L 5 B 403/07 KR

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 5 ER 331/07 KR
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 B 403/07 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Beantragt eine Krankenkasse im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen einen Beitragsschuldner die richterliche Gestattung der Durchsuchung dessen Wohnung, kann das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die zeitliche Wirkung der Gestattung befristen.
2. Ein solches gerichtliches Verfahren ist gerichtskostenfrei.
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Koblenz vom 29.10.2007 abgeändert. Die Durchsuchung wird der Antragstellerin zeitlich begrenzt bis zum 28.2.2008 gestattet. Hinsichtlich des Antrags auf unbefristete Gestattung der Durchsuchung wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Das Verfahren erster Instanz ist gerichtsgebührenfrei. Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Verfahren vor dem Sozialgericht zu erstatten. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Beschluss des Sozialgerichts vom 29.10.2007 wird hinsichtlich der Streitwertfestsetzung aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schuldet der Antragstellerin rückständige Beiträge zur Gesamtsozialversicherung in Höhe von 15.677,64 EUR (einschließlich Säumniszuschlägen und Mahn- sowie Vollstreckungskosten). Versuche, die Forderung im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens einzutreiben, blieben ohne Erfolg. Nachdem die Antragsgegnerin die Durchsuchung ihrer Wohn /Geschäftsräume verweigerte, beantragte die Antragstellerin am 23.10.2007 beim Sozialgericht (SG) Koblenz eine richterliche Durchsuchungsanordnung.

Durch Beschluss vom 29.10.2007 hat das SG der Antragstellerin befristet bis zum 15.11.2007 gestattet, die Wohn- und Geschäftsräume sowie die Behältnisse der Antragsgegnerin zu durchsuchen und verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen. Außerdem hat das SG beschlossen, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, und den Streitwert auf 15.677,64 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach § 66 Abs 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 9 Abs 2 Satz 2 2. Halbsatz Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz Rheinland-Pfalz (LVwVG Rh Pf) treffe das SG auf Antrag die richterliche Anordnung zur Durchsuchung der Wohnung des Vollstreckungsschuldners, sofern es sich um Angelegenheiten des § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) handele. Unter Abwägung der gegenseitigen Interessen sei die beantragte Anordnung zu erlassen und bis zum 15.11.2007 zu befristen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 8.11.2007 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerin trägt vor: Die vom SG vorgenommene Befristung der Durchsuchungsanordnung sei mit den Regeln einer ordnungsgemäßen Vollstreckung unvereinbar und zudem im Gesetz nicht vorgesehen. Mit einer so kurzen Befristung werde ihr, der Antragstellerin, faktisch die Verfahrensherrschaft genommen und eine sorgfältige Planung unter der notwendigen Zuhilfenahme von Zeugen, Monteuren und einer Spedition zum Abtransport evtl zu pfändender Sachen in normalen Ablaufzeiten der mehrgliedrigen Logistik unmöglich gemacht. Ferner beanstande sie, die Antragstellerin, dass sie von der Landesjustizkasse mit Kostenrechnung vom 31.10.2007 zu Unrecht als "Zweitschuldnerin" für Gerichtskosten (Kosten eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes) der ersten Instanz in Höhe von 363 EUR in Anspruch genommen worden sei. Zwar sei hinsichtlich der Kostenentscheidung eine entsprechende Anwendung des § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) vertretbar, da keiner der Beteiligten Kläger oder Beklagter sei. Gerichtskosten fielen aber nicht an. Das Vollstreckungsverfahren sei kein kontradiktorisches Verfahren. Das vorliegende Verfahren sei auch kein solches des einstweiligen Rechtsschutzes. Im Gerichtskostengesetz (GKG) sei für die richterliche Vollstreckungsanordnung kein Gebührentatbestand vorgesehen. Auch das vergleichbare Verfahren vor dem Amtsgericht sei für die Parteien kostenfrei (Hinweis auf Stöber in Zöller, Zivilprozessordnung ZPO , 25. Auflage, § 758a Rz 45).

Die Antragstellerin beantragt,
die bis zum 15.11.2007 ausgesprochene Befristung der richterlichen Durchsuchungsanordnung aufzuheben, hilfsweise eine Frist von wenigstens drei Monaten festzusetzen.
das vorliegende Verfahren für die Antragstellerin kostenfrei zu stellen und die Soll-Stellung bei der Landesjustizkasse zu löschen.

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

II.

Die zulässige (§§ 172, 173 SGG) Beschwerde der Antragstellerin ist insoweit begründet, als der Senat die Gestattung der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume bis zum 28.2.2008 befristet. Soweit die Antragstellerin eine unbegrenzte Gestattung beantragt, hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Der Senat verlängert die Frist zur Durchsuchung bis zum 28.2.2008. Ob eine Frist gesetzt wird und bejahendenfalls welche, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Im Rahmen der insoweit erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dem Grundrecht des Art 13 Grundgesetz (GG) Rechnung zu tragen (vgl BVerfG 27.5.1997 2 BvR 1992/92, BVerfGE 96, 44 ff). Bei seiner Entscheidung über die Fristsetzung berücksichtigt der Senat einerseits die Bedeutung des Grundrechts des Art 13 Abs 2 GG, andererseits jedoch den Umstand, dass dem Interesse der Antragstellerin, bei der Durchführung der Vollstreckung nicht unangemessen durch zeitliche Vorgaben eingeschränkt zu sein, Rechnung zu tragen ist. Bei Berücksichtung aller Umstände erscheint eine Frist bis zum 28.2.2008 angemessen. Die vom SG gesetzte Frist war zu kurz, um zu gewährleisten, dass die Antragstellerin ohne Schwierigkeiten die Vollstreckung durchführen konnte.

Der angefochtene Beschluss ist auch insoweit abzuändern, als das SG entschieden hat, dass "die Antragsgegnerin die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt". Der Senat stellt klar, dass für die erste Instanz keine Gerichtskosten zu erheben sind und nur über die außergerichtlichen Kosten zu entscheiden ist. Das SG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Kostenentscheidung entsprechend § 197a SGG ergeht, weil die Antragsgegnerin nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen zählt, da die Antragstellerin sie nicht als Versicherte, sondern als Arbeitgeberin zu Beiträgen in Anspruch nimmt. Das SG hat aber, indem es die Kostenentscheidung nicht auf den Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten beschränkt hat, auch darüber entschieden, dass Gerichtskosten entstanden sind und wer die Gerichtskosten trägt. Dies war indes nicht zulässig, weil Gerichtskosten für die erste Instanz nicht entstanden. Zwar werden in Verfahren nach § 197a SGG Kosten "nach den Vorschriften des GKG" erhoben. Dies bedeutet aber nur eine grundsätzliche Zuordnung zum GKG. Wenn ausnahmsweise im Einzelfall ein Gebührentatbestand nicht vorliegt, ist das Verfahren gerichtsgebührenfrei. So ist die Rechtslage im vorliegenden Fall. Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum GKG erhoben (§ 3 Abs 2 GKG). Im vorliegenden Fall sind jedoch hinsichtlich keiner der Gebührenziffern des Kostenverzeichnisses die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Nr 7210 des Kostenverzeichnisses zum GKG ist nicht einschlägig, weil es sich nicht um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes iS § 86b SGG handelt. Auch ein "Prozessverfahren" iSd Nrn 7110 ff des Kostenverzeichnisses liegt nicht vor. Unter einem Prozessverfahren ist ein kontradiktorisches Hauptsacheverfahren zwischen zwei Beteiligten zu verstehen (vgl Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, 1210 KV zum GKG Rz 1). Die richterliche Anordnung zur Durchsuchung der Wohnung und Geschäftsräume stellt einen im Kostenverzeichnis nicht erfassten Sondertatbestand dar, der zur Gerichtsgebührenfreiheit führt. Dies entspricht der Rechtslage zu Durchsuchungsanordnungen nach § 758a ZPO (Kindl in Saenger, ZPO, 2. Aufl, § 758a Rz 15; Stöber in Zöller, ZPO, 56. Auflage, § 758a Rz 45).

Auch das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Gebühr bei einer verworfenen oder zurückgewiesenen Beschwerde beträgt 50, EUR (Nr 7504 der Anlage 1 zum GKG). Hat die Beschwerde teilweise Erfolg, kann der Senat nach Nr 7504 der Anlage 1 zum GKG die Gebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist. Der Senat bestimmt für die teilweise zurückzuweisende Beschwerde, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist. Dies ist sachgerecht, weil der Senat dem Anliegen der Antragstellerin, dass die verwaltungsmäßige Durchführung der Zwangsvollstreckung nicht unangemessen erschwert wird, im Grundsatz Rechnung getragen hat und zum anderen die Beschwerde auch durch die unzutreffende Kostenentscheidung des SG und die den gesetzlichen Vorschriften widersprechende Anforderung von Gerichtskosten durch die Landesjustizkasse gegenüber der Antragstellerin verursacht wurde.

Bei Berücksichtigung des Umfangs des beiderseitigen Obsiegens ist es gerechtfertigt, dass die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt (§ 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung VwGO ) und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben werden (§ 197a SGG iVm § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO).

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da weder Gerichtskosten noch Rechtsanwaltskosten anfallen; der Streitwertbeschluss des SG war daher aufzuheben.

Soweit sich die Antragstellerin gegen die Sollstellung in Höhe von 363, EUR durch die Landesjustizkasse wendet, ist eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren nicht zu treffen. Diesbezüglich wäre die Beschwerde unzulässig, weil Einwendungen gegen Kostenforderungen der Gerichtskasse nur im Wege der Erinnerung bei dem Gericht geltend gemacht werden können, bei dem die Kosten angesetzt sind (§ 66 Abs 1 Satz 1 GKG); dh hinsichtlich der 363, EUR beim SG. Das Vorbringen der Antragstellerin hinsichtlich der Streichung der Sollstellung der 363, EUR ist aber nicht als im Verhältnis zum Antrag auf Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung zusätzlicher Antrag im Beschwerdeverfahren zu werten; die Landesjustizkasse wird im Hinblick auf die Kostenentscheidung des vorliegenden Beschlusses die Sollstellung ohne weiteres rückgängig zu machen haben.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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