L 1 AL 198/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 11 AL 315/99
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 198/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 22.10.2001 – S 11 AL 315/99 – und der Bescheid der Beklagten vom 19.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.1999 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger einen Eingliederungszuschuss in Höhe von 14.142,66 DM zurückzahlen muss, den er für die Einstellung seiner ehemaligen Arbeitnehmerin, der Beigeladenen, erhalten hat.

Im Oktober 1998 beantragte der Kläger einen Eingliederungszuschuss für die Einstellung der Beigeladenen ab 15.10.1998 als Arzthelferin. Nach dem zwischen dem Kläger und der Beigeladenen abgeschlossenen Arbeitsvertrag galten nach Ablauf der 6-monatigen Probezeit "die allgemeinen Kündigungsfristen". Antragsgemäß bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 26.11.1998 einen Eingliederungszuschuss für die Dauer vom 15.10.1998 bis 31.12.1998 in Höhe von 1.523,51 DM und vom 01.01.1999 bis 14.10.1999 in Höhe von 1.705,38 DM monatlich. Bestandteil des Bewilligungsbescheides waren mehrere Nebenbestimmungen. Unter Ziff. 5 der Nebenbestimmungen war aufgeführt, dass der Eingliederungszuschuss zurückzuzahlen ist, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von 12 Monaten, nach Ende des Förderungszeitraums beendet wird. Die Beklagte zahlte dem Kläger Eingliederungszuschuss in der bewilligten Höhe bis einschließlich Juni 1999 in einer Gesamthöhe von 14.142,62 DM.

Die Beigeladene erkrankte am 08.06.1999 arbeitsunfähig. Dr. L , Facharzt für innere Medizin und Gastroenterologie, stellte bei ihr am 17.06.1999 eine Hepatitis C Typ Ib fest. Bereits am 08.06.1999 hatte die Beigeladene ihren Hausarzt Dr. A wegen Beschwerden aufgesucht. Dieser konnte damals nicht verbindlich sagen, ob es sich bei der Erkrankung um eine bereits abgelaufene Hepatitis C mit zurückgebliebenen Antikörpern oder aber um eine akute Erkrankung handelte. Dies stand erst am 25.06.1999 verbindlich fest (Schriftsatz der Klägerin vom 08.02.2002). An diesem Tag informierte die Beigeladene den Kläger über diesen Befund. Im Juli 1999 wurde die Beigeladene zwei Tage lang im Universitätsklinikum E behandelt. Dieses stellte am 21.09.1999 eine "akute Hepatitis C mit hoher Viruslast" und eine weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit bei der Beigeladenen fest und führte aus, dass eine abschließende Entscheidung über ihre Arbeitsfähigkeit in 3 Monaten erfolgen werde.

Mit Schreiben vom 28.06.1999 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen zum 31.07.1999. Die Beigeladene erhob gegen die Kündigung erfolglos Klage vor dem Arbeitsgericht Koblenz.

Nachdem die Beklagte von der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Mitteilung der Beigeladenen erfahren hatte, forderte sie den Kläger nach Anhörung mit Bescheid vom 19.07.1999 auf, den in der Zeit vom 15.10.1998 bis 30.06.1999 erhaltenen Eingliederungszuschuss in einer Gesamthöhe von 14.142,66 DM zurückzuzahlen, weil er das Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen innerhalb der Förderfrist ohne wichtigen Grund gelöst habe. Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Widerspruch und führte aus, dass der Beigeladenen sehr wohl aus wichtigen Gründen gekündigt worden sei, denn sie sei an Hepatitis C erkrankt und daher in seiner Praxis nicht mehr einsetzbar gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf § 223 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SBG III) zurück.

Am 27.08.1999 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Koblenz (SG) erhoben.

Mit Urteil vom 22.10.2001 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das ihm am 05.11.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.11.2001 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor:

Die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig. Er sei nicht verpflichtet, den ihm gewährten Eingliederungszuschuss zurückzuzahlen. Er sei nämlich sehr wohl berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen fristlos zu kündigen. Schließlich sei die Beigeladene an Hepatitis C erkrankt gewesen und habe wegen akuter Ansteckungsgefahr in seiner internistischen Praxis nicht mehr eingesetzt werden können. Aufgrund des Krankheitsbildes der Beigeladenen müsse auch in Zukunft mit Krankheitsschüben gerechnet werden, so dass sie letztlich ihren Beruf als Arzthelferin wohl auch in Zukunft überhaupt nicht mehr ausüben könne. Tatsache sei, dass die Beigeladene bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens im Kündigungsschutzverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, also bis zum 17.03.2001, arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und darüber hinaus einen Rentenantrag gestellt habe. Er unterhalte einen so genannten Kleinbetrieb und musste, um diesen Betrieb aufrecht erhalten zu können, für die ausgefallene Mitarbeiterin umgehend Ersatz beschaffen. Anderenfalls hätte er seine Arztpraxis gar nicht fortführen können. Auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei grundsätzlich anerkannt, dass eine Krankheit als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung dann in Betracht kommen könne, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht fähig sei, die vertraglich übernommene Arbeit zu erbringen. Die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorzunehmende Interessenabwägung zwischen seinen betrieblichen Belangen und den Interessen der Beigeladenen müsse in jedem Fall dazu führen, dass vorliegend eine außerordentliche Kündigung zulässig gewesen sei. Er sei nämlich – dies wiederhole er noch einmal – auf die Mitarbeit einer Arzthelferin angewiesen gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 22.10.2001 – S 11 AL 315/99 – und den Bescheid der Beklagten vom 19.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.1999 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des anzuwendenden § 223 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31.07.1999 geltenden Fassung seien erfüllt. Der Kläger habe den Eingliederungszuschuss zurückzuzahlen, weil er das Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen während der Förderungszeit ohne wichtigen Grund gekündigt habe. Ob ein wichtiger Grund für die Kündigung vorgelegen habe, richte sich nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach dieser Vorschrift sei entscheidend, ob dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht habe zugemutet werden können. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stelle an eine krankheitsbedingte, ordentliche Kündigung bereits sehr hohe Anforderungen, diese seien bei einer fristlosen Kündigung im Krankheitsfall ungleich höher und lägen hier nicht vor. Ihrer Ansicht nach habe bei der Beigeladenen keine dauernde Unfähigkeit, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, vorgelegen, sondern lediglich eine Leistungsminderung, aufgrund derer die Beigeladene auf unbestimmte Zeit in der Arztpraxis des Klägers nicht einsetzbar gewesen sei.

Die Beigeladene trägt vor:

Sie habe im Juni 1999 von ihrem Hausarzt von ihrer Erkrankung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt habe indes nicht festgestanden, ob es sich hierbei um eine "alte" Erkrankung mit zurückgebliebenen Antikörpern oder um eine akute Erkrankung gehandelt habe. Wegen ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes habe Dr. A sie arbeitsunfähig geschrieben. Am 25.06.1999 habe, nachdem zahlreiche Untersuchungen durchgeführt worden waren, festgestanden, dass tatsächlich eine akute Erkrankung vorliege. Am selben Tag sei der Kläger von ihr über dieses Untersuchungsergebnis informiert worden. 3 Tage später habe der Kläger ihr dann gekündigt; die Kündigung sei ihr tags darauf, also am 30.06.1999, zugegangen. Eine Begründung für die Kündigung habe er ihr nicht mitgeteilt. Allerdings habe er bereits kurze Zeit später eine neue Arzthelferin gesucht. Die Aussage des Klägers, sie sei wegen akuter Ansteckungsgefahr in seiner internistischen Praxis nicht einsetzbar gewesen, sei nachweislich falsch. Sie sei bereits 4 Monate nach Ausbruch der Behandlung virenfrei gewesen.

Der Senat hat Herrn Dr. L um Auskunft zu der Frage gebeten, ob die Erkrankung der Beigeladenen ansteckend und ob während der akuten Phase nach arbeitsmedizinischen Grundsätzen ihre Beschäftigung als Arzthelferin in einer internistischen Arztpraxis ausgeschlossen war.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der den Kläger betreffenden Leistungsakte der Beklagten, der Akte des Arbeitsgerichts Neuwied (Az.: 8 Sa 1314/99) sowie des Aktenauszugs der die Beigeladene betreffenden Akte der Berufungsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, H , Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.1999 ist rechtswidrig. Der Kläger ist nicht verpflichtet, den ihm gewährten Eingliederungszuschuss in Höhe von 14.142,66 DM zurückzuzahlen.

Vorliegend findet auf den Erstattungsanspruch der Beklagten § 223 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31.07.1999 geltenden Fassung Anwendung. Seine bisherige Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 28.02.2002 – L 1 AL 144/00 –) gibt der Senat im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.03.2002 - B 7 AL 48/01 R - auf. Dort hat das BSG überzeugend dargelegt, dass sich die Übergangsregelung des § 422 SGB III schon nach ihrem Wortlaut nicht nur auf laufende Leistungen bzw. Leistungsfälle, die bei Eintritt der Rechtsänderung noch nicht abgeschlossen sind, sondern auf das gesamte Gebiet der Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, hier also auch auf das Gebiet der Eingliederungszuschüsse nach den §§ 217 ff SGB III und mithin auch § 223 SGB III, bezieht. Auch die Regelung über die Anspruchsvoraussetzungen für Eingliederungszuschüsse und deren Rückzahlung sind einheitlich als Vorschriften über "Leistungen der aktiven Arbeitsförderung" im Sinne des § 422 SGB III anzusehen. Die Anwendung des § 422 SGB III auf die Rückzahlungsverpflichtung entspricht auch dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Durch diese Vorschrift sollen die einmal in Gang gesetzten Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung nach dem Recht behandelt werden, das zu dem Zeitpunkt galt, als die Voraussetzungen des § 422 Abs. 1 SGB III vorlagen. Dieser Grundsatz gilt auch für die Rückzahlung solcher Leistungen. Der Arbeitgeber soll darauf vertrauen dürfen, dass sich die Rückzahlungsvoraussetzungen nicht nach den in § 422 Abs. 1 SGB III genannten Zeitpunkten zu seinen Lasten ändern. Dass dieser Grundsatz hier ausnahmsweise – wegen zwischenzeitlicher Verbesserung der Rückzahlungsvoraussetzungen – zu Lasten der Arbeitgeber wirkt, kann nicht dazu führen, die Grundstruktur des § 422 SGB III (es bleibt aus Gründen der Planungssicherheit bei dem zum Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme etc. geltenden Rechts.) umzukehren. Denn es geht nicht nur um Planungssicherheit für den Leistungsempfänger, sondern auch um Rechtssicherheit- und klarheit für die Bundesanstalt für Arbeit. Dieser Gesichtspunkt der Kontinuität wird auch dadurch unterstrichen, dass das Gesetz nicht zwischen begünstigenden und belastenden Gesetzesänderungen differenziert (so ausdrücklich BSG a.a.O.).

Nach dem danach anzuwendenden § 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III alter Fassung ist der Eingliederungszuschuss nur dann nicht zurückzuzahlen, wenn der Arbeitgeber unter anderem berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Als "wichtige Gründe" im Sinne dieser Vorschrift sind solche anzusehen, die nach den einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 626 BGB, zur fristlosen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses berechtigen. Nach § 626 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung des Arbeitverhältnisses berechtigt, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen.

Die Voraussetzungen des § 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III alter Fassung sind vorliegend erfüllt.

Dabei ist es nach Ansicht des Senats unerheblich, dass der Kläger der Beigeladenen nicht fristlos, sondern fristgerecht unter Einhaltung der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nach § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltenden 1-Monats-Frist zum Ende eines Kalendermonats gekündigt hat. Aus dem Wortlaut der Vorschrift (" ... berechtigt war, ...") ergibt sich nicht, dass eine Rückzahlungsverpflichtung nur dann ausscheidet, wenn tatsächlich eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist erfolgt ist. Vielmehr lässt der Gesetzeswortlaut auch die Auslegung zu, dass eine Rückzahlungsverpflichtung bereits dann nicht eintreten soll, wenn der Betroffene – auch wenn er das Arbeitsverhältnis nicht aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt hat – hierzu befugt gewesen wäre, also eine unterstellte Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist rechtmäßig gewesen wäre. Für diese Auffassung spricht im Übrigen auch Sinn und Zweck der Vorschrift: Abs. 2 dient der Sicherstellung des Förderungsziels. Wenn das Förderungsziel der dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht erreicht wird, der Arbeitgeber also seiner Verpflichtung, die er mit Annahme des Lohnkostenzuschusses eingeht, den Arbeitnehmer über den Förderzeitraum und die weitere Beschäftigungszeit hinaus zu beschäftigen, nicht erfüllt, ist der Lohnkostenzuschuss zurückzuzahlen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht auf den Arbeitgeber zurückzuführen ist. In diesem Fall macht es keinen Unterschied, ob lediglich die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige rechtmäßige Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vorgelegen haben oder ob von dieser Kündigungsmöglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht wurde.

Dem Kläger stand ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung der Beigeladenen nach § 626 BGB am 28.06.1999 zu. Nach dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn objektiv Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Deswegen ist es auch unerheblich, wann der Kläger tatsächlich Kenntnis über die akute Erkrankung der Beigeladenen erlangt hat. Vor dem Hintergrund bereits sehr strenger Anforderungen an die eine ordentliche gesundheitsbedingte Kündigung rechtfertigenden Umstände (BAG, Urteil vom 10.12.1987 -Az.: 2 AZR 515/87-), nimmt die Rechtsprechung der zuständigen Fachgerichte, der sich der erkennende Senat insoweit anschließt, an, dass die krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in der Regel nicht geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen (BAG AP Nr. 3 zu § 626 BGB). Sie steht vielmehr unter dem Vorbehalt des Ultima-Ratio-Grundsatzes und setzt besondere Umstände des Einzelfalles voraus, aufgrund derer dem Arbeitgeber im Einzelfalle ausnahmsweise die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar erscheint. Solche Umstände sind in der Rechtsprechung und in der Kommentierung erwogen worden für die Fälle des tarifvertraglichen Ausschlusses der ordentlichen Kündbarkeit (BAG NJW 1996, 2446, dann aber mit einer sozialen Auslauffrist im Wege der vor Eintritt der Unkündbarkeit zuletzt zu wahrenden Frist zur ordentlichen Kündigung) sowie in sonstigen extremen Ausnahmefällen von abschreckenden ekelerregenden oder ansteckenden Erkrankungen (vgl. Schaub, Arbeitsrecht, § 125).

Unter Beachtung dieser von der arbeitsgerichtlichen Judikatur präzisierten Maßstäbe kam eine fristlose Kündigung der Beigeladenen in Betracht. Die Beigeladene hat im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an einer akuten Hepatitis C Genp - Typ 1 b gelitten. Sie hat insoweit selbst vorgetragen, dass, nachdem bereits Anfang Juni 1999 ein entsprechender Verdacht bestand, der tatsächliche Nachweis über eine akute Erkrankung am 25.06.1999 erbracht und der Kläger von ihr persönlich am selben Tag über dieses Untersuchungsergebnis informiert worden war. Nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Auskunft des die Beigeladene seinerzeit behandelnden Arztes Dr. L in seiner Stellungnahme an den Senat vom 23.07.2002 sollte jemand, der an einer akuten Hepatitis C erkrankt ist, nicht in einer Arztpraxis arbeiten, weil er sich in einem schlechten Immunzustand befindet und jederzeit die Patienten mit der Erkrankung bei Kontakten über Blut anstecken kann.

Eine fristlose Kündigung hätte am 28.06.1999 auch noch innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgen können, denn der Kläger hat innerhalb dieser Frist Kenntnis über die akute Erkrankung der Beigeladenen erlangt. Die Kündigungserklärung ist der Beigeladenen auch innerhalb der 2-Wochen-Frist, nämlich bereits am 30.06.1999, zugegangen (vgl. hierzu BAG NJW 1987, 2168).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 1 Nr 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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