L 2 U 39/04

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 6 U 249/01 Mz
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 U 39/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die in Anwendung des Gefahrtarifs 2001 der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft durchgeführte Veranlagung eines Unternehmens der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung steht mit höherrangigem Recht im Einklang.
2. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft im Geltungszeitraum des Gefahrtarifs 2001 ein reines Zuschlagsverfahren gemäß § 162 Abs 1 SGB VII beschlossen hat.
3. Das Fehlen eines Prämiensystems gemäß § 162 Abs 2 SGB VII im Gefahrtarif 2001 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 20.4.2002 insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beitragsbescheide vom 24.4.2002 und 23.4.2003 als unzulässig abgewiesen wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Veranlagung des Klägers nach dem ab dem 1.1.2001 geltenden Gefahrtarif der Beklagten und über die Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide für die Jahre 2001 und 2002.

Der Kläger betreibt ein Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung und ist Mitglied der Beklagten.

Er wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 27.6.2001 nach dem ab dem 1.1.2001 geltenden und vom Bundesversicherungsamt genehmigten Gefahrtarif zu der Gefahrtarifstelle 52 (Arbeitnehmerüberlassung, kaufmännisch, verwaltend) mit der Gefahrklasse 0,56 und zu der Gefahrklasse 53 (Arbeitnehmerüberlassung, gewerblich) mit der Gefahrklasse 10,66 veranlagt.

Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Gefahrklassen seien falsch berechnet worden. Im Beobachtungszeitraum 1997 bis 1999 sei versäumt worden, den Unternehmen Listen der Berufsgruppen zugänglich zu machen. Dadurch habe sich eine falsche Zuordnung der Beschäftigten ergeben. Dieser bereits beim Gefahrtarif 1998 aufgetretene Fehler mache auch den Gefahrtarif 2001 rechtswidrig. Außerdem sei im Gefahrtarif 2001 anders als noch im Gefahrtarif 1998 eine Herabsetzung bei abweichender Betriebsweise nicht mehr vorgesehen, obwohl dies einem erheblichen Teil der Zeitarbeitsunternehmen zugestanden worden sei. Die Beklagte habe schließlich von der durch § 162 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) eingeräumten Möglichkeit eines Prämiensystems keinen Gebrauch mehr gemacht.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2001 als unbegründet zurück. Der Einwand, man habe es im Beobachtungszeitraum 1997 bis 1999 versäumt, den Unternehmen die Liste der Berufsgruppen zugänglich zu machen, weswegen es zu einer fehlerhaften Lohnsummenzuordnung durch die Unternehmen gekommen sei, könne nicht nachvollzogen werden. Die Abgrenzung der beiden Gefahrtarifstellen 52 und 53 sei bereits im Wortlaut klar und eindeutig erfolgt. Insoweit stelle der Abgrenzungskatalog, der den Unternehmen auf Anforderung bereits seit 1998 zur Verfügung gestellt worden sei, nur eine Arbeitserleichterung dar. Bei dem ab dem Jahr 2001 auch im Internet veröffentlichten Abgrenzungskatalog habe es sich lediglich um eine aktualisierte Fassung des alten Katalogs gehandelt. Die Tatsache, dass der 2001 geltende Gefahrtarif keine Möglichkeit der Herabsetzung der Gefahrklassen mehr vorsehe, spiele bei der Veranlagung des Unternehmens und der Festsetzung der Gefahrklassen keine Rolle. Bereits in den Jahren 1998 bis 2000 habe diese Regelung keine praktische Bedeutung mehr besessen, weil eine von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise mit daraus begründeter erheblich niedrigerer Unfallgefährdung bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht mehr habe festgestellt werden können. Die angesprochene Möglichkeit der Einführung eines Prämiensystems nach § 162 Abs. 2 SGB VII sei eine rein beitragsrechtliche Angelegenheit und stehe in keinem Zusammenhang mit der angegriffenen Veranlagung des Unternehmens zu den Gefahrklassen des Gefahrtarifs.

Hiergegen hat der Kläger am 28.11.2001 beim Sozialgericht (SG) Mainz Klage erhoben.

Er hat vorgetragen, der Gefahrtarif 2001 leide an den gleichen Mängeln wie der Gefahrtarif 1998. So seien die Gefahrtarifstellen für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung später anders definiert gewesen als im Beobachtungszeitraum vor 1994. Es sei nicht ermittelt worden, welche Lohnsummen nach den geänderten Kriterien den beiden neuen Gefahrtarifstellen zuzuordnen seien. Zudem würden in der Gefahrtarifstelle 53 die Beschäftigten der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, die nicht ausschließlich kaufmännisch oder verwaltend tätig seien, nur zu einer Gefahrklasse zusammengefasst. Wie das Sozialgericht Koblenz in seinem Urteil vom 2.7.1998-S 2 U 42/96 zutreffend ausgeführt habe, sei dies grob unbillig und verstoße gegen die tragenden Grundsätze der gesetzlichen Unfallversicherung. Außerdem sei die Beklagte für Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen nicht zuständig. Wegen des unterschiedlichen Tätigkeitsbereichs dieser Unternehmen seien sie unterschiedlichen Berufsgenossenschaften zuzuordnen. Weiterhin verstoße der Gefahrtarif gegen Verfassungsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Schließlich sei § 157 SGB VII verfassungswidrig. Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes sei nicht gewahrt. Er verweise hierzu auf ein im Auftrag der Interessengemeinschaft deutscher Zeitarbeitsunternehmen erstattetes Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. S B (veröffentlicht in NZS 1999, 68).

Während des laufenden Klageverfahrens hat die Beklagte den Kläger entsprechend der Veranlagung mit Beitragsbescheiden für das Jahr 2001 vom 24.4.2002 und für das Jahr 2002 vom 23.4.2003 zur Beitragszahlung herangezogen.
Mit Urteil vom 20.1.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angegriffenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid der Beklagten sei § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII, nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif gemäß § 157 SGB VII zu Gefahrklassen veranlage. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung seien die §§ 150 ff SGB VII iVm der Satzung der Beklagten. Danach würden die Mittel für die Ausgaben der Berufsgenossenschaften durch Beiträge der Unternehmen aufgebracht und nach dem tatsächlichen Finanzbedarf der Berufsgenossenschaft (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten sowie den Gefahrklassen berechnet und nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres festgesetzt. Die seitens des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit des vorliegend streitigen Gefahrtarifs erhobenen Bedenken teile die Kammer nicht. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 24.06.2003 B 2 U 21/02 R entschieden, dass die Gliederung des Gefahrtarifs 1998 der für Zeitarbeitsunternehmen zuständigen Beklagten mit den Gefahrtarifstellen 48 und 49 für die Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung und die Berechnung der Gefahrklasse 49 mit 10,66 rechtlich nicht zu beanstanden und § 157 SGB VII mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Dieser Rechtsprechung schließe sich die Kammer an. Die vom BSG dargelegten Erwägungen seien auf den vorliegend umstrittenen Gefahrtarif 2001 entsprechend anwendbar. Soweit der Kläger die fehlerhafte Erhebung des der Berechnung der Gefahrklassen zu Grunde liegenden Zahlenmaterials rüge, so seien die Abweichungen nach Ansicht der Kammer nicht unverhältnismäßig, so dass sie nicht zur Rechtswidrigkeit des Gefahrtarifs führten. Es werde hierzu auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 20.09.2002 - L 3 U 291/99 verwiesen. Die nunmehr in Gefahrtarif 2001 nicht mehr gegebene Herabsetzungsmöglichkeit führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Gefahrtarifs. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ein Beitragsnachlassverfahren in ihrer Satzung aufzunehmen. Gemäß § 162 Abs. 1 SGB VII hätten die gewerblichen Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen, wobei die Satzung das Nähere regele (§ 162 Abs 1 Satz 3 SGB VII). Ein Zuschlags- bzw. Nachlassverfahren als solches sei mithin zwingend vorgeschrieben. Bei seiner näheren Ausgestaltung hätten die Berufsgenossenschaften im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben einen weiten Ermessensspielraum (BSG-Urteil vom 6.5.2003, B 2 U 7/02 R mwN). Grund für die Übertragung auf die Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften sei deren besondere Sachkunde und Sachnähe. Ob das beschlossene Verfahren die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung sei, sei von den Gerichten nicht zu entscheiden (BSG, aaO). Der Gesetzeswortlaut ermögliche sowohl reine Nachlass- oder Zuschlagsverfahren als auch kombinierte Nachlass- und Zuschlagsverfahren. Die Beklagte habe sich im Rahmen ihres Gefahrtarif 2001 in nicht zu beanstandender Weise für ein reines Zuschlagsverfahren entschieden. Die Rechtswidrigkeit des Gefahrtarifs 2001 resultiere auch nicht daraus, dass darin kein Prämiensystem gemäß § 162 Abs 2 SGB VII vorgesehen sei. Hinsichtlich der Durchführung eines Prämiensystems bestünde nach dem Wortlaut der Vorschrift im Unterschied zum Beitragsausgleichsverfahren nach § 162 Abs 1 SGB VII keine Verpflichtung zu einer satzungsmäßigen Regelung. Die auf der Grundlage der Veranlagung ergangenen verfahrensgegenständlichen Beitragsbescheide seien ebenfalls rechtmäßig. Die Beklagte habe die Beiträge unter Beachtung der Grundsätze des § 167 Abs 1 SGB VII zutreffend berechnet. Es liege insbesondere kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz, GG) vor (LSG Rheinland-Pfalz, aaO). Gegen die Rechtmäßigkeit der Beitragsberechnung als solche habe der Kläger keine Einwendungen erhoben.

Gegen dieses ihm am 6.2.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 10.2.2004 beim LSG Rheinland-Pfalz eingereichte Berufung des Klägers.

Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Die Rechtswidrigkeit des Veranlagungsbescheides ergebe sich aus Rechtsmängeln des Gefahrtarifs 1998. Hierzu verweise er nochmals auf das Gutachten von Prof. Dr. S. Der bis 1994 gültige Gefahrtarif habe danach differenziert, ob die Beschäftigten bei der BfA oder bei der LVA versichert gewesen seien. Der ab 1995 gültige Tarif differenziere dagegen nach Unternehmensteilen und Tätigkeiten. Die Beklagte habe vor der Berechnung der Belastungsziffern zu den hier in Rede stehenden beiden Gefahrtarifstellen nicht ermittelt, welche der im Beobachtungszeitraum 1994 bis 1898 gemeldeten Lohnsummen nach den neu konzipierten Anknüpfungskriterien den beiden neuen Gefahrtarifstellen zuzuordnen seien. Das von ihr erhobene Datenmaterial habe sie nicht vorgelegt. Eine von der Beklagten im Jahr 1997 durchgeführte Fragebogenaktion habe kein statistisch verwertbares Ergebnis erbracht, was eine vom Sozialgericht Duisburg am 28.6.2000 im Verfahren S 6 U 255/99 durchgeführte Beweisaufnahme gezeigt habe. Die Vernehmung der Abteilungsleiterin G -S und des für die Statistik zuständigen Mitarbeiters D als Zeugen habe ergeben, dass die Beklagte es versäumt habe, den Unternehmen den von ihr bei der Aufstellung der Gefahrtarife ab 1994 verwandten Tätigkeitsschlüssel bekannt zu geben. Den meisten Unternehmen sei deshalb nicht bekannt gewesen, dass Berufe wie Telefonistinnen in Call-Centern, EDV-Fachleute, Programmierer, technische Angestellte und Angehörige von Heilberufen nicht der kaufmännischen, sondern der gewerblichen Gefahrklasse hätten zugeordnet werden müssen. Im Übrigen sei das Ergebnis der Fragebogenaktion auch deshalb nicht verwertbar, weil die weit überwiegende Zahl der Unternehmen den Fragebogen nicht ausgefüllt hätten und weil die Beklagte nur einen Teil der Antworten ausgewertet habe. Bezogen auf die gesamte Zeitarbeitsbranche machten die erwähnten Berufsgruppen, in denen überdurchschnittlich gut verdient werde, einen Anteil von mindestens 15 Prozent aus. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass Lohnsummen von mindestens 20 Prozent falsch zugeordnet worden seien, was zu einer zu hohen Belastung der Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung geführt habe. Die Zuordnung der Unfallaufwendungen sei schließlich nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Zeugin G -S habe ausgesagt, dass die Mitarbeiter nicht speziell darauf hingewiesen worden seien, dass die Zuordnung der Unfallaufwendungen anders zu erfolgen habe als bisher. Die Zeugin habe von einer neuen, schriftlichen Anweisung gesprochen, die jedoch von der Beklagten nicht vorgelegt worden sei. Die Beklagte habe es versäumt, die maßgeblichen Umstände für die Berechnung der Gefahrklasse der Vertreterversammlung offen zu legen. Wie die Zeugin G -S eingeräumt habe, seien Informationen des Rechnungsprüfungsdienstes aus Prüfaktionen in die Berechnung der Gefahrklassen nicht eingeflossen. Auch deshalb sei der Gefahrtarif nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Ein weiterer Rechtsfehler des Gefahrtarifs 1998 liege darin, dass in der Gefahrtarifstelle 49 die Beschäftigten, die nicht ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichteten, in einer einzigen Gefahrtarifstelle zusammengefasst würden. Dies sei grob unbillig und verstoße gegen die tragenden Grundsätze der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte sei für die Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung außerdem nicht zuständig. Schließlich verstoße der Gefahrtarif gegen § 157 SGB VII, weil nicht ausreichend bestimmt sei, unter welchen Kriterien die Gefahrklassen geschaffen werden müssten. Dies verletze den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Schließlich stehe die Verteilung der DDR-Altlasten nach Gefahrklassen mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 GG nicht in Einklang. Die gegenteilige Auffassung des BSG werde einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 20.1.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.6.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2001 und die Bescheide vom 24.4.2002 und 23.4.2003 aufzuheben,

hilfsweise,
Beweis zu erheben über die im Schriftsatz vom 25.4.2004 unter III und im Schriftsatz vom 9.8.2005 gestellten Anträge,

weiter hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das erstinstanzliche Urteil und erwidert, in dem am 24.2.2004 vom BSG entschiedenen Verfahren mit dem Aktenzeichen B 2 U 31/03 R habe der dort ebenfalls beteiligte Prozessbevollmächtigte des Klägers die gleichen Argumente vorgebracht wie in diesem Verfahren. Der Senat habe sich mit den vorgebrachten Argumenten, auch mit der Verteilung der DDR-Altlasten und der mit dem DFB getroffenen Vereinbarung zu Gunsten des Profi-Fußballs, auseinandergesetzt und die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 ff,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens ist lediglich der Veranlagungsbescheid vom 27.6.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2001.

Eine Einbeziehung der während des Klageverfahrens erlassenen weiteren Beitragsbescheide für die Jahre 2001 und 2002 vom 24.4.2002 und vom 23.4.2003 hat nicht zu erfolgen. Eine unmittelbare Anwendung des § 96 SGG scheidet bereits deshalb aus, weil diese Bescheide die vorangegangenen Bescheide nicht ändern oder ersetzen. Denn an einer solchen abändernden oder ersetzenden Funktion fehlt es, wenn der Folgebescheid, bei dem dasselbe Rechtsproblem auftreten mag, einen nicht erfassten späteren Zeitraum betrifft Auch eine analoge oder entsprechende Anwendung des § 96 SGG ist nicht aus Gründen der Prozessökonomie geboten. Der für Entscheidungen zum Gefahrtarif zuständige 2. Senat des BSG befasste sich in den neueren Urteilen vom 24.2.2004-B 2 U 3/03 R, B 2 U 4/03 R und B 2 U 31/03 R mit der Frage der Einbeziehung von Folgebescheiden bei einer Fallkonstellation, bei der nur der Veranlagungsbescheid angefochten und sämtliche Beitragsbescheide während des Klageverfahrens erlassen wurden. Er hat sich in diesen Entscheidungen für eine restriktive Handhabung der Einbeziehung von Folgebescheiden für spätere Zeiträume ausgesprochen. Auch der für Krankenversicherungsrecht zuständige 3. Senat des BSG hat im Urteil vom 21.11.2002-B 3 KR 13/02 R mwN seine in der Vergangenheit vertretene gegenteilige Auffassung mit der Begründung aufgegeben, sie habe sich nicht bewährt und schaffe Rechtsunsicherheit (zum Künstlersozialversicherungsrecht ebenso BSG-SozR 3-5425 § 24 Nr. 17). Der Senat schließt sich aus eigener Überzeugung der neueren restriktiven Betrachtungsweise an und sieht die Beitragsbescheide für die Jahre 2001 und 2002 nicht als streitgegenständlich an.

Der Veranlagungsbescheid vom 27.6.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2001 ist rechtmäßig.

Dessen Rechtmäßigkeit scheitert nicht an der fehlenden Zuständigkeit der Beklagten. Aufgrund des bindend gewordenen Bescheides über die Aufnahme der Klägerin in das Unternehmerverzeichnis (Mitgliedscheins) ist die Beklagte als zuständiger Unfallversicherungsträger anzusehen. Dieser Bescheid bleibt dem Kläger gegenüber mangels Anfechtung wirksam.

Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII, nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt.

Der Gefahrtarif (§§ 157 ff Siebtes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VII) ist neben der Lohnsumme (§§ 153 ff SGB VII) einer der beiden Faktoren, nach denen sich die Höhe der von den Mitgliedern der Beklagten zu entrichtenden Beiträge richtet (§§ 157,162 SGB VII). Der Gefahrtarif wird nach Gefahrtarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Nach Absatz 3 der Vorschrift werden die Gefahrklassen aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet.

Als von der Vertreterversammlung des Unfallversicherungsträgers (§ 33 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV) autonom gesetztes objektives Recht ist der Gefahrtarif nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar, nämlich dahingehend, ob er mit dem Gesetz, d.h. den Vorschriften des SGB VII und sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. Als gesetzliche Vorgaben sind insbesondere die in den §§153, 157, 162 SGB VII zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen und Wertentscheidungen des Gesetzgebers sowie die tragenden Grundsätze des Unfallversicherungsrechts zu beachten (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 18.10.1994 2 RU 6/94 in SGb 1995, 253 ff, mwN).

Mit den im vorliegenden Verfahren relevanten Fragen der Aufstellung und Struktur des Gefahrtarifes der Beklagten in Bezug auf die Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung hat sich das BSG in zahlreichen neueren Entscheidungen befasst (BSG-Urteil vom 24.6.2003 B 2 U 21/02 R, Urteile vom 24.2.2004 B 2 U 3/03 R, B 2 U 4/03 R und B 2 U 31/03 R, Urteile vom 22.6.2004 B 2 U 2/03 R, B 2 U 39/03 R).

Die genannten Entscheidungen des BSG, denen sich der Senat aus eigener Überzeugung anschließt, sind den Beteiligten bekannt, weshalb auf deren inhaltliche Wiedergabe verzichtet wird.

Auf die vom Kläger im vorliegendem Rechtstreit vorgebrachten Argumente ist das BSG in jenen Entscheidungen weitgehend eingegangen. Die zum Gefahrtarif 1998 angestellten Erwägungen sind ohne weiteres auf den Gefahrtarif 2001 übertragbar.

So hat das BSG in der Entscheidung vom 24.6.2003, an der es in seinen weiteren Entscheidungen vom 24.2.2004 und 22.6.2004 ausdrücklich festgehalten hat, eingehend begründet, weshalb der Gefahrtarif 1998 der Beklagten hinsichtlich der zwischen den Beteiligten umstrittenen Gefahrtarifstellen 48 und 49 für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung rechtlich nicht zu beanstanden ist. Es hat insbesondere ausgeführt, dass eine weitergehende Differenzierung bei der Aufteilung der Arbeitnehmer der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung innerhalb der Gefahrtarifstelle 49 in mehr als zwei Gefahrtarifstellen nicht geboten ist. Weder aus der Größe einer Gefahrtarifstelle, die hier nur einen Gewerbezweig umfasst, noch aus den unterschiedlichen Tätigkeiten und Gefährdungsrisiken innerhalb dieses Gewerbezweigs folgt ein Zwang, eine weitere Unterteilung vorzunehmen. Im Übrigen ist der Beklagten ein weitgehender Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte (vgl. dazu auch das Urteil des BSG vom 18.10.1994, aaO, mwN).

Des Weiteren hat das BSG die Rügen des Klägers, die Berechnung der Gefahrklassen sei nicht nachvollziehbar und es sei unzutreffendes Zahlenmaterial zugrunde gelegt worden, als nicht durchgreifend bewertet. Die Berechnung der Gefahrklassen aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten im Sinne des § 157 SGB VII ist –so das BSG kein reiner Rechenakt, sondern es handelt sich um einen Zusammenschluss rechnerischer und wertender bzw. zu gewichtender Faktoren. Das Zahlenwerk muss nicht nachrechenbar, wohl aber nachvollziehbar sein. Auf Grund der eingeschränkten Überprüfungsbefugnis der Gerichte bei Gefahrtarifen kann nicht jeder Fehler bei der Aufteilung der Lohnsummen oder Unfalllasten Beachtung finden. Ungenauigkeiten bei der Zuordnung der Lohnsummen müssen in Kauf genommen werden. Das Zahlenmaterial als solches muss allerdings gesichert sein (vgl. bereits BSG, Urteil vom 18. Oktober 1994, aaO).

Den in diesem Zusammenhang im Schriftsatz vom 25.2.2004 unter III und im Schriftsatz vom 9.8.2004 gestellten Beweisanträgen des Klägers war seitens des Senats nicht nachzugehen. Zur Begründung wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Senats in dem Urteil vom gleichen Tag mit dem Aktenzeichen L 2 U 39/04 mit den gleichen Beteiligten verwiesen.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 157 SGB VII, die in dem erwähnten Rechtsgutachten von P /M geäußert worden sind, haben das BSG ebenfalls nicht überzeugt. Die grundsätzliche Sachkompetenz der Unfallversicherungsträger zur Aufstellung der Gefahrtarife wird –so das BSG nur von diesen Autoren in Frage gestellt. Das Bundesverfassungsgericht geht ausdrücklich hiervon aus (BVerfG-Beschluss vom 4.3.1982-1 BvR 4/82 ).

Zum Vortrag des Klägers, die Beiträge seien nicht zutreffend berechnet worden, verweist der Senat auf die den Beteiligten ebenfalls bekannten Entscheidungen des 3. Senats des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.9.2002- L 3 U 291/99, L 3 U 292/99 und 213/98 sowie vom 15.4.2003- L 3 U 142/01, die er sich zu eigen macht. Die erfolgte Umlegung des Finanzbedarfs begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Sofern der Kläger sinngemäß die Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rügt, weil bei der Beitragsberechnung nicht berücksichtigt werde, dass mehr Beiträge eingenommen würden als Unfalllasten für die Arbeitnehmerüberlassungsfirmen entstanden seien, vermag er hiermit nicht durchzudringen.

Weder die Berücksichtigung der DDR-Altlasten noch die Vereinbarung mit dem DFB über einen teilweisen Beitragsnachlass zu Gunsten des Profi-Fußballs führt zu einer übermäßigen Belastung durch höhere Beiträge.

Wie der 3. Senat des LSG Rheinland/Pfalz in den og Entscheidungen ausgeführt hat, unterliegt das Verhältnis zwischen den Beiträgen eines Gewerbezweigs und für den Gewerbezweig aufgebrachten Versicherungsleistungen keinem Äquivalenzprinzip. Vielmehr folgt aus dem Umlageverfahren, dass eine gleichmäßige Beteiligung der einzelnen Unternehmen an den umzulegenden Kosten anzustreben ist. Da der Gesamtbedarf sich aus Kosten zusammensetzt, die teilweise konkreten Gefahrtarifstellen zugeordnet werden können, teilweise aber auch nicht, ist die Möglichkeit einer Heranziehung für Kosten, die außerhalb der eigenen Gefahrtarifstelle entstanden sind, vom System her bereits angelegt. Unter Berücksichtigung eines alle Unternehmen gleichmäßig betreffenden Verteilungsmaßstabs liegt ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nur vor, wenn die konkrete Gefahr einer Existenzgefährdung o.ä. droht. Solches ist vorliegend weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Beklagte im Geltungszeitraum des Gefahrtarifs 2001 ein reines Nachlassverfahren beschlossen hat. Gemäß § 162 Abs. 1 SGB VII haben die Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Bei der näheren Ausgestaltung des gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Zuschlags- oder Nachlassverfahrens hat die jeweilige Berufsgenossenschaft im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben einen weiten Gestaltungsspielraum. Ob das beschlossene Verfahren die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung ist, ist von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu entscheiden (BSG Urteile vom 6.5.2003- B 2 U 7/02 R und B 2 U 17/02 R). Dabei ist sowohl die Errichtung eines reinen Nachlass- oder Zuschlagsverfahrens als auch eines kombinierten Nachlass- und Zuschlagsverfahrens zulässig (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 162 Rdnr. 5 ff; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 162 Rdnr. 8).

Auch das Fehlen eines Prämiensystems im Gefahrtarif 2001 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Nach § 162 Abs 2 SGB VII können die Unfallversicherungsträger unter Berücksichtigung der Wirksamkeit der von den Unternehmern getroffenen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten und für die Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren Prämien gewähren. Das Prämiensystem des § 162 Abs. 2 SGB VII stellt ein vom Beitragsausgleichsverfahren nach § 162 Abs 1 SGB VII unabhängiges Verfahren dar, das die Verbesserung der Prävention durch die Unternehmer bezweckt. Eine Verpflichtung der Beklagten, in ihrer Satzung ein Prämiensystem vorzusehen, besteht nicht (Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO, § 162 Rdnr. 10).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger schließlich weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren die Gewährung einer Prämie nach § 162 SGB VII beansprucht, so dass hierüber von der Beklagten bislang nicht entschieden ist. Der Senat hat folglich nicht darüber zu befinden, ob ihm eine solche Prämie zusteht bzw. ob ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das vor dem 02.01.2002 anhängig gewordenen Verfahren beruht auf §§ 193, 183 SGG in der bis zum 01.01.2002 gültigen Fassung.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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