L 2 U 46/18

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 189/17
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 46/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v. H. sowie die Kostenübernahme für eine schmerztherapeutische Behandlung und Schmerzmedikamente.

Der am 5. November 1976 geborene Kläger erlitt im Rahmen seiner Tätigkeit als Klima- und Lüftungsbauer am 1. Oktober 2008 einen Unfall, als er beim Verlassen einer Baustelle auf einem Kantstein ausrutschte. Der Durchgangsarzt Dr. Rb., Chirurgische Gemeinschaftspraxis , diagnostizierte am gleichen Tag eine Schulterluxation links. Der Kläger habe die Schulter selbst wieder eingerenkt. Der Radiologe Dr. Ro. stellte am 2. Oktober 2008 nach Durchführung einer Magnetresonanztomographie der linken Schulter einen Hill-Sachs-Defekt und eine Bankart-Läsion mit Kapselruptur sowie eine Zerrung der Infra- und Subscapularissehne bei intakter Supraspinatussehne fest.

Der Kläger wurde vom 7. bis zum 9. Oktober 2008 in der Facharztklinik behandelt. Hier erfolgte eine arthroskopische Labrumrefixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenkes. Im Befundbericht der Chirurgischen Gemeinschaftspraxis vom 8. Dezember 2008 wurde angegeben, dass in der Kernspintomographie als Folgen der Schulterluxation ein kleines Hill-Sachs-Syndrom im Oberarmkopf, das nicht behandlungsbedürftig sei, sowie ein Abriss des vorderen Anteils des Glenoidlabrums nach Bankert zu sehen seien. Der Defekt habe refixiert werden können. Mit weiterem Befundbericht vom 26. Januar 2009 berichtete die Chirurgische Gemeinschaftspraxis , dass die Schulter bei der letzten Untersuchung am 19. Januar 2009 frei beweglich und die grobe Kraft noch vermindert gewesen seien. Es hätten noch Schmerzen bei der Außenrotation bestanden.

Dr. Gt. wies in seinem fachchirurgischen Zusammenhangsgutachten darauf hin, dass sich eine Vorschädigung der linken Schulter nicht ergebe. Es habe auch keine habituelle Schulterinstabilität vorgelegen. Die MdE sei mit 20 v. H. einzuschätzen. Es bestünden noch eine endgradig schmerzhafte kapsuläre Bewegungseinschränkung der linken Schulter, eine Belastungsinsuffizienz sowie eine leichtgradige Restinstabilität. Die Schulterluxation sei alleinige Ursache des Gesundheitsschadens. Durch intensive Krankengymnastik sei mit einer Besserung des Zustands zu rechnen.

Die Beratungsärztin Prof. Dr. W. führte in ihrer Stellungnahme vom 10. Februar 2010 aus, dass das Unfallereignis als ursächlich für die geschilderte Schulterluxation anerkannt werden sollte. Der Kläger weise jedoch eine freie Beweglichkeit in der Vorhebung des linken Armes auf 120° und in der Seitwärtshebung auf 130° auf, so dass nicht von einer MdE von 20 v. H. ausgegangen werden könne, sondern nur von 10 v. H.

Im weiteren Verlauf klagte der Versicherte über anhaltende Belastungsbeschwerden im Bereich der linken Schulter und des Oberarmes. Der Facharzt für Neurologie Dr. Go. stellte in seinem neurologischen Befundbericht fest, dass insgesamt keine relevante Nervenschädigung nachweisbar gewesen sei. Der Kläger sei im psychischen Befund recht beschwerdefixiert gewesen.

Eine weitere Operation erfolgte am 22. April 2010 im Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus. Bei einer Arthroskopie der Schulter wurden die intraartikulären Narbenstränge gelöst und ein Debridement durchgeführt. Der Patient sei postoperativ kurzfristig beschwerdefrei gewesen, dann hätten die Schmerzen jedoch in gleicher Intensität und Qualität eingesetzt. Das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren sei bezüglich der Schulterluxation und Folgebehandlung abgeschlossen. Der Kläger könne sich dem freien Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß verbleibe nicht.

Die Chirurgische Gemeinschaftspraxis berichtete mit Schreiben vom 31. August 2010, dass sich der Kläger weiterhin in ihrer ambulanten Behandlung befinde. Die letzten Termine hätten sich hauptsächlich auf ein chronisches Schmerzsyndrom bezogen, dass im Verlauf der Behandlung der Verletzung der luxierten Schulter aufgetreten sei. Aufgrund der Schmerzen und auch der Nebenwirkungen der Schmerztherapie sei der Kläger zurzeit nicht arbeitsfähig.

Dr. Rm. erklärte in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 25. Mai 2011, dass sich keine Hinweise für eine MdE aufgrund des Unfalles vom 1. Oktober 2008 ergäben. Die elektromyographische Untersuchung habe keinen Hinweis für eine neurologische Schädigung, insbesondere keinen Hinweis für eine Plexusschädigung oder auch für eine periphere Schädigung des Nervus medianus ergeben. Es habe sich bei der Untersuchung eine gewisse bewusstseinsnahe Ausgestaltung gezeigt. Das Muskelrelief am linken Arm sei zudem gut ausgeprägt gewesen.

Dr. Sm. kam in seinem unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachten vom 13. Juni 2011 zu dem Ergebnis, dass ein Zustand nach Schultergelenksluxation mit leichten daraus resultierenden funktionellen Behinderungen, eine Narbenbildung am linken Schultergelenk, eine Muskelminderung des linken Armes und weitere Veränderungen im sonographischen und radiologischen Befund vorlägen. Die verbliebenen Unfallfolgen seien mit einer MdE von 10 v. H. nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit am 9. Juni 2010 zu bewerten.

Die Chirurgische Gemeinschaftspraxis erklärte mit Bericht vom 29. Dezember 2011, dass sich die Gesamtbehandlung bis heute kontinuierlich aus der ursprünglichen Verletzung entwickelt habe und ihres Erachtens ohne die Primärverletzung nicht vorstellbar sei. Es hätten regelmäßige Vorstellungen stattgefunden. Parallel habe sich der Kläger in die Behandlung des Schmerztherapeuten Wn. begeben. Aufgrund der Schmerzsymptomatik sei der Arm nicht für schwere Arbeit einsetzbar, auch hätten erhebliche Nebenwirkungen aufgrund der massiven Schmerztherapie bestanden. Es bestehe durchgehend Arbeitsunfähigkeit.

Im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Beurteilung zur Vorbereitung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation erklärte die Fachärztin für Psychiatrie Dr. Ma. am 4. Januar 2012, dass bei dem Kläger eine Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Symptomatik, welche weitgehend abgeklungen sei, ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychologischen Faktoren sowie eine Minderbelastbarkeit des linken Schultergelenkes vorlägen.

Der Schmerztherapeut Wn. erstattete am 29. Januar 2012 einen Befundbericht. Der Kläger habe auf eigene Kosten eine Schmerz-Hypnose-Behandlung sowie auch Akupunktur begonnen, bisher allerdings ohne wesentlichen Erfolg. Mit der aktuellen Schmerzmedikation sei der Kläger deutlich schmerzgelindert, so dass er seinen Tagesablauf gut meistern und auch weiter intensiv Krankengymnastik machen könne. Wegen der Ein- und Durchschlafstörungen sei eine Überweisung zum Neurologen erfolgt.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2012 beantragte der Kläger die Zuerkennung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H.

Mit Bescheid vom 9. August 2012 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Die behandelnden Ärzte im Unfallkrankenhaus hätten das Heilverfahren wegen der traumatischen Schulterluxation ab 10. Juni 2010 für beendet gehalten. Eine MdE sei nicht verblieben. Als Unfallfolgen bestünden noch eine leichte funktionelle Einschränkung der Beweglichkeit und eine geringfügige Muskelminderung nach ausgeheilter Schulterverrenkung. Folgen auf neurologischem Fachgebiet lägen nicht vor.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und wies insbesondere darauf hin, dass als Unfallfolge auch eine chronische Schmerzstörung festzustellen sei. Auch Dr. R. von der Chirurgischen Gemeinschaftspraxis habe angemerkt, dass eine weitere Behandlung des Schmerzsyndroms zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlich sei.

Der Arzt Wn. diagnostizierte mit Bericht vom 3. Oktober 2012 bei dem Kläger ein Impingementsyndrom der linken Schulter, Schulterschmerzen, ein cephalo brachiales Schmerzsyndrom und ein chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach komplizierter Schulterluxation links. Als Therapie erfolgten Infiltrationen mit Lokalanästhetika.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2013 zurück. Die leichte funktionelle Bewegungseinschränkung der linken Schulter sowie die geringfügige Muskelminderung nach ausgeheilter Schulterverrenkung links rechtfertigten keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß. Ein chronisches Schmerzsyndrom könne anlässlich der gutachterlichen Untersuchungen auf chirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht festgestellt werden, so dass dieses nicht im Sinne des Vollbeweises als Unfallfolge festgestellt werden könne.

Hiergegen hat der Kläger am 7. Mai 2013 Klage erhoben (S 36 U 138/13). Er trägt vor, dass Dr. Rm. und Dr. Sm. nur unzureichend berücksichtigt hätten, dass eine schmerztherapeutische Behandlung fast durchgehend erfolgt und ärztlich veranlasst worden sei.

U. a. hat der Neurologe und Psychiater V. einen Befundbericht vom 11. Oktober 2013 erstattet. Der Kläger sei bei ihm am 2. Dezember 2011 und 1. Februar 2012 in Behandlung gewesen. Bei weitgehend regelgerechtem neurologischen Befund und normaler NLG/EMG sei kein sicherer Anhalt für eine Plexusläsion links bei Zustand nach Schulterluxation/Fraktur gegeben gewesen. Es bestehe eine pseudoneuropathische Schmerzsymptomatik des linken Armes.

Das Gericht hat auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Zusammenhangsgutachten von dem Chirurgen Dr. Kd. vom 17. November 2014 eingeholt. Bei dem Kläger lägen eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter, eine Kraftminderung des linken Armes, ein Missempfinden im linken Arm, ausstrahlende Schmerzen in den linken Arm bei Belastung, eine Muskelminderung der linken Schulter und des linken Armes sowie kernspintomographisch nachgewiesene Veränderungen der linken Schulter durch eine Arthrose der Schultergelenkpfanne, eine Vernarbung der vorderen und hinteren Anteile des Pfannenrandes, degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette in diesem Bereich und eine Einengung des subakromialen Raumes vor. Dr. Kd. hat ausgeführt, dass die neurologische Symptomatik kein körperliches Korrelat aufweise, so dass diese von dem zuletzt behandelnden Neurologen als pseudoneuropathische Schmerzsymptomatik interpretiert worden sei. Insofern verbleibe ein Teil der Schmerzsymptomatik als somatisch nicht erklärbar. Unverändert durch die gesamte Anamnese zögen sich aber die Bewegungseinschränkung der linken Schulter und die Kraftminderung des linken Armes aufgrund der Schmerzen in der linken Schulter. Für die Schonung des linken Armes spreche auch die Muskelminderung der linken Schulter und des linken Armes trotz krankengymnastischer Übungsbehandlung. Die geklagten Funktionseinschränkungen der linken Schulter und des linken Armes seien schmerzgesteuert. In der gesamten Aktenlage seien über Jahre hinweg im Wesentlichen gleiche Befunde beschrieben. Die Befunde hätten sich auch trotz intensiver therapeutischer Bemühungen nicht nennenswert verändert. Der Kläger leide definitiv unter erheblichen Schmerzen, die auch zu einer Funktionseinschränkung des linken Armes führten. Es bleibe festzustellen, dass sich die beschriebene Beschwerdesymptomatik offensichtlich durch Physiotherapie und Schmerztherapie nicht weiter bessern lasse. Bei dem Kläger seien eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter nach Schulterluxation und eine pseudo-neuropathische Schmerzsymptomatik verblieben. Die unfallbedingte MdE betrage 20 v. H.

Der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 18. Dezember 2016 eine Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes, wobei die Horizontale in der Abspreizung erreicht werde (90/0/30°) und in der Vorhebung überschritten werden könne (40/0/90°), ohne Einschränkung der Rotation sowie ein sogenanntes chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert. Hinsichtlich der Einsetzbarkeit des linken Armes bzw. des linken Unterarmes und der Hand hat der Sachverständige im Rahmen der Begutachtung beobachtet, dass z. B. das Aufhängen des Mantels an der Garderobe problemlos mit links möglich gewesen sei. Teilweise sei der Arm beim Vorgespräch auch aktiv über 90° bis 100° seitlich und vorwärts angehoben worden. Beim An- und Auskleiden sei das linke Schultergelenk deutlich geringer eingesetzt worden. Es bestehe keine eigentliche Sensibilitätsstörung, sondern eher eine Missempfindung im Sinne von Kribbelparästhesien im ersten bis dritten Finger. Insgesamt sei die MdE unter Berücksichtigung der Vorwärts- und Seitwärtshebung bis 90° und der freien Rotation mit 20 v. H. anzugeben. Das Bewegungsausmaß der Vorhebung sei jedoch bis 120° passiv möglich bei nicht wesentlich eingeschränkter Rotation. Somit resultiere derzeit die MdE auf chirurgischem Gebiet mit 10 v. H. Ein CRPS (Komplexes Regionales Schmerzsyndrom) habe nicht verifiziert werden können. Auch bei der jetzigen Untersuchung hätten sich dafür keine Hinweise gefunden. Die Schmerzcharakteristik spreche insgesamt für eine somatoforme Schmerzstörung, wobei der Schmerzzustand mit einer leicht- bis mäßiggradigen körperlichen funktionellen Einschränkung einhergehe und somit mit einer MdE von 10 v. H. einzuschätzen sei. Die Gesamt-MdE liege weiterhin bei 10 v. H. Des Weiteren hat der Sachverständige nebenbefundlich ein Impingementsyndrom beschrieben. Nach dem Gutachten von Dr. Kd. wäre zwar eine MdE von 20 v. H. anzusetzen. Dieser habe allerdings nicht nachvollziehbare Bewegungsaus- und Umfangsmaße angegeben.

In einer weiteren Stellungnahme vom 7. März 2017 hat Dr. D. ergänzend darauf hingewiesen, dass die schon vorangegangenen neurologisch-psychiatrischen Untersuchungen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens von Dr. Rm. vom 25. Mai 2011 ein algogenes Psychosyndrom als Verdachtsdiagnose ergeben hätten. Eine psychiatrische Stellungnahme von PD Dr. Ma. vom 4. Januar 2012 habe die Diagnose einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Symptomatik sowie ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychologischen Faktoren ergeben.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 28. Februar 2017 eine Kostenübernahme für eine schmerztherapeutische Behandlung und Schmerzmedikamente abgelehnt. Es gebe weder einen zeitlichen noch einen inneren ursächlichen Zusammenhang zwischen dem sich langsam entwickelnden generalisierten Schmerzsyndrom und den Folgen des Unfalls vom 1. Oktober 2008. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt und ausgeführt, dass die bisherige Behandlung auch von der Beklagten getragen worden sei und die Maßnahmen wegen der Unfallfolgen erforderlich seien.

Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2017 zurückgewiesen. Der vorliegende Befund von generalisierten Schmerzen könne nicht rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall oder seine Folgen zurückgeführt werden. Die Auswertung der vorliegenden medizinischen Befunde habe ergeben, dass ein chronisches, unfallbedingtes Schmerzsyndrom nicht im Vollbeweis gesichert werden könne. Eine relevante Nervenschädigung im Bereich der linken Schulter oder der linken oberen Extremität lägen nicht vor. Aus fachärztlicher Sicht seien die primären Unfallfolgen als im Wesentlichen ausgeheilt zu betrachten. Die Schmerzen hätten sich erst ab 2010 langsam und schleichend entwickelt. Ein direkter zeitlicher Zusammenhang zu dem Arbeitsunfall oder seinen Folgen sei nicht feststellbar. Eine Kostenübernahme für die beantragte Schmerztherapie und -medikamente sei daher nicht möglich.

Der Kläger hat auch gegen diese Bescheide am 21. Juli 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben (S 36 U 189/17).

Frau Dr. F. hat im Befundbericht vom 9. November 2017 mitgeteilt, dass beim Kläger seit Mitte 2016 einmal monatlich Akupunktur durchgeführt werde. Die spezielle Schmerztherapie werde seit November 2017 durchgeführt. Die Kosten trage die Krankenkasse.

Das Gericht hat einen Entlassungsbericht des UKE nach einer am 30. Januar 2017 stattgefundenen ambulanten psychosomatischen Behandlung des Klägers beigezogen. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode bei chronischer Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Anteilen. Der Kläger leide weiterhin täglich unter Schmerzen, die von der Schulter in den Arm bis in drei Finger und über den Hals ins Gesicht zögen sowie unter Schmerzen am Schulterblatt, im Nacken und im Kopfbereich. Es werde eine ambulante Schmerzpsychotherapie empfohlen.

Das Gericht hat ferner ein schmerztherapeutisches Gutachten von Prof. Dr. Re. vom 18. August 2017 eingeholt. Das Gericht hat Prof. Dr. Re. auf seine Bitte die Hinzuziehung von Dr. Pi., einem Facharzt für Orthopädie, und der Diplom-Psych. La., die schmerztherapeutisch tätig ist, genehmigt. Auf schmerztherapeutischem Fachgebiet lägen eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren sowie eine rezidivierende depressive Störung, und zwar zum Zeitpunkt der Untersuchung eine leichte depressive Störung vor. Diese führten zu einem persistierenden über das rein organisch begründete Maß hinausgehenden Schmerzerleben mit erheblicher Einschränkung der Lebensqualität auf verschiedenen Gebieten. Die ausstrahlenden Schmerzen in den linken Arm könnten noch einigermaßen nachvollzogen werden, die Ausstrahlung der Schmerzen ins Gesicht ließen sich nur mit einer somatoformen Schmerzstörung erklären. Es liege somit eine chronische Schmerzstörung mit einem organischen Kern, aber erheblichen psychischen Anteilen vor. Das chronische Schmerzsyndrom sei nach Überzeugung der drei Gutachter eine individuelle Reaktionsweise des Klägers, gegründet auf einer bestimmte Persönlichkeitsstruktur. Sie sei zwar durch den Unfall ausgelöst und ohne diesen nicht denkbar. Es sei jedoch davon auszugehen, dass bei einer analogen somatischen oder psychischen Belastungssituation eine andere pathologische psychische Reaktion (wie z. B. Depression oder Schmerzsyndrom) erfolgt wäre. Neben dem Arbeitsunfall bestünden individuelle psychosoziale Faktoren, die die Entwicklung chronischer Schmerzen wahrscheinlich begünstigt hätten. Die beschriebenen psychosozialen Faktoren ergäben sich aus der Anamnese und den Ergebnissen der Auswertung der Fragebögen. Es handele sich um an sich nicht krankmachende Faktoren, die nur im Zusammenhang mit einer somatischen oder zusätzlichen psychischen Belastung im Sinne einer latenten Prädisposition wirksam würden. Die Frage, ob der Arbeitsunfall oder die psychosozialen Belastungsfaktoren überwögen, lasse sich nicht beantworten. Vielmehr hätte der Unfall sehr wahrscheinlich ohne die Belastungsfaktoren nicht zu der aktuellen Schmerzsymptomatik geführt, die Belastungsfaktoren aber ohne den Unfall auch nicht. Nur das Zusammenwirken beider Faktoren erkläre die Entwicklung des chronischen Schmerzsyndroms. Die Gutachter schätzten die MdE auf schmerztherapeutischem Gebiet auf 20 v. H. ein.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 23. Februar 2018 hat der Sachverständige erklärt, dass der spezifische Unfall als Ursache wegzudenken wäre, nicht aber die individuelle psychische Prädisposition des Klägers. Im vorliegenden Fall gebe es keine konkurrierenden Ursachen für das chronische Schmerzsyndrom, die unterschiedliche Wertigkeit als Grund für die Entstehung der Schadensfolgen besitzen könnten und deren Bedeutung man für die Schadensfolgen abwägen könne. Mit den Worten der Fragestellung müsse jedoch konstatiert werden: Im Rahmen einer medizinisch-wertenden Abwägung des Schmerzsyndroms sei dieses in seiner jetzigen Ausprägung eher wahrscheinlich durch endogene als durch unfallbedingte Faktoren verursacht worden. Ohne die individuelle Reaktionsweise des Klägers wäre es sehr wahrscheinlich nicht zu dem chronischen Schmerzsyndrom gekommen. Ein anderes Schadensereignis hätte aber sehr wohl auch eine pathologische psychische Reaktion nach sich ziehen können.

Das Gericht hat die beiden Verfahren S 36 U 138/13 und S 36 U 189/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 36 U 189/17 verbunden und die Klagen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. aufgrund der Folgen seines Arbeitsunfalls und auch nicht auf Übernahme der Kosten für die schmerztherapeutischen Behandlungen und Schmerzmedikamente. Der Kläger habe bei seinem Unfall vom 1. Oktober 2008 eine Schulterluxation links mit Abriss des Gelenklabrums erlitten, welche seine Erwerbsfähigkeit auf Dauer nicht in rentenberechtigender Höhe von wenigstens 20 v. H. mindere. Denn diese Schädigung habe keine so erhebliche Verletzung dargestellt und nach sich gezogen, dass die Erwerbsfähigkeit lediglich aufgrund des Unfalls auf Dauer beeinträchtigt wäre. Zuletzt habe insbesondere der gerichtliche Sachverständige Dr. D. in seinem Zusammenhangsgutachten vom 18. Dezember 2016 plausibel ausgeführt, dass zwar die Vorwärts- und Seithebung des linken Armes bei freier Rotation lediglich bis 90° vorgeführt worden seien, die Vorhebung passiv jedoch bis 120° möglich gewesen sei, so dass eine MdE von 20 v. H. nicht festgestellt werden könne. Gegen die Annahme einer unfallbedingt rentenberechtigenden MdE auf chirurgischem Fachgebiet spreche auch, dass bereits die die Beklagte beratende Ärztin Dr. W. in ihrer Stellungnahme vom 10. Februar 2010 ausgeführt habe, dass der Kläger im Rahmen einer Untersuchung für das Gutachten von Dr. Gt. eine freie Beweglichkeit in der Vorhebung des linken Armes mit 120° und in der Seitwärtshebung sogar auf 130° aufgewiesen habe. Zu diesem Ergebnis komme auch Dr. Sm. in seinem unfallchirurgischem Zusammenhangsgutachten vom 13. Juni 2011, welcher noch eine (aktive) Beweglichkeit in der Vorhebung des linken Armes von 100/0/40° zugrunde gelegt habe. Die von den Gutachtern mit unter 20 v. H. eingeschätzte MdE entspreche auch den einschlägigen Erfahrungswerten für die Bemessung der MdE auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung. Danach könne erst bei einer eingeschränkten Beweglichkeit der Vorwärts- und Seithebung auf maximal 90° bei freier Rotation die MdE mit 20 v. H. eingeschätzt werden (unter Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 560). Solche Verletzungsfolgen seien bei dem Kläger aber lediglich bei Dr. Kd. beschrieben worden. Dem Gutachten von Dr. Kd. könne jedoch in Anbetracht der zeitlich auch danach beobachteten Messwerte im Rahmen der Untersuchung von Dr. D. nicht gefolgt werden. Insbesondere unter Berücksichtigung der eindrücklichen Schilderung von Dr. D., dass es dem Kläger im Rahmen der Untersuchungssituation möglich gewesen sei, den linken Arm unbewusst beim An- bzw. Auskleiden und im freien Erzählen aktiv auf über 90° anzuheben, bestünden erhebliche Zweifel an der während der Untersuchung bei Dr. Kd. durch den Kläger demonstrierten Bewegungsmöglichkeit, so dass unfallbedingt gerade nicht von einer rentenberechtigenden MdE auf chirurgisch-orthopädischen Fachgebiet ausgegangen werden könne. Weitere Unfallfolgen seien nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Klägers könne insbesondere nicht mit der in der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die psychischen Befunde einer rezidivierenden depressiven Störung sowie ein chronisches Schmerzsyndrom ursächlich auf das Unfallereignis zurückgeführt werden könnten. Vorliegend sprächen mehr Umstände gegen die Annahme einer depressiven Erkrankung und eines Schmerzsyndroms als Unfallfolgen. Insbesondere sei der vom Gericht bestellte Neurologe und Schmerztherapeut Prof. Dr. Re. in seinem Gutachten vom 18. August 2017 zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger zwar eine sogenannte chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren und eine rezidivierende depressive Störung vorlägen und diese Erkrankungen auch zu einem über das rein organisch begründete Maß hinausgehenden Schmerzerleben mit erheblicher Einschränkung der Lebensqualität führten. Diese Gesundheitsstörungen seien jedoch nach plausibler Einschätzung und Diskussion des Sachverständigen keine Folgen des Arbeitsunfalls. Neben der von dem Gutachter erwähnten latenten Prädisposition des Klägers, auf derartige Belastungen mit sich dabei auch immanent verändernden psychosozialen Rahmenbedingungen mit einer Chronifizierung und individuellen Ausgestaltung seines Leidens zu reagieren, bemesse die Kammer insbesondere das Ausmaß des eigentlichen Unfallereignisses sowie der unmittelbaren Unfallfolgen als nicht ausreichend, um die nunmehr bei dem Kläger latent vorhandenen und behandlungsbedürftigen Leiden als wesentlich durch den Unfall bedingt anzusehen. Denn der Kläger habe durch den Unfall zwar eine Verdrehung der linken Schulter ("Luxation des Humerus nach vorne") erlitten, sich diese aber wieder selber eingerenkt. Zudem sei es nach dem arthroskopischen Eingriff am 7. Oktober 2018 (mit Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenkes sowie Refixation des Labrum glenoidale) medizinisch weder zu weiteren Komplikationen noch zu einem atypischen Heilverlauf gekommen, der den weiteren langjährigen chronifizierten Verlauf der Schmerzen wesentlich angestoßen bzw. verursacht haben könnte. Damit bleibt als Folge des Unfallereignisses Ende Januar 2009 nach dem Befundbericht von Dr. R. lediglich eine "frei bewegliche Schulter" bei noch verminderter grober Kraft und Schmerzen bei der Außenrotation, wobei im Rahmen regelmäßiger Kontrollen durch Dr. R. von einem zunehmenden Bewegungsumfang und einer Zunahme der Kraft berichtet worden sei. Gegen einen hinreichenden Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Schmerzsyndrom sowie der depressiven Erkrankung spreche auch, dass der Facharzt für Neurologie Dr. Go. in seinem Befundbericht vom 7. April 2010 zum einen eine relevante Nervenschädigung nach Schulterluxation ausgeschlossen habe und zum anderen erstmals (also über 1 ½ Jahre nach dem Unfall) dargelegt habe, dass der Kläger im psychischen Befund recht beschwerdefixiert gewesen sei. Ferner spreche gegen einen ursächlichen Zusammenhang, dass die chronischen Beschwerden nicht allein auf das eigentliche Verletzungsgebiet begrenzt seien, sondern von dem Kläger auch im Unterarm, den Fingern sowie im Nacken und im Kopf geltend gemacht würden. Außerdem habe auch der Neurologe und Psychiater Dr. Rm. in seinem Gutachten vom 25. Mai 2011 auf eine bewusstseinsnahe Ausgestaltung des Klägers hingewiesen, bei Ausschluss neurologischer Schädigungen ohne Hinweise auf eine MdE auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet. Aufgrund der obigen Ausführungen sei auch der weitere Klageantrag des Klägers auf Übernahme der schmerztherapeutischen Behandlungen sowie der Schmerzmedikamente abzulehnen, da eine Unfallursächlichkeit nicht wahrscheinlich sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 6. November 2018 zugestellte Urteil am 5. Dezember 2018 Berufung eingelegt. Die Bewertung seiner unfallbedingten MdE mit 10 v. H. sei nicht richtig, da vor allem seine Schmerzen ganz wesentlich auf den Unfall zurückzuführen seien. Es werde angeregt, den Vorgang Prof. Dr. Re. nochmals vorzulegen, um zu klären, ob ein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der nunmehr aufgetretenen Schmerzsymptomatik bestehe und sich hieraus eine MdE von 20 v. H. ableiten lasse.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. Oktober 2018 und den Bescheid vom 9. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. April 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 1. Oktober 2018 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 % zu gewähren sowie den Bescheid vom 28. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bisher entstandenen Kosten für die schmerztherapeutischen Behandlungen sowie für die Schmerzmedikation zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Gutachter Prof. Dr. Re. ist in der mündlichen Verhandlung zu seinem Gutachten angehört worden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Dezember 2019 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Akte S 36 U 138/13, die Verwaltungsakten sowie die Sitzungsniederschrift vom 4. Dezember 2019 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Versicherte haben Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII)). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Es ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat, als er beim Verlassen einer Baustelle auf dem Kantstein ausgerutscht ist und sich die Schulter verletzt hat.

Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSG, Urteil vom 26. November 1987 – 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27). Maßgeblich ist aber nicht die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten, sondern eine abstrakte Berechnung (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 3/2017, § 56 Rn. 10.1).

Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196). Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist zunächst zu prüfen, welche Ursachen im Sinne der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie in Betracht kommen, weil sie nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. conditio-sine-qua-non-Theorie). Anschließend ist in einem zweiten Prüfungsschritt zu beurteilen, welche Ursachen rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können bzw. denen der Erfolg zugerechnet werden kann. Danach werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (ständige Rspr. vgl BSG, a.a.O.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG a.a.O.). Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSG a.a.O., m.w.N.). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG a.a.O. m.w.N.). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens – aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war –, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs – der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität – genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O., m.w.N.). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG a.a.O., m.w.N.).

Der Kläger hat auf chirurgischem Fachgebiet durch den Arbeitsunfall eine Schulterluxation mit Bankart-Läsion und einem Hill-Sachs-Syndrom erlitten. Verblieben sind hiernach eine Bewegungseinschränkung der linken Schulter, eine Narbenbildung am linken Schultergelenk und eine Muskelminderung des linken Armes. Insoweit stimmen die Gutachter auf chirurgischem Fachgebiet Dr. Sm., Dr. Kd. und Dr. D. überein. Die von Dr. D. gemessenen Bewegungsausmaße betrugen bei der Seitwärtshebung 90-0-30° und in der Vorhebung 40-0-90° bei freier Rotation. Im passiven Bereich und auch aktiv konnte der Kläger in der Vorwärtshebung die 90° nach der Beobachtung von Dr. D. auch deutlich überschreiten. Bei Prof. Dr. Re. haben sich links für die Vorhebung Bewegungsausmaße von 30-0-140° und in der Seitwärtshebung von 140-0-30° ergeben. Aufgrund dieser Bewegungsausmaße hat der Kläger eine MdE von höchstens 10 v. H. auf chirurgischem Fachgebiet (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 560).

Die bei dem Kläger vorliegende chronische Schmerzerkrankung ist keine Unfallfolge und fließt daher auch nicht in die Höhe der MdE ein. Die Erkrankung liegt zwar im Vollbeweis vor. Nach den überzeugenden und schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. Re. hat der Kläger durchgehend über chronische Schmerzen in der linken Schulter mit Ausstrahlung in den linken Arm und das linke Gesicht geklagt. Die Ausstrahlung der Schmerzen in den linken Arm sei noch einigermaßen nachvollziehbar, während die Ausstrahlung ins Gesicht nur im Rahmen einer somatoformen Schmerzstörung nachvollziehbar wäre. Es gibt also einen organischen Kern, aber auch erheblich psychische Anteile der Schmerzstörung. Dies spiegelt sich auch in den weiteren medizinischen Unterlagen wieder, wonach der Kläger sich langfristig schmerztherapeutisch behandeln lassen hat und auch in den weiteren Gutachten durchgängig ein selbstlimitierendes Verhalten berichtet wird, so dass vom Vorliegen der Schmerzstörung auszugehen ist. Die Schmerzstörung ist aber nicht wesentlich durch den Unfall verursacht worden, sondern beruht wesentlich auf der individuellen Reaktionsweise des Klägers und seiner Persönlichkeitsstruktur. Prof. Dr. Re. beschreibt bei dem Kläger als solche psychischen Faktoren ein einseitiges medizinisch-somatisch ausgerichtetes Schmerzverständnis, einen passiven Behandlungswunsch mit rigiden Kausalattributionen, eine schmerzfokussierte Wahrnehmung bzw. erhöhte Körperwahrnehmung, eine gedankliche Einengung auf das Schmerzerleben, eine subjektiv schmerz- und medikamentenbedingte reduzierte Leistungsfähigkeit und eine verminderte Konzentration, dysfunktionale Gedanken und Bewertungen, ein Vermeidungsverhalten aus Angst, eine geringe Frustrationstoleranz und ein erhöhtes Stresserleben. Der nicht schwerwiegende Unfall, der weder zu schweren Verletzungsfolgen beim Kläger geführt hat noch mit sonstigen zusätzlichen Belastungsfaktoren einhergegangen ist, ist schon generell nicht geeignet, eine somatoforme Schmerzstörung auszulösen (vgl. BSG, a.a.O.). Jedes andere alltägliche Ereignis hätte nach den Ausführungen des Gutachters ebenso eine pathologische psychische Reaktion des Klägers zur Folge gehabt.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Übernahme von Kosten für eine schmerztherapeutische Behandlung, da es sich bei der chronischen Schmerzstörung nicht um eine anzuerkennende Unfallfolge gehandelt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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