L 8 RA 84/02

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 2 RA 1/01
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 RA 84/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. Juli 2002 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 193.143,57 Euro zu zahlen. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der klagenden Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einen Betrag von 193.143,57 Euro zu erstatten hat, den die Klägerin nach dem Tode der Rentenberechtigten O. F. im März des Jahres 1981 als Renten auf das Girokonto der Beklagten bis einschließlich Juni 1999 weitergezahlt hatte.

Die Klägerin gewährte der am 7. März 1902 geborenen Mutter der Beklagten, Frau O. F. , seit dem 1. August 1980 Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des am 1899 geborenen und am 1980 verstorbenen H. F ... Die Beklagte vertrat seinerzeit ihre Mutter, die Rentenberechtigte, gegenüber der Klägerin. Sie legte der Klägerin eine Generalvollmacht vor, nach der sie bevollmächtigt worden war, ihre Mutter in allen Angelegenheiten vor Gerichten und Behörden, zu vertreten. Die Vertretungsvollmacht erstreckte sich auf alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, soweit eine Vertretung gesetzlich zulässig ist. Mit Datum vom 2. Oktober 1980 beantragte die Beklagte für ihre Mutter bei der Klägerin auf einem von dieser der Rentenberechtigten übersandten Formular - "Antrag auf unbare Zahlung" - die Zahlung der Rente auf ihr eigenes Konto bei der H. S ... Dabei unterschrieb sie folgende, auf dem Formular vorgedruckte Erklärung:

"Ich verpflichte mich, der Rentenrechnungsstelle nach Bewilligung der Leistung unverzüglich jede Veränderung der Verhältnisse, die Zahlung oder den Anspruch selbst beeinflusst, schriftlich mitzuteilen und überzahlte Beträge der Deutschen Bundespost zurückzuzahlen. Dazu beauftrage ich das jeweils kontoführende Geldinstitut mit Wirkung auch meinen Erben gegenüber, überzahlte Beträge der Deutschen Bundespost für Rechnung des Leistungsträgers zurückzuzahlen. Dieser Antrag mit dem vorstehenden Auftrag kann nur von mir - aber nicht von meinen Erben- bis zum 5. eines Monats für die darauffolgende Zahlung widerrufen oder geändert werden."

In der mit - "Nur wichtig für die Überweisung auf das Konto eines Familienangehörigen" - überschriebenen Rubrik dieses Formmulars gab sie im eigenen Namen als Kontoinhaberin folgende gleichfalls vorgedruckte weitere Erklärung ab:

"Ich verpflichte mich, auf Grund obigen Antrags überzahlte Beträge der Deutschen Bundespost zurückzuzahlen, und beauftrage dazu das jeweils kontoführende Geldinstitut mit Wirkung auch meinen Erben gegenüber, überzahlte Beträge der Deutschen Bundespost für Rechnung des Leistungsträgers zurückzuzahlen."

Dieses Formular übersandt sie versehen mit einer Beglaubigung ihrer Unterschrift durch die Sparkasse mit einem Begleitschreiben vom 3. Oktober 1980 an die Klägerin und führte in letzterem dazu aus, dass sie die Übertragung des Kontos, auf das die Rentenzahlungen erfolgten, auf ihren Namen beantragt habe, weil ihre Mutter als ständig bettlägeriger Pflegefall in einer Altenpension lebe und aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, Unterschriften selbst vorzunehmen.

Die Rentenberechtigte verstarb am 1981. Die Klägerin erhielt darüber ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten keine Mitteilung. Die Rentenzahlungen wurden in den folgenden Jahren weiter auf das Konto der Beklagten bei der H. S. gezahlt.

Etwa 18 Jahre später mit Schreiben vom 16. März 1999 bat das Postrentendienstzentrum Stuttgart die Klägerin um Prüfung, da eine Mitteilung an die Rentenberechtigte nicht zugestellt werden konnte und die Meldebehörde diese nicht habe ermitteln können. Daraufhin nahm die Klägerin Ermittlungen zum Sachverhalt auf und fragte in diesem Zusammenhang am 25. Juni 1999 telefonisch bei der Beklagten an. Diese teilte mit, dass ihre Mutter bereits 1981 verstorben war. Sie übersandte der Klägerin die Sterbeurkunde ihrer Mutter. Ferner teilte sie der Klägerin mit Schreiben vom 1. Juli 1999 mit, dass offenbar weiterhin Rentenzahlungen auf ihrem Konto eingingen.

Ausweislich der vorliegenden Kontoauszüge wurde die bereits Ende Juni 1999 für den Monat Juli 1999 geleistete Rente aufgrund eines Rückrufs vom 30. Juni 1999 mit Datum vom 6. Juli 1999 an das Postrentendienstzentrum zurücküberwiesen. Der Kontostand betrug zu diesem Zeitpunkt 38.441,33 DM. Weitere Geldleistungen für die Verstorbene wurden von der Klägerin nicht erbracht.

Mit Schreiben vorn 13. September 1999 hörte diese die Beklagte zur Erstattung der in der Zeit vom 1. April 1981 bis zum 30. Juni 1999 auf ihr Konto gezahlten Rentenbeträge in Höhe von insgesamt 416.195,40 DM an. Mit Schreiben vom 25. November 1999 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung dieses Betrags auf. Mit Schreiben vom 31. Januar 2000 erinnerte die Klägerin die Beklagte an die Zahlung.

Mit ihrer am 27. Juni 2000 beim Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Für den Zeitraum vom 1. April 1981 bis zum 30. Juni 1999 sei eine Überzahlung in Höhe des geltend gemachten Betrages entstanden. Die Klage sei als echte Leistungsklage zulässig. Ihren Erstattungsanspruch stützte sie auf § 118 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs, 6. Buch (SGB VI).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 212.797,33 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und hat zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig, weil die Klägerin den vorrangigen Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 3 SGB VI gegenüber dem kontoführenden Geldinstitut, der H. S. , nicht geltend gemacht habe. Der Anspruch gegenüber dem Empfänger bzw. dem Verfügenden nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI sei im Verhältnis zu dem Anspruch gegen das Kreditinstitut nach § 118 Abs. 3 SGB VI nachrangig.

Außerdem sei die Klage unbegründet, weil sie, die Beklagte, nicht mehr bereichert sei. Dies folge aus § 818 Abs. 3 BGB. Die geleisteten Rentenzahlungen seien ausgegeben worden, ohne dass sie sich damit Vorteile verschafft habe, die noch in ihrem Vermögen vorhanden seien. Die Überwachung und die Kontrolle von Bankkonten und auch sonstiger persönlicher Schriftverkehr seien von ihrem im Mai 1995 verstorbenen Ehemann erledigt worden. Sie selbst habe sich ausschließlich um ihren im kreativen Bereich liegenden Beruf gekümmert. Ihr Ehemann habe auch für die Vollmacht bezüglich des Girokontos der verstorbenen Mutter gesorgt. Ihr sei überhaupt nicht bewusst gewesen, dass das Girokonto nach dem Tod der Mutter bestanden habe. Offensichtlich habe ihr Ehemann für die Weiterführung des Kontos gesorgt. Dieser habe ihr - wenn er Geld benötigt habe - Schecks oder auch Überweisungsträger vorgelegt, die sie blind unterschrieben habe. Sie habe den Handlungen ihres Ehemannes völlig vertraut. Dass die Witwenrente ihrer verstorbenen Mutter noch auf das Girokonto gezahlt worden sei, sei ihr bis in das Jahr 1999 nicht bekannt gewesen. Ihr Ehemann habe ihr zu den Zahlungseingängen erklärt, dass ihre Eltern Rentenpapiere angelegt hätten, aus denen jetzt Renditen flössen. Die auf dem Konto eingegangenen Beträge seien durch ihren Ehemann, der heimlicher Alkoholiker gewesen sei, verbraucht worden. Wie ihr von Bekannten und Freunden der Familie nach dem Tode des Mannes berichtet worden sei, habe sich dieser in Gaststätten und Kneipen aufgehalten und dort an Pokerrunden und Spielgemeinschaften teilgenommen. Es sei davon auszugehen, dass der größte Teil der von der Klägerin erbrachten Geldleistungen beim Glücksspiel eingesetzt und verloren worden sei. Nach dem Tod ihres Ehemannes habe sie das Girokonto nicht als das ehemalige Rentenkonto der 1981 verstorbenen Mutter angesehen und angenommen, dass es sich bei den Zahlungseingängen um Erträge aus Rentenpapieren handele. Sie habe das Konto dann weiter benutzt und davon Abhebungen getätigt. Auch insofern sei sie jedoch entreichert, weil sie das Geld zur Verbesserung ihres Lebensstandards eingesetzt habe und diese Aufwendungen nicht getätigt hätte, wenn ihr das Guthaben auf diesem Girokonto nicht zur Verfügung gestanden hätte.

Ferner hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und dazu geltend gemacht. Wie sich aus § 50 Abs. 4 des Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X) ergäbe, gelte für Erstattungsansprüche im Sozialverwaltungsverfahren eine Verjährung von vier Jahren. Maßgeblich für den Beginn des Verjährung sei nach § 198 BGB nicht die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Anspruchs, sondern die objektive Möglichkeit, den Anspruch geltend zu machen. Daher beginne der Lauf der Verjährung für jede monatliche Rentenzahlung unmittelbar nach deren Überweisung.

Während des laufenden Klageverfahrens hat sich die Klägerin mit Schreiben vom 19. November 2001 an die H. S. gewandt, und die Erstattung der für die Zeit vom 1. April 1981 bis zum 30. Juni 1999 geleisteten Rentenzahlungen in Höhe von 416.195,40 DM verlangt. Ferner hat die Klägerin die Sparkasse um Auskunft zur Höhe des Kontostandes, zu den Beträgen, über die nach dem Todestag vom Konto verfügt worden sei, zur Person des Verfügenden sowie zur Frage, ob nach dem Todestag eigene Forderungen befriedigt worden seien, gebeten. Dazu hat die Sparkasse mit Schreiben vom 26. November 2000 mitgeteilt, dass das Konto seit dem 2. September 1980 auf den Namen der Beklagten laute. Eine Aufrechnung gegen eigene Forderungen habe nicht stattgefunden. In einem eventuellen Rechtsverfahren möge sich die Klägerin an die Rechtsabteilung der Sparkasse wenden. Ein Anspruch gegenüber der Sparkasse ist von der Klägerin daraufhin nicht weiter verfolgt worden.

Auf Anfrage des Gerichts hat die H. S. mit Schreiben vom 4. April 2002 mitgeteilt, dass die am 10. März 1981 verstorbene Frau O. F. in der Zeit ab dem 2. September 1980 weder Inhaberin noch Bevollmächtigte des angehenden Girokontos gewesen sei. Weitere Unterlagen und Kontoübersichten und Belege sowie Schriftverkehr seien nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren bis einschließlich 1991 vernichtet worden. Kontoauszüge für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 1. November 1999, welche die Klägerin während des Verwaltungsverfahrens bei der Sparkasse angefordert hatte, sind dem Gericht auf Anforderung zur Verfügung gestellt worden. Den Kontostand vom 19. November 1999 hat die Sparkasse mit 38.492,59 DM angegeben.

Mit Urteil vom 17. Juli 2002 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt an die Klägerin 46.968,89 Euro zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Gegen dieses der Klägerin am 1. August 2002 und der Beklagten am 31. Juli 2002 zugestellte Urteil richten sich die am 26. August 2002 bzw. am 2. September 2002 (einem Montag) beim Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht eingelegten Berufungen der Klägerin und der Beklagten.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Klägerin geltend, das Sozialgericht habe nicht beachtet, dass in der zum 29. Juni 2002 in Kraft getretenen Neufassung des § 118 Abs. 4 SGB VI nunmehr eine vierjährige Verjährungsfrist geregelt sei, die mit der Kenntniserlangung des Rentenversicherungsträgers von der Überzahlung und der Person des Erstattungspflichtigen beginne. Die im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachte Klagforderung hat die Klägerin auf 193.143,57 Euro reduziert, ausgehend davon, dass der Differenzbetrag zur ursprünglichen Forderung sich weiterhin auf dem Konto der Beklagten bei der H. S. befindet und sie dessen Rücküberweisung an sie diesem Geldinstitut gegenüber geltend machen will.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. Juli 2002 abzuändern, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und diese zu verurteilen an die Klägerin 193.143,57 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. Juli 2002 aufzuheben, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die Klage vollen Umfangs abzuweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Ausführungen. Die rückwirkende Anwendung der genannten Neuregelung hinsichtlich der Verjährungsfrist hält sie für verfassungswidrig. Auch sei insofern das Rückwirkungsverbot zu berücksichtigen, als nach dem bis zum In-Kraft-Treten des § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI am 1. Januar 1996 geltenden Recht für die Rückerstattung der über den Tod der Rentenberechtigten hinaus gezahlten Beträge das zivilrechtliche Bereicherungsrecht maßgeblich gewesen sei, nach welchem der redliche Bereicherte, sich gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, anders als gegen einen auf § 118 Abs. 1 S. 1 SGB VI gestützten Anspruch.

Die den Versicherten H. F. betreffende Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte haben in der Berufungsverhandlung vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, in der die Beklagte gehört worden ist. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist vollen Umfangs begründet, nachdem sie die Klagforderung reduziert hat um den Betrag der über den Tod der Mutter der Beklagten hinaus gezahlten Hinterbliebenenrente, der bzw. dessen Äquivalent sich noch auf dem Konto der H. S. befindet, auf welches die Rentenzahlbeträge vor und nach dem Tode der Mutter gezahlt worden sind. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Nach der Reduzierung der Klagforderung stellt sich hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage nicht mehr die Frage, ob dieser das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil die Klägerin vor Inanspruchnahme der Beklagten nach § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI sich an die H. S. hätte halten müssen. Denn dieses Geldinstitut ist durch die von der Beklagten vorgenommenen Verfügungen über den Kontostand, abgesehen von dem dort verbliebenen Restbetrag, um den die Klagforderung reduziert worden ist, "entreichert". Die Beklagte hat hinsichtlich des nunmehr nur noch mit der Klage geltend gemachten Betrages anderweitig im Sinne des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB IV durch ihre Abhebungen bzw. Überweisungen von diesem Konto verfügt.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Für alle über 18 Jahre nach dem Tode der Berechtigten, der Mutter, auf das Konto der Beklagten überwiesenen Rentenzahlungen entstand mit jeder neuerlichen monatlichen Rentenüberweisung ein neuer Erstattungs-, Rücküberweisungsanspruch der Klägerin gegen das Geldinstitut. Hätte die Beklagte über den sich damit ansammelnden Kontobestand nicht verfügt, so hätte die Klägerin bei Entdeckung der Tatsache im Jahre 1999, dass die Rentenberechtigte 1981 verstorben war, die gesamten auf das Konto nach dem Tode geflossenen Rentenzahlbeträge von der Sparkasse zurückfordern können. Das heißt, sie hätte ihre monatlich angesammelten Rücküberweisungsansprüche für die 18 Jahre gegenüber dem Geldinstitut erfolgreich geltend machen können. Durch die von der Beklagten in den 18 Jahren der Bank gegenüber wirksam getroffenen Verfügungen - über den jeweiligen Kontobestand - minderte sich dieser für die Rücküberweisung zur Verfügung stehende Betrag, wuchs aber mit jeder neuen Rentenüberweisung wieder an. Saldiert hätte sich der für eine Rücküberweisung durch die Bank zum Zeitpunkt eines entsprechenden Verlangens der Klägerin zur Verfügung stehende Betrag, jeweils beschränkt auf die Summe der Rentenüberweisungen, abzüglich der von Beklagten abgehobenen Beträge bzw. abzüglich des durch Verfügungen der Beklagten geminderten Kontobestands. Mit der Unterhaltung eines Kontos bei einem Geldinstitut verfügt der Kontoinhaber auch damit über dessen Bestand, dass das Geldinstitut Kontoführungsgebühren erhebt. Deren Schuldner ist der Kontoinhaber, hier die Beklagte. In Höhe der Summe der Beträge der einzelnen Verfügungen der Beklagten über das Konto ist das Geldinstitut nicht mehr Schuldner des Erstattungs- bzw. Rücküberweisungsanspruchs der Klägerin. Eine Klage des Rentenversicherungsträgers auf Rücküberweisung, die gestützt auf § 118 Abs. 3 S. 1 und 2 SGB VI gegen das Geldinstitut erhoben würde, wäre unbegründet, soweit mit ihr ein über den Guthabenstand auf dem Konto hinausgehender Betrag gefordert würde, weil dem materiellrechtlichen Rücküberweisungsanspruch insoweit § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI entgegenstünde. Die Klägerin kann damit nicht unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses darauf verwiesen werden, sie müsse sich über das noch auf dem Konto befindliche Guthaben hinaus zunächst an das Geldinstitut wenden, bevor sie ihren Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 S. 1 gegenüber der Verfügenden, der Beklagten, geltend machen kann. Für die hier gegebene Fallkonstellation ist es deshalb unerheblich, ob man nicht nur für eine Klage des Rentenversicherungsträgers für eine auf § 118 Abs. 4 S. 2 SGB VI gestützte Auskunftsklage gegen das Geldinstitut (vgl. BSG, SozR 3 2600 § 118 Nr. 3 SGB VI), sondern auch für eine auf § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI gestützte Zahlungsklage gegen den Empfänger der Geldleistung (vgl. BSG, SozR 3 2600 § 118 Nr. 9 und 10 SGB VI) das Rechtsschutzbedürfnis und nicht etwa nur die sogenannte Passivlegitimation (Anspruchsschuldnerschaft) verneint.

Dem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für diese Klage steht auch, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht entgegen, dass diese die Forderung nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht hat. Die rechtliche Möglichkeit, Forderungen nach § 118 Abs. 4 SGB VI durch Verwaltungsakt geltend zu machen, ist der Beklagten erst durch die Neufassung dieser Vorschrift durch Gesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. I, 267) ab dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes zum 29. Juni 2002 eingeräumt worden. Vor diesem Datum erhobene Klagen werden damit nicht unter diesem Gesichtspunkt mit Inkrafttreten der Neuregelung unzulässig (vgl. BSG, SozR 3 2600 § 118 Nr. 10).

In der Höhe der nunmehr reduzierten Klagforderung besteht der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI gegen die Beklagte. Ein Verschuldensvorwurf gegen den Verfügenden setzt dieser Erstattungsanspruch nicht voraus, da die Geldleistungen für die Zeit nach dem Tode des Berechtigten von vornherein als unter Vorbehalt erbracht gelten, § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI. Aus demselben Grund ist der Verfügende auch mit einem Entreicherungseinwand ausgeschlossen. Es finden auch die Vorschriften über Rücknahme bzw. Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Sozialleistungen bewilligt worden sind (§§ 45 ff des Sozialgesetzbuchs, 10. Buch - SGB X -), keine Anwendung, und zwar grundsätzlich auch keine entsprechende, wie sich schon daraus ergibt, dass § 118 Abs. 4 SGB VI eine Verweisung, wie sie in § 50 Abs. 2 S. 2 SGB X geregelt ist, nicht vorsieht. Der Anspruch nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI besteht selbständig gegenüber dem gemäß § 118 Abs. 4 S. 3 SGB VI unberührt bleibenden Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X (vgl. BSG, SozR 3 2600 § 118 Nr. 2).

Die Erstattungsforderung der Klägerin ist auch nicht verjährt, auch nicht zum Teil, wie das Sozialgericht angenommen hat. Entgegen dessen Auffassung vermag der Senat den Verjährungsregelungen der §§ 45 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Erstes Buch (SGB I), §§ 25 Abs. 1 S. 1 und 27 Abs. 2 S. 1 des Sozialgesetzbuchs, Viertes Buch (SGB IV) und denjenigen der §§ 50 Abs. 4 sowie 113 Abs. 1 SGB X keineswegs im Wege der sogenannten Gesamtanalogie einen Rechtssatz entnehmen, wonach im Bereich des Sozialrechts allgemein eine vierjährige Verjährungsfrist zu gelten habe, die jeweils mit dem Entstehen des Anspruchs bzw. der Ansprüche, hier mithin den Zeitpunkten der Verfügungen der Beklagten über die nach dem Tode ihrer Mutter auf das Konto bei der H. S. weiter gezahlten Beträge, beginnt. Der Regelung des § 50 Abs. 4 SGB X ist vielmehr ohne weiteres Gegenteiliges zu entnehmen. Bei zu Unrecht gezahlten Sozialleistungen bzw. vermeintlich als Sozialleistungen erbrachten fehlgeschlagenen Sozialleistungen, wie z. B. Rentenzahlungen, die zu deren Empfangnahme nicht berechtigten Rechtsnachfolgern, insbesondere Erben für Zeiten nach dem Tode des Berechtigten, zugeflossen sind, will das Sozialgesetzbuch die Verjährung nicht mit dem Zeitpunkt des Zuflusses der Leistungen beginnen lasse, sondern erst mit dem Zeitpunkt, zu dem die Erstattungsforderung durch Verwaltungsakt festgesetzt worden ist. Für solche nach § 118 Abs. 4 S. 3 (bzw. nunmehr S. 5) SGB VI unberührt bleibenden Ansprüche gegen den oder die Erben gibt es keine weitere Verjährungsregelung im Sozialrecht, die zusätzlich auf den Zeitpunkt des materiellen Entstehens der Rückforderungslage abstellt und etwa insofern noch einen zusätzlichen kumulativ zu prüfenden Fristbeginn einer weiteren regelmäßig früher ablaufenden vierjährigen Verjährungsfrist begründen würde. Die dessen Entscheidung letztlich nicht tragenden Ausführungen des LSG Chemnitz im Urteil vom 12. Oktober 1999, Az.: L 5 RI 89/99, mit dem dieses sich für eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs. 1 SGB I ausgesprochen hat, vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Sie werden letztlich allein damit begründet, dass eine angemessene Verjährung bestehen müsse, welche die Beklagte zwinge, den Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI noch innerhalb einer überschaubaren Zeit durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Einen solchen sozialrechtlichen Rechtssatz gibt es nicht, wie wiederum den Regelungen des § 50 Abs. 2, 3 und SGB X zu entnehmen ist. Danach sind für ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachte Leistungen, abgesehen von der Regelung des § 50 Abs. 4 SGB X, keine besonderen sozialrechtlichen Verjährungsfristen zu berücksichtigen, die auf den Zeitpunkt des materiellrechtlich rechtswidrigen Zufluss der Leistung abstellen. Allerdings sind auf Erstattungsansprüche wegen solcher Leistungen die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend anzuwenden. Von den dortigen Fristenregelungen, welche zeitlich die Rücknahme bzw. rückwirkende Aufhebung aufgrund Verwaltungsakts zu Unrecht erbrachter Leistungen regeln, kommt bei ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Leistungen aber nur diejenige des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X in Betracht, weil die anderen Regelungen auf durch einen begünstigenden Verwaltungsakt begründete besondere Schutztatbestände abstellen und die reine Weiterzahlung einer Leistung ohne zugrunde liegenden Verwaltungsakt keine ähnliche Bedeutung und Wirksamkeit wie ein solcher hat (BSG, SozR 3 1300 § 50 SGB X). Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X hätte die Beklagte eingehalten, wenn § 50 Abs. 2 S. 2 SGB X wiederum entsprechend auf den Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI anzuwenden wäre.

Eine - teilweise - Verjährung des Erstattungsanspruchs der Klägerin ergibt sich auch nicht nach dem vor In-Kraft-Treten des § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI zum 1. Januar 1996 diesen regelnden Zivilrecht (vgl BSGE 32, 145; 61,11; BVerwGE 84,274; BGHZ 71,180; 73,202). Danach verjährten bis dahin die insoweit einzig in Betracht kommenden Bereicherungsansprüche der §§ 812 und 816 BGB bzw. Ansprüche aus unerlaubter Handlung der §§ 823 und 826 BGB in der seinerzeit geltenden Fassung des BGB bzw. dessen Verjährungsregelungen, §§ 195, 198 BGB a. F. in 30 Jahren nach der rechtsgrundlosen bzw. rechtswidrigen Vermögensverschiebung oder unerlaubten Handlung bzw. in 3 Jahren nach Kenntnis des Geschädigten von letzterer, bei Erhaltung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 852 Abs. 3 BGB a. F. Etwas anderes galt nur für die Verjährung von Bereicherungsansprüchen hinsichtlich der Rückforderung von Leistungen, die ihrerseits einer besonderen kürzeren Verjährungsfrist, z. B. §§ 196,197 BGB a. F. unterlagen, dann sollte deren Verjährungsfrist auch für den Bereicherungsanspruch gelten. Aus letzterem lässt sich aber für die Zeit vor Inkrafttreten des § 118 Abs. 4 SGB VI gerade keine Geltung der Verjährungsfrist des § 45 SGB I für den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch in der Zeit bis zum 31. Dezember 1995 herleiten, weil die auf das Konto der Beklagten nach dem Tode der Rentenberechtigten gezahlten Beträge ihre Eigenschaft als Sozialleistungen mit deren Tode verloren hatten,(vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe NJW 1988, 1920). Die Frage einer verfassungsrechtlichen Problematik der aus § 300 Abs. 1 SGB VI zu folgernden Geltung des § 118 Abs. 4 SGB VI (BSG SozR 3 1500 § 54 Nr. 45) auch für Geldleistungen i.S. des § 118 Abs. 1 S. 1 SGB VI, die vor In-Kraft-Treten dieser Vorschrift erbracht worden sind, stellt sich damit unter dem Gesichtspunkt der Verjährung letztlich überhaupt nicht. Die Einfügung dieser Regelung in das SGB VI hat insofern nur die Bedeutung, dass über bis dahin noch nicht verjährte Rückforderungsansprüche statt der Zivilgerichte die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden haben.

Eine verfassungsrechtlich relevante Rückwirkungsproblematik ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Entreicherungseinwands, wie mit der Berufung von der Klägerin geltend gemacht wird. Die Regelung des § 818 Abs. 3 BGB lässt ihn gegen den zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch zwar grundsätzlich zu, die Regelung des § 118 Abs. 4 SGB VI, wie oben dargetan, hingegen nicht. In einen Entreicherungseinwand, wenn man ihm die Bedeutung eines gegenüber Gesetzesänderungen gesicherten Vermögensbestandteils beimessen würde, könnte aber nur durch eine Gesetzesänderung rückwirkend eingegriffen werden, wenn er vor dieser vom zunächst Bereicherten erfolgreich hätte erhoben werden können. Das ist hier nicht der Fall, allein schon deshalb nicht, weil die Klägerin im von der Beklagten als Kontoinhaberin am 2. Oktober 1980 unterzeichnetem Formular für die Überweisung der Rente auf ein Konto eines Familienangehörigen des Rentenberechtigten, "Zahlungsempfängers" die o. g. (S. 3) Verpflichtungserklärung gefordert hatte, welche die Beklagte - den Vorgaben im Formular genügend - im eigenen Namen unterzeichnet hatte. Dieser Erklärung im Formularvordruck der Beklagten lässt sich letztlich, faktisch für jeden erkennbar, entnehmen, dass sie sich insbesondere auf den Fall des Todes des Rentenberechtigten beziehen sollte. Sie enthielt für diesen Fall einen ausdrücklich zwischen dem nicht mit dem Rentenberechtigten identischen Kontoinhaber und dem Rentenversicherungsträger vereinbarten Vorbehalt, der dem nunmehr in § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI gesetzlich geregelten entspricht. Auf Leistungen, die unter Vorbehalt erbracht oder angenommen werden, ist § 820 BGB, der den Entreicherungseinwand durch Verweisung auf § 818 Abs. 4 BGB ausschließt entsprechend anwendbar (Palandt (Sprau) BGB 61. Aufl., 2002, § 820 Rdn. 5; BGH WM 88, 1494).

Dem zivilrechtlichen Entreicherungseinwand steht nach § 819 BGB überdies die Kenntnis des Empfängers von der Rechtsgrundlosigkeit des Empfangs entgegen. Der Empfänger muss sich dabei die Kenntnis dessen, den er mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Vermögensverschiebung betraut hat oder dem er die Benutzung seines Kontos für eigene Zwecke gestattet hat, zurechnen lassen (BGH NJW-RR 01, 127). Die Beklagte musste sich auch unter Zugrundelegung ihres eigenen Vortrags mithin hinsichtlich der Zahlungseingänge auf dem Konto und der Verfügungen über diese die Kenntnis ihres im Jahre 1995 verstorbenen Ehemanns zumindest bis dahin nach § 819 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Am 1. Januar 1996 trat die Regelung des § 118 Abs. 4 SGB VI in Kraft. Selbst abgesehen von der verschärften Haftung nach § 820 BGB wäre mithin unter dem Gesichtspunkt der Entreicherung allenfalls eine Schlechterstellung der Beklagten wegen der zwischen dem Tode ihres Ehemanns und dem 31. Dezember 1995 geflossenen Zahlungen bzw. getätigten Verfügungen durch das Inkrafttreten des § 118 Abs. 4 SGB VI gegenüber dem zuvor den konkreten Rückerstattungsanspruch regelnden Zivilrecht denkbar, wenn die Voraussetzungen eines Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB hinsichtlich dieser Zahlungen bzw. des durch die Verfügungen Erlangten überhaupt vorlägen und die Beklagte selbst keine Kenntnis davon gehabt hätte, dass es sich bei den Zahlungseingängen auf dem Konto um die nach dem Tode ihrer Mutter fortgezahlte Rente gehandelt hat. Der Senat hat allerdings erhebliche Zweifel an dieser vorgetragenen eigenen Unkenntnis der Beklagten. Es kommt im Hinblick auf ihre ohnehin nach § 820 BGB gegebene verschärfte Haftung im Rahmen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs hierauf im Ergebnis nicht an. Das In-Kraft-Treten des § 118 Abs. 4 BGB zum 1. Januar 1996, hat zu keiner materiellrechtlichen Schlechterstellung der Klägerin geführt. Es stellt sich unter keinem Gesichtspunkt die Frage einer verfassungsrechtlich bedenklichen Rückwirkung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision durch den Senat nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
Saved