L 3 KG 2/19

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 14 KG 1/18
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 KG 2/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kindergeld: Verhältnis von sozialrechtlichem und steuerrechtlichem Kindergeld - Integrierte Fachkraft - Kein Beschäftigungsverhältnis

1. Die Tätigkeit als Integrierte Fachkraft für einen lokalen Arbeitgeber in einem Drittland begründet kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder einer anderen inländischen Einrichtung.
2. Mangels einheitlichen Streitgegenstands wird ein steuerrechtlicher Kindergeldbescheid, der im laufenden gerichtlichen Verfahren anstelle eines streitgegenständlichen sozialrechtlichen Kindergeldbescheides ergeht, nicht nach § 96 SGG Gegenstand des sozialrechtlichen Verfahrens. Denn es handelt sich dabei nicht um dieselbe Leistung auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage (Bestätigung von LSG Rheinland-Pfalz vom 10.07.2018
L 3 KG 2/16 juris).
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 30.7.2019 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1963 geborene Kläger begehrt für seine drei Kinder M J (geb 1996), C (geb 1998) und F S (geb 2006) Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Er hat seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in N. In den Jahren 1994 bis 2009 war er dort als Entwicklungshelfer für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) tätig. Seit September 2011 war er als so-genannte Integrierte Fachkraft Arbeitnehmer der F P "L " in L. Sein Arbeitsvertrag wurde zuletzt verlängert bis zum 31.8.2017. Am 24.6.2013, 15.12.2014 und am 30.6.2015 schloss er mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) als Vertreterin der mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) gebildeten Arbeitsgemeinschaft Centrum für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) sogenannte Zuschussvereinbarungen. Darin wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der CIM Fach- und Führungskräfte aus der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Europäischen Union auf dem Europäischen Arbeitsmarkt rekrutiert und an lokale Arbeitgeber in Entwicklungsländern, Schwellenländern und Ländern Mittel- und Osteuropas in für die internationale Zusammenarbeit relevante Tätigkeiten vermittelt werden. Dabei komme ein Arbeitsverhältnis ausschließlich zwischen der vermittelten Integrierten Fachkraft und dem ausländischen Arbeitgeber zustande. Um eine solche Tätigkeit im Ausland für qualifizierte Fachkräfte interessant zu machen, leiste die GIZ/CIM an die Integrierten Fachkräfte Zuschüsse zu den Vergütungs- und Nebenleistungen des lokalen Arbeitgebers. Konkret werde der Kläger als Integrierte Fachkraft auf der Grundlage des Arbeitsvertrages mit der F P "L " in L seine Tätigkeit als Koordinator erneuerbare Energien fortführen. Dazu wurde ihm ein monatlicher Gehaltszuschuss von zuletzt 5.467,85 EUR zuzüglich Zuschüssen zu Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung gewährt.
Der Kläger beantragte am 27.10.2016 für seine Kinder M , C und F die Gewährung von Kindergeld. Auf Anfrage der Beklagten teilte die GIZ mit, der Kläger sei bei ihr nicht als entsandter Arbeitnehmer, Entwicklungshelfer oder Missionar tätig.
Mit dem in Streit stehenden Bescheid vom 27.4.2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) nicht erfüllt seien. Insbesondere erhalte der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit in N keine Unterhaltsleistungen iSd § 4 Abs 1 Nr 1 Entwicklungshelfergesetz (EhfG). Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2017 zurück.
Am 7.9.2017 meldete der Kläger seinen Hauptwohnsitz in B an, meldete sich arbeitslos und beantragte am 20.11.2017 Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG). Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 8.10.2018 für die Zeit ab September 2017 abgelehnt, weil die Kinder ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands sowie der EU und des EWR hatten. Der 1998 geborene Sohn C lebte seit April 2018 bei einer Tante in B und stand in einem Berufsausbildungsverhältnis. Auf seinen Antrag vom 12.10.2018 wurde dem Kläger ab August 2018 Kindergeld für C gewährt. Dieser ist inzwischen wieder nach N zurückgekehrt.
Der Kläger hat am 21.12.2017 unter seiner Anschrift in N bei dem Finanzgericht Nürnberg (entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid) Klage gegen den Bescheid vom 27.4.2017 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 24.11.2017 erhoben. Dieses hat durch Beschluss vom 11.1.2018 den Rechtsstreit an das Sozialgericht (SG) Koblenz verwiesen. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, zwischen ihm als Arbeitnehmer und der GIZ als Arbeitgeber bestehe ein Arbeitsverhältnis. Durch das Wort "Zuschuss" in der Vertragsvereinbarung werde verschleiert, dass es sich bei den gewährten Leistungen tatsächlich um Lohnzahlungen handele, welche in Deutschland steuerpflichtig seien. Es sei lediglich eine Delegation des arbeitsrechtlichen Direktionsrechts an den "Unter-Arbeitgeber" vor Ort vereinbart worden. Im Falle einer abweichenden rechtlichen Bewertung würden künftig in Deutschland viele prekäre Arbeitsverhältnisse mit geringen sozialen Versicherungsleistungen entstehen.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 30.7.2019 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ungeachtet der steuerrechtlichen Situation des Klägers scheitere der geltend gemachte Anspruch schon daran, dass der Kläger in N weder als Entwicklungshelfer noch Missionar tätig sei. Der Status des Entwicklungshelfers bestehe schon deshalb nicht, weil der Kläger nicht von einem Träger des Entwicklungsdienstes iSd § 2 Abs 1 des Entwicklungshelfergesetzes (EhfG) nach N entsandt worden, sondern dort aufgrund eines Vertrages mit einem Vertragspartner vor Ort tätig sei. Die Angaben der GIZ, dass der Kläger nicht als entsandter Arbeitnehmer, Entwicklungshelfer oder Missionar in N tätig sei, würden durch die Zusatzvereinbarung zwischen der GIZ und dem Kläger bestätigt. Daraus sei zu entnehmen, dass ein Arbeitsverhältnis aus-schließlich zwischen der Integrierten Fachkraft – hier dem Kläger – und dem ausländischen Arbeitgeber zustande komme. Die GIZ/CIM leiste lediglich Zuschüsse an die Integrierte Fachkraft, welche die Vergütungs- und Nebenleistungen des lokalen Arbeitgebers ergänzen. Ziel der Zuschüsse sei es, die entsprechende Tätigkeit im Ausland für qualifizierte Fachkräfte interessant zu machen. Die Gewährung des Zuschusses könne zwar gemäß seiner Zweckrichtung als Beitrag zur Entwicklungshilfe gesehen werden, vermittele dem Kläger jedoch nicht den Status eines Entwicklungshelfers. Die steuerrechtliche Veranlagung des Gehaltszuschusses sei nicht von der arbeitsrechtlichen Bewertung des mit der GIZ geschlossenen Vertrages abhängig und spiele für die Entscheidung keine Rolle.
Das Urteil wurde dem Kläger am 2.8.2019 zugestellt. Am 19.8.2019 hat er dagegen Berufung eingelegt. Er trägt vor, für die rechtliche Einordnung eines Beschäftigungsverhältnisses komme es nicht in erster Linie auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung, sondern auf dessen Inhalt an. Danach sei das zwischen ihm und der GIZ/CIM aufgrund des Zuschussvertrags bestehende Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis. Ihn träfen aufgrund dieser Vereinbarung zahlreiche Arbeitnehmerpflichten. Zudem sei er auch ohne Wohnsitz und Aufenthalt zur Entrichtung von Einkommensteuer aus den Zuschusszahlungen verpflichtet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 30.7.2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24.11.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1.1.2012 für die Kinder M , C und F Kindergeld zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage ist unbegründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Kindergeld nicht zusteht.
Gegenstand des Verfahrens ist allein der Bescheid vom 27.4.2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24.11.2017, mit dem die Beklagte die Gewährung von Kindergeld nach dem BKGG ("sozialrechtliches Kindergeld") abgelehnt hat. Der Bescheid oder die Bescheide über die Bewilligung von Kindergeld nach dem EStG für den Sohn C sind nicht gem § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden. Ansprüche auf Kindergeld nach dem EStG und dem BKGG stellen selbständige prozessuale Ansprüche dar, da sie auf notwendig unterschiedlichen anspruchsbegründenden Lebenssachverhalten beruhen. Mangels einheitlichen Streitgegenstands wird ein steuerrechtlicher Kindergeld-bescheid, der im laufenden gerichtlichen Verfahren anstelle eines streitgegenständlichen sozialrechtlichen Kindergeldbescheides ergeht, nicht nach § 96 SGG Gegenstand des sozialrechtlichen Verfahrens. Denn es handelt sich dabei nicht um dieselbe Leistung auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage (vgl dazu Urteil des Senats vom 10.7.2018 L 3 KG 2/16 – und Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 11.8.2016 8 K 351/16 [Kg] – juris Rn 14).
Dementsprechend hat der Senat auch nicht über möglicherweise bestehende Ansprüche des Klägers auf steuerrechtliches Kindergeld für seine weiteren Kin-der aufgrund seines behaupteten vorübergehenden oder dauerhaften Wohnungswechsels nach Deutschland zu entscheiden.
Nach den allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nach § 1 Abs 1 Nrn 1 und 2 BKGG erhält für seine Kinder Kindergeld, wer nach § 1 Absatz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht nach § 1 Abs 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird und
1. in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach dem Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) steht oder versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 SGB III ist oder
2. als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen im Sinne des § 4 Absatz 1
Nummer 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes erhält oder als Missionar der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V., des Deutschen katholischen Missionsrates oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist.
Ein Anspruch nach § 1 Abs 1 Nr 1 BKGG scheidet aus, weil der hinsichtlich der Zuschusszahlungen der GIZ/CIM beschränkt steuerpflichtige Kläger in keinem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit stand. Insbesondere besteht keine versicherungspflichtige Beschäftigung iSd § 25 Abs 1 SGB III. Da-nach sind Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beschäftigung ist gem § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S 2). Bei dem in Betracht kommenden Rechtsverhältnis aus der Zuschussvereinbarung des Klägers mit der GIZ mit Bezug auf seine Tätigkeit als Integrierte Fachkraft für einen lokalen Arbeitgeber in Nicaragua handelt es sich nicht um ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV, insbesondere nicht um ein Arbeitsverhältnis. Es fehlt hierfür schon an der Verpflichtung zu Dienstleistungen für die GIZ bzw die Arbeitsgemeinschaft "Centrum für internationale Migration und Entwicklung" (CIM). Eine Einbindung des Klägers in die Betriebsorganisation seiner Vertragspartner ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die "Zuschussvereinbarung" knüpft vielmehr an ein Beschäftigungsverhältnis mit einem Arbeitgeber in N an und ist in ihrem Bestand von diesem abhängig. Sie begründet weder ein Arbeitsverhältnis noch ist der Kläger aufgrund dieser Vereinbarung als arbeitnehmerähnliche Person an-zusehen (Landesarbeitsgericht – LAG – Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.11.2012 11 Ta 154/12 ; HessLAG, Beschluss vom 15.3.1999 – 2 Ta 468/98 – beide juris).
Ein Anspruch auf Kindergeld nach § 1 Abs 1 Nr 2 BKGG scheidet ebenfalls aus, da der Kläger kein Entwicklungshelfer im Sinne des
§ 1 Abs 1 EhfG ist. Gem EhfG ist Entwicklungshelfer, wer
1. in Entwicklungsländern ohne Erwerbsabsicht Dienst leistet, um in partnerschaftlicher Zusammenarbeit zum Fortschritt dieser Länder beizutragen (Entwicklungsdienst),
2. sich zur Leistung des Entwicklungsdienstes gegenüber einem anerkannten Träger des Entwicklungsdienstes für eine ununterbrochene Zeit von mindestens einem Jahr vertraglich verpflichtet hat,
3. für den Entwicklungsdienst nur Leistungen erhält, die dieses Gesetz vorsieht,
4. das 18. Lebensjahr vollendet hat und Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes oder Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaften ist.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Weder ist er ohne Erwerbsabsicht in N tätig noch hat er sich gegenüber einem Träger des Entwicklungsdienstes zur Dienstleistung verpflichtet noch erhält er die in § 4 EhfG geregelten Leistungen, insbesondere keine Unterhaltsleistungen nach § 4 Abs 1 Nr 1 EhfG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 S 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved