L 1 KR 145/18 B ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 1565/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 145/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 4. Dezember 2018 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 2.500.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig, die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 4. Dezember 2018 ist damit unbegründet.

Nach § 86 b Absatz 2 Satz 1 (Sozialgerichtsgesetz) SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Um einen derartigen Antrag auf einstweilige Anordnung handelt es sich bei der begehrten Untersagungsverfügung. Einen "Beschaffungsverwaltungsakt" vermag der Senat ebenso wenig wie das Sozialgericht in dem Eröffnungsvermerk zur Ausschreibung nicht zu erkennen. Dass eine hierfür notwendige Außenwirkung (erst) durch die Veröffentlichung des Eröffnungsvermerks im Rahmen des Vergabeverfahrens eingetreten ist, ist hierfür nicht ausreichend. Denn der Eintritt in das Vergabeverfahren als solcher setzt weder einseitig eine verbindliche Rechtsfolge (Regelungscharakter), noch handelt es sich bei dem Vergabeverfahren um eine hoheitliche Maßnahme. Denn das Beschaffungswesen wird nicht durch ein Verhältnis von Über- und Unterordnung bestimmt, sondern die Beteiligten bewegen sich auf der Ebene der Gleichordnung (vgl. EuGH Urteil v. 12.12.2013, C - 327/12).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig. Zwar ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG eröffnet, denn für die Abgrenzung zu den Streitigkeiten nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in denen nach § 51 Abs. 3 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ausgeschlossen ist, ist maßgeblich darauf abzustellen, auf welche Norm sich der Kläger beruft (Keller in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 51 Rn. 23a). Dies ist vorliegend § 127 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), so dass die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist.

Jedoch fehlt es der Antragstellerin an der notwendigen Antragsbefugnis. Denn der Antragstellerin kann das geltend gemachte Recht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zustehen. Zwar regelt § 127 Abs. 1 Satz 6 SGB V, dass für Hilfsmittel, die für einen bestimmten Versicherten individuell angefertigt werden oder Versorgungen mit hohem Dienstleistungsanteil Ausschreibungen nicht zweckmäßig sind. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass es sich hierbei um eine anbieterschützende Vorschrift handelt. Der Gesetzgeber hat die Regelung vielmehr eingefügt, um sicherzustellen, dass Preisvorteile nicht zu Lasten der Versorgungsqualität gehen und auch im Falle einer Ausschreibung eine in der Qualität gesicherte und wohnortnahe Versorgung für die (gesetzlich) Krankenversicherten sichergestellt werden soll (BT-Drs. 16/4247 S. 46). Im Verhältnis zu den Versicherten sind es die Krankenkassen und Leistungserbringer, die eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten haben (vgl. § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die in § 127 SGB V genannten Vorgaben sind letztlich Ausprägung des das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung beherrschenden Grundsatzes der Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung. Kommt es im Rahmen der Leistungserbringung zu Mängeln, obliegt es den Krankenkassen im Rahmen des ihnen obliegenden Sicherstellungsauftrages, bei den Leistungserbringern mit den dafür vorgesehenen Maßnahmen auf vollständige und fachgerechte Erfüllung der Verträge hinzuwirken (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Januar 2009 – L 21 KR 1/08 SFB). Zweck der Ausschreibung von Hilfsmittellieferungen ist damit kein wettbewerblicher, sondern ein gesundheitspolitischer mit den in einem Spannungsverhältnis sich befindenden Aspekten einer sparsamen und zugleich wirtschaftlichen Haushaltsführung der Krankenkassen und der medizinischen Versorgung ihrer Versicherten in dem zur Krankenbehandlung notwendigen Umfang. Auch steht das wirtschaftliche Interesse der möglichen Bieter an einem gesicherten Absatzmarkt nicht im Fokus der Norm. Zweck und Ziel des Krankenversicherungsrechts, wie es in dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs vielerorts zum Ausdruck kommt, ist eine gesicherte, wirtschaftliche und solidarische medizinische Versorgung der Bevölkerung (§ 1 SGB V). Insoweit steht dem nationalen Gesetzgeber auch die Kompetenz zu, dies in einer ersten Stufe in eigener Zuständigkeit unabhängig von wettbewerblichen Interessen zu regeln. Folgerichtig knüpft § 127 Abs. 1 S. 1 SGB V die Zweckmäßigkeitsprüfung an die Voraussetzung, dass diese zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualität gesicherten (medizinischen) Versorgung der bundesdeutschen Bevölkerung erfolgt. Dies war erkennbar auch das Motiv des Gesetzgebers bei der Einführung der Zweckmäßigkeitsprüfung und deren in der Folgezeit wiederholt veränderten Anwendungs- und Durchführungsformen (Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 25. September 2018 – L 1 KR 34/18 KL ER – juris). Dafür, dass diese Vorschriften einen Anbieterschutz gewährleisten oder Leistungserbringer in die Lage versetzen sollen, Rechte der Versicherten quasi in Prozessstandschaft im Vergabeverfahren geltend zu machen, ergeben sich demgegenüber keine durchgreifenden Anhaltspunkte.

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich im Gegensatz zur Auffassung der Antragstellerin nicht Abweichendes. Dass auch Interessen Dritter mittelbar betroffen sein können, führt nicht bereits zur Annahme eines drittschützenden Charakters einer Norm. Hierfür ist vielmehr Voraussetzung, dass die Norm auch und gerade dem Schutz individueller Interessen eines in qualifizierter und individualisierter Weise betroffenen Dritten zu dienen bestimmt ist. Die vorliegende Norm dient indes, wie dargelegt, allein dem Allgemeinwohl. Andernfalls hätte der Gesetzgeber nach Auffassung des Senats entsprechende Rechte von potentiellen Mitbewerbern postuliert, wie er es auch in § 160 GWB getan hat. Dass diese Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung findet, hat der Senat bereits entschieden (Landessozialgericht Hamburg, Beschluss vom 25. September 2018 - L 1 KR 34/18 KL ER -, juris, unter Anschluss an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. Juni 2018 - VII-Verg 59/17- juris).

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Gesetzgeber Änderungen der Vorschrift des § 127 SGB V beabsichtigt, ist dabei jedenfalls zum aktuellen Zeitpunkt nicht von Bedeutung. Die Rechtsposition der Antragstellerin ist hiervon jedenfalls gegenwärtig nicht betroffen. Inwieweit nach einer möglichen Gesetzesänderung bereits abgeschlossene Vergabeverfahren einer Überprüfung nach der bislang nicht absehbaren neuen Rechtslage unterliegen, ist Angelegenheit des Gesetzgebers bzw. der Aufsichtsbehörden.

Eine Ergänzung des gerichtlichen Schreibens vom 17. Dezember 2018, wie von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 27. Dezember 2018 gewünscht, ist nicht mehr erforderlich, da das betreffende Zahlenmaterial die Entscheidung des Senats nicht beeinflusst hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Der Streitwert wird unter Berücksichtigung des Interesses der Antragstellerin am Ausgang des Verfahrens gemäß § 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Gerichtskostengesetz auf den Höchststreitwert festgesetzt. Dabei wurde davon abgesehen, den in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes üblicherweise vorzunehmenden Abschlag von 50 % vorzunehmen, da die von der Antragstellerin begehrte Unterlassungsverfügung bei deren Erfolg faktisch zur Vorwegnahme der Hauptsache führt und die Bedeutung der Entscheidung für die Beteiligten der eines Hauptsacheverfahrens nicht nachsteht.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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