. nicht mehr zu erreichen gewesen sei. Ein Insolvenzantrag sei nicht gestellt worden und auch mangels Masse offensichtlich nicht in Betracht gekommen. Dies ergebe sich aus der Löschung wegen Vermögenslosigkeit am 24. August 2016.
Gegen dieses ihr am 19. Juli 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. Juli 2018 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vortrags zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt. Die als tragender Grund genannte Löschung wegen Vermögenslosigkeit sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Die Richtigkeit dieser Tatsache unterstellt, erweise sich die Entscheidung des Sozialgerichts aber auch in der Sache als rechtsfehlerhaft. Zunächst liege das Datum der Löschung mehrere Monate nach der von dem Gericht selbst angenommenen vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland spätestens im Frühjahr 2016 und eigne sich somit schon aus zeitlichen Gründen nicht als Nachweis über die Zahlungsfähigkeit zu dem Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen seine Betriebstätigkeit vollständig beendet haben solle. Der Insolvenztatbestand nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III trete jedoch nur ein, wenn Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bereits vorliege, also vorher oder zumindest gleichzeitig eingetreten sei. Letztlich könne vom Kläger kein Zeitpunkt der Betriebseinstellung bei gleichzeitiger Masselosigkeit benannt werden und deshalb auch schon kein Insolvenzgeldzeitraum festgestellt werden. Objektive Tatsachen, die unmittelbare Rückschlüsse über die Zahlungsfähigkeit der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers zuließen, seien nicht vorgetragen und auch ansonsten nicht ersichtlich. Dass die H. KG bei vollständiger Einstellung der Betriebstätigkeit zahlungsunfähig gewesen sei, halte die Beklagte danach nicht für mehr oder weniger wahrscheinlich, als dass sie zahlungsunwillig gewesen sei und deshalb die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt habe. Die Nichterweislichkeit dieser Tatsache gehe zulasten des Klägers. Im Übrigen gehe die Beklagte nach dem eigenen Vortrag des Klägers in der Widerspruchsbegründung zur Einstellung der betrieblichen Tätigkeit im Juli 2015 davon aus, dass jener den bei ihr am 10. November 2015 eingegangenen Antrag auf Insolvenzgeld nicht innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III gestellt habe und ihm auch keine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III einzuräumen sei. Ein etwaiges Verschulden des zum damaligen Zeitpunkt mit der Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche beauftragten Rechtsanwalts müsse sich der Kläger zurechnen lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Juni 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig. Ergänzend zu seinem bisherigen Vortrag weist er darauf hin, dass das Sozialgericht die Beteiligten nach seiner Erinnerung etwa eine Woche vor dem Verhandlungstermin telefonisch darüber unterrichtet habe, dass die "Insolvenzschuldnerin" wegen Vermögenslosigkeit am 24. August 2016 gelöscht worden sei. Der Kammervorsitzende habe hierauf in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2018 nochmals hingewiesen. Beide Prozessvertreter hätten hierbei bestätigt, dass sie diesen mündlichen Hinweis vor dem Verhandlungstermin bereits erhalten hätten. Die Beklagte habe daher Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern. Der Vortrag der Beklagten dazu, ob die Antragsfrist eingehalten worden sei, sei als verspätet zurückzuweisen. Im Übrigen habe er zunächst unverschuldet keine Kenntnis von dem Insolvenzfall gehabt und erst Ende Oktober/Anfang November 2015 in einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der E. GmbH davon erfahren, dass die H. KG ihre Betriebstätigkeit eingestellt habe, dort keine Mitarbeiter mehr tätig seien und die an sie abgesandte Post zurückkomme.
Der Senat hat weitere Auskünfte bei Einwohnermeldeämtern, Gewerberegistern und Amtsgerichten eingeholt, die die bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nicht aktenkundig dokumentierte Tatsache bestätigt haben, dass sowohl die H. AG als auch die H. GmbH am 24. August 2016 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gemäß § 394 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) gelöscht worden sind, die jedoch keinen weiteren Anhaltspunkte für den derzeitigen Aufenthalt des unbekannt verzogenen ehemaligen Geschäftsführers S. erbracht haben.
Der Senat hat über die Berufung am 30. Januar 2019 mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Sitzungsniederschrift sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der ausweislich der Sitzungsniederschrift beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, wobei offen bleiben kann, ob das rechtliche Gehör der Beklagten durch die Zugrundelegung der Löschung der H. KG nach § 394 FamFG am 24. August 2016 im angefochtenen Urteil verletzt worden ist; denn eine etwaige Gehörsverletzung wäre durch die Berufungseinlegung geheilt. Der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2016 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in dessen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 28. Februar 2014 keinen Anspruch auf Insolvenzgeld.
Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. War das Arbeitsverhältnis – wie vorliegend – vor dem Insolvenzereignis bereits beendet, endet die Dreimonatsfrist mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, wobei dieser mitzählt; dabei ist ohne Bedeutung, wie lange das Ende des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis liegt (Kühl in: Brand, SGB III, 7. Aufl. 2015, § 165 Rn. 34).
Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt als Insolvenzereignis 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Bei der vorliegend allein als Insolvenzereignis in Betracht kommenden vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit handelt es sich um einen Auffangtatbestand für diejenigen Fälle, in denen der Arbeitnehmer wegen der behaupteten und nicht leicht zu widerlegenden Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers keinen Lohn erhalten hat (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), s. nur Urteile vom 23. November 1981 –10/8b RAr 6/80, BSGE 53, 1, und vom 4. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R, USK 9908; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB III, Stand 06/18, § 165 Rn. 72). "Offensichtlich" meint dabei nicht zweifelsfrei und erlaubt daher nicht, bei Betriebsbeendigung und Zahlungseinstellung diesen Insolvenztatbestand zu verneinen, weil keine Tatsachen vorliegen, die den zwingenden Schluss zulassen, dass ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht in Betracht kommt; es genügt vielmehr der sich aus äußeren Tatsachen ergebende Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters, d.h. wenn alle äußeren Tatsachen (insofern der Anschein) für Masseunzulänglichkeit sprechen (BSG, a.a.O.; Voelzke, a.a.O. Rn. 79 f.). Allerdings ist die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit als Insolvenzereignis nur beachtlich, wenn die Lohnzahlung mit dem Hinweis auf die von der bloßen Zahlungsunwilligkeit zu unterscheidende Zahlungsunfähigkeit unterblieben ist und die offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bereits vorgelegen hat, also vorher oder zumindest gleichzeitig eingetreten ist (BSG, Urteil vom 4. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R, a.a.O.; Voelzke, a.a.O. Rn. 72, 80a, 82, 83; bayerisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 18. Oktober 2012 – L 10 AL 25/09, juris; jeweils m.w.N.). Kann trotz der Erleichterungen durch den Begriff "offensichtlich" eine Feststellung der Masselosigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erfolgen, so geht dies zulasten des Arbeitnehmers (BSG, Urteil vom 20. September 1993 – 10 RAr 9/91, SozR 3 - 4100 § 141b Nr. 7; Voelzke, a.a.O. Rn. 80; Bayerisches LSG, a.a.O.; jeweils m.w.N.).
So aber liegt der Fall hier. Es lässt sich ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen schon nicht feststellen, wann der Betrieb der H. KG eingestellt wurde, wenn auch einiges dafür spricht, dass dies im Frühsommer 2015 der Fall war, als nach Angaben des Klägers die letzten Mitarbeiter entlassen wurden und der Prozessbevollmächtigte der H. KG nach dem Vortrag des Klägers im arbeitsgerichtlichen Verfahren sein Mandat niederlegte. Es sind jedoch keinerlei Feststellungen dazu getroffen worden und auch nicht möglich, wie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt war, ob insbesondere die Eröffnung eines eigentlich angezeigten Insolvenzverfahrens wegen offensichtlicher Masseunzulänglichkeit hätte abgelehnt werden müssen, wobei selbst eine – vorliegend auch nicht festzustellende – Überschuldung alleine nicht bedeutet, dass deshalb die Kosten für die Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorhanden wären (Bayerisches LSG, a.a.O., m.w.N.). Denkbar ist unter anderem auch, dass der ehemalige Geschäftsführer der H. KG und der H. GmbH Gelder beiseite geschafft hat, dass er keinen Überblick über seine wirtschaftliche Situation hatte, Forderungen noch in einer Höhe da waren, die ein Insolvenzverfahren hätten finanzieren können, oder dass er schlicht zahlungsunwillig war. Für Letzteres könnte sprechen, dass er mit dem Kläger bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses heftig aneinandergeraten war, was zur fristlosen Kündigung nach nur wenigen Wochen der Tätigkeit führte und ein Gütetermin vor dem Arbeitsgericht ohne Erfolg blieb. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass anderen früheren Arbeitnehmern der H. KG außer dem Kläger Arbeitsentgelt vorenthalten wurde. Weitere Anträge auf Insolvenzgeld wurden nicht gestellt. Weitere Hinweise auf eine Unzulänglichkeit der Masse wie zum Beispiel zahlreiche gegen den Arbeitgeber ergangene arbeitsgerichtliche Versäumnisurteile oder erfolglose Pfändungsversuche liegen nicht vor. Der Umstand, dass deren ehemaliger Geschäftsführer S.er sich noch im April 2017 privat von Hamburg nach L. ummeldete, spricht eher gegen eine vorherige strafrechtlich relevante Insolvenzverschleppung. Die Löschung der H. KG und der H. GmbH am 24. August 2016 wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG vermag eine offensichtliche Masselosigkeit spätestens im Zeitpunkt der vermutlich über ein Jahr zuvor erfolgten Betriebseinstellung nicht zu belegen.
Schließlich würde ein etwaiger Anspruch auf Insolvenzgeld daran scheitern, dass nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger die von Amts wegen zu beachtende materielle Ausschlussfrist für den Antrag von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis nach § 324 Abs. 3 SGB III eingehalten oder aus ihm von ihm nicht selbst zu vertretenden Gründen versäumt und innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt hat. Nach dem eigenen Vortrag Klägers ist davon auszugehen, dass der Betrieb der H. KG im Frühsommer 2015 eingestellt wurde. Im Mai/Juni 2015 seien die letzten Mitarbeiter entlassen worden, seit Juli 2015 habe keine betriebliche Tätigkeit mehr stattgefunden, im Juni 2015 habe der Prozessbevollmächtigte der H.KG im arbeitsgerichtlichen Verfahren das Mandat niedergelegt. Spätestens dies hätte für den mit der erforderlichen Sorgfalt agierenden Gläubiger Anlass sein müssen, dem sich aufdrängenden Verdacht der Zahlungsunfähigkeit nachzugehen und nicht erst das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts im September 2015 abzuwarten und dann wiederum erst unter dem 4. November 2015 – und damit deutlich später als innerhalb von 2 Monaten – bei der Beklagten Insolvenzgeld zu beantragen, auch wenn der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt möglicherweise keine positive Kenntnis von der behaupteten Betriebseinstellung und offensichtlichen Masselosigkeit gehabt haben sollte.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die vom Kläger beantragte und vom Sozialgericht zugesprochene Höhe des Insolvenzgelds nicht der in § 167 SGB III gesetzlich vorgesehenen entspräche. Da das Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt wird, wäre von dem dem Kläger zustehenden Bruttoarbeitsentgelt zunächst ein gesetzliches Netto zu ermitteln und erst hiervon der Betrag des im Wege der sogenannten Gleichwohlgewährung (§§ 157 Abs. 3 SGB III, 115 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) gezahlten Arbeitslosengeldes abzuziehen, wie es auch das Arbeitsgericht Hamburg ausurteilte. Ein Abzug des Nettoarbeitslosengelds von dem Bruttolohn des Klägers und die Ermittlung eines Nettos aus dieser Differenz würden zu einem rechtswidrig höheren Insolvenzgeldbetrag führen. Dass das Arbeitsgericht und dem folgend das Landesarbeitsgericht dem klägerischen Antrag entsprechend einen zu hohen Abzugsbetrag an vermeintlich gezahltem Arbeitslosengeld ausurteilten, indem sie den eigentlichen Monatsbetrag zuzüglich der Leistung für einen weiteren Tag am 30. November 2013 als jeweilige monatliche Arbeitslosengeldzahlung zu Grunde legten, würde sich im Falle eines Klageerfolgs nicht auswirken, weil das rechtskräftig zugesprochene Arbeitsentgelt die Obergrenze des Insolvenzgeldanspruchs bildet (Voelzke, a.a.O. Rn. 168 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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HAM
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