L 1 AL 156/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 5 AL 104/00
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 156/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 24.07.2001 - S 5 AL 104/00 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in der Berufungsinstanz.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beteiligten die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg); insbesondere ist streitig, ob die Klägerin die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Die 1965 geborene Klägerin bezog zuletzt im Jahr 1992 Alg von der Beklagten. Am 19.07.1992 wurde ihr Sohn geboren. Vom 19.12.1996 bis 25.04.1997 war die Klägerin aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages als Aushilfskraft bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Rheinland-Pfalz in Speyer beschäftigt. Am 21.05.1997 wurde die Tochter der Klägerin geboren. Vom 21.05.1997 bis 20.05.1999 bezog die Klägerin Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Mutterschaftsgeld hat die Klägerin wegen der Geburt ihrer Tochter nicht bezogen. Vom 25.01.2000 bis 18.02.2000 war die Klägerin erneut als Aushilfskraft bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Rheinland-Pfalz in Speyer tätig; auch dieses Arbeitsverhältnis war von vorne herein befristet.

Am 21.02.2000 meldete sich die Klägerin bei der Arbeitsamtsdienststelle Bitburg arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Mit Bescheid vom 12.04.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab. Die Klägerin habe die für den Bezug von Alg erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt, da sie innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 21.02.00 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Auch ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) sei nicht erfüllt, da sie innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 21.02.00 weder Alg bezogen noch mindestens fünf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe.

Der Widerspruch der Klägerin vom 08.05.2000, den sie insbesondere damit begründete, dass die Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld gemäß § 107 Satz 1 Nr. 5 c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstünden, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2000 zurückgewiesen. Die Beklagte ging dabei davon aus, dass sich die Rahmenfrist um Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe, verlängere. Die Rahmenfrist umfasse daher die Zeit vom 16.06.1994 bis 18.02.2000. Innerhalb dieser Zeit habe die Klägerin jedoch nur 5 Monate und 2 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Die Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld vom 21.05.1997 bis 31.12.1997 könnten zwar nach dem AFG grundsätzlich den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehen. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass durch die Betreuung und Erziehung des Kindes eine die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung oder der Bezug einer laufenden Lohnersatzleistung nach dem AFG unterbrochen worden sei. Die beitragspflichtige Beschäftigung der Klägerin habe am 25.04.1997 geendet; vom 26.04.1997 bis 20.05.1997 habe die Klägerin weder in einer beitragspflichtigen Beschäftigung noch im Bezug einer Lohnersatzleistung gestanden.

Die Klägerin hat am 18.08.2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Trier erhoben.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 24.07.2001 statt gegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bezug von Erziehungsgeld durch die Klägerin vom 21.05.1997 bis 20.05.1999 zur Erfüllung der Anwartschaftszeit heranzuziehen sei. Insbesondere sei das Erfordernis, dass durch die Betreuung und Erziehung des Kindes eine die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung unterbrochen worden sei, hier erfüllt. Der Umstand, dass die Klägerin nur bis zum 25.04.1997 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, sei unbeachtlich, weil die Klägerin schon im Hinblick auf die Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) nicht zu einer Arbeitsleistung verpflichtet gewesen sei. Ebenso scheide eine Unterbrechung nicht deswegen aus, weil die Klägerin unmittelbar vor der Geburt das Kind noch nicht betreut habe. Der Begriff der "Unterbrechung" in § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG wolle nur die Bezieher der dort genannten Leistungen ausscheiden, die als nicht mehr zur Solidargemeinschaft gehörig anzusehen seien. Die vom MuSchG ausdrücklich eingeräumte Schutzfristen vor der Geburt des Kindes stellten aber noch keine Abkehr von der beruflichen Tätigkeit dar und lösten die Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft gerade nicht auf. Eine andere Auslegung wäre auch im Hinblick auf den durch Art. 6 Grundgesetz (GG) gewährten besonderen staatlichen Schutz der Mutter und des werdenden Kindes nicht zulässig.

Gegen das ihr am 30.07.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.08.2001 Berufung eingelegt.

Sie ist der Ansicht, dass die Klägerin die für den Bezug von Alg erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die Klägerin habe keine Mutterschaftsgeld bezogen, so dass zwischen dem Ende der Beschäftigung am 25.04.1997 und dem Beginn der Kinderbetreuung und des Erziehungsgeldbezuges am 21.05.1997 eine zeitliche Lücke entstanden sei. Eine gleichgestellte Zeit liege wegen des fehlenden Bezugs von Mutterschaftsgeld nicht vor. Auch hier lasse der Gesetzgeber es zu, dass nicht jede werdende Mutter in den Genuss von Mutterschaftsgeld komme, weil die erforderlichen Beitragszeiten fehlen, obwohl unmittelbar vor Beginn der Schutzfrist eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bestand. Auch könnte die Klägerin aus Art. 6 GG keine besonderen Rechte herleiten. Der Gesetzgeber habe den Belastungen durch Kindererziehungszeiten und der damit verbundenen gesellschaftlich erwünschten Leistung des Erziehenden z.B. durch die Einführung von Verlängerungstatbeständen für die Zeiten der Erziehung eines Kindes bei der Rahmenfrist und durch die Berücksichtigung von nach dem AFG gleichgestellten Zeiten Rechnung getragen. Mangels Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke könnten die in § 107 AFG geregelten Gleichstellungstatbestände jedoch nicht erweiternd ausgelegt bzw. analog auf nicht geregelte Tatbestände angewandt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 24.07.2001 - S 5 AL104/00 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht sich die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils zu eigen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass es sich hier nicht um eine erweiternde oder analoge Anwendung des § 107 AFG handele. Vielmehr erfülle die Klägerin die Voraussetzung des § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG bereits nach seinem Wortlaut. Für eine Unterbrechung im Sinne dieser Vorschrift sei es insbesondere nicht erforderlich, dass die Betreuung des Kindes kausal für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses war. Die Betreuung müsse sich nur zeitlich an das vorhergehende Beschäftigungsverhältnis anschließen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der die Klägerin betreffenden Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr. 563A062361) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Alg zu zahlen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung von Alg.

Nach § 117 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg, die arbeitslos sind (Nr. 1), sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr. 3). Erforderlich ist weiterhin, dass der Arbeitslose die Leistung beantragt hat (vgl. § 323 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Klägerin hat sich am 21.02.2000 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Sie ist auch arbeitslos, da sie nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine mindestens 15 Stunden umfassende Beschäftigung sucht (vgl. § 118 Abs. 1 SGB III). In ihrem Antrag hat die Klägerin angegeben, dass sie wegen der Betreuung der Kinder eine Beschäftigung von bis zu 25 Wochenstunden suche. Weiterhin hat sie versichert, dass die Betreuung der Kinder sichergestellt sei, wenn sie diese nicht selbst übernehmen könne.

Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob die Klägerin die für den Bezug von Alg erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt. Dies ist hier der Fall. Zwar fehlt es an einer Erfüllung der Anwartschaftszeit nach Maßgabe der §§ 123, 124 SGB III. Die Anwartschaftszeit ist jedoch nach dem hier anzuwendenden Übergangsrecht des § 427 SGB III erfüllt.

Nach § 123 Satz 1 Nr. 1 SGB III hat die Anwartschaft u.a. erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs. 1 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstiger Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. In die Rahmenfrist werden u.a. nicht eingerechnet Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III).

Seit ihrem letzten Leistungsbezug hat die Klägerin lediglich vom 19.12.1996 bis 25.04.1997 sowie vom 25.01.2000 bis 18.02.2000 und damit weniger als zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Die Rahmenfrist reicht vorliegend jedoch in eine Zeit hinein, in der das AFG noch gegolten hat, das erst mit Wirkung ab 01.01.1998 durch das SGB III ersetzt wurde. Hinsichtlich der vor dem Inkrafttreten des SGB III zurückgelegten Zeiten enthält § 427 SGB III aus Gründen der Besitzstandwahrung Übergangsregelungen zum Alg, die hier einschlägig sind.

Nach § 427 Abs. 3 SGB III stehen bei der Anwendung der Regelungen über die für einen Anspruch auf Alg erforderliche Anwartschaftszeit Zeiten, die nach dem AFG in der zuletzt geltenden Fassung den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ohne Beitragspflicht gleichstanden, den Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses gleich. Solche so genannten gleichgestellten Zeiten bleiben dann allerdings bei der Berechnung der Rahmenfrist unberücksichtigt und verlängern diese nicht nach § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III (vgl. § 427 Abs. 2 SGB III und hierzu BSG SozR 3-4300 § 427 Nr. 1; BSG vom 25.06.2002 - B 11 AL 67/01 R).

Bei den Zeiten vom 21.05.1997 bis 31.12.1997, in denen die Klägerin Erziehungsgeld nach dem BErzGG bezogen hat, handelt es sich um gleichgestellte Zeiten nach dem AFG, die nach § 427 Abs. 3 SGB III bei der Anwartschaftszeit zu berücksichtigen sind. Dies gilt allerdings nicht für die Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld vom 01.01.1998 bis 20.05.1999, da diese nicht mehr unter der Geltung des AFG zurückgelegt wurden.

Den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung stehen nach § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften vom 06.12.1991 (BGBl. I S. 2142) diejenigen Zeiten gleich, für die der Arbeitslose Erziehungsgeld oder eine entsprechende Leistung der Länder bezogen hat, wenn durch die Betreuung und Erziehung des Kindes eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung oder der Bezug einer laufenden Lohnersatzleistung nach dem AFG unterbrochen worden ist. Zu Recht ist das SG davon ausgegangen, dass eine solche Unterbrechung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nicht daran scheitert, dass das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin aufgrund von Befristung bereits am 25.04.1997 endete, sie jedoch erst ab dem Tag der Geburt ihrer Tochter am 21.05.1997 Erziehungsgeld bezogen hat. Insoweit liegt aufgrund des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 2 MuSchG eine Überbrückungszeit vor, die den Anschluss an die vorhergehende beitragspflichtige Beschäftigung wahrt.

Ebenso ist unschädlich, dass die Klägerin sich nicht unmittelbar nach Beendigung des Bezugs von Erziehungsgeld, sondern erst neun Monate später arbeitslos gemeldet hat. Insofern sind auch die Zeiten, in denen die Klägerin ihre Tochter bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres weiter betreut und erzogen hat, als Überbrückungszeiten anzusehen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mehrfach entschieden, dass die Erfüllung des Unterbrechenstatbestandes des § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG nicht voraussetzt, dass sich die gleichgestellte Zeit unmittelbar an eine beitragspflichtige Beschäftigung oder eine laufende Lohnersatzleistung anschließt oder gar von ihr umrahmt ist. Die erforderliche Unterbrechung liegt vielmehr auch vor, wenn sich mehrere mit der Betreuung und Erziehung eines Kindes und dessen Geburt zusammenhängende gleichgestellte Zeiten aneinanderreihen, wobei sich nur die erste Zeit an eine beitragspflichtige Beschäftigung anschließt und nach der letzten gleichgestellten Zeit eine Arbeitslosmeldung erfolgt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 107 Nr. 10 S. 40 f m.w.N.). Ebenso seien wie im Recht der Rentenversicherung Überbrückungszeiten denkbar, die den Unterbrechenstatbestand wahren, ohne selbst gleichgestellte Zeiten zu sein (vgl. BSGE 74, 28, 34 f = SozR 3-4100 § 107 Nr. 6).

Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei Einführung der Versicherungspflicht für gleichgestellte Zeiten in § 186 AFG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983 (BGBl. I S. 1532) zur Auslegung des Begriffs "Unterbrechung" selbst auf die Grundsätze verwiesen hat, die zu diesem Begriff in § 1259 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) entwickelt worden sind (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zur Änderung des § 186 AFG, BT-Drucks. 10/335 zu Art. 15 Nr. 28). Auch die Auslegung des § 107 Satz 1 Nr. 5 c, der die Formulierung der Nr. 5 b zwei Jahre später übernahm, müsse sich an den für das Rentenversicherungsrecht entwickelten Grundsätzen orientieren, ohne diese jedoch unbesehen zu übernehmen (BSG, a.a.O.).

Im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ist anerkannt, dass eine Unterbrechung im Sinne von § 1259 RVO (jetzt: § 58 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) keine strenge zeitliche Unmittelbarkeit erfordere. Einem Ausfalltatbestand können auch mehrere unmittelbar aufeinander folgende Anrechnungs- oder Ersatzzeitentatbestände vorausgehen, wenn nur der erste dieser Anrechnungs- oder Ersatzzeitentatbestände eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit unterbrochen hat. Der unmittelbare Anschluss zwischen den einzelnen Gliedern einer solchen Kette wird gewahrt, solange eine etwaige Lücke keinen Kalendermonat umfasst. Größere zeitliche Lücken sind unschädlich, wenn ein so genannter Überbrückungstatbestand vorliegt. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Tatbestandsmerkmal trägt dem Umstand Rechnung, dass der Begriff "Unterbrechung" nicht nur eine zeitliche Dimension, sondern auch einen kausalen Bezug aufweist. Anrechnungszeiten sollen dem Versicherten einen Ausgleich für bestimmte unverschuldete Beitragsausfälle gewähren. Der Gesetzgeber hat insoweit im Rentenrecht für den Anrechungstatbestand der Arbeitslosigkeit die unwiderlegbare Vermutung aufgestellt, dass der Ausfalltatbestand dann für die Nichtentrichtung von Beiträgen kausal ist, wenn dieser eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit unterbrochen hat. Im Hinblick auf das Vorliegen eines Überbrückungstatbestandes ist daher immer wertend zu fragen, ob die gesetzgeberische Vermutung auch hier berechtigt ist. Entscheidend ist dabei vor allem, ob der Versicherte noch dem aktiven Erwerbsleben zuzurechnen ist (vgl. BSGE 87, 269, 271 f. = SozR 3-2600 § 58 Nr. 16 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist auch im Recht der Arbeitsförderung grundsätzlich zu prüfen, ob etwaige zeitliche Lücken noch von dem mit der gleichgestellten Zeit verfolgten gesetzgeberischem Ziel gedeckt sind (vgl. BSG SozR 3-4100 § 107 Nr. 10 S. 42). Das BSG hat insofern ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Erziehungsgeldes den Zweck verfolgt habe, die Erziehungskraft der Familie und die Anerkennung der Erziehungsleistung durch die Möglichkeit zur Wahl zwischen Familien- und Erwerbstätigkeit zu stärken (vgl. BT-Drucks. 10/3792 S. 1 und 13). Dieses Vorhaben werde durch § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG für den Bereich der Arbeitsförderung konkretisiert, wobei insbesondere eine Beeinträchtigung der sozialen Sicherheit des Erziehenden im Falle der Betreuung und Erziehung eines Kindes verhindert werden solle. Das BSG ist weiter davon ausgegangen, dass die Wahl, ein Kind bis zu dessen dritten Lebensjahr zu erziehen, noch keine Abkehr von der beruflichen Tätigkeit darstelle. Eine gesellschaftlich geförderte und zu fördernde Erziehungsleistung dürfe dann aber nicht die mit § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG verfolgten Ziele konterkarieren, indem es die von einem Erziehenden bereits erworbenen anwartschaftsbegründenden Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld bzw. Erziehungsgeld wieder entfallen lasse. Im Ergebnis seien daher Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes während der ersten drei Lebensjahre ohne Bezug von Erziehungsgeld als Überbrückungszeit zu werten, die den Anschluss an eine zuvor ausgeübte Beschäftigung wahrt (vgl. BSGE 74, 28, 35 f = SozR 3-4100 § 107 Nr. 6; vgl. auch zuletzt BSG vom 05.12.2001 - B 7 AL 52/01 R - SozR 3-4300 § 427 Nr. 1 sowie vom 25.06.2002 - B 11 AL 67/00 R).

Das BSG geht somit - ohne dies ausdrücklich zu sagen - davon aus, dass § 107 Satz 1 Nr. 5 b bzw. c AFG die gesetzgeberische Vermutung zugrunde liegt, dass der Erziehende während dieser Zeiten sich noch nicht vom Erwerbsleben gelöst hat und damit noch der Solidargemeinschaft zuzurechnen ist. Die Einschätzung, dass eine erzieherische Tätigkeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes keine Abkehr vom Berufsleben bedeute, wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass das SGB III als Ausgleich dafür, dass Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld nunmehr nicht mehr einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt werden, die Verlängerung der Rahmenfrist um Kinderbetreuungszeiten, in denen das Kind noch nicht das dritte Lebensjahr vollendet hat, vorsieht (vgl. § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Die Zeit vom 01.01.1998 bis zur Arbeitslosmeldung der Klägerin am 22.02.2000, die wegen des Außerkrafttretens des AFG bzw. (ab 21.05.1999) schon wegen fehlenden Bezugs von Erziehungsgeld keine gleichgestellte Zeit darstellt, ist daher unzweifelhaft eine für den Unterbrechenstatbestand unschädliche Überbrückungszeit.

Das gleiche gilt jedoch auch für die Zeit vom 26.04.1997 bis zum 20.05.1997, wie das SG zu Recht ausgeführt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für das Vorliegen eines Überbrückungstatbestandes im Rahmen des § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG nicht ausschlaggebend, ob in dem streitigen Zeitraum eine Betreuung und Erziehung eines Kindes stattgefunden hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob auch der betreffende Zeitraum von dem gesetzgeberischen Ziel gedeckt ist, die soziale Absicherung des Erziehenden im Falle der Betreuung und Erziehung eines Kindes zu gewährleisten, soweit keine Abkehr vom Erwerbsleben vorliegt. Insofern ist aber auch die der Geburt voran gehende Zeit der Schutzfristen nach dem MuSchG schon von der bevorstehenden Betreuung und Erziehung des Kindes geprägt. Die Schutzfristen nach dem MuSchG für werdende Mütter sollen die Gesundheit der Mutter und des Kindes schützen und damit auch eine normale gesundheitliche Entwicklung des Kindes nach der Geburt gewährleisten. Im Übrigen bewirken die Schutzfristen des MuSchG, dass die werdende Mutter einer entgeltlichen Beschäftigung nicht nachgehen und deshalb keine Anwartschaften in der Arbeitslosenversicherung durch entgeltliche Beschäftigung erwerben kann (vgl. hierzu auch Vorlagebeschluss des BSG vom 20.06.2001 - B 11 AL 20/01 R - NZS 2002, 100, 102). Als Abkehr vom Berufsleben kann die Nichtbeschäftigung der Klägerin im fraglichen Zeitraum vom 26.04.1997 bis 20.05.1997 aufgrund des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs. 2 MuSchG daher auf keinen Fall gewertet werden. Unerheblich ist insoweit, dass es § 3 Abs. 2 MuSchG der Schwangeren freistellt, ob sie ihre Beschäftigung fortsetzt. Mit dem Beschäftigungsverbot für werdende Mütter erfüllt der Gesetzgeber auch seinen bindenden Auftrag aus Art. 6 Abs. 4 GG, jeder Mutter, insbesondere der werdenden, Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft angedeihen zu lassen (vgl. zu letzterem BVerfGE 52, 357, 365). Die Schutzfunktion der Vorschrift würde aber in ihr Gegenteil verkehrt, wenn eine Nichtbeschäftigung während der Schutzfristen des MuSchG zum Anlass genommen würde, den Unterbrechungstatbestand zu verneinen (vgl. BSGE 74, 28, 36 = SozR 3-4100 § 107 Nr. 6).

Gegen eine solche Auslegung des Begriffs der Unterbrechung in § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG spricht nicht, dass Zeiten der Schutzfristen nach §§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 MuSchG regelmäßig zum Bezug von Mutterschaftsgeld führen und daher in der Regel bereits von der Gleichstellung in § 107 Satz 1 Nr. 5 b AFG (Bezug von Sonderunterstützung nach dem MuSchG bzw. von Mutterschaftsgeld) erfasst werden. Die Beklagte hat insoweit darauf hingewiesen, dass es der Gesetzgeber zulasse, dass nicht jede werdende Mutter, die unmittelbar vor Beginn der Schutzfrist eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, in den Genuss von Mutterschaftsgeld kommt, weil die erforderlichen Beitragszeiten fehlen. Richtig ist, dass § 200 Abs. 1 RVO in der bis 31.12.1999 geltenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) weiblichen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld u.a. nur dann gewährt, wenn sie vom Beginn des zehnten bis zum Ende des vierten Monats vor der Entbindung mindestens zwölf Wochen Mitglieder waren oder in einem Arbeitsverhältnis standen. Diese Voraussetzung hatte die Klägerin, die lediglich vom 19.12.1996 bis 25.04.1997 (und damit erst ab Ende des sechsten Monats vor der Entbindung am 21.05.1997) in einem Arbeitsverhältnis stand, nicht erfüllt. Es stellt jedoch keinen Wertungswiderspruch dar, dass Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 2 MuSchG, die mangels Mutterschaftsgeldbezug selbst keine gleichgestellten Zeiten sind, als Überbrückungstatbestand herangezogen werden. Denn die Überbrückungszeit erfüllt eine andere Funktion als eine gleichgestellte Zeit und ist daher mit anderen Maßstäben zu messen. Das Mutterschaftsgeld hat Lohnersatzfunktion, so dass es dem Gesetzgeber - auch zur Verhinderung von Manipulationen - gerechtfertigt erschien, gewisse Vorversicherungszeiten bzw. Beschäftigungszeiten zu verlangen (vgl. jetzt aber § 200 Abs. 1 RVO i.d.F. des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2000 - GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 - vom 22.12.1999, BGBl. I S. 2626). Die Lohnersatzfunktion war auch der Grund für die Gleichstellung der betreffenden Zeiten mit Beschäftigungszeiten in § 107 Satz 1 Nr. 5 b AFG (vgl. Steinmeyer, in Gagel, AFG, § 107 Rdnr. 8). Eine Überbrückungszeit dient dagegen selbst nicht der Erfüllung der Anwartschaft, sondern füllt lediglich Lücken innerhalb einer Kette von gleichgestellten Zeiten. Ihre Bedeutung besteht allein in der Aufrechterhaltung des Unterbrechungstatbestandes. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber diejenigen Frauen, die keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld erworben haben und die daher regelmäßig eine Lücke zwischen dem Ende ihrer Beschäftigung und dem Beginn der Erziehungsleistung aufweisen, auch von dem Gleichstellungstatbestand nach §107 Satz 1 Nr. 5 c AFG ausschließen wollte. In der Berücksichtigung von Überbrückungstatbeständen, die mit dem Gesetzeszweck des § 107 Satz 1 Nr. 5 c AFG in unmittelbaren Zusammenhang stehen, liegt im Übrigen auch noch keine erweiternde Auslegung oder gar analoge Anwendung des Gleichstellungstatbestandes (vgl. BSG SozR 3-4100 § 107 Nr. 10 S. 42).

Da vorliegend bereits aufgrund der Schutzfristen nach dem MuSchG ein Überbrückungstatbestand zu bejahen ist, muss hier nicht entschieden werden, ob die Betreuung und Erziehung eines Kindes über das dritte Lebensjahr hinaus (hier: des Sohnes der Klägerin, der zum fraglichen Zeitpunkt vier Jahre alt war) ebenfalls einen Überbrückungstatbestand darstellen kann (so SG Duisburg vom 16.06.1998 - S 14 AL 25/97). Ebenso kann offen bleiben, ob - entsprechend den im Rentenversicherungsrecht entwickelten Grundsätzen - Zeiten unter einem Monat grundsätzlich für den Unterbrechungstatbestand unschädlich sind.

Bei Berücksichtigung der gleichgestellten Zeit vom 21.05.1997 bis 31.12.1997 hat die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nach § 124 SGB III die erforderlichen zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Die Rahmenfrist umfasst hier den Zeitraum vom 01.01.1995 bis 20.02.2000. Eine in die Rahmenfrist nicht einzurechnende Zeit nach § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III ist hier lediglich die Zeit der Betreuung und Erziehung der am 21.05.1997 geborenen Tochter der Klägerin vom 01.01.1998 bis 20.02.2000, die zwei Jahre, zwei Monate und 20 Tage umfasst. Die Zeit vom 21.05.1997 bis 31.12.1997 kann dagegen als gleichgestellte Zeit nicht noch einmal zur Verlängerung der Rahmenfrist herangezogen werden (vgl. § 427 Abs. 2 SGB III).

Innerhalb der Rahmenfrist hat die Klägerin Versicherungspflichtzeiten vom 19.12.1996 bis 25.04.1997 (4 Monate und 7 Tage) und vom 25.01.2000 bis 18.02.2000 (25 Tage) sowie gleichgestellte Zeiten vom 21.05.1997 bis 31.12.1997 (7 Monate und 11 Tage). Damit hat sie die Anwartschaftszeit von zwölf Monaten nach § 123 Satz 1 Nr. 1 SGB III erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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