L 3 P 2/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 9 P 144/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 P 2/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Mai 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 1. April 1988 bis zum 22. September 2008 die Gewährung von Pflegegeld aus der Versicherung ihrer verstorbenen Mutter (geboren am 13. Januar 1916, verstorben am 22. September 2008) und Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung als Pflegeperson.

Die Versicherte wurde von der Klägerin gepflegt. Sie litt unter psychiatrischen Erkrankungen (einer paranoid-halluzinatorischen Psychose) und war deshalb mehrfach in stationärer Behandlung. 1992 wurde vom Versorgungsamt Hamburg ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und H (Hilflosigkeit) festgestellt. Später wurden vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) rezidivierende depressive Störungen mit dementieller Entwicklung diagnostiziert. Für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum Ableben der Versicherten gewährte die Beklagte Pflegegeld gemäß Pflegestufe I (Bescheid vom 29. Mai 2008).

Die Unterlagen über die Versicherte wurden nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen von der Beklagten weitgehend vernichtet. Anhand der noch vorhandenen gespeicherten Daten und noch vorhandenen bzw. von der Klägerin vorgelegten Dokumenten lässt sich folgender Verfahrensablauf in Bezug auf Pflegeleistungen rekonstruieren:

29.12.1994 Bescheid der AOK Hamburg als Krankenkasse über die Ablehnung von Schwerpflegebedürftigkeit mit dem Hinweis, dass die neue Pflegeversicherung ab dem 1. April 1995 auch Leistungen bei einem erheblichen Pflegebedarf vorsehe. Weiter heißt es wörtlich:

"Unter den dort geltenden Kriterien hat der Medizinische Dienst bei Ihnen einen erheblichen Pflegebedarf (Pflegestufe I) bejaht. Als Pflegekasse bei der AOK Hamburg freuen wir uns deshalb, dass Sie ab dem 01.04.1995 Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten können. Füllen Sie uns dafür bitte noch den beiliegenden Antrag aus und senden diesen an uns zurück."

03.06.1995 Nach einem EDV Ausdruck: Ablehnung Pflegeleistungen, Gutachten vom 03.06.1995.

07.09.1997 MDK-Gutachten über Pflegebedürftigkeit (vollständig vorhanden). Diagnose einer behandelten Schizophrenie, die weitgehend gut eingestellt sei, bewege sich im Haus ohne Einschränkungen, fahre selbständig Bus. Derzeitig keine Pflegestufe.

Der MDK ermittelte 4 Minuten Hilfebedarf in der Grundpflege und 30 Minuten für die hauswirtschaftliche Versorgung.

23.09.1997 Laut EDV Ablehnungsbescheid, gegen den Widerspruch erhoben wurde.

01.12.1997 Wiederholungsgutachten des MDK nach erneuter Untersuchung: Erwähnung von Vorgutachten von Dezember 1994, Juni 1996 und September 1997.

Klägerin sei allseits orientiert und rapportfähig, klage allein über zunehmende Vergesslichkeit.

Hilfebedarf von 3 Minuten in der Grundpflege.

01.02.1998 EDV-Vermerk über Nichtabhilfe des Widerspruchs.

06.01.2006 Erneuter Antrag der Klägerin.

27.03.2006 MDK-Gutachten: Chronische Psychose, dementielle Entwicklung, nach den Angaben der Tochter Hilfebedarf im Haushalt und zunehmend auch im Bereich der Grundpflege aufgrund altersbedingtem Kräfteabbau und zunehmenden kognitiven Störungen. Feststellungen: Stehe selbständig aus dem Sitzen auf, freier Stand sicher, gehe im Wohnbereich ohne Gehilfe verlangsamt und sicher, Treppensteigen im Wohnumfeld ausreichend möglich, liege am Tag überwiegend auf dem Bett. Im Gespräch freundlich zugewandt, zeitlich etwas unscharf orientiert, Zeitgitterstörungen, Angaben zur Person und Lebenssituation könnten realitätsgerecht gemacht werden. Gutachter stellte 20 Minuten Hilfebedarf in der Grundpflege fest, die Versicherte habe überwiegend Bedarf an psychosozialer Betreuung, Pflege durch Angehörige, Tochter wohne benachbart.

12.04.2006 Laut EDV Ablehnungsbescheid.

19.04.2006 Widerspruch.

30.06.2006 Wiederholungsbegutachtung durch den MDK mit erneutem Hausbesuch. Versicherte habe die Tür selbst geöffnet und den Gutachter in die Wohnung begleitet. Versicherte zeige sich verlangsamt, jedoch zu allen Qualitäten voll orientiert und kooperativ. Gutachter ermittelte einen Hilfebedarf von 27 Minuten in der Grundpflege.

03.08.2006 Widerspruchsbescheid nach EDV-Eintrag.

Am 15. April 2008 wurde ein erneuter Leistungsantrag gestellt. Mit Begleitschreiben vom 11. August 2008 wies der Ehemann der Klägerin darauf hin, dass 1993 bis 1994 Pflegeleistungen der Stufe I über einen privaten Pflegedienst bezogen worden seien, die aber eingestellt worden seien. Auch in der Zeit zwischen 1995 und 2006 seien alle Anträge durch die Beklagte abgelehnt worden. Seine Ehefrau würde ihre Mutter jedoch seit 1988 pflegen. Mit Schreiben vom 15. April 2008 wandte sich die behandelnde Ärztin für Neurologie und Psychotherapie Böttge an die Beklagte bzw. den MDK und vertrat die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegestufe vorliegen würden. Die Gesundheit der Patientin sei schwerstens beeinträchtigt durch gelegentlich auftretende optische und akustische Halluzinationen, Verfolgungsgedanken und durch eine erhebliche Reduktion des Lebenskreises. Auch die Einrichtung einer Betreuung oder Einweisung in ein Pflegeheim sei ihrer Auffassung nach erforderlich.

Der MDK kam in seinem Gutachten vom 19. Mai 2008 zu dem Ergebnis, dass bei einer rezidivierenden depressiven Störung mit dementieller Entwicklung, einem kognitiven Leistungsabbau und Altersgebrechlichkeit ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 78 Minuten bestehe.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 gewährte die Beklagte Leistungen gemäß Pflegestufe I für die Zeit ab 1. April 2008. Am 22. September 2008 verstarb die Versicherte.

Am 26. November 2012 ging bei der Beklagten ein Schreiben der Klägerin mit einem ausgefüllten Fragebogen der Deutschen Rentenversicherung Nord zur Rentenversicherungspflicht ehrenamtlicher Pflegepersonen ein. In diesem Fragebogen gab die Klägerin an, ihre Mutter wöchentlich seit dem 1. August 1988 in einem Umfang von 30 Stunden gepflegt zu haben. In dem Begleitschreiben wies sie auf den festgestellten GdB von 100 und die Merkzeichen H und B hin.

Mit Schreiben vom 10. Januar 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass Beiträge zur Rentenversicherung für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 22. September 2008 unter Berücksichtigung eines monatlichen Entgelts i.H.v.662,67 EUR entrichtet werden.

Die Klägerin erhob gegen diese Entscheidung der Beklagten am 15. Januar 2013 "Einspruch". Die Beklagte habe der Versicherten bereits vor Einführung der Pflegeversicherung Leistungen gemäß Stufe I gewährt, was sich aus dem Bescheid vom 29. Dezember 1994 der Krankenkasse ergebe. Durch die folgenden Ablehnungen sei ihr 19 Jahre lang Pflegegeld entgangen. Die Klägerin überreichte die Kopie eines Kündigungsschreibens vom 4. Juni 1995 gegenüber dem Pflegedienst.

Mit weiterem Schreiben vom 20. Februar 2013 teilte die Beklagte mit, dass es bei der Entscheidung bleibe. Nach den vorliegenden Erkenntnissen seien weitere Pflegeleistungen nicht gewährt worden. Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen von sechs Jahren, seien die Unterlagen vernichtet worden.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2013 erhob die Klägerin nochmals Widerspruch und Vorwürfe in Bezug auf die Vernichtung der Unterlagen und verwies darauf, dass sie ihre Mutter seit 1988 gepflegt habe. Aus der Kündigung des Pflegedienstes sei ersichtlich, dass vor 1995 Pflegeleistungen gewährt worden seien.

Mit Schreiben vom 15. März 2013 wandte sich die Beklagte an die Deutsche Rentenversicherung Nord mit der Bitte, über die Versicherungspflicht abschließend zu entscheiden. Eine Pflegebedürftigkeit gemäß § 14 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch (SGB XI) sei nicht feststellbar.

Mit Bescheid vom 15. April 2013 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Nord die Feststellung der Versicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1a Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) für die Zeit vom 1. April 1995 bis 31. März 2008 ab. In dieser Zeit seien keine Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung bezogen worden. Für Ansprüche auf die Gewährung von Pflegeleistungen aus der Pflegeversicherung sei die Pflegekasse zuständig.

Mit Vormerkungsbescheid vom 2. Juli 2013 lehnte die Deutsche Rentenversicherung Nord die Feststellung der von der Klägerin begehrten Pflegezeit ab.

Mit Schreiben vom 17. April 2013 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und verwies auf den Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers vom 15. April 2013. Es werde nunmehr die Zahlung von Pflegegeld für die Zeit vom 1. August 1988 bis 31. März 2008 geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 9. September 2013 teilte die Beklagte nach weiteren Ermittlungen und weiterer Korrespondenz der Klägerin mit, dass sich keine Änderung ergeben habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zwar sei es auch vor Einführung der Pflegeversicherung möglich gewesen, Pflegegeld für schwerpflegebedürftige Menschen zu beziehen, eine gesetzliche Grundlage für die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen der Pflegeperson bestehe jedoch mit § 44 Sozialgesetzbuch – Elftes Buch (SGB XI) erst seit dem 1. April 1995. Vor dem 1. April 1995 sei daher keine Rechtsgrundlage für die begehrte Beitragsentrichtung ersichtlich. Weiterhin sei auf die Verjährungsregelung des § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch (SGB I) zu verweisen. Die Rekonstruktion des Verfahrensablaufs habe ergeben, dass keine Pflegeleistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung gewährt worden seien. Des Weiteren sei es der Klägerin verwehrt, Ansprüche für ihre verstorbene Mutter geltend zu machen. Als Erbin oder Sonderrechtsnachfolgerin könnten nur Ansprüche geltend gemacht werden, die zum Todeszeitpunkt festgestellt oder fällig gewesen seien, oder wenn ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen sei (§ 59 SGB I). Dies sei jedoch nicht der Fall.

Die Klägerin hat am 25. September 2013 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und die Zahlung von Pflegegeld sowie die Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung für die Zeit vom 1. August 1988 bis 22. September 2008 geltend gemacht. Sie habe in dem genannten Zeitraum tatsächlich Pflegeleistungen erbracht. Für die Zeit von 1993-1994 sei die Zahlung von Pflegeleistungen gemäß Pflegestufe I durch die Korrespondenz mit dem Pflegedienst belegt. Darüber hinaus sei auf die Feststellungen des Versorgungsamtes (GdB von 100 und Merkzeichen B und H) zu verweisen. Es bestehe der Verdacht der Datenmanipulation durch die Beklagte. Aus dem Bescheid vom 29. Dezember 1994 der Krankenkasse ergebe sich eindeutig ein Anspruch für die Zeit ab 1. April 1995. Es sei eine permanente Verschiebung der Zuständigkeiten zwischen der Beklagten und der Deutschen Rentenversicherung Nord festzustellen.

Im Erörterungstermin vom 24. Februar 2016 vor dem Sozialgericht hat die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Das Gericht hat die Beteiligten in Kenntnis gesetzt, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgesehen sei. Nach dem Hinweis im Erörterungstermin, dass dieser Antrag nicht begründet sei, hat die Klägerin einen Ablehnungsantrag gegen die Vorsitzende der Kammer 9 P des Sozialgerichts gestellt, der mit Beschluss vom 31. April 2016 abgelehnt worden ist. Ebenso ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 3. November 2016 aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin abgelehnt worden.

Das Sozialgericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 29. September 2016 darüber informiert, dass im Hinblick auf weitere Ermittlungen zunächst nicht mehr beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Ggf. werde eine erneute Anhörung stattfinden. Es sind daraufhin Befundberichte der behandelnden Hausärztin für den Behandlungszeitraum ab 2005 und weitere Unterlagen über Behandlungen der Versicherten eingeholt worden. Ermittlungen in Bezug auf die Tätigkeiten des Pflegedienstes sind erfolglos geblieben.

Das Sozialgericht hat — ohne erneute Anhörung — mit Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2017 die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf die Zahlung von Pflegegeld sei die Klage unzulässig. Pflegegeld könne nur durch Pflegebedürftige und nicht durch die Pflegeperson beansprucht werden. Die Voraussetzungen des § 59 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch (SGB I) für eine Geltendmachung als Erbin seien nicht erfüllt. Die Leistung sei zum Todeszeitpunkt nicht festgestellt oder fällig gewesen und ein Verwaltungsverfahren sei zu Lebzeiten nicht anhängig gewesen.

Im Hinblick auf die begehrte Beitragsentrichtung bzw. Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sei die Klage unbegründet. Vor dem 1. April 1995 bestünde keine gesetzliche Regelung für eine Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen, für die Zeit danach sei der Anspruch nicht nachgewiesen und die Klägerin treffe die Beweislast.

Gegen den am 1. Juni 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30. Juni 2017 Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen wie die Klage und den Widerspruch begründet. Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei zu beanstanden und es sei von einem Verstoß gegen das rechtliche Gehör auszugehen. Nach dem Vorbringen der Klägerin hätte aufgrund des Schwierigkeitsgrades in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht durch Gerichtsbescheid entschieden werden dürfen. Es seien weitere Ermittlungen erforderlich durch Befragung der behandelnden Ärzte und Beiziehung medizinischer Unterlagen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Mai 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vom 1. August 1988 bis zum 31. März 2008 Pflegegeld für ihre Mutter zu gewähren und entsprechende Beiträge zur Rentenversicherung als Pflegeperson zu entrichten.

Die Klägerin stellt des Weiteren die auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 17. Juli 2019 gestellten Anträge.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil.

Im Laufe des Verfahrens hat die Klägerin (nach einem zivilrechtlichen Verfahren auf Einsichtnahme) Auszüge aus der Krankenakte des Krankenhauses vorgelegt, unter anderem einen Entlassungsbericht vom 14. Februar 1994 über eine stationäre Behandlung in der Zeit vom 22. Dezember 1992 zum 31. März 1993 (Bl. 488-489 der Prozessakte). Hieraus ergibt sich eine Entlassung in sehr gut stabilisiertem Zustand und körperlich guter Verfassung. Die häusliche psychiatrische Krankenpflege sollte von der Firma durchgeführt werden.

Am 23. September 2018 hat die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gestellt. Dieser Antrag ist vom erkennenden Gericht mit Beschluss vom 31. Januar 2019 abgelehnt worden. Im Hinblick auf die Beanspruchung von Pflegegeld ist auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen worden. Soweit es die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung betreffe, sei die Klage unzulässig, weil hierfür der Rentenversicherungsträger nach der Rechtsprechung des BSG zuständig sei. Mit weiterem Beschluss vom 2. April 2019 ist eine von der Klägerin erhobene Anhörungsrüge zurückgewiesen worden.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2019 hat die Klägerin beantragt, die Klage auf die Deutsche Rentenversicherung Nord zu erweitern. Mit Hinweis des Gerichts vom 18. Februar 2019 ist — ungeachtet einer Einwilligung der Beklagten — die Sachdienlichkeit für den Antrag verneint worden. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12. März 2019 u.a. ausgeführt, dass sie einen Grund für eine "Beiladung" nicht erkennen könne.

Mit weiterem Schreiben vom 17. Juli 2019 hat die Klägerin Kritik an dem Ablauf des Verfahrens und der Sachbehandlung durch den Senat erhoben. Des Weiteren hat sie zusätzliche Anträge, die u.a. auf Ersatz der bisher entstandenen Verwaltungs- und Verfahrenskosten gerichtet sind, gestellt. Es wird inhaltlich auf das Schreiben vom 17. Juli 2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, insbesondere form- und fristgerechte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Umstand, dass das Sozialgericht ohne erneute Anhörung durch Gerichtsbescheid entschieden hat, führt nicht zu einer Aufhebung und Zurückverweisung an das Sozialgericht, weil die Voraussetzungen des § 159 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht gegeben sind. Der Senat ist dadurch an einer Sachentscheidung nicht gehindert (1).

Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht durch Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2017 abgewiesen. Die gegen die Pflegekasse gerichtete Klage ist, soweit die Klägerin Pflegeleistungen beansprucht, mangels Aktivlegitimation (2) und, soweit es die begehrte Beitragsentrichtung bzw. Feststellung der Versicherungspflicht betrifft, wegen fehlendem Rechtschutzbedürfnis unzulässig (3).

Geht man davon aus, dass die Klägerin als Erbin einen Neufeststellungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch (SGB X) gestellt hat, erweist sich die insoweit zulässige Klage als unbegründet (4).

(1) Trotz eines wesentlichen Verfahrensmangels des Sozialgerichts ist das Berufungsgericht nicht an einer Sachentscheidung gehindert. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung gemäß § 159 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Es liegt ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör vor. Das Sozialgericht hätte nicht ohne erneute Anhörung durch Gerichtsbescheid entscheiden dürfen. Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Nach Satz 2 sind die Beteiligten vorher zu hören. Es kann dahingestellt bleiben, ob die länger zurückliegende mündliche Anhörung im Erörterungstermin trotz der fruchtlos durchgeführten weiteren Ermittlungen noch ausreichend gewesen wäre. Denn das Sozialgericht hat mit Schreiben vom 29. September 2016 dargelegt, dass im Hinblick auf weitere Ermittlungen zunächst nicht mehr beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und ggf. eine erneute Anhörung erfolgen werde. Aufgrund dieser Mitteilung ist die zunächst durchgeführte Anhörung gegenstandslos geworden mit der Folge, dass nach Abschluss der angekündigten Ermittlungen eine erneute Anhörung zwingend hätte durchgeführt werden müssen, was nicht geschehen ist.

Auch wenn es sich hierbei um einen erheblichen Verfahrensmangel handelt, kommt eine Zurückverweisung nicht in Betracht. Das ist gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG nur möglich, wenn das Sozialgericht die Klage abgewiesen hat ohne in der Sache zu entscheiden, was vorliegend nicht der Fall ist, oder gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes reicht ein gravierender Verfahrensverstoß für sich alleine genommen nicht aus. Darüber hinaus muss aufgrund des wesentlichen Mangels zusätzlich eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme erforderlich sein. Weitere Tatsachenermittlungen oder eine Beweisaufnahme sind jedoch nicht erforderlich, der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 159 Abs. SGG liegen daher nicht vor und eine Zurückverweisung ist nicht möglich. Der Verfahrensverstoß hat insoweit keine Auswirkungen und das Berufungsgericht ist als weitere Tatsacheninstanz gehalten, eine Entscheidung in der Sache zu treffen. Da die Klage aus Rechtsgründen nicht erfolgreich sein kann, ist die Berufung zurückzuweisen.

(2) Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt, dass ein Anspruch auf Pflegegeld nicht bestehen kann und die Klage deshalb unzulässig ist. Der Anspruch auf Gewährung von Pflegegeld steht nur der pflegebedürftigen Person zu. Die Pflegeperson hat keinen Anspruch und kann diesen grundsätzlich auch nicht einklagen. Es wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 30. Mai 2017 Bezug genommen.

Es besteht auch kein Recht, den Anspruch im Wege der Rechtsnachfolge geltend zu machen. Denn wie vom Sozialgericht zutreffend dargelegt, sind gemäß § 59 Satz 2 SGB I Ansprüche auf Geldleistungen mit dem Tod des Berechtigten erloschen, wenn sie zum Todeszeitpunkt nicht festgestellt worden sind und auch kein Verwaltungsverfahren anhängig war. Beides war nicht der Fall.

Anders stellt sich die Situation dar, wenn man von einem konkludent gestellten Neufeststellungsantrag der Klägerin ausgeht, mit dem eine Überprüfung der zu Lebzeiten der Versicherten ergangenen Verwaltungsentscheidungen begehrt wurde. Geht man davon aus, dass die Klägerin dadurch einen Neufeststellungsantrag gemäß § 44 SGB X gestellt hat, dass sie neben der zunächst geforderten Beitragsentrichtung die Zahlung von Pflegegeld beanspruchte und die Beklagte konkludent durch das weitere Schreiben vom 9. September 2013 und den Widerspruchsbescheid vom 11. September 2013 auch einen solchen Antrag abgelehnt hat, erweist sich die Klage als zulässig. Denn in Literatur und Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass sowohl Sonderrechtsnachfolger als auch Erben durch einen Neufeststellungsantrag gemäß § 44 SGB X das beendete Verwaltungsverfahren des Erblassers wieder aufgreifen können mit der Folge, dass die Entscheidung des Sozialleistungsträgers zurückwirkt und von einem anhängigen Verwaltungsverfahren auszugehen ist (s. Mrozynski SGB I, 4 Auflage, § 59 Rn. mit weiteren Nachweisen). Die Klägerin kann dann als Erbin — ihre Erbenstellung unterstellt — grundsätzlich Pflegeleistungen beanspruchen (§ 58 SGB I), die Geldansprüche wären nicht erloschen.

(3) Eine gegen die zur Beitragsentrichtung zustände Pflegekasse gerichtete Leistungs- oder Feststellungsklage der Pflegeperson ist unzulässig, weil es am erforderlichen Rechtsschutzinteresse bzw. Feststellungsinteresse mangelt (BSG v. 23. 09. 2003 – B 12 P 2/02 R in juris, Rn 16). Denn die Träger der Rentenversicherung bleiben auch über den 31. Dezember 2000 hinaus für die Feststellung der Versicherungspflicht nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen zuständig, unabhängig davon, ob der Pflegebedürftige privat oder gesetzlich pflegeversichert ist. Die vom Sozialgericht angeführte Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 6 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB IV) begründet keine Entscheidungskompetenz der zur Beitragsentrichtung bezeichneten Stellen, sondern lediglich eine Fälligkeitsregelung (BSG v. 23. 09. 2003 – B 12 P 2/02 R in juris, Rn 15). Die Pflegeperson hat nicht das Recht, eine Zahlung der Beiträge an den Rentenversicherungsträger zu verlangen, sondern muss die Versicherungspflicht gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1a Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) vom zuständigen Rentenversicherungsträger prüfen lassen (s. BSG v. 22.03.2001 – B 12 P 3/00 R in juris; BSG v. 23. 09. 2003 – B 12 P 2/02 R in juris, Rn 12 und 13). Dieser hat dann über die Versicherungspflicht durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Ausweislich des Bescheides vom 15. April 2013 ist ein solches Verfahren bereits durchgeführt werden. Die Deutsche Rentenversicherung Nord hat den Antrag der Klägerin abgelehnt. Sofern der Bescheid bestandskräftig geworden ist — wovon vorliegend auszugehen ist — kann die Klägerin einen Neufeststellungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch stellen. Auch der Hinweis im Bescheid, dass für die Klärung eines Anspruchs auf Leistungen aus der Pflegeversicherung die Pflegekasse zuständig ist, ändert nichts an der Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers, die Versicherungspflicht gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI zu prüfen und hierüber eine Entscheidung zu treffen, was auch geschehen ist. Der Hinweis ist auch zutreffend, denn die Pflegekassen entscheiden über die Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Pflegeversicherung. Allerdings hat der Rentenversicherungsträger in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI gegeben sind — hierzu gehört auch das Tatbestandsmerkmal, ob der Pflegebedürftige einen grundsätzlichen Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder privaten Pflegeversicherung hat. Es kommt insoweit nicht auf den tatsächlichen Bezug der Leistungen an.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Zuständigkeit des MDK bzw. der Pflegeversicherung gemäß § 44 SGB XI den Pflegebedarf zu ermitteln. Die Feststellungen zu den Pflegezeiten und dem Pflegeaufwand der Pflegeperson sowie bei Mehrfachpflege zum Einzel- und Gesamtpflegeaufwand trifft auf der Grundlage der Ermittlungen durch den MDK oder den unabhängigen Gutachter gemäß § 44 Abs. 1 Satz 6 die für die Pflegeleistungen nach dem SGB XI zuständige Stelle. Die Feststellungen weisen jedoch noch keinen Regelungscharakter auf und stellen noch keinen angreifbaren Verwaltungsakt dar. Erst wenn sie in einen die Versicherungspflicht feststellenden oder nicht feststellenden Bescheid münden, können sie als Teil dessen angegriffen werden (Reimer in: Hauck/Noftz, SGB, 08/17, § 44 SGB XI, Rn. 44). Zuständig hierfür bleibt aber der Rentenversicherungsträger. Eine von der Pflegeperson unmittelbar gegen den Pflegeversicherungsträger erhobene Leistungs- und Feststellungsklage ist selbst nach Beiladung des Rentenversicherungsträgers mangels Feststellungsinteresses bzw. Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. (Behrend in jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 44 SGB XI, Rn. 110)

Der Rentenversicherungsträger ist auch nicht gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen. Die Situation einer einheitlichen Entscheidung besteht nicht, denn die Beklagte ist für Feststellung der Versicherungspflicht unzuständig, die Klage ist insoweit unzulässig und durch die Entscheidung wird nicht in die Rechtssphäre des Rentenversicherungsträgers eingegriffen. Ebenso kommt auch eine Leistungspflicht nicht in Betracht. Eine Verurteilung des Rentenversicherungsträgers gemäß § 75 Abs. 5 SGG nach Beiladung im streitgegenständlichen Verfahren kommt nach der Rechtsprechung des BSG (BSG v. 23. 09. 2003 – B 12 P 2/02 R in juris, Rn 18f.) nicht in Betracht und dürfte sich auch bereits deshalb verbieten, weil der Rentenversicherungsträger bereits bestandskräftig entschieden hat (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 75 Rn 18b mit weiteren Nachweisen). Ungeachtet der bestandskräftigen Ablehnung hat das BSG ausgeführt, dass auf das gesetzlich vorgeschriebene Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht nicht verzichtet werden kann und es sich nicht um eine bloße Formalie handelt. Vielmehr sollen durch die Anhörungs- und Beteiligungsrechte sowie Ermittlungspflichten des Versicherungsträgers die Rechte und Pflichten des Versicherten in einer formalisierten und damit nachvollziehbaren Entscheidungsfindung festgestellt werden (BSG v. 23. 09. 2003 – B 12 P 2/02 R in juris, Rn 21). Die Beklagte hat sich mit der Frage der Versicherungspflicht gemäß § 3 Satz 1a SGB VI nicht näher auseinandergesetzt, sondern geprüft, ob ein Anspruch auf Pflegeleistungen für die Zeit von 1988 bis 2008 besteht und dies mit der Begründung verneint, dass die Klägerin als Pflegeperson kein Pflegegeld beanspruchen könne und eine Beanspruchung als Erbin an der Regelung des § 59 Satz 2 SGB I scheitere, wonach Ansprüche auf Geldleistungen erloschen seien.

Eine einfache Beiladung — auch auf Antrag der Klägerin, die eine Einbeziehung des Rentenversicherungsträgers wünscht — wegen Interessenberührung ist aus denselben Erwägungen heraus nicht sinnvoll. Zum einen liegt ein bestandskräftig gewordener Verwaltungsakt des Rentenversicherungsträgers vor, der eine Verurteilung verhindert und zum anderen wird die Rechtssphäre des Rentenversicherungsträgers durch die Entscheidung nicht maßgeblich berührt.

Die von der Klägerin begehrte Erweiterung der Klage auf Einbeziehung der Deutschen Rentenversicherung Nord erweist sich als unzulässig. Die Klageerweiterung auf weitere Beklagte ist eine Klageänderung (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 99 Rn. 6). Diese ist jedoch nicht sachdienlich.

Gemäß § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12. März 2019 zu erkennen gegeben, dass sie eine Einbeziehung des Rentenversicherungsträgers nicht für sinnvoll hält, indem sie keinen Grund für eine "Beiladung" gesehen hatte. Eine Zustimmung liegt daher nicht vor, auch nicht durch eine rügelose Einlassung im Sinne von § 99 Abs. 2 SGG. Die Einwilligung des neu einzubeziehenden Beklagten ist hingegen nicht erforderlich (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 99 Rn. 8a) und daher nicht von Belang.

Die Klageerweiterung ist jedoch nicht sachdienlich und deshalb unzulässig. Soweit eine Verurteilung gemäß § 75 Abs. 5 SGG nicht möglich ist, kann auch eine Klageerweiterung mit demselben Ziel der Verurteilung eines anderen Sozialleistungsträgers nicht sachdienlich sein. Im Hinblick auf ein noch durchzuführendes Neufeststellungsverfahren bei einem bestandskräftig gewordenem Bescheid ergibt sich nichts anderes. Zunächst ist unklar, ob bereits ein derartiger Antrag gestellt worden ist. Selbst wenn das Verfahren eingeleitet worden ist, erscheint es sinnvoll zu sein, das vorliegende Verfahren, in welchem eine Prüfung der Versicherungspflicht gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI inhaltlich nicht durchgeführt worden ist, nicht weiter zu verzögern, sondern für die Frage, ob noch durchsetzbare Ansprüche gegen die Pflegekasse auf Zahlung von Pflegegeld bestehen, abzuschließen. Hinzu kommt, dass der Rentenversicherungsträger bei einer Einbeziehung eine Instanz verlieren würde. Da vorliegend eine Verurteilung gemäß § 75 Abs. 5 SGG nicht möglich ist, kann nicht argumentiert werden, dass über diese Norm insoweit kein Schutzbedürfnis besteht. (s. B ... Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage, § 99 Rn. 10c).

Die Klägerin ist daher darauf zu verweisen, bei der Deutschen Rentenversicherung Nord einen Antrag auf Neufeststellung gemäß § 44 SGB X zu stellen und ein entsprechendes Verwaltungsverfahren einzuleiten und ggf. den Klageweg zu beschreiten (s.a. PKH-Beschluss vom 31. Januar 2019).

(4) Die auf eine Neufeststellung gemäß § 44 SGB X gerichtete Klage gegen die beklagte Pflegekasse auf Gewährung von Pflegegeld ist nicht begründet, weil § 44 Abs. 4 SGB X vorsieht, dass Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches längstens für bis zu vier Jahre vor der Rücknahme erbracht werden können und Ansprüche bis zum 30. März 2008 damit nicht mehr zeitlich erfasst werden.

Erfolgt die Rücknahme — wie im vorliegenden Fall — auf Antrag, ist gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X der Antrag für die Fristberechnung maßgeblich, die sich wiederum nach § 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X richtet. Danach wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen (hier der Antrag gestellt) worden ist. Geht man von einem konkludent gestellten Antrag durch die erstmalige Geltendmachung von Pflegegeld aus, wäre dies das Schreiben der Klägerin vom 17. April 2013. Die Frist beginnt dann mit dem letzten Tag des Vorjahres und endet nach vier Jahren mit dem ersten Tag des Jahres (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Das ist hier der 1. Januar 2009. Für zurückliegende Zeiten kann kein Anspruch mehr auf Pflegegeld bestehen. Deswegen verbieten sich auch weitere Ermittlungen wie die Einvernahme von Zeugen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens — ungeachtet der Frage, ob sie überhaupt inhaltlich als sachdienlich einzuschätzen wären.

Die weiteren mit Schriftsatz vom 17. Juli 2019 gestellten Anträge sind zum Teil unzulässig und im Übrigen unbegründet. Im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch gemäß § 198 Gerichtsverfassungsgesetz ist ein gesondertes Verfahren durchzuführen. Ein "Schadensersatzanspruch" im Hinblick auf die geltend gemachten Verwaltungskosten betrifft inhaltlich die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Eine Kostenentscheidung hierzu ist vom Senat gemäß § 193 SGG getroffen worden. Sie folgt dem Ausgang des Verfahrens. Rechtliches Gehör hat der Senat gewährt, das Sitzungsprotokoll wird der Klägerin übersandt.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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