L 6/1 Ar 96/96

Land
Saarland
Sozialgericht
LSG für das Saarland
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG für das Saarland (SAA)
Aktenzeichen
S 16 Ar 446/94
Datum
2. Instanz
LSG für das Saarland
Aktenzeichen
L 6/1 Ar 96/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Teilt der Arbeitslose bei der Beantragung von Alg oder Alhi dem Arbeitsamt mit, daß er sich in einem bestimmten Zeitraum nach dem Bezugsbeginn der beantragten Leistung in einer an einem auswärtigen Ort durchgeführten Vollzeit-Bildungsmaßnahme befinden werde und wird die Teilnahme an dieser Bildungsmaßnahme vom Arbeitsamt nicht genehmigt, ist der Arbeitslose während der Dauer der Bildungsmaßnahme nicht verfügbar für die Arbeitsvermittlung.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 04.06.1996 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit der Teilnahme an einem Steuerrechtslehrgang ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 30.05.1995 - 26.08.1995 zustand.

Die am xxxx geborene Klägerin war in der Zeit vom 15.07.1982 bis 31.12.1993 als Bilanzbuchhalterin bei ihrem Ehemann, dem Rechtsanwalt R. D., beschäftigt.

Nach ihrer Arbeitslosmeldung am 08.12.1993 bzw. 12.01.1994 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 22.02.1994 Arbeitslosengeld ab dem 12.01.1994 für 312 Tage.

Mit Veränderungsmitteilung vom 05.04.1994 teilte die Klägerin mit, daß sie ab dem 05.04.1994 wegen der vorübergehenden Betreuung ihrer pflegebedürftigen Mutter nicht mehr verfügbar sei.

Am 18.04.1994 stellte die Klägerin, nachdem ihre Mutter zwischenzeitlich verstorben war, einen Antrag auf Wiederbewilligung des Arbeitslosengeldes. Am 21.04.1994 teilte sie mit, daß sie ab dem 30.05.1994 einen Vollzeitlehrgang in K. an der Fachschule Dr. E. über Steuerrecht für die Dauer von drei Monaten besuchen werde. Sie sei trotzdem bereit, sich während dieser Zeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen.

Mit Bescheid vom 29.04.1994 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld für die Zeitraum ab dem 18.04.1994 für 241 Tage.

Mit Bescheid vom 05.07.1994 teilte sie der Klägerin mit, daß der Bewilligungsbescheid vom 29.04.1994 ab dem 30.05.1994 aufgehoben werde, weil die Voraussetzungen für die Leistungen weggefallen seien. Ab dem Zeitpunkt der Teilnahme an dem Steuerrechtslehrgang stehe die Klägerin der Arbeitsvermittlung nämlich nicht mehr zur Verfügung.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, daß sie während der Teilnahme an dem Steuerrechtslehrgang der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Bei Vermittlung eines Arbeitsverhältnisses durch das Arbeitsamt hätte sie den Lehrgang unverzüglich abgebrochen. Sie habe dem Arbeitsamt auch rechtzeitig die Anschrift mitgeteilt, unter der sie während der Dauer ihrer Abwesenheit erreichbar gewesen sei.

Der Steuerfachlehrgang war am 26.08.1994 beendet. In der Zeit vom 02.09.1994 - 02.12.1994 hat die Klägerin nach eigenen Angaben diverse freiberufliche Tätigkeiten ausgeübt.

Der eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.1994 als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen den am 06.12.1994 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 15.12.1994 Klage erhoben.

Auf einen Leistungsantrag vom 05.12.1994 wurde der Klägerin mit Bescheid vom 08.02.1995 Arbeitslosengeld ab dem 05.12.1994 und auf einen Antrag vom 23.03.1995 Arbeitslosengeld ab dem 23.03.1995 mit Bescheid vom 15.05.1995 bewilligt.

Mit Wirkung ab dem 01.07.1995 hat sich die Klägerin aus dem Leistungsbezug abgemeldet.

Das Sozialgericht hat die erhobene Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 04.06.1996 abgewiesen.

Es hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, daß nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die ungenehmigte Teilnahme an einem auswärtigen Fortbildungslehrgang der Verfügbarkeit entgegenstehe. Vorliegend habe die Klägerin die Beklagte zwar vor Eintritt in die Maßnahme hierüber unterrichtet, die Beklagte habe jedoch nicht festgestellt, daß die Teilnahme an dem Steuerrechtslehrgang der Vermittlung in Arbeit nicht entgegenstehe. Somit erfülle die Klägerin nicht die Voraussetzungen, unter denen während der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung von Verfügbarkeit ausgegangen werden könne. Darüber hinaus habe die Klägerin auch nicht ihre Anschrift während der Maßnahme der Beklagten bekanntgegeben. Sie habe lediglich erklärt, ab dem 30.05.1994 in K. die Fachschule Dr. E. zu besuchen. Dies sei nicht ihre Anschrift gewesen.

Gegen den am 19.06.1996 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 17.07.1996 bei Gericht eingegangene Berufung.

Zur Begründung trägt die Klägerin im wesentlichen vor, daß der Hinweis des Sozialgerichts auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Frage der Teilnahme an einem ungenehmigten Lehrgang nicht nachvollziehbar sei. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß ein formal ungenehmigter Lehrgang vorgelegen habe, wäre kein Grund ersichtlich, weshalb ihr vor dem Hintergrund der von ihr gemachten Angaben und der von ihr erklärten Bereitschaft die Teilnahme an dem Lehrgang hätte versagt werden sollen. Im Rahmen dieser Entscheidung habe sich das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert. Denn sie - die Klägerin - habe der Arbeitsvermittlung entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts zur Verfügung gestanden. Sie sei nämlich, was sie bei den Beratungsgesprächen bei der Beklagten auch ausdrücklich angegeben habe, bereit und in der Lage gewesen, eine längere als kurzzeitige zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Durch die bloße Teilnahme an einer Weiterbildung in Vollzeitform sowie den bloßen auswärtigen Aufenthalt habe gerade noch nicht festgestanden, daß sie keine Arbeit habe aufnehmen bzw. in kein Arbeitsverhältnis habe vermittelt werden können. Durch ihre Abwesenheit sei ihre Vermittlung in Arbeit nicht beeinträchtigt worden. Insbesondere habe sie sichergestellt, daß an sie adressierte Post bzw. Nachrichten sofort, d.h. noch am gleichen Tag, an sie weitergeleitet worden seien. Bei der Entscheidungsfindung sei auch völlig unberücksichtigt geblieben, daß sie den Vollzeitlehrgang nur deshalb besucht habe, um die Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit bzw. bis zur Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis sinnvoll zu nutzen und sich darüber hinaus in ihrem beruflichen Betätigungsfeld, dem Steuerrecht, auf eigene Kosten dringend erforderliches aktuelles Wissen anzueignen. Für den Fall, daß ihr von der Beklagten ein Arbeitsverhältnis vermittelt worden wäre, hätte sie den Lehrgang unverzüglich abgebrochen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 04.06.1996 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.07.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.1994 aufzuheben, soweit damit die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 30.05.1994 - 26.08.1994 aufgehoben worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

wobei sie zur Begründung vorträgt, daß die Klägerin bereits im Gespräch mit ihrer Arbeitsberaterin am 05.04.1994 darauf hingewiesen worden sei, daß ihre Verfügbarkeit im Falle einer Teilnahme an dem beabsichtigten Lehrgang in K. verneint werden müsse und dies somit einer Arbeitslosengeld-Gewährung entgegenstehen würde. Die Teilnahme der Klägerin an der Fortbildungsmaßnahme zur Steuerberaterin sei nach dem AFG nicht förderungsfähig gewesen und die Maßnahme habe zudem außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamts stattgefunden. Soweit die Klägerin vorbringe, daß sie nur für ihre Eigeninitiative zur beruflichen Weiterbildung bestraft werde, sei darauf hinzuweisen, daß ihr am 05.04.1994 durch ihre Arbeitsberaterin die Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme in der kaufmännischen Übungsfirma in Teilzeitform zur wesentlichen Verbesserung ihrer beruflichen Ausgangssituation vorgeschlagen worden sei. An dieser förderbaren Maßnahme habe die Klägerin jedoch kein Interesse gezeigt. Während der Teilnahme an der Maßnahme habe sich die Klägerin außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamts aufgehalten, worauf sie auch ausdrücklich hingewiesen und worüber sie belehrt worden sei. Während der Teilnahme an der Maßnahme sei die Erreichbarkeit daher so wesentlich beeinträchtigt gewesen, daß im Falle der berechtigten Weiterverfolgung des zumutbaren Angebotes der Teilnahme an der Übungsfirma oder einer anderen geeigneten Bildungsmaßnahme oder im Falle eines potentiellen Stellenangebotes kein Empfang der üblichen Briefpost am Empfangstag selbst sichergestellt gewesen sei. Gerade Stellenangebote, die mit dem Auftragsvermerk "sofortige Besetzung" versehen seien, machten nach ihrem Eingang ein direktes Handeln durch die Vermittlungsfachkräfte und nicht zuletzt auch durch die potentiellen Bewerber/innen notwendig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze, den weiteren Akteninhalt sowie auf die Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr.: ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die von der Klägerin eingelegte Berufung ist statthaft.

Gemäß § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1. bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1.000,- Deutsche Mark oder

2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000,- Deutsche Mark

nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Streitgegenstand ist im vorliegenden Fall die Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 30.05.1994 bis 26.08.1994. Durch den angefochtenen Bescheid wurde die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab dem 30.05.1994 aufgehoben; eine Wiederbewilligung erfolgte erst mit Bescheid vom 08.02.1995 ab dem 05.12.1994. Da die Klägerin nach ihren eigenen Angaben in der Zeit vom 02.09.1994 bis zum 02.12.1994 "diverse freiberufliche Tätigkeiten" ausgeübt hat und der von ihr absolvierte Steuerfachlehrgang laut der im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigung am 26.08.1994 beendet war, bezieht sich ihr Leistungsbegehren, wie sie durch Schriftsatz vom 28.07.1997 klargestellt hat, nur auf den Zeitraum der Teilnahme an dem Steuerfachlehrgang. Vor dem 30.05.1994 war der Klägerin Arbeitslosengeld mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 370,80 DM gewährt worden. Die 1.000,- DM-Grenze des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG ist damit schon bei einem knapp dreiwöchigen Leistungsbezug überschritten, während der streitbefangene Zeitraum knapp drei Monate umfaßt.

Die Berufung ist auch innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Form und Frist (§ 151 SGG) eingelegt worden und damit zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet.

Bei der von der Klägerin erhobenen Klage handelt es sich um eine reine Anfechtungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 SGG. Denn mit dem der Klägerin zugegangenen und damit ihr gegenüber erlassenen Bewilligungsbescheid vom 29.04.1994 ist - entgegen der in der Leistungsakte enthaltenen Bewilligungsverfügung - keine bis zum 30.05.1994 befristete Leistungsbewilligung vorgenommen worden, sondern Arbeitslosengeld für 241 Leistungstage bewilligt worden. Für den Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 05.07.1994 würde daher der Bewilligungsbescheid vom 29.04.1994 wieder unbeschränkt wirksam mit der Folge, daß der Klägerin aus diesem Bewilligungsbescheid ein Anspruch auf Weiterzahlung der Leistung zustände. Da sich das Begehren der Klägerin aber lediglich auf die Gewährung der Leistung bis zum 26.08.1994 bezieht, handelt es sich nur um eine Teilanfechtungsklage.

Aufgrund der mit dem Bescheid vom 29.04.1994 vorgenommenen unbefristeten Bewilligung der Leistung war eine Aufhebung bzw. Rücknahme der Leistungsgewährung mit Wirkung ab dem 30.05.1994 erforderlich.

Grundlage der Aufhebung ist § 48 Abs. 1 SGB X, wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß dieses Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 48 SGB X ist, daß die für die Aufhebung der Leistung maßgebliche Änderung nach Erlaß des von der Aufhebung betroffenen Bewilligungsbescheides eingetreten ist (vgl. BSG-Urteil vom 12.04.1984, Az.: 7 RAr 34/83 = Dienstblatt Rspr Nr. 2938 a zu § 104 AFG; BSG-Urteil vom 17.04.1986, Az.: 7 Rar 101/84 = Dienstblatt Rspr Nr. 3188 a zu § 48 SGB X; BSG-Urteil vom 21.03.1996, Az.: 11 Rar 101/94). "Erlassen" im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X wird ein Bescheid erst mit seiner Bekanntgabe gem. § 39 Abs. 1 SGB X (vgl. BSG-Urteil vom 18.02.1960, Az.: 8 RV 1181/57; BSGE 15, 177, 180; BSG-Urteil vom 31.10.1979, Az: 10 RV 37/79; Schröder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X - Kommentar, 2. Aufl., § 37 Anm. 2; Schneider-Danwitz in Gesamtkommentar Sozialversicherung, SGB X § 37 Anm. 6 a, § 48 Anm. 18a). Gemäß § 37 Abs. 2 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der wie im vorliegenden Fall durch die Post im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs übermittelt wird, mit dem 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Ein zeitlich früher erfolgter tatsächlicher Zugang hat also keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe (vgl. Schröder-Printzen a.a.O. Anm. 5).

Der Bewilligungsbescheid über Arbeitslosengeld datiert im vorliegenden Fall vom 29.04.1994 und ist damit nach den obigen Ausführungen gem. §§ 37 Abs. 2, 39 Abs. 1 SGB X am 02.05.1994 erlassen worden. Die maßgebliche "wesentliche" Änderung in den für die Leistung erheblichen Verhältnissen war der Beginn der Teilnahme an dem Steuerfachlehrgang am 30.05.1994; die "Änderung" i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist damit nach dem Erlaß des Bewilligungsbescheides eingetreten, so daß § 48 SGB X anwendbar ist.

Da der Aufhebungsbescheid vom 05.07.1994 datiert, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, mit dem eine (teilweise) rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung vorgenommen worden ist. Eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit ist nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zulässig.

Danach soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,

2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

3. nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder

4. der Betroffene wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld war ab dem 30.05.1994 ganz weggefallen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X, weil die Verfügbarkeit als eine der Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld (§ 100 AFG) ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben war.

Gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG steht der Arbeitsvermittlung nur derjenige zur Verfügung, der das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist. Diese Voraussetzungen sind nach § 1 der aufgrund der §§ 103 Abs. 5 Satz 1, 191 Abs. 3 AFG erlassenen Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über den Aufenthalt von Arbeitslosen während des Leistungsbezuges (Aufenthalts-Anordnung) vom 03.10.1979 in der hier maßgeblichen Fassung der 3. Änderungsanordnung zur Aufenthalts-Anordnung vom 24.03.1993 (Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit 1993, Seite 769) nur erfüllt, wenn das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamts maßgeblichen Anschrift erreichen kann. Sinn und Zweck der Regelungen zum Aufenthalt des Arbeitslosen ist, daß nur derjenige Arbeitslose einen Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit haben soll, der objektiv in der Lage ist, einem Angebot des Arbeitsamtes zur Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung aktuell nachzukommen, d.h. örtlich und zeitlich in der Weise, wie es von den in Betracht kommenden Arbeitgebern erwartet werden kann. Erforderlich ist daher, daß der Arbeitslose im Falle einer Vermittlung die angebotene Arbeit in der sachgebotenen Weise, d.h. am Beschäftigungsort in angemessener Zeit aufnehmen kann (vgl. BSG-Urteil vom 15.05.1985, Az.: 7 RAr 103/83). Diese Bedingung erfüllt aber grundsätzlich nur derjenige Arbeitslose, der für das zuständige Arbeitsamt täglich mindestens zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar und entsprechend rasch zum Antritt der Beschäftigung in der Lage ist (vgl. BSG-Urteil vom 21.07.1988, Az.: 7 RAr 21/86). Eine derartige Erreichbarkeit ist damit nicht bereits dann zu bejahen, wenn der Arbeitslose für das Arbeitsamt postalisch erreichbar ist, sondern nur dann, wenn er unter der Wohnanschrift, die er im Leistungsantrag bekanntgegeben hat, von den Bediensteten der Bundesanstalt täglich zumindest während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich dort angetroffen werden kann (vgl. BSG-Urteil vom 29.11.1989, Az.: 7 RAr 138/88; BSG-Urteil vom 29.04.1992, Az.: 7 RAr 4/91).

Die Erreichbarkeit der Klägerin war im vorliegenden Fall ab dem 30.05.1994 deswegen nicht mehr gegeben, weil sie sich während der Teilnahme an dem Steuerfachlehrgang in K., der in Form eines Tageslehrgangs durchgeführt wurde, zur Zeit der Postzustellung nicht an ihrer Wohnanschrift aufgehalten hat. Insoweit ist unerheblich, daß die Klägerin dem Arbeitsamt bereits am 21.04.1994 mitgeteilt hatte, daß sie ab dem 30.05.1994 den Steuerfachlehrgang in K. besuchen werde und die Anschrift der Schule der Beklagten somit bekannt bzw. von ihr ohne weiteres zu ermitteln war. Entscheidend ist vielmehr, daß die Anschrift der Steuerfachschule auch während der Teilnahme an der Maßnahme nicht die Anschrift der Klägerin war. Zwar kann sich der Arbeitslose gem. § 2 Satz 1 Aufenthalts-Anordnung auch an jedem anderen Ort im Nahbereich des Arbeitsamts aufhalten, wenn er dem Arbeitsamt rechtzeitig seine Anschrift für die Dauer seiner Abwesenheit mitgeteilt hat und wie bei Ortsanwesenheit erreichbar ist. Unter einer Anschrift im Sinne dieser Vorschrift ist aber nur eine solche zu verstehen, über die die Arbeitsvermittlung den Arbeitslosen unmittelbar - d.h. allein durch Inanspruchnahme des Postdienstes - erreichen kann. Dies war während der Teilnahme an dem Steuerfachlehrgang nicht gewährleistet. Die postalische Erreichbarkeit der Klägerin war während dieser Zeit vielmehr von der Bereitschaft der Fachschule abhängig, die an die Klägerin gerichtete Post weiterzuleiten. Der gegebenenfalls auf Gefälligkeit der Schule und ihrer Mitarbeiter beruhende Postzugang wäre dadurch mit Verzögerungen und Unsicherheiten belastet gewesen. Dies ist mit dem Zweck der Vorschriften über die Erreichbarkeit nicht vereinbar. Denn diese sollen im Interesse der Solidargemeinschaft die sofortige Vermittelbarkeit des Arbeitslosen jederzeit sicherstellen, um den Vorrang der Arbeitsvermittlung vor der Inanspruchnahme von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu gewährleisten. Der Arbeitslose soll nur Leistungen erhalten, sofern er ein Arbeitsangebot sofort annehmen kann. Das kann er nicht, wenn die Postzustellung von der Gefälligkeit von Schulungseinrichtungen abhängig ist. Hieran ändert es nichts, daß die Klägerin nach ihrem Vortrag sichergestellt hatte, daß an sie adressierte Post bzw. Nachrichten sofort an sie weitergeleitet worden wären. Ebenso ist unerheblich, ob dem Arbeitsamt überhaupt Vermittlungsversuche möglich gewesen wären (vgl. BSG-Urteil vom 09.11.1995, Az.: 11 RAr 33/95).

Die Verfügbarkeit läßt sich im vorliegenden Fall auch nicht über die Vorschriften der §§ 3 und 4 Aufenthalts-Anordnung fingieren. Gemäß § 3 Aufenthalts-Anordnung steht, wenn der Arbeitslose die Voraussetzungen des § 1 oder § 2 nicht erfüllt, dies der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung bis zu drei Wochen im Jahr nicht entgegen, wenn vorher vom Arbeitsamt festgestellt wurde, daß dadurch in dieser Zeit die Vermittlung in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildungsstelle, die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme der beruflichen Bildung oder die Teilnahme an einer Maßnahme der Arbeitsberatung nicht beeinträchtigt werden. Gemäß § 4 Aufenthalts-Anordnung ist § 3 entsprechend anzuwenden bei Teilnahme des Arbeitslosen

a. an einer Bildungsveranstaltung, durch deren Besuch seine Vermittlungsfähigkeit verbessert wird, oder

b. an einer sonstigen Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt.

Auch die Vorschrift des § 4 Satz 1 a Aufenthalts-Anordnung ermöglicht im Falle der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme lediglich einen auswärtigen Aufenthalt bis zur Maximaldauer von drei Wochen, während im vorliegenden Fall die Klägerin an einem dreimonatigen Lehrgang teilgenommen hat. Weiterhin setzt auch die Herstellung der Verfügbarkeit über § 4 Satz 1 a Aufenthalts-Anordnung voraus, daß vor Eintritt in die Bildungsmaßnahme vom Arbeitsamt festgestellt wird, daß durch die Teilnahme die Vermittlung in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildungsstelle, die Teilnahme an einer anderen zumutbaren Maßnahme der beruflichen Bildung oder die Teilnahme an einer Maßnahme der Arbeitsberatung nicht beeinträchtigt werden. Eine derartige Beeinträchtigung ist im vorliegenden Fall aber durch das Arbeitsamt ausdrücklich festgestellt worden. Hiergegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, daß ihr u.U. ein Anspruch auf Förderung der Teilnahme an dem Lehrgang mit der Zahlung von Unterhaltsgeld für die Dauer der Teilnahme zugestanden habe. Denn insoweit besteht kein Zusammenhang damit, ob die Klägerin während der Dauer der Teilnahme der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.

Auch die weiter von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente sind nicht stichhaltig. Daß die Klägerin den Vollzeitlehrgang nur deshalb besucht hat, um die Zeit bis zur Aufnahme einer Arbeit sinnvoll zu nutzen, ändert nichts daran, daß nach den Vorschriften der §§ 3, 4 Aufenthalts-Anordnung für die Bejahung der Verfügbarkeit die positive Feststellung durch das Arbeitsamt erforderlich ist, daß eine Beeinträchtigung der Vermittlung durch die Teilnahme an der Maßnahme nicht gegeben ist, und daß dies von vornherein nur für die Dauer von max. 3 Wochen pro Jahr überhaupt möglich ist. Auch daß die Klägerin bereit war, für den Fall der Vermittlung einer Arbeitsstelle den Lehrgang unverzüglich abzubrechen, reicht für die Bejahung der Verfügbarkeit nicht aus. Denn der Arbeitslose steht nur dann der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wenn er an jedem Tag, für den er Lohnersatzleistungen begehrt, durch nichts gehindert ist, ohne Verzug eine zumutbare Beschäftigung auszuüben (vgl. BSG-Urteil vom 28.10.1987, Az.: 7 RAr 80/86).

Die Klägerin hat auch positiv gewußt, daß aufgrund der Teilnahme an der Maßnahme die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung entfallen war, denn hierüber war sie von der Arbeitsberaterin P.-S. nach den in der Leistungsakte enthaltenen Beratungsvermerken ausdrücklich belehrt worden. Die Klägerin hat auch nicht bestritten, daß eine derartige Belehrung erfolgt ist. Damit sind die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X insgesamt erfüllt.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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