L 4 AS 108/16

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 21 AS 2377/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 108/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufungen des Klägers werden die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Februar 2016 S 21 AS 2377/13 und S 21 AS 2378/13 aufgehoben und der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 24.4.2013 und 30.5.2013, beide in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 15.7.2013, verurteilt, dem Kläger Leis¬tungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II für die Zeit vom 1.2.2013 bis zum 31.7.2013 zu gewähren. 2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu tragen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebens¬un¬ter-halts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Juli 2013.

Der 1953 geborene Kläger bezog zusammen mit seiner 1975 geborenen Ehefrau und dem ge-meinsamen 1996 geborenen Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im November 2011 wurde die Ehe geschieden. Die 1976 geborene Tochter des Klägers mietete am 1. Oktober 2011 eine 63m² große 2 ½- Zimmer-Wohnung unter der im Ru-brum genannten Adresse an. Die Zeugin A. trat am 3. Januar 2012 in diesen Miet¬vertrag ein. Der Kläger und die Zeugin mel¬de¬¬ten sich zum 16. Januar 2012 amtlich in der Wohnung an. Mit einem Untermietvertrag vom 31. Januar 2012 mietete der Kläger von seiner Tochter einen Wohn- und Schlaf¬raum sowie Küche und Bad zur gemeinschaft¬lichen Be¬nutzung in der Wohnung an. Die Räu¬me wurden möbliert vermietet. Die vereinbarte Mo¬nats¬miete betrug 350,00 Euro warm sowie die Hälfte der Stromkosten.

Der Kläger beantragte am 26. Januar 2012 beim Beklagten Leistungen ab dem 1. Februar 2012. Laut Ak¬tenvermerk gab er an, dass er mit der Zeugin zusammen in einer Wohnung woh-ne. Es bestehe noch keine Lebens- und Ein¬stehensgemeinschaft, da sie erst versuchen würden, zusammen zu leben. Im Antragsformular, das vom Kläger mit der Versicherung un¬ter-schrieben wur¬de, dass die Angaben zutreffend seien, wurde unter der Überschrift "Be¬darfs-gemeinschaft" der Zuzug der Zeugin zum 1. Februar 2012 angegeben und dazu "Ver¬such der Lebensgemeinschaft" ergänzt. Es wurde auch eine Arbeits- und Verdienst¬be¬schei¬nigung der Zeugin eingereicht; hiernach stand sie seit Januar 2011 in einem Arbeits¬ver¬hält¬nis mit einem monatlichen Bruttolohn von 1.780,14 Euro. Der Beklagte bewilligte dem Kläger Leis¬¬¬tungen vom 1. Februar 2012 bis zum 31. Januar 2013 unter Zugrundelegung der ge¬setz¬lichen Regelleistung (374,00 Euro monatlich; ab dem 1. Januar 2013: 382,00 Euro mo¬nat¬lich) und der (anteiligen) tatsächlichen Unterkunftskosten (350,00 Euro), ohne dass vom Be¬ste¬¬hen einer Bedarfsgemein¬schaft mit der Zeugin ausgegangen und deren Einkommen beim Kläger bedarfsmindernd angerechnet wurde.

Laut Aktenvermerk über ein Telefongespräch am 22. Januar 2013 gab der Kläger auf Vorhalt zum Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft an, dass die Beziehung "so-la-la" laufe und seine Partnerin die meiste Zeit in Gelsenkirchen sei. Dem schriftlichen Antrag des Klägers vom 29. Januar 2013 war die von der Zeugin ausgefüllte und unterschriebene Anlage EK beigefügt, allerdings fanden sich darin keine Angaben über ihr Einkommen. Der Beklagte führte daraufhin am 24. Januar 2013 einen Hausbesuch durch und stellte fest, dass ein Zimmer klassisch als Wohnzimmer eingerichtet war, ein Zimmer war mit einem Sofa und einem kleinen Schrank, eher wie ein Gästezimmer, eingerichtet, und das dritte Zimmer war als Schlafzimmer eingerichtet, u.a. mit einem Doppelbett und einem Kleiderschrank. Das Doppelbett war mit zwei Garnituren Bettwäsche bezogen. Im Kleiderschrank befand sich die Bekleidung des Klägers und der Zeugin. Der Kläger gab an, dass die Zeugin häufig nicht in der Wohnung sei und er dann im Schlafzimmer schlafe; wenn sie da sei, dann würde er im Gästezimmer schlafen. Mit Schreiben vom 29. Januar 2013 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Einkommensbescheinigungen der Zeugin vorzulegen.

Der Kläger führte in einem Schreiben vom 1. Februar 2013 aus, dass zwischen ihm und der Zeu¬gin ein Altersunterschied von mehreren Jahrzehnten bestehe, so dass eine Paar¬be¬zie¬hung unwahrscheinlich sei. Mit Schreiben vom 10. Februar 2013 erklärte die Zeugin ge¬gen¬über dem Beklagten, dass sie keine Beziehung zu dem Kläger habe und zu keinem Zeit¬punkt gehabt habe. Sie werde auch zukünftig nicht für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Mit Bescheid vom 7. Februar 2013 wurden dem Kläger vom Beklagten Leistungen versagt. Als Grund wurde angegeben, es fehle die Vermögens- und Einkommensbescheinigung der Zeu¬gin.

Im Rahmen eines Eilverfahrens vor dem Sozialgericht Hamburg (S 21 AS 591/13 ER) wurde der Beklagte dazu verpflichtet, dem Kläger ab dem 25. Februar 2013 bis zur be¬stands¬kräf¬ti¬gen Entscheidung über den Antrag vom 29. Januar 2013 vorläufig laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 732 Euro monatlich zu gewähren. Der Kläger hatte im Verfahren angegeben, dass er nur vorübergehend bei einer Freundin seiner Tochter wohne. Früher hätte seine Tochter dort mit der Zeugin gelebt. Er habe nie gesagt, dass er eine ernsthafte Beziehung mit der Zeugin zu führen versuchen werde. Aber natürlich habe er da-mals gesagt, er sei jetzt geschieden, er würde schauen, was so passieren werde. Damals sei er in erster Linie glücklich gewesen, ein Dach über dem Kopf zu haben. Es würden sich zwei Schlafzimmer in der Wohnung befinden. Sein Zimmer sei das größere, welches er sich aufgrund seines Alters habe aussuchen dürfen. Das kleinere Zimmer sei das der Zeugin. Sie be¬finde sich in einer Beziehung und sei selten da. Zudem habe er nie ge¬sagt, dass er im Gäs-tezimmer schlafe. Er habe gesagt, dass die Zeugin in dem kleinen Zim¬¬mer schlafe, wenn sie da sei. In Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Hamburg gewährte der Be¬klag¬te dem Kläger mit Bescheid vom 28. März 2013 für die Zeit vom 25. Februar 2013 bis zum 31. Mai 2013 und mit Bescheid vom 13. Juni 2013 für die Zeit vom 1. Juni 2013 bis zum 31. Juli 2013 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von jeweils 732,00 Euro monatlich (382,00 Euro Regelleistungen und 350,00 Euro Unterkunftskosten). Mit Bescheiden vom 24. April 2013, 30.Mai 2013 und 23. Juli 2013 lehnte er die Weiter¬be¬willi-gungsanträge des Klägers vom 29. Januar 2013 (Weiterbewilligung ab dem 1.2.2013), 10. Mai 2013 (Weiterbewilligung ab dem 1.6.2013) und 15. Juli 2013 (Weiterbewilligung ab dem 1.8.2013) aber mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht hilfebedürftig: Es stehe fest, dass er in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit der Zeugin lebe und mit ihr eine Bedarfs¬ge¬mein-schaft im Sinne des SGB II bilde. Bei Personen in einer Bedarfsgemeinschaft sei auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Der Beklagte führte am 19. Juni 2013 einen weiteren Hausbesuch durch. Im Bericht heißt es, dass der Kläger die Tür zum Schlafzimmer nur kurz geöffnet habe. Das Zimmer sei noch voll-ständig abgedunkelt und nichts zu erkennen gewesen. Dann habe der Kläger die Tür des Gäs¬-tezimmers kurz geöffnet. Da das Zimmer abgedunkelt gewesen sei, sei in dem kurzen Moment nur ein Bett oder Schlafsofa zu erkennen gewesen, welches mit einer Garnitur Bett¬wä¬sche belegt gewesen sei. Dieses Bett habe einen unbenutzten Eindruck gemacht. Der Kläger habe angegeben, dass er sich das größere Schlafzimmer ausgesucht habe und die Zeugin das kleine nutzen würde.

Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 15. Juli 2013 lehnte der Beklagte die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 24. April 2013 und 30. Mai 2013 ab. Der Kläger hatte in ihnen vorgebracht, die Zeugin sei in keiner Weise mit ihm verbunden, es bestehe zwi¬schen ihm und ihr keine eheähnliche Gemeinschaft bzw. Bedarfs- oder Haushalts¬ge¬mein¬schaft. Er könne deshalb ihre Lohnunterlagen nicht vorlegen. Er habe sein eigenes Konto und einen Un-termietvertrag. Er habe auch keine Vollmacht über ihre Konten. Der Beklagte be¬gründete seine Entscheidung mit dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Klä¬ger und der Zeugin und leitete dies aus den festgestellten Wohnverhältnissen und den An¬gaben des Klägers ab, die er bei den Antragstellungen im Januar 2012 und Januar 2013 ge¬macht hatte.

Am 31. Juli 2013 erhob der Kläger zwei Klagen gegen die Widerspruchsbescheide vom 15. Juli 2013 (die Klage S 21 AS 2378/13 betraf den Leistungszeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Mai 2013, die Klage S 21 AS 2377 betraf den Leistungszeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 31. Juli 2013). Inhaltlich trug er jeweils vor, er habe keine Beziehung mit der Zeu¬gin und bilde mit ihr nur eine Wohngemeinschaft. Wie er und sie die Wohnung untereinander aufgeteilt hätten und nutzten, etwa bezüglich des Kleiderschrankes, sei ihre Sache. Er be¬woh¬¬ne jedenfalls das große Zimmer und die Zeugin das kleine Zimmer. So sei es von An¬fang an gewesen und so sei es noch heute.

Am 11. Februar 2015 führte der Beklagte einen weiteren Hausbesuch durch. Der Kläger hat¬te zuvor beim Beklagten vorgesprochen und sich mit einem Hausbesuch eine Stunde später einverstanden erklärt. Bei diesem Hausbesuch war die Zeugin G. – die Schwester der Zeugin A. – anwesend, die der Klä¬ger als seine Freundin vorstellte. Im Übrigen wur¬de festgestellt, dass sich im Schlaf¬zim¬mer ein bezogenes Doppelbett befand sowie ein Schrank, der nach den Angaben des Klägers zur einen Hälfte die Kleidung der Zeugin A. und zur anderen Hälfte seine eigene Klei¬¬dung enthielt. Das Wohnzimmer war klas¬sisch ohne Schlafgelegenheit eingerichtet. Das dritte (kleine) Zimmer war mit einer Schlaf¬couch, in deren Bettkasten sich Bettzeug befand, einem kleinen Schrank und einem Schreib¬tisch samt PC eingerichtet. Der Kläger gab an, dass dieses Zimmer von Frau A. ge¬nutzt werde, wenn sie da sei. Nach Auffassung des Betreuungsdienstes machte es nicht den Eindruck, als würde es regelmäßig genutzt.

Das Sozialgericht führte am 2. Februar 2016 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Kläger und beide Zeuginnen zu ihrem jeweiligen Verhältnis untereinander befragt wur¬den. Hinsichtlich des Ergebnisses der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift ver¬wie¬sen. Sodann wies es mit zwei Urteilen vom 2. Februar 2016 die Klagen ab. Der Kläger habe in der Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Mai 2013 sowie vom 1. Juni 2013 bis zum 31. Juli 2013 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, weil er in dieser Zeit nicht hilfebedürftig gewesen sei.

Ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes setze nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II voraus, dass Hilfebedürftigkeit im Sinne von § 9 SGB II vorliege. Danach sei hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu be¬rück-sich¬tigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II sei bei der Ermittlung des Leistungsanspruches von Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu be-rücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörten nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB II neben dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten als dessen Partner auch eine Person, die mit dem Leis-tungsberechtigten in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebe, dass nach ver-ständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen sei, Verantwortung für¬ein¬an¬der zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille werde nach § 7 Abs. 3a SGB II ver¬mu¬tet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenlebten (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusam¬men¬lebten (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgten (Nr. 3) oder be¬fugt seien, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4).

Würden Partner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, gelte es, ihren Ein¬ste¬hens- und Verantwortungswillen festzustellen. Ob eine Verantwortungs- und Ein¬ste¬hens¬ge¬mein-schaft vorliege, sei anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung fest¬zu¬stel¬len (BSG, Urteil vom 23.8.2012 – B 4 AS 34/12 R). Vom Bestehen einer Partnerschaft sei unter Be¬rücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87) auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Be¬zie¬hung gegeben sei, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulasse. Zudem müs¬se zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche recht¬lich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz bestehen. Das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haus¬halt im Sinne des § 7 Absatz 3 Nr. 3c SGB II erfordere das Bestehen einer Wohn- und Wirt-schaftsgemeinschaft. Unter "Zusammenleben" in einer Wohnung sei mehr als nur ein blo¬ßes "Zusammenwohnen", wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall sei, zu ver¬ste¬hen. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gingen dabei über die ge¬mein¬sa¬me Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts müssten gemeinschaftlich durch beide Part¬ner erfolgen, was allerdings nicht bedeute, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haus¬halt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssten. Ausreichend sei eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilten.

Das Gericht sei nach der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu der Über¬zeu-gung gelangt, dass der Kläger und Frau A. als Partner in einer Wohn- und Wirt¬schafts-gemeinschaft zusammenlebten. Bereits nach Aktenlage hätten sich gewichtige Indi¬zi¬en für das Vorliegen einer Partnerschaft ergeben. Im Antrag auf Leistungen ab dem 1. Fe¬bru¬ar 2012, der vom Kläger unterschrieben worden sei, sei bereits vermerkt, dass er mit der Zeugin den Versuch einer Lebensgemeinschaft unternehmen wolle. Auch die durchgeführten Hausbesuche sprä¬chen dafür, dass zwischen der Zeugin und dem Kläger eine Partnerschaft sowie eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe. Gewichtiges Indiz sei, dass beide ge-meinsam den Schrank im Schlafzimmer nutzten. Eine echte Wohngemeinschaft zeichne sich dagegen ge¬ra¬de dadurch aus, dass sich jeder Bewohner zu jeder Zeit in seinen eigenen Bereich zu¬rück¬zie¬hen könne, um seine Privatsphäre zu wahren. Die 2 ½ -Zimmer-Wohnung hätte ohne Schwie¬rigkeiten so ausgestaltet werden können, dass jedem Bewohner ein aus-schlie߬licher Be¬reich zugeordnet werde; dies sei aber nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund sei auch das Be¬streiten einer Partnerschaft durch den Kläger und Frau A. nicht glaubwürdig. So habe sie ausgesagt, dass sie die Wohnung erst eingerichtet habe, als die Tochter des Klä¬gers wusste, dass sie nicht mehr nach Hamburg ziehen werde. Es erschließe sich nicht, warum Frau A. auf Kredit die gesamte Wohnung mit Möbeln ausstatte, und zwar u.a. auch das Schlafzimmer mit einem Doppelbett, dann aber selbst in dem kleinen Zimmer auf einer Schlafcouch übernachte und angesichts der annähernd hälftigen Aufteilung der Mie¬te dem Kläger unentgeltlich Möbel zur Verfügung stelle, die sie selbst angeschafft ha¬be, während sie sich mit einem halben Zimmer zufrieden gebe, das nur über eine Schlaf¬couch und einen zu kleinen Kleiderschrank verfüge.

Das Gericht sei auch davon überzeugt, dass der Kläger und Frau A. aus einem Topf wirt-schafteten. Die behauptete getrennte Anschaffung von Putzmitteln wirke lebensfremd. Im Übrigen zeige sich das gemeinsame Wirtschaften auch darin, dass die Kredite für die Möbel allein von Frau A. getragen worden seien, während die Möbel von beiden benutzt wür¬¬den. Ebenso verhalte es sich mit der Aufteilung der Zimmer: Obwohl beide die Kaltmiete an¬nähernd hälftig teilten, halte sich der Kläger offenbar häufiger in der Wohnung auf und be¬nut¬ze auch einen wesentlich größeren Bereich der Wohnung.

Das Gericht sei nach der mündlichen Verhandlung auch nicht davon überzeugt, dass der Klä-ger mit der Zeugin G. im streitigen Zeitraum eine Beziehung geführt habe, die eine Lebens- und Einstandsgemeinschaft mit Frau A. ausschließe. Vielmehr lebten der Kläger und Frau A. zur Überzeugung des Gerichts als Partner in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammen. Es greife somit die Vermutung des § 7 Abs. 3a SGB II ein, wonach der wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander ein¬zustehen, vermutet wer¬de. Dem Kläger sei es nicht gelungen, die Vermutung zu wider¬le¬gen. Ob die Bedarfsgemeinschaft im Übrigen über bedarfsdeckendes Einkommen oder Ver¬mögen verfügt habe, habe nicht abschließend festgestellt werden können, da Frau A. nicht bereit gewesen sei, hierüber Auskunft zu erteilen. Die Beweislast für das Vorlie¬gen der Hilfebedürftigkeit trage vorliegend der Kläger.

Am 22. März 2016 hat der Kläger zwei Berufungen gegen die ihm am 25. Februar 2016 zu¬ge-stellten Urteile eingelegt (die Berufung L 4 AS 109/16 betrifft den Leistungszeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Mai 2013, und die Berufung L 4 AS 108/16 betrifft den Leis¬tungs-zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 31. Juli 2013). Er rügt, das Sozialgericht habe den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt und die Ergebnisse der Hausbesuche wie der mündlichen Verhandlung unzutreffend gewürdigt und sei so zu dem unzutreffenden Schluss gekommen, zwischen ihm und der Zeugin A. habe in den strittigen Zeiträumen eine Be-darfsgemeinschaft bestanden.

Am 14. Juli 2016 hat er zudem Klage gegen den Bescheid vom 23. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2016 erhoben, mit dem die Gewährung von Leistungen ab dem 1. August 2013 abgelehnt wurde; die Klage trägt das Aktenzeichen S 50 AS 2659/16.

Die Beteiligten haben sich in beiden Berufungsverfahren mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt. Das Gericht hat über die Berufungen am 11. Juli 2019 mündlich verhandelt und den Kläger so¬wie beide Zeuginnen zu ihrem je¬weili-gen Verhältnis zueinander befragt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Es hat zudem die Verfahren L 4 AS 108/16 und L 4 AS 109/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Der Kläger beantragt, die Urteile vom 2. Februar – 2016 S 21 AS 2377/13 und S 21 AS 2378/13 – auf¬zu¬he-ben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 24.4.2013 und 30.5.2013, jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 15.7.2013, zu ver¬urteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die Zeit vom 1.2.2013 bis zum 31.7.2013 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung gegen beide Urteile zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen; sie waren Gegenstand der Ver¬hand-lung und liegen der Entscheidung zugrunde.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die miteinander zur gemeinsamen Verhandlung und Ent¬schei¬dung verbundenen Berufungen mit dem Ein¬ver¬ständ¬nis der Beteiligten durch den Bericht¬er¬stat¬ter als Ein¬zelrichter (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), weil der Wert des Be¬schwer¬de¬ge-gen¬standes in beiden strittigen Zeiträumen jeweils 750,00 Euro über¬¬steigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben worden (vgl. § 151 SGG). Die Berufung hat auch Erfolg. Die Bescheide vom 24. April 2013 und 30. Mai 2013, jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 15. Juli 2013, sind rechts¬wid¬rig und verletzen den Klä¬ger in seinen Rechten. Ihm stehen in der Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 31. Juli 2013 Leis¬tungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu. Er erfüllt die Leis-tungsvoraussetzungen von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II (in der hier ma߬geb¬lichen, vom 1.4.2012 bis zum 31.7.2016 geltenden Fassung): Er hatte das 15. Lebensjahr voll¬endet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hat¬te seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II). Er war auch hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II): Er hatte kein eigenes Ein-kom¬men oder Vermögen oberhalb des für ihn geltenden Freibetrages – dies be¬haup¬tet auch der Beklagte nicht –, und auf das Einkommen der Zeugin A. kommt es nicht an, weil er mit ihr zur Überzeugung des Gerichts entgegen der Auffassung des Be¬klag¬ten und der ers¬ten Instanz in der strittigen Zeit keine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II bildete, aufgrund derer nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II auch ihr Einkommen und Ver¬mö¬gen zur Deckung seines Bedarfs einzusetzen gewesen wäre.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Per¬¬son zur Bedarfsgemeinschaft, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt so zu¬sam¬men-lebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Ver¬ant¬¬wor-tung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4). Um¬schrieben wird damit eine eheähnliche Gemeinschaft, bei der von zentraler Bedeutung ist, dass sich die Partner im Sinne eines wechselseitigen Einstandswillens so sehr füreinan¬der verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicher¬stel¬len, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden (LSG Hamburg, Beschluss vom 20.9.2017 – L 4 AS 254/17 B ER, m.w.N; Beschluss vom 29. Juni 2011 – L 5 AS 197/11 B ER; Urteil vom 10.12.2018 – L 4 AS 431/16).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 23.8.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 14; Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 60/15 R, juris Rn. 25) müssen für eine Ein¬stehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II drei Merkmale gegeben sein: Bei den fraglichen Personen muss es sich (1.) um Partner handeln, die (2.) in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben, und zwar so, dass (3.) nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für¬ein-ander zu tragen und füreinander einzustehen. Bei den ersten beiden Kriterien handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die kumulativ zu der subjektiven Voraus¬set¬zung des Einstehens- und Verantwortungswillens vorliegen müssen. Sofern die objektiven Tat¬be-standsvoraussetzungen vorliegen, wird die subjektive Seite – dass die in einem Haus¬halt zusammenlebenden Partner auch den gemeinsamen Willen haben, füreinander Ver¬ant¬wor¬tung zu tragen und füreinander einzustehen – vermutet, wenn einer der in § 7 Abs. 3a SGB II aufgezählten Fälle positiv festgestellt werden kann. Es obliegt dann dem er¬werbs¬¬fä¬hi¬gen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen (BSG, Urteil vom 23.8.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 14, Urteil vom 12.10.2016 – B 4 AS 60/15 R, juris Rn. 25). Ob eine Ver-antwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand von In¬di¬zien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen (BSG, Urteil vom 23.8.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 13).

Vorliegend ist das Gericht nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass zwischen dem Kläger und der Zeugin A. keine Partnerschaft besteht und dies auch in der strittigen Zeit nicht der Fall war. Vielmehr besteht zur Überzeugung des Gerichts schon seit langem, auch in der strittigen Zeit schon, eine Part¬ner¬schaft mit der Zeugin G., was das Be¬ste¬hen einer Partnerschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin A. ausschließt, weil es insofern an der vom BVerfG (Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234) und vom BSG (Urteil vom 23.8.2012 – B 4 AS 34/12 R, juris Rn. 20) für die Annahme einer Part¬nerschaft geforderten gewissen Aus¬schlie߬¬lich¬keit der Beziehung, die keine vergleichbare Le¬¬bensgemeinschaft daneben zu¬lässt, mangelt.

Dabei hat das Gericht durchaus die Ungereimtheiten im Blick, die die Aktenlage sowie der Vortrag des Klägers und der Zeugin A. in Bezug auf den Beginn ihres Zu¬sam¬men¬woh¬¬nens aufweisen und Zweifel an ihrer Behauptung aufkommen lassen, sie hätten von An¬fang an nicht als Partner zusammengelebt bzw. dies auch nicht versucht. Auch verkennt das Gericht nicht, dass die festgestellten Umstände des Zusammenwohnens – die Zimmer¬auf¬¬tei¬lung, die Anschaffung und Nutzung der Möbel, die Dauer des engen räum¬lichen Zu¬sam¬men¬wohnens – Fragen danach aufwerfen, warum die beteiligten Personen ihr Leben so führen, wie sie es tun. Insbesondere ist schwer verständlich, warum die Zeu¬gin A. so lange so eng mit dem Kläger zusammenwohnt und ihn ihre Möbel nutzen lässt, wenn dies weder zwingende wirtschaftliche Gründe hat (sol¬che dürften an¬ge¬sichts ihrer Er¬werbs¬tätigkeit aus¬ge¬schlossen sein), noch auf partner¬schaft¬licher Nähe zum Kläger beruht (diese wird von ihr sowie vom Kläger ja gerade bestritten). Doch fallen diese Un¬ge¬reimt¬hei¬ten und zweifelhaften Umstände letztlich nicht ins Gewicht angesichts der Ein¬deu¬tig¬keit, mit der sich für das Ge¬richt in der mündlichen Verhandlung das Bestehen einer Part¬ner¬schaft zwischen dem Kläger und der Zeugin G. ergeben hat. Dass der Kläger und die Zeugin G. ihren letzten gemeinsamen Restaurantbesuch über-einstimmend geschildert haben und der Kläger in Bezug auf das Lieblingseis der Zeugin sowie ihre bevorzugte Art, den Kaffee zu trinken, dieselben Angaben gemacht hat wie diese, mag bei kritischer Betrachtung noch kein hinreichendes Indiz für das Bestehen einer Part¬ner¬schaft sein, weil gemeinsame Restaurantbesuche und Kenntnisse über die Vorlieben des an¬de¬ren bei Speis und Trank auch mit einer Freundschaft erklärt werden mögen. Der Kläger hat zudem aber in einer Art, die das Gericht vom Wahrheitsgehalt seiner Aussage überzeugt hat, von sexuellem Kontakt zwischen ihm und der Zeugin G. berichtet. Insofern wird auf seine folgende Einlassungen verwiesen:

"Also ich sage es einmal ganz offen, wie es ist, als ob wir hier unter Freunden reden. Ich bin ein Mann und ich bin an Frauen interessiert und wenn ich etwas suche, dann wende ich mich als Mann an Frau G. und damit bin ich zufrieden. Frau G. ist auch darüber hinaus sehr gut zu mir, aber ich habe keine Beziehung mit Frau A ..."

Dieser sexuelle Kontakt allein reicht aus um aus¬zuschließen, dass gegenwärtig eine Part¬ner-schaft zwischen dem Klä¬ger und der Zeugin A. besteht. Wenn er und sie aber ge¬gen¬wärtig keine Partner sind, dann sind sie nie Partner gewesen, denn dass der Kläger in der hier strit-tigen Zeit eine Partnerschaft mit der Zeugin A. bildete, während er nun, nach einer Trennung von ihr, in einer Partnerschaft mit ihrer Schwester, der Zeugin G., lebt, ist allein des¬halb fern¬lie-gend, weil dann mit Sicherheit der gemeinsame Haushalt des Klägers mit der Zeugin A. aufgelöst worden wäre, was nicht der Fall ist.

Hinzu kommt, dass die Zeugin G. glaubhaft vom langjährigen Bestehen einer Be¬zie¬hung mit dem Kläger berichtet hat, welche ihren Beginn vor über zehn Jahren am damaligen gemeinsamen Arbeitsort, einem Restaurant des Klägers, zunächst als Affäre nahm und mitt¬ler-weile eine echte Paar¬be¬zie¬hung mit echten Paarproblemen darstellt. Sie hat gleich zu Be¬ginn ihrer Vernehmung auf die allgemein gehaltene Aufforderung des Gerichts, etwas über ihre Be¬-ziehung zum Kläger zu erzählen, von ihrer Traurigkeit über die Unmöglichkeit des Zu¬sam¬men-wohnens mit dem Kläger berichtet – diese Unmöglichkeit haben im Übrigen sowohl der Kläger selbst, als auch beide Zeuginnen für das Gericht nachvollziehbar und über¬ein¬stimmend damit be¬grün¬det, dass der Kläger mit Rücksicht auf seine Familie (und wohl auch auf sein sonstiges soziales Umfeld) nicht nach außen hin erkennbar mit einer Frau zu¬sam¬men¬leben dürfe, mit der er eine Beziehung führe, und da alle wüssten, dass zwischen ihm und Frau A. keine Beziehung bestehe, sei ein Zusammenwohnen mit ihr un¬pro¬ble¬matisch – und fol¬gen¬des ausgesagt:

"Also angefangen hat das Ganze als Affäre mittlerweile würde ich aber sagen, wir sind eine Beziehung. Wir verbringen Zeit miteinander, wir telefonieren eigentlich auch täglich. Aber natürlich stört es mich massiv, dass wir nicht miteinander zusammen woh-nen. Das hätte ich sehr, sehr gerne und das belastet mich auch, dass das so nicht ist. Ich glaube, es geht deswegen nicht, weil unser Zusammensein vor den Kin¬dern verheimlicht werden muss, die wissen es nicht und sie sollen es auch nicht wis¬sen. Aber natürlich ist es für mich pro¬ble¬ma¬tisch. Ich würde gerne mit dem Kläger zu¬sam-men ziehen. Aber es kommt dazu nicht. Vielleicht trennen wir uns dann auch irgendwann mal deswegen eines Tages, das weiß ich jetzt nicht. Manchmal wenn wir uns streiten, dann habe ich jedenfalls kein gutes Gefühl.

Geschenke machen wir uns schon lange nicht mehr, früher haben wir uns durchaus aber welche gemacht. (.). Wir machen auch ab und zu Urlaub zusammen, also jetzt zuletzt zum Beispiel habe ich im Januar meinen 40. Geburtstag gefeiert in Polen. Ich habe ein Restaurant gemietet. Da war meine Familie anwesend, auch Freunde und da hatte ich den Kläger natürlich mit dabei. Da weiß dann auch jeder, dass wir eine Beziehung führen, dass wir zusammen sind, das weiß auch meine Mutter, auch wenn sie das mit dem Herzen nicht gut findet, sie ist darüber nicht glücklich, aber da in meiner Familie weiß jeder, dass ich mit dem Kläger zusammen bin."

Das unaufgeforderte Einräumen von Problemen in der Beziehung mit dem Kläger – oder von Problemen mit ihrer Mutter wegen der Beziehung mit dem Kläger – und das Eingeständnis der Traurigkeit oder gar Enttäuschung über das Ausbleiben von Geschenken und die Un¬mög¬¬lich-keit des Zusammenwohnens rufen beim Gericht schon für sich allein genommen die Über-zeugung vom Wahrheitsgehalt der Aussage der Zeugin hervor. Hinzu kommt aber noch der im bloßen Wortprotokoll nicht einzufangende persönliche Eindruck, den die Zeugin dabei hinterlassen hat: Ihre Traurigkeit war für das Gericht sehr nachdrücklich zu spüren. Diese Traurigkeit lässt sich auch aus folgender Passage ablesen:

"Ja, ich bin schon traurig, und es stört mich, dass der Kläger nicht mit mir zusammen wohnt, auch nicht bei mir eingezogen ist. Wobei ich jetzt schon nicht mehr genau weiß, ob es diese Möglichkeit überhaupt gegeben hätte. Jetzt meine ich, vielleicht habe ich doch erst 2012 angefangen bei Lidl zu arbeiten, ich arbeite dort seit 6 ½ Jahren und vielleicht hatte ich noch gar nicht meine eigene Wohnung, als der Kläger geschieden war und selber eine Wohnung brauchte. Das kann ich jetzt nicht mehr so genau sagen. Ich war deswegen auch nicht unbedingt eifersüchtig auf meinen Schwes¬ter, dass er mit ihr zusammen zieht, aber ich bin traurig darüber, dass wir nicht genug gemeinsame Zeit verbringen und ich sage nochmal, ich hätte es am liebsten, wenn er auch jetzt bei mir einziehen kann, jederzeit, mich stört auch, dass die Beziehung so heimlich ist und dass ich mich nicht zeigen kann, dass wir uns nicht zeigen können und natürlich bin ich darüber nicht glücklich."

Auch als sie diese Aussage tätigte, die sie noch mit dem nicht protokollierten Satz "Also meine Tür steht ihm immer offen" verstärkte, hatte das Gericht nach dem persönlichen Ein¬druck der Zeugin keine Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Schilderungen und an der Echtheit ihrer Gefühle. Auf diesen Aussagen und dem persönlichen Eindruck ruht die Überzeugung des Gerichts, dass eine Beziehung zwischen dem Kläger und der Zeugin G. besteht, nicht aber eine Beziehung zwischen dem Kläger und der Zeugin A ... Dieser Eindruck wird für das Gericht noch dadurch abgerundet, dass es alle Befragten – der Kläger wie beide Zeuginnen – unterließen, die Beziehung zwischen dem Kläger und Frau G. farbiger bzw. intensiver zu schildern als sie womöglich ist. So wurde über¬ei¬n¬stim¬mend eingeräumt, dass der Kläger sehr selten bei Frau G. übernachte und auch ge¬mein¬¬same Urlaube kaum stattfänden – das Gegenteil zu behaupten, wäre ein Leichtes gewesen und hätte als weiteres gewichtiges Indiz für das Bestehen einer Partnerschaft an¬ge¬sehen werden können –, und es wurde auch ohne erkennbaren Grund eine gemeinsame Reise des Klägers und der Zeugin A. in den Kosovo eingeräumt, ohne dass die Zeu¬gin G., die eigentliche Partnerin des Klägers, mitgekommen wäre. Dass es von allen Befragten erkennbar un¬ter¬las-sen wurde, das Bestehen der Beziehung zwischen dem Kläger und Frau G. durch ein leicht mögliches Ausschmücken (oder gar Übertreiben) ihres Paarlebens plas¬tischer und glaubhafter zu machen, wertet das Gericht als zusätzliches Kri¬te¬rium dafür, dass das, was von den Beteiligten – zurückhaltend – über die Partnerschaft geäußert wurde, der Wahrheit entspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil es an dem Vorliegen von Zulassungsgründen fehlt.
Rechtskraft
Aus
Saved