S 9 KR 279/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 279/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 202/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 20/17 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung für eine Kapitallebensversicherung.

Der 1950 geborene Kläger bezieht eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und ist bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Am 01.10.2013 erhielt der Kläger von der C. Lebensversicherung AG eine Kapitallebensversicherung der betrieblichen Altersversorgung in Höhe von 43.515,66 EUR. Mit Bescheid vom 08.10.2013 berechnete die Beklagte von der Kapitallebensversicherung Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Der Arbeitgeber des Klägers, die D. AG schloss bei der E. Lebensversicherungs-AG einen Versicherungsvertrag als Direktversicherung ab. Versicherte Person war der Kläger. Versicherungsbeginn war der 01.10.2001. Die Beiträge wurden als Einmalprämie eingezahlt. Ab 01.12.2001 ist der Kläger Versicherungsnehmer geworden, nachdem das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2001 beendet gewesen ist. Der Kläger erhob gegen den Beitragsbescheid Widerspruch, den die Beklagte zurückwies. Gegen den Widerspruchsbescheid ist keine Klage erhoben worden.

Mit Schreiben vom 12.06.2014 legte der Kläger Einspruch bei der Beklagten gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.05.2014 ein. Mit Schreiben vom 26.10.2014 wandte sich der Kläger erneut gegen die Beitragsforderung der Beklagten. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Antrag gemäß § 44 SGB X und lehnte mit Bescheid vom 25.11.2014 den Antrag des Klägers auf Überprüfung des bestandskräftigen Bescheides ab, da der Kläger keine neuen Argumente vorgetragen habe, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Bescheides ergeben würde. Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, es handele sich bei der Lebensversicherung nicht um Versorgungsbezüge sondern um Einkünfte aus Kapitalvermögen. Diese Einkünfte dürften der Beitragsberechnung nicht zugrunde gelegt werden. Zur Begründung legte der Kläger den Einkommensteuerbescheid sowie ein Schreiben der C. Lebensversicherung AG vor. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 zurück. Bei der ausgezahlten Lebensversicherung handele es sich um eine Direktversicherung und damit um eine betriebliche Altersversorgung. Ausreichend sei, dass der Versicherungsvertrag vom damaligen Arbeitgeber abgeschlossen worden sei und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt seien. Es werde weder danach unterschieden, wer die Beiträge gezahlt habe, noch ob davon bereits Beiträge zur Krankenversicherung entrichtet worden seien. Bei einer Kapitalleistung handele es sich um eine Rente der betrieblichen Altersversorgung, wenn der Vertrag vom Arbeitgeber abgeschlossen worden sei und solange der Arbeitgeber Versicherungsnehmer sei. Erst wenn der Arbeitnehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheide und es zu einer Übertragung des Vertrages auf den Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer komme, gelte dieser Teil nicht mehr als Rente der betrieblichen Altersversorgung. Der Kläger habe den vom ehemaligen Arbeitgeber abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag mit Wirkung vom 01.12.2001 als Privatversicherung fortgesetzt. Ab diesem Zeitpunkt sei er Versicherungsnehmer gewesen, jedoch habe die C. Lebensversicherung AG bestätigt, dass nach dem Versicherungsnehmerwechsel keine privaten Beiträge mehr entrichtet wurden.

Mit der am 02.06.2015 beim Sozialgericht Gießen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Beitragsbescheide. Der Kläger vertritt die Ansicht, bei der Kapitallebensversicherung handele es sich nicht um einen beitragspflichtigen Versorgungsbezug. Er habe eine Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen und im September 2001 eine Abfindung zusammen mit dem laufenden Gehalt und einer Sonderzahlung erhalten. Hiervon habe er die Einmalprämie in Höhe von 26.238,00 EUR über die Firma F. an die E. Lebensversicherungs-AG gezahlt. Die Abfindung, die wegen der Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung gezahlt werde, erfülle regelmäßig nicht die Einordnung als Arbeitsentgelt, weil sie keine Verbindung zum arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis habe.

Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom 08.10.2013, 25.11.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 aufzuheben und die Sprungrevision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und weist darauf hin, dass es sich bei der Direktversicherung auch dann um eine betriebliche Altersversorgung handele, wenn die Prämien für die Direktversicherung in Form einer Einmalzahlung aus einer vom Arbeitgeber gewährten Abfindung gezahlt wurden.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Parteien, wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat zutreffend von der Kapitallebensversicherung der C. Lebensversicherung Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der bestandskräftige Bescheid vom 08.10.2013 ist rechtmäßig.

Bei krankenversicherungspflichtigen Rentnern unterliegen neben der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung auch Versorgungsbezüge der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 238 SGB V i. V. m. § 229 SGB V). Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V). Zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gehören auch Renten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung gezahlt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine Direktversicherung als Versorgungsbezug anzusehen, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 25.04.2007, Az. B 12 KR 25/05 R).

Das Heranziehen von Kapitallebensversicherungen zur Beitragspflicht verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer anschließt, bestehen gegen die Heranziehung von Versorgungsbezügen in der Form der nicht wiederkehrenden Leistungen verfassungsrechtliche Bedenken auch dann nicht, wenn das entsprechende Rechtsverhältnis bereits vor dem 01.01.2004 abgeschlossen wurde (vgl. u. a. Urteil des BSG vom 13.09.2006, Az. B 12 KR 5/06 R, Urteil vom 25.04.2007, Az. B 12 KR 26/05 R). Die Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 07.04.2008, Az. 1 BvR 1924/07). In dem Nichtannahmebeschluss hat das Bundesverfassungsgericht u. a. ausgeführt, die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Sie bilde ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Stärkung der Finanzgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung. Den betroffenen Personen seien die damit verbundenen Folgen zumutbar. Der Gesetzgeber sei von Verfassungswegen berechtigt, die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liege nicht vor, da es keine Unterschiede zwischen laufend gezahlten Versorgungsbezügen und nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistungen identischen Ursprungs und gleicher Zwecksetzung, insbesondere einmalige Kapitalleistungen aus Direktversicherung, gebe. Beide Leistungen knüpften an ein Dienst- oder Beschäftigungsverhältnis an und seien Teil einer versicherungsrechtlich organisierten, durch Beiträge gestalteten zusätzlichen Altersversorgung, welche dem Versicherten nach dem Eintritt des Versicherungsfalls einen unmittelbaren Leistungsanspruch vermittle. Sie unterschieden sich alleine durch die Art der Auszahlung. Die Neuregelung der Beitragspflicht auf einmalige Kapitalleistungen verstoße auch nicht gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz. Die Regelung gestalte ein öffentlich-rechtliches Versicherungsverhältnis erst mit Wirkung für die Zukunft. Im Übrigen hätten die Betroffenen nicht in den Fortbestand der Rechtslage, welche die nicht wiederkehrenden Leistungen gegen andere Versorgungsbezüge privilegiere, vertrauen können.

Bei der von der C. Lebensversicherung AG an den Kläger ausgezahlten Kapitallebensversicherung handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung in diesem Sinne. Der Arbeitgeber des Klägers hat für den Kläger eine Direktversicherung abgeschlossen. Nach Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft auf den Kläger sind keine Beiträge vom Kläger mehr entrichtet worden, so dass die Beklagte auch zutreffend den gesamten Auszahlungsbetrag der Beitragsbemessung zugrunde gelegt hat.

Auch die Zahlung einer Einmalprämie aus der dem Kläger vom Arbeitgeber gewährten Abfindung ändert nichts daran, dass es sich bei der Kapitalleistung der C. Lebensversicherung AG um eine betriebliche Altersversorgung handelt. Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ist nach Sinn und Zweck der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften auszulegen. Eine strenge Bindung an die Definition des BetrAVG besteht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12.11.2008, Az. B 12 KR 6/08 R) nicht, da im Rahmen des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V kein nachweisbarer Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben erforderlich ist, sondern eine betriebliche Altersversorgung dann vorliegt, wenn es sich um Bezüge vom früheren Arbeitgeber oder von bestimmten Institutionen handelt, bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu dieser Sicherungsform und einer Erwerbstätigkeit besteht. Es ist also für die Frage, ob es sich um eine betriebliche Altersversorgung handelt ohne Bedeutung, wer die Beiträge gezahlt hat oder ob die Beiträge als Einmalzahlung aus einer Abfindung entrichtet worden sind, da allein der Charakter der gewählten Versicherungsform für die Beurteilung, ob eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V vorliegt, maßgebend ist (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.11.2013, Az.: L 5 KR 5/13).

Die Beklagte hat auch entsprechend der Vorschrift des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V die Beiträge zur Krankenversicherung berechnet.

Die Beitragspflicht zur sozialen Pflegeversicherung aus der Kapitalleistung ergibt sich aus § 7 Abs. 1 SGB XI.

Aus den vorgenannten Gründen konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Sprungrevision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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