L 4 AS 246/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 35 AS 2067/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 246/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Bildungsgutscheins für eine Weiterbildung zum geprüften Immobilienfachwirt.

Der 1968 geborene, erwerbsfähige Kläger erhält Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Er schloss im Jahr 1998 eine Berufsausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft ab und arbeitete anschließend bis Februar 2001 als Immobilienberater. Zuletzt war er im Jahr 2003 als Immobilienmakler tätig. Im Jahre 2013 nahm er an einer vom Beklagten geförderten Weiterbildungsmaßnahme (SAP) teil und schloss diese mit sehr guten Noten ab. Ihm wurden durch den Beklagten regelmäßig Vermittlungsvorschläge, auch im Bereich der Immobilienbranche zugesandt. Er bewarb sich sowohl auf diese als auch initiativ, allerdings stets ohne Erfolg.

Am 15. Februar 2017 beantragte der Kläger beim Beklagten mündlich die Gewährung eines Bildungsgutscheins für die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme zum geprüften Immobilienfachwirt. Anlässlich einer weiteren Vorsprache beim Beklagten am 27. Februar 2017 teilte der Kläger mit, er habe am 21. Februar 2017 ein Beratungsgespräch beim Weiterbildungsträger gehabt, dieser habe ihm die Maßnahme empfohlen. Der Beklagte lehnte die Gewährung des Bildungsgutscheins zunächst mündlich und sodann durch Ablehnungsbescheid vom 8. März 2017 schriftlich ab. Zur Begründung trug er vor, bei der gewünschten Maßnahme handele es sich um eine Aufstiegsqualifizierung und nicht um eine Weiterbildung zur Auffrischung vorhandener Kenntnisse, eine Grundlagenqualifizierung oder zur Erlangung eines Berufsabschlusses. Da der Kläger zuletzt 2003 als Immobilienmakler gearbeitet habe, gelte er wieder als ungelernt. Infolgedessen erscheine eine Aufstiegsqualifizierung nicht sinnvoll. Außerdem würde diese im Rahmen des SGB II nicht gefördert.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2017 zurückwies. Die Voraussetzungen für die Förderung lägen nicht vor, da die beantragte Weiterbildung nicht notwendig sei. Der Kläger benötige angesichts seiner beruflichen Situation keine Aufstiegsfortbildung, sondern eine Auffrischungsschulung, um erneut in seinem Beruf Fuß fassen zu können. Die begehrte Weiterbildung sei nicht geeignet, den Widerspruchsführer unmittelbar für eine Arbeitsaufnahme zu befähigen.

Am 15. Juni 2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Er hat vorgetragen, dass Stellenangebote in der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Immobilienberater/-makler selten seien, die Nachfrage nach Arbeitskräften mit der begehrten Qualifikation des geprüften Immobilienfachwirts sei dagegen groß.

Das Sozialgericht hat am 9. November 2017 einen Erörterungstermin durchgeführt. Nachdem die Vorsitzende der zuständigen Kammer darauf hingewiesen hatte, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorlägen, mithin eine Weiterbildung notwendig sei und der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen über die Gewährung einer Weiterbildungsmaßnahme zu entscheiden habe, hat der Beklagte im Wege eines Teilanerkenntnisses den Bescheid vom 8. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und sich verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen. Das Sozialgericht hat sodann am 12. Juli 2018 den Beklagten durch Gerichtsbescheid verpflichtet, entsprechend seines Anerkenntnisses über den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme "Geprüfter Immobilienfachwirt" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger habe zwar einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags, nicht aber auf Gewährung eines Bildungsgutscheins für die begehrte Weiterbildungsmaßnahme. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 16 SGB II iVm § 81 SGB III seien erfüllt. Daraus folge indes kein Anspruch auf eine bestimmte Förderung, vielmehr stehe die Entscheidung über das "Ob" und das "Wie" der Förderung im Ermessen des Beklagten. Eine sog. Ermessensreduzierung auf Null komme nur dann in Betracht, wenn die begehrte Weiterbildung die einzige Maßnahme sei, mit der eine berufliche Wiedereingliederung erreicht werden könne. Dies sei hier nicht anzunehmen. Zum einen könne den vorliegenden Stellenausschreibung nicht entnommen werden, dass die Ausbildung zum Immobilienfachwirt notwendig sei, in der Regel werde diese nur als wünschenswert benannt. Zum anderen könne auch eine Auffrischungsschulung in Betracht kommen, ebenso eine Weiterbildung mit eingebundenem Praktikum. Ferner sei nicht erkennbar, dass der Kläger auf den gewählten Beruf beschränkt sei, eine Eingliederung in Arbeit in einem anderen Berufsfeld sei daher auch nicht ausgeschlossen. Infolgedessen habe der Kläger lediglich einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung. Hierbei seien zu berücksichtigen die individuelle Situation Klägers, insbesondere seien im Rahmen einer Potentialanalyse festgestellten Potentiale sowie konkrete Vermittlungshemmnisse, die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes für Kaufleute in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft sowie für geprüfte Immobilienfachwirte/innen, der Gleichbehandlungsgrundsatz, der Umstand, ob Vermittlungs- und Eigenbemühungen – auch auf Stellen außerhalb der vom Kläger begehrten Branche – über einen angemessenen Zeitraum erfolglos waren, und die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Den Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung habe der Beklagte zwar bislang nicht erfüllt, er habe diesen im Erörterungstermin aber anerkannt.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 9. August 2018 zugestellt worden. Am 10. September 2018 hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein Ziel der Förderung der konkret gewünschten Weiterbildung weiter verfolgt.

Im Zeitraum vom 14. Mai 2018 bis zum 30. Dezember 2019 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Eine weitere Arbeitsunfähigkeit bestand vom 11. bis zum 15. Februar 2019.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 hat der Beklagte mitgeteilt, er habe die erstinstanzliche Entscheidung inzwischen umgesetzt. Auf Nachfrage des Senats hat er einen Bescheid vom 20. Februar 2019 übersandt, in dem er dem Kläger mitteilt, dem Antrag auf Förderung der Weiterbildung zum geprüften Immobilienfachwirt könne weiterhin leider nicht entsprochen werden. Es sei nicht erkennbar, dass der Kläger über einen angemessenen Zeitraum hinweg Eigenbemühungen auch bezüglich Stellen außerhalb der von ihm begehrten Branche angestellt habe. Zudem sei er seit dem 14. Mai 2018 arbeitsunfähig, weshalb die Stabilisierung der gesundheitlichen Situation im Vordergrund stehe. Der Kläger hat nachfolgend ein Attest seiner Hausärztin vom 17. April 2019 eingereicht, in der diese bescheinigt, dass er arbeitsfähig und aus ärztlicher Sicht in der Lage sei, die begehrte Weiterbildungsmaßnahme durchzuführen. Er hat zudem diverse Stellenangebote bzw. Absageschreiben, auch aus anderen Branchen als der Immobilienwirtschaft, eingereicht.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. Mai 2019 hat der Beklagte den Bescheid vom 20. Februar 2019 aufgehoben.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 12. Juli 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten ihm einen Bildungsgutschein für die Weiterbildungsmaßnahme geprüfter Immobilienfachwirt zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2019 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet gem. § 153 Abs. 5 SGG durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter.

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Nachdem der Beklagte den Bescheid vom 20. Februar 2019, der gemäß § 96 SGG Streitgegenstand des hiesigen Verfahrens geworden war, in der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2019 wieder aufgehoben hat, ist Gegenstand der Berufung nur noch die Frage, ob der Kläger über den bereits vom Beklagten anerkannten Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags hinaus einen Anspruch auf Förderung der konkret begehrten Weiterbildung zum geprüften Immobilienfachwirt hat.

Die Berufung ist insoweit indes nicht begründet, zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht einen derartigen Anspruch verneint, da die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung nicht vorliegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids, denen er sich vollumfänglich anschließt.

Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass der Beklagte das erstinstanzliche Urteil bislang nicht umgesetzt hat. Er wird nunmehr zügig und unter Berücksichtigung der Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil den Antrag des Klägers neu zu bescheiden haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt das anteilige Obsiegen des Klägers.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved