L 4 SO 29/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 52 SO 373/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 29/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Übernahme von Beiträgen zu seiner freiwilligen gesetzlichen Kran¬ken¬versicherung in Höhe von 11.586,39 Euro.

Der 1973 geborene Kläger ist körperlich und geistig schwerbehindert und steht seit dem Jahr 1997 unter der Betreuung seines Bruders,. Er bezieht seit langem Ver¬sor¬gungs¬bezüge der S ... Zudem erhält er von der Be¬klag¬ten jedenfalls seit Juli 2007 Leistungen der Einglie¬de-rungs¬hilfe nach §§ 53, 54 Zwöl¬ftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Form von voll¬sta¬tio-närer Hilfe in einer Ein¬rich¬tung.

Von 2002 bis 2005 war er bei der Innungskrankenkasse Hamburg (IKK) freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Kran¬ken- und Pfle¬ge¬ver¬siche¬rung. Seine monatlichen Bei¬träge zahlte er selbst unter Angabe der Beitrags-Kon¬to¬nummer 0206006003. Dies war der Beklagten be¬kannt. Zum 1. Juni 2005 wechselte er in die beitragsfreie Familienversicherung über seine Mutter. Seine Ver¬siche¬rungsnummer lautete nun 0006355013. Der Beklagten war dies ab dem 28. Juni 2005 be¬kannt. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 teilte ihm die IKK mit, dass er ab dem 1. No¬¬vember 2007 nicht mehr beitragsfrei als An¬ge¬höriger mit¬ver¬sichert wer¬den könne, weil er ein zu hohes Ein¬kom¬men habe; man biete ihm eine frei¬willi¬ge Mitgliedschaft an. Der Kläger war sodann ab dem 1. November 2007 bei der IKK freiwillig gesetzlich krankenversichert. Die Versicherungsnummer lautete nun wieder 0206006003. Mitteilung hiervon machte er der Beklagten nicht.

Die IKK schrieb die Beklagte am 23. November 2007 wegen der Befreiung des Klägers von den Zuzahlungen für die Krankenversicherungsleistungen für das Jahr 2008 an und ver¬wen¬de-te dabei die Versicherungsnummer 0006355013. Die Beklagte be¬ar¬bei¬te¬te die¬ses Schrei¬ben am 30. November 2007. Am 22. Dezember 2008 schrieb die IKK die Beklagte erneut wegen der Befreiung von den Zuzahlungen für die Krankenversiche¬rungs¬¬leis¬tungen an; die¬ses Mal ging es um das Jahr 2009, und als Kranken¬ver¬siche¬rungs¬num¬mer des Klä¬gers wur¬de die 0206006003 angegeben. Die Beklagte bewilligte mit Be¬scheid vom 5. Januar 2009 eine Zuzahlung für die Leistung der Krankenversicherung als Darlehen. Beide Schreiben der IKK ließen die genaue Art des Versicherungsverhältnisses des Klägers unerwähnt.

Mit Schreiben vom 26. August 2013 beantragte der Kläger durch seinen Betreuer die Über¬nah-me der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus Mitteln der Sozialhilfe. Die Be¬klag¬¬¬te übernahm die Beiträge ab September 2013. Mit Schreiben vom 12. September 2013 be-antragte er durch seinen Betreuer auch die Übernahme der in der Zeit von No¬vem¬ber 2007 bis August 2013 angefallenen Versicherungsbeiträge, die er mit Hilfe einer Beschei¬ni¬gung der IKK der Höhe nach näher bezifferte. Er gab an, die Beiträge in der fraglichen Zeit selbst gezahlt zu haben.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. August 2014 ab und führte unter Ver¬weis auf § 18 SBG XII aus, dass für Zeiträume vor Be¬kannt¬werden eines Be¬darfs keine So¬zial¬leis¬-tungen erbracht werden könnten. Vom Bedarf des Klägers in Form der Bei¬trä¬ge zur Kran¬ken- und Pflegeversicherung habe sie erst¬mals durch den Antrag des Klägers vom 26. Au¬gust 2013 erfahren. Der Kläger widersprach dem Bescheid mit undatiertem, bei der Be¬klag¬¬ten am 19. August 2014 eingegangenem Schrei¬ben und ver¬wies unter Bezugnahme auf den Be¬¬scheid über die Be¬willi¬gung einer Zuzahlung für die Leis¬tung der Krankenver¬siche¬rung vom 5. Januar 2009 darauf, dass die Be¬klagte bereits im Jahr 2009 von der frei¬wil¬li¬gen ge¬¬setz¬lichen Versicherung Kenntnis ge¬habt haben müsse. Die Be¬klag¬te wies den Wi¬der¬spruch mit Be¬scheid vom 4. Juli 2016 als un¬be¬grün¬det zurück. Sie sei bis zum Au¬gust 2013 vom Bestehen einer Familien¬ver¬sicherung aus¬gegangen und habe keine An¬halts¬punkte ge¬habt, stattdessen von einer frei¬willi¬gen Ver¬sicherung auszugehen. Der Klä¬ger habe ihr den Wechsel des Ver¬siche-rungs¬ver¬hält¬nis¬ses entgegen seiner gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht unverzüglich mit-ge¬teilt. Es hät¬ten auch keine Anhaltspunkte dafür vor¬gelegen, dass sich die Art der Krankenversicherung geändert habe: Zuzahlungen seien nach § 61 des Fünf¬ten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) nämlich von allen Ver¬sicher¬ten zu leisten, also von Pflichtversicherten, Fa¬mi¬lien¬ver¬sicher¬ten und freiwillig Ver¬sicher¬ten. Im Üb¬rigen sei sein Bedarf gedeckt worden, er habe die Krankenkassenbeiträge selbst gezahlt. Eine nach¬träg¬liche Kostenübernahme scheide auch deshalb aus. Mit seiner Klage vom 27. Juli 2016 verfolgte der Kläger sein Begehren auf Übernahme der Versicherungsbeiträge weiter, die er auf 11.586,39 Euro bezifferte. Zur Begrün¬dung trug er durch seinen Betreuer vor, die Beiträge seien von Dritten für ihn verauslagt wor¬den und von ihm zu er¬stat¬ten. Im Übrigen sei die Beklagte aufgrund der ihr vorliegenden In¬for¬mationen ver-pflichtet ge¬we¬sen, den Sachverhalt hinsichtlich der Art seines Kranken¬ver¬siche¬rungs¬sta¬tus weiter zu er¬¬mitteln und ihn entsprechend zu beraten.

Mit Urteil vom 19. März 2018 wies das Sozialgericht die Klage nach Durchführung einer münd-lichen Verhandlung ab. In ihr hatte der Betreuer des Klägers mitgeteilt, ab November 2007 seien die Versicherungsbeiträge des Klägers von ihm, dem Betreuer, und von anderen Familienmitgliedern übernommen worden; er selbst habe erst im Jahr 2013 durch die Kran¬ken¬-kasse von der Möglichkeit erfahren, die Versicherungsbeiträge vom Sozialhilfeträger zah¬len zu lassen. Das Sozialgericht verwies zur Begründung, warum der Kläger keinen An¬spruch ge¬gen die Beklagte auf Über¬¬nah¬¬me der in der Vergangenheit erbrachten Beiträge für die frei¬willi¬ge Krankenver¬siche¬rung habe, auf § 2 SGB XII. Diese Vorschrift normiere den Grund¬satz der Nachrangigkeit der Sozialhilfe und bestimme, dass keine So¬zial¬hilfe erhalte, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkom¬mens und seines Ver¬¬¬¬¬mögens selbst hel-fen könne oder wer die erforderliche Leistung von anderen, ins¬be¬¬son¬de¬re von Angehörigen, er¬halte. Dieser Ausschluss greife im Fall des Klägers ein, denn die An¬¬gehörigen des Klägers hät¬ten in dem hier in Rede stehenden Zeitraum unstreitig die Ver¬siche¬rungsbeiträge aus eige-nen Mitteln bestritten. Damit sei in der Vergangenheit eine Be¬darfs¬deckung eingetreten. Anhaltspunkte dafür, dass die Angehörigen diese Leistungen nur dar¬¬lehensweise erbracht hätten, sodass eine Ausnahme von § 2 SGB XII zu machen sei, seien nicht ersichtlich. Dagegen spreche schon die Einlassung des Betreuers des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Sie zeige, dass die Zahlungen bei ihrer Erbringung die Qua¬li¬tät eines verlorenen Zuschusses bzw. einer Schenkung und eben nicht die eines Darlehens ge¬habt hatten. Das klägerische Begehren scheitere zudem an § 18 Abs. 1 SGB XII. Nach die¬ser Vorschrift set¬ze die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe bekannt werde, dass die Vo¬raus¬set¬zun-gen für die Leistung vorlägen. Erforderlich sei positive Kenntnis da¬von, dass bei einer be-stimmten Person ein gegenständlicher Bedarf vorliege und diese Per¬son den Bedarf nicht selbst decken könne. Bloßes Kennenmüssen dieser Umstände reiche nicht. An dieser po¬si¬ti-ven Kenntnis fehle es hier. Die Beklagte als zuständiger Sozialhilfe¬trä¬ger habe vom Bedarf des Klägers und seiner fehlenden Möglichkeit, die in Rede stehenden Bei¬träge selbst zu tra¬gen, erst durch den Antrag vom 26. August 2013 erfahren. Belastbare An¬haltspunkte für eine frühere Kenntnis gebe es nicht. Insbesondere lasse sich eine Kennt¬nis nicht aus dem Um¬stand herleiten, dass die Beklagte mit Bescheid vom 5. Januar 2009 eine Zuzahlung für die Leistung der Krankenversicherung bewilligt habe: Diese Bewilligung sei für die Kenntnis des hier in Rede stehenden Bedarfs unerheblich. Dabei handele es sich nämlich um eine Leis¬tung, die gleichermaßen bei einer Familien- wie auch bei einer freiwilli¬gen Krankenversiche¬rung gewährt werde. Auch die diesem Bescheid vorangegangenen Mit¬tei¬lungen der IKK enthielten keinen zweifelsfreien Hinweis auf eine zwischenzeitlich einge¬tre¬te¬ne beitragspflichtige freiwillige Versicherung. Deshalb, und weil klägerseitig keine Mittei¬lung der Änderung erfolgt sei, habe die Beklagte keinen konkreten Anlass gehabt zu ver¬mu¬ten oder auch nur in Erwägung zu ziehen, dass der ihr bekannte bisherige Zustand der Fa¬mi¬lien¬versicherung zwischenzeitlich ein Ende gefunden habe. Aus diesem Grund könne auch nicht von der Verletzung einer Beratungspflicht ausgegangen werden, denn eine Be¬ra¬tungs¬pflicht bestehe nur, wenn es konkreten Anlass dazu gebe.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 27. März 2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. April 2018 Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass sein Betreuer die Beiträge verauslagt habe, ohne dass es sich hierbei um eine Schenkung gehandelt habe. Der Betreuer habe sich das Geld nämlich selbst im Rahmen eines fortlaufenden Darlehens bei einem Dritten leihen müssen. Dieser Dritte sei der Schwa¬ger des Klägers und des Betreuers. Im Übrigen sei es der Beklagten bekannt ge¬wesen, dass der Kläger ab dem 1. November 2007 eine neue ei¬ge¬ne Kran¬ken¬ver¬siche¬rungs¬num¬mer von der IKK erhalten habe. Die Be¬klag¬te hätte daher er¬mit¬teln müssen, ob sich auch sein Ver¬sicher¬ten¬status geändert habe. Klär¬ten Sozial¬hilfe¬trä¬ger den Sachverhalt un¬zu¬rei¬chend auf oder machten Leis¬tungs¬be¬rech¬tigte ihren Bedarf allein des¬halb nicht geltend, weil die Träger der Sozialhilfe ihrer Be¬ra¬tungspflicht nicht nach¬ge¬kom¬men seien, und erhielten die Sozialhilfeträger deshalb keine Kenntnis vom Vorliegen der Leis-tungsvoraussetzungen, hätten die Leistungsberechtigten einen Sekundäranspruch auf Kos-tenerstattung hinsichtlich des von ihnen selbst gedeckten Bedarfs.

Der Kläger beantragt,

das Urteil vom 19. März 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Be-schei¬de vom 1. August 2014 und 4. Juli 2016 zu verurteilen, die Beiträge zur frei¬wil¬li¬gen Krankenversicherung für die Zeit von November 2007 bis August 2013 in Höhe von 11.586,39 Euro zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wendet ein, dass sie aufgrund der geänderten Kran¬ken¬ver¬siche¬rungs¬nummer nicht hätte ermitteln müssen, ob sich auch der Versichertenstatus des Klägers geändert habe; schlie߬lich könne auch eine Neuausstellung der Versichertenkarte aufgrund deren Ver¬lustes zu einer Änderung der Nummer führen. Im Übrigen habe der Kläger gegen seine Mit¬wir¬kungs¬pflicht verstoßen, indem er die Änderung des Versichertenstatus nicht mitgeteilt habe. Über¬dies sei die Behauptung, der Bruder des Klägers habe die Beiträge nur dar¬le¬hens¬weise über¬nom¬men, unglaubwürdig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Ge¬-gen¬stand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz, SGG) und auch im Übrigen zu-lässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben worden. Sie ist aber unbe-grün¬det. Das Sozialgericht hat die als Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG statt-hafte, form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Versicherungsbeiträge, die für ihn in der Zeit vom 1. November 2007 bis zum 31. August 2013 angefallen sind.

Zwar können nach § 32 Abs. 2 S. 1 SGB XII in der vom 1. April 2007 bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung für Personen, die, wie der Kläger, freiwillig gesetzlich kranken¬ver-sichert sind, Krankenversicherungsbeiträge übernommen werden, soweit die Voraus¬set¬zun¬gen des § 19 Abs. 1 SGB XII (ab dem 1. Januar 2011: des § 27 Abs. 1 und 2 SGB XII) erfüllt sind, die betreffenden Personen also ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht aus¬-reichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können und damit bedürftig sind. Doch steht dem Kläger der hieraus folgende Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entschei¬dung über die Übernahme seiner Versicherungsbeiträge, der im Fall einer Ermessensre¬du¬zierung auf Null ein gebundener Anspruch auf Beitragsübernahme wäre, unabhängig davon nicht zu, ob er in der strittigen Zeit hilfebedürftig war, weil nach § 18 Abs. 1 SGB XII die Sozialhilfe, zu der nach § 8 Nr. 1 SGB XII die Hilfen zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 bis 40 SGB XII gehören, erst einsetzt, sobald dem Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Hieran fehlt es im vor¬lie¬gen¬den Fall.

Für die Annahme von Kenntnis im Sinne des § 18 SGB XII ist es aus¬rei¬chend, aber auch erforderlich, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder auf sons¬tige Wei¬se erkennbar ist, damit der Sozialhilfeträger ggf. in die weitere Sachverhaltsaufklärung eintreten kann; erforderlich ist die Kenntnis vom spezifischen Bedarfsfall, d.h. vom Bedarf als solchem und von der Hilfebedürftigkeit (BSG, Urteile vom 10. November 2011 – B 8 SO 18/10 R, juris Rn. 21, vom 2. Februar 2012 – B 8 SO 5/10 R, juris Rn 18 und vom 20. April 2016 – B 8 SO 5/15 R, juris Rn. 11). § 18 SGB XII ist damit zugleich leistungsbegrenzend zu verstehen: Ohne Kenntnis des Sozialhilfeträgers sind Leistungen nicht rückwirkend zu ge¬wäh¬ren (BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 8 SO 5/15 R, juris Rn. 11; Coseriu in: Schle¬gel/ Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 18 Rn. 12).

An dieser Kenntnis fehlt es hier. Von dem durch die Anforderung von Versicherungsbei¬trä¬gen ent¬¬standenen Bedarf des Klägers und von seiner diesbezüglichen Hilfebedürftigkeit hat¬te die Beklagte vor dem 26. August 2013 keine Kenntnis, weil der Kläger bzw. sein Betreuer ihr nicht mitgeteilt hatten, dass die beitragsfreie Familienversicherung des Klägers be¬en¬det wor¬¬den und er nun beitragspflichtig freiwilliges Mitglied der IKK war und die anfallenden Beiträge nicht selbst zahlen konnte. Der Kläger bzw. sein Be¬treu¬er unterließen es mit an¬de¬ren Wor¬ten, die Notwendigkeit der Hilfe dar¬zu¬tun. Erst mit Schreiben vom 26. August 2013 wur¬de die Be¬klagte darüber in Kennt¬¬nis ge¬setzt, dass der Kläger seit dem 1. No¬vember 2007 nicht mehr in der bei-trags¬frei¬en Fa¬mi¬lien¬¬versicherung, son¬¬dern bei¬trags¬pflich¬¬tig ver¬sichert war. Die Beklagte hatte bis da¬hin keine Kenntnis von seinem Bedarf, sie hielt ihn für bei¬trags¬frei fa¬mi¬lien¬¬ver¬sichert. Sie hät¬¬te den Bedarf auch nicht er¬ken¬¬nen können: Das Schrei¬ben der IKK vom 23. No¬vem¬ber 2007 wegen der Befrei¬ung des Klä¬gers von den Zu¬zah¬lun¬gen für die Kran¬kenver¬siche¬rungs-leis¬tungen für das Jahr 2008 ver¬wen¬¬de¬te noch die Ver¬siche¬¬rungs¬num¬mer, welche der Kläger als familien¬ver¬sicher¬tes Mit¬glied der IKK hatte, und auch aus dem Um¬¬stand, dass überhaupt eine Zu¬zah¬lung zu erbringen war, musste die Be¬klag¬te keine Än¬de¬¬rung des Ver¬sicher¬ten¬sta¬tus des Klä¬gers ab¬lei¬ten, weil solche Zuzah¬lun¬gen nach § 61 SGB V von allen Versicherten, al¬so von Fa¬mi¬lien¬versicherten wie freiwillig Ver¬sicherten, zu er¬¬brin¬gen sind. Die Beklagte war daher nicht ver¬an¬lasst, aufgrund dieses Schreibens in die weite¬¬re Sach¬ver¬halts¬aufklärung ein¬zu¬tre-ten.

Anschließend vermittelte auch das Scheiben der IKK vom 22. Dezember 2008, das am 2. Januar 2009 bei der Beklagten einging, nicht die notwendige Kenntnis vom Bedarfsfall. Zwar wies dieses Schreiben eine neue Ver¬siche¬rungs¬num¬mer auf – es war nun wieder diejenige, die der Kläger bereits früher als frei¬wil¬lig versicher¬tes Mitglied der IKK gehabt hatte –, doch ginge es aus Sicht des Senats zu weit, der Beklagten deshalb Kenntnis vom Bestehen einer beitragspflichtigen Krankenversicherung des Klägers zu unter¬stel¬len. Zudem würde die Kennt-nis des Be¬darfs für eine Leistungspflicht der Beklagten allein nicht ausreichen. Hinzu¬kom¬men müsste noch die Kenntnis von der bedarfsbezogenen Hilfebedürftigkeit des Klä¬gers. Schließlich ver¬langt § 18 Abs. 1 SGB XII nach seinem Wortlaut für das Einsetzen der So-zialhilfe die Kennt¬nis aller Voraus¬set¬zun¬gen für die Leistungen, und nach der hier ma߬geb¬-lichen An¬spruchs¬grund¬lage des § 32 Abs. 2 S. 1 SGB XII können Kran¬ken¬ver¬siche¬rungs¬bei-träge nur über¬nom¬¬men werden, soweit die betreffende Person nach § 19 Abs. 1 SGB XII (bzw. ab dem 1. Ja¬nuar 2011: nach § 27 Abs. 1 und 2 SGB XII) bedürftig ist. Die Beklagte hätte also nicht nur wissen müssen, dass der Kläger Beiträge zu zahlen habe, sondern sie hät¬te zudem noch wis¬sen müssen, dass er diese Beiträge nicht selbst aufbringen könne und sie ihm auch nicht von anderen, etwa seinen Familienangehörigen, endgültig als verlorener Zu¬schuss – gleich¬sam als Schenkung – bezahlt würden. Die Regelung in § 19 Abs. SGB XII (bzw. in § 27 Abs. 1 und 2 SGB XII) korrespondiert insoweit mit dem so genannten Nach¬rang¬¬grund¬satz des § 2 Abs. 1 SGB XII (Coseriu, a.a.O., § 27 Rn. 22), wonach Sozial¬hil¬fe nicht erhält, wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen er¬hält. Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit des Klägers in Bezug auf die anfallenden Ver¬siche¬rungs¬beiträge hatte die Beklagte nicht. Dass sie aufgrund der laufenden Erbringung von Leis¬¬tungen der Eingliederungshilfe abstrakte Kenntnis von der Bedürftigkeit des Klägers hat¬te, reicht insofern nicht aus. Kenntnis im Rechtssinne hätte die Beklagte – ohne eine aus¬drück¬liche Information durch den Kläger – nur gehabt, wenn es um die Erhöhung des Aus¬maßes eines bereits bekannten Bedarfs gegangen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 2016, B 8 SO 5/15 R, juris Rn. 11). Hier ging es mit den Kosten für die freiwillige Kran¬¬ken¬ver¬siche¬rung des Klägers aber um eine gänzlich neue Bedarfssituation. Von ihrem Be¬ste¬hen und der Notwendigkeit, den Kläger insofern durch Sozialhilfeleistungen zu un¬ter¬stüt¬zen, wuss¬te die Be¬klagte nichts. Allein die abstrakte Kenntnis von der Bedürftigkeit vermittelt noch nicht die in¬¬soweit erforderliche Kenntnis vom konkreten Be¬darfs¬fall "Krankenversicherungskosten".

Entgegen der Auffassung des Klägers sieht der Senat die Beklagte auch nicht veranlasst, auf-grund des Schrei¬bens der IKK vom 22. Dezember 2008 oder ver¬gleichbarer Schreiben der Folgejahre in weitere Ermittlungen einzutreten und den Sach¬¬verhalt hinsichtlich des An¬fal¬lens von Bei¬trä¬gen und ihrer Aufbringung weiter aufzuklären. Die beiläufige Mitteilung einer neuen Ver¬siche¬¬rungs¬nummer durch die Krankenkasse als Auslöser einer dies¬be¬züg¬lichen Auf¬klä-rungs¬pflicht der Be¬klagten anzusehen, hieße im vorliegenden Fall die An¬for¬de¬run¬gen an den Un¬ter¬suchungsgrundsatz des § 20 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu überspannen und die Mitwirkungsobliegenheiten des Klägers nach § 60 Sozialgesetz¬buch Erstes Buch (SGB I) leerlaufen zu lassen.

Dem Anspruch des Klägers steht aber nicht nur die fehlende Kenntnis der Beklagten vom Bedarf und der bedarfsbezogenen Bedürftigkeit des Klägers entgegen, ihm steht auch ent¬ge-gen, dass die Versicherungsbeiträge des Klägers von seinem Betreuer an die IKK gezahlt wurden und dies nicht vorläufig anstelle der Beklagten und unter dem Vorbehalt der späteren Rück¬for¬de¬rung der Gelder vom Kläger geschah, sondern endgültig. Insofern steht dem An-spruch des Klägers der Nach¬rang¬¬grund¬satz des § 2 Abs. 1 SGB XII entgegen, wonach So¬zial¬-hil¬fe nicht erhält, wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von An¬ge¬hö¬ri¬gen er¬hält. Der Behauptung, es habe sich bei den Zahlungen um ein Darlehen des Betreuers an den Klä¬ger gehandelt, schenkt der Senat allein deshalb keinen Glauben, weil der Be¬treu¬er in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht eingeräumt hat, erst im Jahr 2013 durch die Kran¬ken¬kasse von der Möglichkeit erfahren zu haben, dass die Ver¬siche¬rungs¬bei¬träge vom So¬zial¬hil¬fe¬träger – der Beklagten – über¬¬nommen werden können. Dann aber konn¬te er in den vorangegangenen Zeiten, in denen er die Beiträge für seinen Bruder, den Kläger, über¬nahm, nicht davon ausgehen, dass dieser sie ihm jemals würde zurückzahlen können. Eine begründete Rückzahlungserwartung wäre aber unverzichtbare Voraussetzung für die Annahme eines Darlehens.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und ergibt sich aus der Entscheidung in der Sache.

III. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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