L 2 U 21/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 219/18 WA
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 21/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird als unzulässig verworfen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist der Fortbestand der Mitgliedschaft einer im Handelsregister gelöschten GmbH bei der Beklagten.

Die H. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der auf dieser Grundlage freiwillig gesetzlich unfallversicherte Kläger war, wurde zum 1. Januar 2000 von der damaligen Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft an eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, die See-Berufsgenossenschaft, überwiesen, nachdem sich der Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereich Schiffsmaklerei verlagert hatte. Im Jahr 2014 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass die H. GmbH mit Eintragung des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Juli 2007 von Amts wegen wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde (§ 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Später stellte sich durch eine Auskunft des Amtsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 2015 weiter heraus, dass ein Herr W. mit richterlichem Beschluss vom 17. Juli 2009 für einen bestimmten Wirkungskreis in dieser Sache zum Nachtragsliquidator bestellt wurde. Dieser Herr W. gab mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 seine Beschlussausfertigung nach Beendigung der Aufgabe zurück. Zu einer weiteren Bestellung eines Nachtragsliquidators kam es nicht. Der Kläger wurde zu keiner Zeit seitens des Registergerichts zum Nachtragsliquidator bestellt.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2014 stellte die Beklagte das Ende ihrer Zuständigkeit für die H. GmbH zum 4. Juli 2007 nach § 136 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) fest.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit undatiertem, am 22. September 2015 zugestelltem Widerspruchsbescheid als unbegründet zurück. Voraussetzung für ihre Zuständigkeit sei das Bestehen eines Unternehmens im Sinne von § 121 SGB VII in Verbindung mit § 3 ihrer Satzung. Nach Überweisung der H. GmbH seien ab dem Jahr 2002 keine Arbeitnehmerentgelte mehr nachgewiesen worden. Erst im Jahr 2014 habe die Beklagte aufgrund von internen Ermittlungen Kenntnis von der Löschung des Unternehmens im Handelsregister erhalten. Eine Mitteilung von Seiten des Unternehmens gemäß §§ 191, 192 SGB VII in Verbindung mit § 33 der Satzung der Beklagten sei nicht erfolgt, sodass der Beendigungsbescheid erst nach Kenntnis der Sachlage im Juni 2014 habe erstellt werden können. Wegen der Löschung im Handelsregister könne eine Mitgliedschaft über das Löschungsdatum hinaus nicht bestehen.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Oktober 2015 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben, welches diese nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 10. Dezember 2019 als unbegründet abgewiesen hat. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erwiesen sich als rechtmäßig. Durch die Löschung aus dem Handelsregister sei die Rechtsgrundlage dafür entfallen, dass die H. GmbH in das Mitgliederverzeichnis der Beklagten eingetragen werden könne. Damit könne das eigentliche Klageziel einer freiwilligen Versicherung bei der Beklagten für den Gesellschafter-Geschäftsführer, welches eine Kostenentscheidung nach §§ 183,193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach sich ziehe, nicht erreicht werden.

Gegen diesen, ihm am 18. Januar 2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die nach einem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision, dem die Beklagte zugestimmt und den das Sozialgericht mit dem Kläger am 26. März 2019 zugestelltem Beschluss vom 19. März 2019 abgelehnt hat, am 18. April 2019 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren weiter verfolgt und meint, die H. GmbH sei noch aktiv legitimiert als Inhaberin und zur Durchsetzung von Forderungen und parteifähig, womit unweigerlich Tätigkeiten für ihn bestünden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Dezember 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2014 in der Gestalt des undatierten, am 22. September 2015 zugestellten Widerspruchbescheids aufzuheben und festzustellen, dass die Mitgliedschaft der H. GmbH bei der Beklagten über den 4. Juli 2007 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihren bisherigen Vortrag. Da die H. GmbH im Handelsregister gelöscht worden sei, könne sie keinen Geschäftsbetrieb mehr ausüben und eine Mitgliedschaft bei der Beklagten könne damit nicht mehr begründet werden.

Der erkennende Senat hat nach Durchführung eines Erörterungstermins vor dem Berichterstatter am 16. August 2019 durch Beschluss vom 4. September 2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG). Am 6. November 2019 ist in der Sache mündlich verhandelt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 16. August und 6. November 2019, die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist ebenso wie bereits die Klage unzulässig und daher zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöschte und damit aufgelöste (§ 60 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)) H. GmbH überhaupt noch parteifähig (§ 70 Nr. 1 Var. 2 SGG) ist. Insbesondere nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung kann eine gelöschte GmbH im Prozess als parteifähig behandelt werden, wenn das Vorhandensein vermögensrechtlicher Ansprüche zumindest behauptet wird (vgl. Karsten Schmidt/Bitter in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 60 Rn. 57 ff. und § 74 Rn. 17 ff., jeweils mit umfassenden Nachweisen).

Denn jedenfalls ist sie handlungs- und damit prozessunfähig (§ 71 Abs. 1 und 3 SGG), weil es keinen gesetzlichen Vertreter gibt, der wirksam Prozesshandlungen für die Gesellschaft vor- oder entgegennehmen kann; mit der Löschung endete die Vertretungsbefugnis des Klägers als ehemaligem Geschäftsführer (vgl. Karsten Schmidt/Bitter, a.a.O., jeweils mit Nachweisen; s.a. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4. Juni 2003 – 10 AZR 448/02, BAGE 106, 217). Ein nach der Löschung allein vertretungsberechtigter Liquidator war nur vorübergehend vom Gericht bestellt (§ 66 Abs. 5 GmbHG), die Liquidation jedoch bereits im Jahr 2009 beendet worden.

Da der Kläger mit der Löschung der GmbH seine Vertretungsmacht verlor, sind sämtliche von ihm vorgenommenen Prozesshandlungen einschließlich Klageerhebung und Einlegung der Berufung unwirksam.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts scheidet eine Anwendung der §§ 183, 193 SGG aus, weil der Kläger in diesem Verfahren nicht als Versicherter, (Hinterbliebenen-)Leistungsempfänger, behinderter Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger auftritt. Dass sein Ziel die Feststellung des Fortbestands seiner freiwilligen Unternehmerversicherung (Gegenstand des mit dem hiesigen Verfahren jeweils zeitgleich erörterten bzw. verhandelten Berufungsverfahrens L 2 U 20/19) ist, ändert nichts daran dass es im hiesigen Verfahren ausschließlich um den Fortbestand der Mitgliedschaft eines Unternehmens geht, dessen Geschäftsführer der Kläger einmal war.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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