L 1 AL 209/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 5 AL 915/99
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 209/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 21.11.2001 -S 5 AL 915/99- wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des dem Kläger zu gewährenden Insolvenzgeldes (Insg). Vorrangig geht es um die Frage, ob dem Kläger Insg ohne Abzug der fiktiven Lohnsteuer zusteht.

Der 1968 geborene Kläger ist französischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in 5 B (Lothringen). Er arbeitete als Grenzgänger in Pirmasens bei der Firma F S Söhne GmbH & Co KG. Nach § 39 b Abs 6 Einkommenssteuergesetz (EStG) in Verbindung mit dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Frankreich, Art 13 Abs 5, unterlag der Arbeitslohn des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland nicht dem Steuerabzug (Bescheinigung des Finanzamtes Pirmasens vom 27.11.1997). Über das Vermögen der Firma F S Söhne GmbH & Co KG eröffnete das zuständige Insolvenzgericht am 16.07.1999 das Insolvenzverfahren. Am 28.09.1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insg für ausstehenden Lohn der Monate Mai, Juni und Juli 1999. Nach der Insolvenzgeldbescheinigung des Insolvenzverwalters stand dem Kläger nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge, des bereits gezahlten Arbeitsentgeltes und der gesetzlichen Abzüge, also Lohnsteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag, noch Restlohn in einer Gesamthöhe von 4281,28 DM zu. Mit Bescheid vom 28.09.1999 bewilligte die Beklagte dem Kläger Insg in dieser Höhe. Gegen die Leistungshöhe wandte sich der Kläger mit dem Widerspruch und wies zur Begründung darauf hin, dass er Grenzgänger und daher nach deutschem Recht nicht lohnsteuerpflichtig sei, so dass ein Lohnsteuerabzug im Rahmen des ihm zustehenden Insg nicht vorgenommen werden dürfte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.1999 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf § 185 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) als unbegründet zurück, weil der Kläger im Inland von der Steuerpflicht befreit sei und das erhaltene Insg auch in Frankreich nicht versteuern müsse. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist darauf hingewiesen, dass innerhalb von drei Monaten nach Zustellung bzw. Bekanntgabe der Entscheidung Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben werden könne. Der Bescheid wurde dem Kläger per Einschreiben zugesandt; den Empfang hat er ohne Datumsangabe unterschriftlich bestätigt. Am 12.11.1999 wurde der Rückschein vom Postamt B abgestempelt an die Beklagte zurückgesandt.

Am 13.12.1999 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Speyer (SG) Klage erhoben.

Der Kläger hat im Klageverfahren eine Bescheinigung vorgelegt, wonach er beim Finanzamt Sarreguemines, Abteilung B einen Betrag von 14.358,- Francs versteuert und er diesen Betrag als "Arbeitslosengeld" erhalten hat.

Mit Urteil vom 21.11.2001 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, dem Kläger Insg für den streitigen Zeitraum nach den gesetzlichen Vorschriften ohne Abzug der Lohnsteuer zu gewähren.

Gegen das ihr am 30.11.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.12.2001 Berufung eingelegt.

Nach einer vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigung der Steuergeneraldirektion von Sarreguemines Sa B vom 12.06.2002 hat er seine "Einkünfte von 1999 über eine Summe von 14.358 Francs, eingenommen als Insolvenzgeld" dort versteuert.

Die Beklagte trägt vor:

Die Entscheidung des SG überzeuge nicht. Dem Kläger stehe Insg nicht ohne Abzug der fiktiven Lohnsteuer zu. Dies ergebe sich aus § 185 Abs. 2 Nr. 2 SGB III. Nach dieser Vorschrift sei das Arbeitsentgelt um die Lohnsteuer zu vermindern, die bei Einkommenssteuerpflicht im Inland nach Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben würde, wenn der Arbeitnehmer im Inland nicht einkommensteuerpflichtig sei und das Insg nach den für ihn außerhalb des Geltungsbereiches des Einkommensteuergesetzes maßgeblichen Vorschriften nicht der Steuer unterliege. Diese Regelung erfasse auch Grenzgänger wie den Kläger. Das im Inland ausgezahlte Insg sei in Frankreich nicht steuerpflichtig. Dies ergebe sich auch aus der Verständigungsvereinbarung der Bundesrepublik u.a. mit Frankreich, die im Bundessteuerblatt 1979 veröffentlicht sei. Eine andere Rechtsauffassung würde im übrigen dazu führen, dass der Kläger ansonsten einen ungerechtfertigten Vorteil aus dem Bezug einer Sozialleistung erzielen würde. Daher sei es auch unerheblich, ob der Kläger möglicherweise fehlerhaft das ihm gewährte Insg tatsächlich in Frankreich versteuert habe. Entscheidend sei insoweit lediglich, ob eine rechtliche Verpflichtung hierzu bestanden habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 21.11.2001 –S 5 AL 915/99- aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Zu Recht habe das SG die Beklagte verurteilt, ihm Insg ohne Abzug der fiktiven Lohnsteuer zu gewähren. Schließlich habe er diese Leistung in Frankreich versteuert.

Der Senat hat eine Auskunft beim Bundesministerium der Finanzen zur Frage der Besteuerung in Frankreich des im Inland an Grenzgänger gezahlten Insg eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte und der den Kläger betreffenden Insg - Akte der Beklagten Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 21.11.2001 ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger höheres Insg ohne Abzug der fiktiven Lohnsteuer zu gewähren. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.09.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.1999 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Insg ohne Abzug der fiktiven Lohnsteuer.

Die Klage ist zulässig. Sie wurde fristgerecht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben. Es kann dahinstehen, ob das SG Speyer für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich gemäß § 57 Abs. 3 SGG zuständig war, weil der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland und die Beklagte ihren Sitz in Nürnberg hat, denn in entsprechender Anwendung der §§ 512a, 549 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht mehr überprüft wird, wenn das SG sie angenommen hat (BSGE 10,233 ff; BSG, Urteil vom 08.10.1981 - 2 RU 20/81-).

Zu Recht hat die Beklagte dem Kläger bewilligten Insg eine fiktive Lohnsteuer abgezogen.

Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob die Beklagte dem Kläger überhaupt Insg hätte bewilligen dürfen, weil er entgegen § 324 Abs. 3 SGB III seinen Antrag auf Gewährung von Insg nicht innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis, also bis zum 16.09.1999, sondern ausweislich der Insg - Akte erst am 24.09.1999 gestellt hat. Höheres Insg ohne Abzug der fiktiven Lohnsteuer steht dem Kläger jedenfalls nicht zu. Dies folgt aus § 185 SGB III. Nach Abs. 2 Nr. 2 dieser Vorschrift ist das Arbeitsentgelt, in dessen Höhe Insg nach Abs 1 geleistet wird, um die Steuern zu vermindern, die bei Einkommenssteuerpflicht im Inland durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben würden, wenn der Arbeitnehmer im Inland nicht einkommenssteuerpflichtig ist und das Insg nach den für ihn maßgebenden Vorschriften nicht der Steuer unterliegt. So verhält es sich vorliegend:

Nach der Bescheinigung des Finanzamtes Pirmasens vom 27.11.1997 unterlag der Arbeitslohn des Klägers gemäß § 39 b Abs. 6 EStG in Verbindung mit dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Frankreich, Art 13 Abs. 5, nicht dem Steuerabzug, weil er Grenzgänger im Sine des deutsch - französischen Doppelbesteuerungsabkommens ist. Zudem ist das in der Bundesrepublik Deutschland an französische Arbeitnehmer gezahlte Insg entsprechend der Auskunft des Bundesfinanzministeriums vom 02.09.2002 laut der Verständigungsvereinbarung mit Frankreich dort nicht zu versteuern. Das Besteuerungsrecht für Bezüge, die aus der gesetzlichen Sozialversicherung in Deutschland gezahlt werden, hat ausschließlich der "Quellenstaat", also die Bundesrepublik Deutschland.

Dass das dem Kläger gewährte Insg vorliegend entgegen dieser zwischen Frankreich und Deutschland bestehenden Verständigungsvereinbarung trotzdem möglicherweise rechtswidrig in Frankreich besteuert wurde, ist ohne Belang. Deswegen bedarf es keiner weiteren Aufklärung, warum das zuständige Finanzamt in Frankreich zunächst eine Besteuerung von Arbeitslosengeld und erst im Berufungsverfahren von Insg bescheinigt hat. Eine in Frankreich eventuell in Unkenntnis der Verständigungsvereinbarung erfolgte Besteuerung kann nicht zu einem Nachteil der Beklagten führen. Dies wäre aber der Fall, wenn der Kläger mit seinem Begehren Erfolg hätte. Nach Ansicht des Senats kommt es nicht darauf an, dass eine Besteuerung in Frankreich widerrechtlich tatsächlich erfolgt ist, sondern dass eine solche nach der zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht hätte erfolgen dürfen. Der Kläger muss sich insoweit an die in Frankreich zur Beseitigung von Schwierigkeiten und Zweifeln, die bei der Anwendung des Abkommens auftreten, zuständige Behörde wenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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