Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 2 R 82/05 Tr
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 B 129/05 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Säumniszuschläge, die in einem Gesamtbetrag zusammen mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen von einem kraft Gesetzes haftenden Geschäftsführer einer Vorgesellschaft als Schadensersatz gefordert werden, sind bei der Festsetzung des Werts der zu erhebenden Gebühren streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
2. Dies gilt erst recht, wenn sie andere Zeiträume betreffen.
2. Dies gilt erst recht, wenn sie andere Zeiträume betreffen.
Auf die Beschwerde des Klägers vom 15.7.2005 wird der Beschluss des Sozialgerichts Trier vom 29.6.2005 aufgehoben und der Streitwert auf 1.045.308,94 EUR festgesetzt.
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die Höhe des vom Sozialgericht (SG) Trier festgesetzten Streitwerts.
In der Zeit vom 7.6.2004 bis zum 9.8.2004 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28 p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Z -Bau GmbH H für den Prüfzeitraum 1.10.2000 bis 17.12.2001 durch. Mit den Bescheiden vom 3.9.2004 und 11.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.2.2005 nahm die Beklagte den Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH persönlich wegen Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Höhe von insgesamt 1.045.308,94 EUR in Anspruch. Er habe durch notariellen Vertrag vom 13.2.2001 alle Geschäftsanteile der GmbH erworben und hafte daher gemäß § 16 Abs 2 GmbH-Gesetz für die Vorgesellschaft. Die Forderung setze sich zusammen aus rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer der Gesellschaft vom 1.10.2000 bis zum 17.12.2001 in Höhe von 776.810,30 EUR und Säumniszuschlägen gemäß § 24 Abs 1 SGB IV für die Zeit bis einschließlich 31.5.2004 in Höhe von 268.498,66 EUR.
Mit der am 9.3.2005 zum SG Trier erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen seine Heranziehung als persönlicher Haftungsschuldner der Z -Bau GmbH gewendet. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, er habe keine Funktion in der GmbH ausgeübt und die Geschicke der GmbH nicht geleitet.
Mit am 23.5.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz gab die Beklagte ein Anerkenntnis ab und nahm die streitigen Bescheide zurück. Eine beim Handelsregister eingeholte Auskunft über die Eintragungen zur Z -Bau-GmbH habe ergeben, dass diese bereits zum 19.2.2004 erloschen sei. Der Kläger nahm das Anerkenntnis am 1.6.2005 an.
Mit Beschluss vom 2.6.2005 hat das SG Trier den Streitwert des Verfahrens auf 1.045.308,94 EUR festgesetzt.
Die Beklagte hat am 21.6.2005 Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt und geltend gemacht, dass in der Nachforderung Säumniszuschläge in Höhe von 268.498,66 EUR enthalten seien, die bei der Streitfestsetzung nicht berücksichtigt werden dürften.
Der Kläger hat dagegen die Auffassung vertreten, die Höhe des festgesetzten Streitwerts sei zutreffend. Die Säumniszuschläge seien im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht als Nebenforderung, sondern als Hauptforderung geltend gemacht worden.
Mit Beschluss vom 29.6.2005 hat das SG Trier der Beschwerde der Beklagten stattgegeben und den Streitwert auf 776,810,20 EUR festgesetzt. In § 43 Abs. 1 GKG n.F. sei geregelt, dass der Wert der Nebenforderung nicht zu berücksichtigen sei, wenn außer dem Hauptanspruch auch Zinsen oder Kosten als Nebenforderung geltend gemacht würden. Dabei werde nicht verkannt, dass Säumniszuschläge keine Zinsen im eigentlichen Wortsinne seien. Es handele sich in erster Linie um Druckmittel zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel. Gleichwohl sei § 43 Abs. 1 GKG n.F. auf Säumniszuschläge analog anzuwenden. Denn sie seien Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung und hätten damit Zinseffekt. Der Charakter der Säumniszuschläge als Nebenforderung werde nicht dadurch geändert, dass der Kläger nach dem GmbH-Gesetz für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft in Anspruch genommen worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die zum Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz erhobene Beschwerde des Klägers vom 15.7.2005.
Dieser trägt vor: Zwar wirkten Nebenforderungen grundsätzlich nicht streitwerterhöhend. Um solche Nebenforderungen handele es sich aber bei Früchten, Nutzungen, Zinsen, Kosten oder Säumniszuschlägen nicht, wenn diese als Hauptforderung geltend gemacht würden. Daher stellten Schäden, die selbstständig geltend gemacht würden, keine Nebenkosten dar. Die Begründung des SG, welches Säumniszuschläge als zinsähnliche Forderungen klassifiziere und eine Analogie bilde, stütze die Entscheidung nicht. Die Argumentation breche schließlich ab, wenn das SG ausführe, dass der Charakter der Säumniszuschläge sich nicht verändere, wenn er, der Kläger, nach dem GmbH-Gesetz für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft in Anspruch genommen werde. Die Qualifizierung einer Nebenforderung als Hauptforderung hänge davon ab, wie die Ansprüche geltend gemacht würden. Dabei sei die Anspruchsbegründung zu berücksichtigen. Die Beklagte habe im vorliegenden Fall den Gesamtbetrag nebst Säumniszuschlägen in einer Summe geltend gemacht und mitgeteilt, dass in der einheitlichen Hauptforderung Säumniszuschläge in dieser Höhe enthalten seien. Ausdrücklich sei daher nicht unabhängig voneinander die Hauptforderung zuzüglich der Säumniszuschläge in bestimmter, veränderlicher Höhe geltend gemacht oder die Berechnungsgrundlage offen gelegt worden. Dies zeige, dass es sich aus Sicht der Beklagten um eine einheitliche Forderung handele, die sich auch durch eine weitere Säumnis nicht erhöht hätte. Die Einheitlichkeit der Schadensersatzforderung werde weiter durch die Anspruchsbegründung verdeutlicht. Die Beklagte stütze den Zahlungsanspruch auf § 11 (nicht: § 16) GmbH-Gesetz und damit auf eine selbstständige Schadensersatznorm. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass die Hauptforderung zusammen mit den Säumniszuschlägen eine einheitliche Schadensposition darstelle.
Der Kläger und Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Trier vom 29.6.2005 aufzuheben und den Streitwert auf 1.045.308,94 EUR festzusetzen.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss für zutreffend und die Argumentation des Klägers nicht für überzeugend.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte verwiesen. Sie war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II
Die nach §§ 68 Abs 1, 63 Abs 2 GKG n.F. statthafte Beschwerde ist begründet.
Durch den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss hat das SG nach Erledigung des Rechtsstreits den Wert für die zu erhebenden Gebühren (Streitwert) nach § 63 Abs. 2 GKG auf 776.810,30 EUR festgesetzt.
Entgegen der Auffassung des SG sind jedoch im vorliegenden Fall die Säumniszuschläge bei der Ermittlung des Gegenstandswertes zu berücksichtigen, so dass sich ein Streitwert von insgesamt 1.045.308,94 EUR errechnet.
Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach der durch die Artikel 1, 8 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I, 718 ff) geänderten Fassung des Gerichtskostengesetzes (GKG n.F.), weil das Beschwerdeverfahren nach dem 1.7.2004, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung, anhängig geworden ist (vgl. auch die Übergangsvorschrift des § 72 Nr 1 GKG n.F.).
Gemäß § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 1 Satz 1 Nr. 4 GKG n.F. und § 3 Abs 1 Nr. 2 RVG werden die Kosten für das Verfahren und die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach den Vorschriften des GKG erhoben, wenn wie im vorliegenden Fall in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.
Gemäß § 43 Abs. 1 GKG n.F. wird bei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt, wenn außer dem Hauptanspruch noch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen sind. Andere Forderungen sind folglich dem Streitwert zuzurechnen (Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage 2005, Rn 3 zu § 43 GKG n.F.).
Bei den Säumniszuschlägen handelt es sich dem Wortsinn nach unmittelbar weder um Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten. Die Frage, ob eine Forderung ungeachtet dessen als Nebenforderung anzusehen ist, hängt nach der zu § 4 ZPO entwickelten Rechtsprechung und Kommentarliteratur davon ab, wie der Anspruch geltend gemacht und begründet wird (OLG München, Beschluss vom 16.11.1993- 5 W 2314/93 in NJW-RR 1994, 1484, 1485; Hartmann, aaO, § 4 Zivilprozessordnung, ZPO, Rn 9). Diese Differenzierung kommt in der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs 1 ZPO zum Ausdruck, wonach Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten nur berücksichtigt werden, wenn sie "als Nebenforderungen geltend gemacht werden". Auch § 18 Abs 2 Satz 2 Kostenordnung (KostO) sieht vor, dass Nebenforderungen streitwerterhöhend wirken, wenn sie "Gegenstand eines besonderen Geschäfts" sind. Der 9. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hat die KostO auf ein sozialgerichtliches Verfahren angewendet und in seinem Beschluss vom 21.11.1998- L 9 S 38/88 (Breithaupt, 1989, Seite 174 ff) zu § 18 KostO entschieden, dass Säumniszuschläge bei der Berechung des Gegenstandswertes als "Gegenstand eines besonderen Geschäfts" im Sinne des § 18 Abs 2 Satz 2 KostO zu berücksichtigen seien, weil es zu ihrer Erhebung einer gesonderten Ermessensentscheidung bedürfe.
Wird ein Schaden geltend gemacht, so ist dieser regelmäßig nicht als Nebenforderung anzusehen, sondern vielmehr der Hauptforderung zuzurechnen (h.M., OLG München, aaO, mwN; Hartmann, aaO, § 43 GKG n.F. Rn 3).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die geltend gemachten Forderungen (Gesamtsozialversicherungsbeträge und Säumniszuschläge) zum einen als Gesamtbetrag, d.h. in einer Summe, geltend gemacht. Sie hat beide Positionen nämlich nicht unabhängig voneinander aufgeführt. Dies zeigt, dass es sich aus deren Sicht um eine einheitliche Forderung handelt, die nicht in eine Haupt- und eine Nebenforderung aufzuteilen ist.
Die Einheitlichkeit der Forderung wird zum anderen durch die Anspruchsbegründung verdeutlicht. Denn die Beklagte stützte den Zahlungsanspruch auf § 11 Abs. 2 (nicht § 16) GmbH-Gesetz. In dieser Vorschrift ist die persönliche Haftung des im Namen einer Gesellschaft Handelnden vor deren Eintragung geregelt. Bei der Inanspruchnahme eines Vorgesellschafters für einen eingetretenen Schaden handelt es sich wegen der Art des Anspruchs um die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs, so dass auch aus diesem weiteren Grund eine Aufteilung ausgeschlossen ist.
Schließlich betreffen die geltend gemachten Säumniszuschläge zum Teil andere Zeiträume als die geltend gemachten rückständigen Gesamtsozialversicherungs-beiträge. Nebenforderungen können jedoch nur zum Gegenstand der Hauptsache in materiellrechtlicher Abhängigkeit stehende Forderungen sein, die durch einen unselbständigen Charakter gekennzeichnet sind (Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Auflage 2005, § 4 ZPO, Rn 7).
Nach alledem sind die Säumniszuschläge streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
Das Verfahren ist nach § 68 Abs 3 Satz 1 GKG n.F. gebührenfrei.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I
Der Kläger wendet sich gegen die Höhe des vom Sozialgericht (SG) Trier festgesetzten Streitwerts.
In der Zeit vom 7.6.2004 bis zum 9.8.2004 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28 p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Z -Bau GmbH H für den Prüfzeitraum 1.10.2000 bis 17.12.2001 durch. Mit den Bescheiden vom 3.9.2004 und 11.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.2.2005 nahm die Beklagte den Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH persönlich wegen Verbindlichkeiten der Gesellschaft in Höhe von insgesamt 1.045.308,94 EUR in Anspruch. Er habe durch notariellen Vertrag vom 13.2.2001 alle Geschäftsanteile der GmbH erworben und hafte daher gemäß § 16 Abs 2 GmbH-Gesetz für die Vorgesellschaft. Die Forderung setze sich zusammen aus rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer der Gesellschaft vom 1.10.2000 bis zum 17.12.2001 in Höhe von 776.810,30 EUR und Säumniszuschlägen gemäß § 24 Abs 1 SGB IV für die Zeit bis einschließlich 31.5.2004 in Höhe von 268.498,66 EUR.
Mit der am 9.3.2005 zum SG Trier erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen seine Heranziehung als persönlicher Haftungsschuldner der Z -Bau GmbH gewendet. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, er habe keine Funktion in der GmbH ausgeübt und die Geschicke der GmbH nicht geleitet.
Mit am 23.5.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz gab die Beklagte ein Anerkenntnis ab und nahm die streitigen Bescheide zurück. Eine beim Handelsregister eingeholte Auskunft über die Eintragungen zur Z -Bau-GmbH habe ergeben, dass diese bereits zum 19.2.2004 erloschen sei. Der Kläger nahm das Anerkenntnis am 1.6.2005 an.
Mit Beschluss vom 2.6.2005 hat das SG Trier den Streitwert des Verfahrens auf 1.045.308,94 EUR festgesetzt.
Die Beklagte hat am 21.6.2005 Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt und geltend gemacht, dass in der Nachforderung Säumniszuschläge in Höhe von 268.498,66 EUR enthalten seien, die bei der Streitfestsetzung nicht berücksichtigt werden dürften.
Der Kläger hat dagegen die Auffassung vertreten, die Höhe des festgesetzten Streitwerts sei zutreffend. Die Säumniszuschläge seien im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht als Nebenforderung, sondern als Hauptforderung geltend gemacht worden.
Mit Beschluss vom 29.6.2005 hat das SG Trier der Beschwerde der Beklagten stattgegeben und den Streitwert auf 776,810,20 EUR festgesetzt. In § 43 Abs. 1 GKG n.F. sei geregelt, dass der Wert der Nebenforderung nicht zu berücksichtigen sei, wenn außer dem Hauptanspruch auch Zinsen oder Kosten als Nebenforderung geltend gemacht würden. Dabei werde nicht verkannt, dass Säumniszuschläge keine Zinsen im eigentlichen Wortsinne seien. Es handele sich in erster Linie um Druckmittel zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel. Gleichwohl sei § 43 Abs. 1 GKG n.F. auf Säumniszuschläge analog anzuwenden. Denn sie seien Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung und hätten damit Zinseffekt. Der Charakter der Säumniszuschläge als Nebenforderung werde nicht dadurch geändert, dass der Kläger nach dem GmbH-Gesetz für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft in Anspruch genommen worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die zum Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz erhobene Beschwerde des Klägers vom 15.7.2005.
Dieser trägt vor: Zwar wirkten Nebenforderungen grundsätzlich nicht streitwerterhöhend. Um solche Nebenforderungen handele es sich aber bei Früchten, Nutzungen, Zinsen, Kosten oder Säumniszuschlägen nicht, wenn diese als Hauptforderung geltend gemacht würden. Daher stellten Schäden, die selbstständig geltend gemacht würden, keine Nebenkosten dar. Die Begründung des SG, welches Säumniszuschläge als zinsähnliche Forderungen klassifiziere und eine Analogie bilde, stütze die Entscheidung nicht. Die Argumentation breche schließlich ab, wenn das SG ausführe, dass der Charakter der Säumniszuschläge sich nicht verändere, wenn er, der Kläger, nach dem GmbH-Gesetz für die Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft in Anspruch genommen werde. Die Qualifizierung einer Nebenforderung als Hauptforderung hänge davon ab, wie die Ansprüche geltend gemacht würden. Dabei sei die Anspruchsbegründung zu berücksichtigen. Die Beklagte habe im vorliegenden Fall den Gesamtbetrag nebst Säumniszuschlägen in einer Summe geltend gemacht und mitgeteilt, dass in der einheitlichen Hauptforderung Säumniszuschläge in dieser Höhe enthalten seien. Ausdrücklich sei daher nicht unabhängig voneinander die Hauptforderung zuzüglich der Säumniszuschläge in bestimmter, veränderlicher Höhe geltend gemacht oder die Berechnungsgrundlage offen gelegt worden. Dies zeige, dass es sich aus Sicht der Beklagten um eine einheitliche Forderung handele, die sich auch durch eine weitere Säumnis nicht erhöht hätte. Die Einheitlichkeit der Schadensersatzforderung werde weiter durch die Anspruchsbegründung verdeutlicht. Die Beklagte stütze den Zahlungsanspruch auf § 11 (nicht: § 16) GmbH-Gesetz und damit auf eine selbstständige Schadensersatznorm. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass die Hauptforderung zusammen mit den Säumniszuschlägen eine einheitliche Schadensposition darstelle.
Der Kläger und Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Trier vom 29.6.2005 aufzuheben und den Streitwert auf 1.045.308,94 EUR festzusetzen.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss für zutreffend und die Argumentation des Klägers nicht für überzeugend.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakte verwiesen. Sie war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II
Die nach §§ 68 Abs 1, 63 Abs 2 GKG n.F. statthafte Beschwerde ist begründet.
Durch den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss hat das SG nach Erledigung des Rechtsstreits den Wert für die zu erhebenden Gebühren (Streitwert) nach § 63 Abs. 2 GKG auf 776.810,30 EUR festgesetzt.
Entgegen der Auffassung des SG sind jedoch im vorliegenden Fall die Säumniszuschläge bei der Ermittlung des Gegenstandswertes zu berücksichtigen, so dass sich ein Streitwert von insgesamt 1.045.308,94 EUR errechnet.
Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach der durch die Artikel 1, 8 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I, 718 ff) geänderten Fassung des Gerichtskostengesetzes (GKG n.F.), weil das Beschwerdeverfahren nach dem 1.7.2004, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung, anhängig geworden ist (vgl. auch die Übergangsvorschrift des § 72 Nr 1 GKG n.F.).
Gemäß § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m § 1 Satz 1 Nr. 4 GKG n.F. und § 3 Abs 1 Nr. 2 RVG werden die Kosten für das Verfahren und die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nach den Vorschriften des GKG erhoben, wenn wie im vorliegenden Fall in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört.
Gemäß § 43 Abs. 1 GKG n.F. wird bei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt, wenn außer dem Hauptanspruch noch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen sind. Andere Forderungen sind folglich dem Streitwert zuzurechnen (Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage 2005, Rn 3 zu § 43 GKG n.F.).
Bei den Säumniszuschlägen handelt es sich dem Wortsinn nach unmittelbar weder um Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten. Die Frage, ob eine Forderung ungeachtet dessen als Nebenforderung anzusehen ist, hängt nach der zu § 4 ZPO entwickelten Rechtsprechung und Kommentarliteratur davon ab, wie der Anspruch geltend gemacht und begründet wird (OLG München, Beschluss vom 16.11.1993- 5 W 2314/93 in NJW-RR 1994, 1484, 1485; Hartmann, aaO, § 4 Zivilprozessordnung, ZPO, Rn 9). Diese Differenzierung kommt in der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs 1 ZPO zum Ausdruck, wonach Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten nur berücksichtigt werden, wenn sie "als Nebenforderungen geltend gemacht werden". Auch § 18 Abs 2 Satz 2 Kostenordnung (KostO) sieht vor, dass Nebenforderungen streitwerterhöhend wirken, wenn sie "Gegenstand eines besonderen Geschäfts" sind. Der 9. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hat die KostO auf ein sozialgerichtliches Verfahren angewendet und in seinem Beschluss vom 21.11.1998- L 9 S 38/88 (Breithaupt, 1989, Seite 174 ff) zu § 18 KostO entschieden, dass Säumniszuschläge bei der Berechung des Gegenstandswertes als "Gegenstand eines besonderen Geschäfts" im Sinne des § 18 Abs 2 Satz 2 KostO zu berücksichtigen seien, weil es zu ihrer Erhebung einer gesonderten Ermessensentscheidung bedürfe.
Wird ein Schaden geltend gemacht, so ist dieser regelmäßig nicht als Nebenforderung anzusehen, sondern vielmehr der Hauptforderung zuzurechnen (h.M., OLG München, aaO, mwN; Hartmann, aaO, § 43 GKG n.F. Rn 3).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die geltend gemachten Forderungen (Gesamtsozialversicherungsbeträge und Säumniszuschläge) zum einen als Gesamtbetrag, d.h. in einer Summe, geltend gemacht. Sie hat beide Positionen nämlich nicht unabhängig voneinander aufgeführt. Dies zeigt, dass es sich aus deren Sicht um eine einheitliche Forderung handelt, die nicht in eine Haupt- und eine Nebenforderung aufzuteilen ist.
Die Einheitlichkeit der Forderung wird zum anderen durch die Anspruchsbegründung verdeutlicht. Denn die Beklagte stützte den Zahlungsanspruch auf § 11 Abs. 2 (nicht § 16) GmbH-Gesetz. In dieser Vorschrift ist die persönliche Haftung des im Namen einer Gesellschaft Handelnden vor deren Eintragung geregelt. Bei der Inanspruchnahme eines Vorgesellschafters für einen eingetretenen Schaden handelt es sich wegen der Art des Anspruchs um die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs, so dass auch aus diesem weiteren Grund eine Aufteilung ausgeschlossen ist.
Schließlich betreffen die geltend gemachten Säumniszuschläge zum Teil andere Zeiträume als die geltend gemachten rückständigen Gesamtsozialversicherungs-beiträge. Nebenforderungen können jedoch nur zum Gegenstand der Hauptsache in materiellrechtlicher Abhängigkeit stehende Forderungen sein, die durch einen unselbständigen Charakter gekennzeichnet sind (Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Auflage 2005, § 4 ZPO, Rn 7).
Nach alledem sind die Säumniszuschläge streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
Das Verfahren ist nach § 68 Abs 3 Satz 1 GKG n.F. gebührenfrei.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
RPF
Saved