Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 7 KR 344/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 210/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 1/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten für eine Abdominalplastik und eine Bruststraffung.
Der Kläger (geb. 1997) ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Im Alter von 14 Jahren litt er an hochgradiger Adipositas (160 kg bei 160 cm). Infolgedessen kam es beidseits zur Entwicklung von Brüsten (Gynäkomastie). In den folgenden zweieinhalb Jahren reduzierte er sein Gewicht durch konsequente Ernährungsumstellung und regelmäßigen Sport um mehr als 60 kg auf 97 kg bei einer Körpergröße von 180 cm.
Durch die extreme Gewichtsreduktion nach zunächst übergewichtsbedingter Gynäkomastie bildeten sich bei dem Kläger beidseitig Hautlappen im Brustbereich (Diagnose: Perimamilliäre Hauthypertrophie bds. bei Zustand nach Gynäkomastie bds. infolge passagerer Adipositas per magna, vgl. Arztbrief des Urologen C., Bl. 5 f. der Verwaltungsakte der Beklagten). Das Agaplesion Markuskrankenhaus stellte am 03.11.2014 folgende Diagnosen: Lokalisierte Adipositas am Bauch, Gynäkomastie Tanner Stadium IV beidseits, Z.n. Gewichtsreduktion von 60 kg. Vorgeschlagen als Therapie wurde eine Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik mit Nabelverlagerung und Bruststraffung beidseits. In dem Attest heißt es weiter, der schmerzhafte Hautlappen am Bauch behindere den Patienten in seinen Aktivitäten des täglichen Lebens und beim Sport. Die Hautlappen rieben aneinander und entwickelten wiederkehrende Infektionen im Bereich der Unterbauchfalte. Die beiden Brüste zeigten weibliche Formen nach Klassifikation Tanner Stadium IV ohne Herdbefunde bei der durchgeführten Sonografie. Eine entsprechende Operation befürworten auch die Gynäkologinnen D. und Dr. E. mit Bericht vom 01.10.2014, die einen Hautüberschuss bei gut trainierter Brustmuskulatur bestätigen. Die Hausärztin Dr. F. befürwortete mit Attest vom 25.11.2014 ebenfalls den Eingriff als aus psychischen Gründen notwendig.
Mit am 27.11.2014 bei der Beklagten eingegangenem Antrag beantragte der Kläger unter Vorlage dieser ärztlichen Bescheinigungen einen operativen Eingriff zur Entfernung der überschüssigen Haut. Diese hänge stark herunter und durch den regelmäßigen Sport bildeten sich Entzündungen sowie schmerzende und juckende Stellen. Die Hautlappen bildeten sich trotz intensiven Straffungstrainings im Fitnesscenter nicht zurück. Er habe deswegen Komplexe und fühle sich insbesondere im Schwimmbad ständig angestarrt.
Mit Schreiben vom 23.12.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass über seinen Antrag noch nicht entschieden werden könne. Es sei erforderlich ein Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) einzuholen. Hierzu fehlten noch Unterlagen, die mit Schreiben vom 02.12.2014 angefordert worden, aber noch nicht eingetroffen seien. Möglichst bis zum 13.01.2015 einzureichen seien eine aussagekräftige Fotodokumentation und ggf. ein dermatologischer Bericht. Mit Schreiben vom 27.12.2014 erklärte der Kläger, dass er auf die Anforderung vom 02.12.2014 die gewünschten Unterlagen per Email am 19.12.2014 an g.g@xxx.de geschickt habe, fügte die Unterlagen aber nochmals bei.
Mit Schreiben vom 29.12.2014 beauftragte die Beklagte den MDK mit einer Begutachtung des Klägers. Mit sozialmedizinischem Gutachten nach Aktenlage vom 07.01.2015 kam Dr. med. H., Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin, zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme nicht zu befürworten sei. Die Gynäkomastie sei selbst keine Erkrankung, sondern Symptom, z.B. einer Adipositas. Weder an Bauch noch Brust sei die Hautfaltenbildung so ausgeprägt, dass mechanische Beschwerden hierdurch nachvollziehbar seien. Auch eine Entstellung im Sinne einer Auffälligkeit, die sich schon bei flüchtiger Begegnung bemerkbar mache, sei den Fotografien nicht zu entnehmen. Durch die überhängende Bauchdecke verursachte Hautreizungen könnten nur eine Operation begründen, wenn sie ständig aufträten und nicht sonst behandelbar seien; vorrangig sei insoweit eine fachdermatologische Behandlung. Derartige krankhafte Veränderungen seien hautärztlich nicht beschrieben bzw. dokumentiert. Psychische Beschwerden seien evtl. mit entsprechender Therapie zu behandeln. Im Übrigen seien die Ernährungsumstellung und das Training weiterzuführen. Empfohlen werden eine sorgfältige Hautpflege, das Tragen angepasster Kleidung, psychische Maßnahmen und eine weitere Gewichtsreduktion.
Mit Bescheid vom 13.01.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab unter Verweis auf das Gutachten.
Am 29.01.2015 erhob der Kläger Widerspruch unter Vorlage eines Attests der Hausärztin Dr. F. vom 21.01.2015, die unter Hinweis auf die starke psychische Belastung die begehrte Operation als notwendig und wirtschaftlich gegenüber voraussichtlichen Kosten einer Psychotherapie bezeichnete. Angeregt wurde auch eine persönliche Begutachtung.
Nach persönlicher Begutachtung des Klägers durch Dr. med. J. am 24.03.2015 bestätigte der MDK seine negative Empfehlung. Auf ein weiteres Schreiben des Klägers nebst ärztlichem Attest unter Hervorhebung der psychischen Belastung erfolgte eine Begutachtung durch Dr. med. K. vom MDK nach Aktenlage. Der MDK schloss sich darin der Beurteilung des Vorgutachters an und verwies wegen der geltend gemachten Gefahr einer Depression auf eine vorrangige Behandlung durch Psychotherapie.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 14.07.2015 Klage zu dem Sozialgericht Gießen erhoben. Er begehrt Kostenerstattung für die inzwischen in einer Fachklinik in der Türkei durchgeführte Operation. Vorgelegt wird eine Privatrechnung vom 07.08.2015 über 12.727,88 Lyra; bei dem damaligen Wechselkurs entspreche dies rund 4.200,00 EUR. Zur Begründung verweist der Kläger auf Atteste des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten L. vom 16.11.2015 (Diagnosen: Atypische Bulimia nervosa, Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung, Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem aufsässigen Verhalten) und der Hausärztin Dr. F. vom 09.12.2015, die einen sozialen Rückzug, starke Depressionen und suizidale Absichten attestiert.
Der Kläger beantragt (wörtlich),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2015 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für eine Abdominalplastik und Bruststraffung in Höhe von 4.200,00 EUR (12.727,88 türkische Lyra) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angegriffenen Bescheide für rechtmäßig. Ergänzend führt sie aus, zugelassene Leistungserbringer seien grundsätzlich nur Vertragsärzte im Inland. Nicht zugelassene Leistungserbringer könnten nur ein Anspruch genommen werden, wenn die notwendige medizinische Versorgung unter Ausschöpfung der vorhandenen Leistungserbringer nicht realisierbar sei. Selbst unter Berücksichtigung zwischenstaatlicher Abkommen sowie der Rechtsprechung des BSG zur Leistungserbringung im Ausland sei nicht erkennbar, warum die Behandlung nur in der Türkei hätte ausgeführt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung von 4.200,00 EUR (12.727,88 türkische Lyra) für die in der Türkei durchgeführte Abdominalplastik und Bruststraffung.
Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Hiernach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alternative) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Alternative) und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Hier handelt es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V. Eine unaufschiebbare Leistung liegt vor, wenn eine vorherige Entscheidung der Beklagten vor Therapiebeginn nicht zu erreichen war. Gemeint ist damit ein akuter medizinischer Notfall, der ein Abwarten des Versicherten auf die Entscheidung der Krankenkasse unzumutbar macht (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 12.01.2012 - L 5 KR 49/10 -, juris, Rn. 25). Eine solche Konstellation scheidet hier aus, denn der Kläger hat ordnungsgemäß vor Inanspruchnahme der Behandlung die begehrte Leistung beantragt und eine Entscheidung der Beklagten abgewartet.
In Betracht kommt daher nur ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V. Dies setzt voraus, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht ablehnt und dem Versicherten dadurch für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der Kostenerstattungsanspruch besteht, soweit die Leistung notwendig war.
Dieser Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben (BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 8/12 R -, juris).
Versicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V wie auch der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 12 SGB V).
Bei der Hautlappenbildung im Bauch- und Brustbereich im Zustand nach Adipositas mit beidseitiger Gynäkomastie handelt es sich nicht per se um eine Krankheit, sondern – wie der MDK zu Recht ausgeführt hat – um ein Symptom, das bei hormonellen oder tumorösen Erkrankungen auftreten kann, als normale physiologische Veränderung – z.B. bei Neugeborenen, in der Pubertät, im Alter und bei Adipositas – oder als Normvariante (vgl. Bl. 28 der Verwaltungsakte der Beklagten). Bei dem Kläger ist die Hautlappenbildung nach den übereinstimmenden Diagnosen seiner behandelnden Ärzte auf einen Zustand nach Adipositas mit beidseitiger Gynäkomastie zurückzuführen. Damit handelt es sich im Ausgangspunkt um eine normale physiologische Veränderung.
Einen Krankheitswert kann die Hautlappenbildung im Bauch- und Brustbereich dann haben, wenn diese ihrerseits Erkrankungen hervorruft, die unmittelbar nicht behandelbar sind, sondern nur mittelbar durch operative Entfernung der Hautlappen. Dies kommt in Betracht, wenn durch den Hautüberschuss ständige Hautreizungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen auftreten, die sich als dauerhaft therapieresistent erweisen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 – L 4 KR 60/04 , juris, Rn. 23). Zwar haben die Ärzte des Agaplesion Markuskrankenhauses von wiederkehrenden Infektionen zumindest im Bereich der Unterbauchfalte berichtet. Im Einzelnen (fach)ärztlich dokumentiert ist dies jedoch nicht.
Der Kläger beruft sich vielmehr auf eine entstellende Wirkung der Hautlappenbildung im Bauch- und Brustbereich und eine hieraus resultierende depressive Erkrankung. Insoweit erachtet die Kammer die aktenkundigen Fotos des Klägers als ausreichend, um das Nichtvorliegen einer Entstellung beurteilen zu können. Eine Entstellung kann nur vorliegen, wenn sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in der alltäglichen Situation "im Vorbeigehen" bemerkbar macht. Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Entstellung ist daher vom bekleideten Zustand des zu Beurteilenden auszugehen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 – L 4 KR 60/04 –, juris, Rn. 24 m.w.N.). Die Fotos vom Kläger zeigen einen relativ schlanken jungen Mann, bei dem im Bauch- und Brustbereich ein Hautüberschuss besteht. Im Bauchbereich ist bereits im unbekleideten Zustand angesichts einer nur leichten Hautfalte keine Entstellung zu ersehen. Im Brustbereich zeichnen sich zwar Hautlappen ab. Aber auch diese haben keinen solchen Umfang, dass diese ersichtlich abnorm wären. Im bekleideten Zustand dagegen lassen sich gar keine Auffälligkeiten erkennen. Der Kläger hat zwar geschildert, dass er sich nicht unbekleidet zeigen mag, was Auswirkungen auf sein Freizeit- und sein sonstiges soziales Verhalten habe. Für die Annahme einer Regelabweichung ist jedoch allein ein objektiver Maßstab entscheidend. Danach liegt eine schwere Entstellung erst dann vor, wenn sie beim durchschnittlichen Menschen üblicherweise Missempfinden wie Erschrecken oder Abscheu oder eine anhaltende Abneigung auszulösen vermögen. Dies ist beim Kläger objektiv ausgeschlossen.
Inwieweit sich aus dem subjektiven Gefühl der Entstellung eine psychische Erkrankung entwickelt hat, kann dahinstehen. Denn auch dies würde nicht zu einem Anspruch des Klägers auf die begehrte Operation führen. Ein Leistungsanspruch auf eine Heilbehandlung in Form eines körperlichen Eingriffs besteht nicht, wenn diese Maßnahme nicht durch eine Fehlfunktion oder durch eine Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand, indiziert wird. Operationen am krankenversicherungsrechtlich betrachtet gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, sind keine Behandlungen im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 3/03 R –, juris; BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 –, juris).
Diesem Maßstab folgend hat die Beklagte die Bewilligung der begehrten Operation grundsätzlich zu Recht abgelehnt.
Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte über den am 27.11.2014 eingegangen Antrag erst mit Bescheid vom 13.01.2015 – also nach Ablauf von mehr als fünf Wochen – entschieden hat, kommt allerdings grundsätzlich der Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V in Betracht.
Ob unter diesem Gesichtspunkt insbesondere in dem Schreiben der Beklagten vom 27.12.2014 die Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die verzögerte Entscheidung im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gesehen werden kann und ob die fragliche Operation Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R –, juris, Rn. 26), kann vorliegend allerdings dahinstehen.
Denn der Kläger kann in keinem Fall Kostenerstattung für die in der Türkei vorgenommene Operation beanspruchen.
Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Staaten) oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V dürfen dabei nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden (§ 13 Abs. 5 Satz 1 SGB V). Da die Türkei jedoch nicht zu den vorgenannten Staaten gehört, scheidet die Anwendung dieser Vorschrift aus.
§ 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V ermöglicht im Übrigen nur eine Übernahme von Kosten für eine erforderliche Behandlung im Ausland, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Eine Abdominal- und Bruststraffung kann ebenso in Deutschland durchgeführt werden. Dass die diesbezüglichen Kosten dem Kläger ggf. zunächst privat in Rechnung gestellt worden wären, ändert hieran nichts.
Ebenso scheidet eine Kostenübernahme nach Maßgabe von § 18 Abs. 3 Satz 1 SGB V aus, der im Fall eines vorübergehenden Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Kostenübernahme für eine unverzüglich erforderliche Behandlung vorsieht. An einem solchen unverzüglichen Behandlungserfordernis fehlt es hier ersichtlich.
Der Kläger kann sich auch nicht auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.04.1964 berufen.
Nach Art. 4a Satz 1 des Abkommens gelten – soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt – die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängig ist, nicht für Staatsangehörige der Vertragsparteien, die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. b des Abkommens gilt dies aber nur für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt. Dies war bei dem Kläger ersichtlich nicht der Fall.
Dessen ungeachtet hat der Kläger offensichtlich auch keinen Sachleistungsanspruch der nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zuständige "Sosyal Sigortalar Kurumu" (Sozialversicherungsanstalt) in Anspruch genommen. Der Kläger hat noch nicht einmal vorgetragen, dass er sich um entsprechende Sachleistungen des türkischen Leistungsträgers bemüht hätte, sondern nur eine Privatrechnung vorgelegt.
Darüber hinaus bestimmt Art. 15 Abs. 3 des Abkommens, dass bei Anwendung von Art. 4a des Abkommens Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt werden, wenn der zuständige Träger zustimmt. Die Beklagte hat jedoch nicht zugestimmt. Unbedingte Dringlichkeit für Brust- und Bauchstraffung lag – wie ausgeführt – nicht vor. Bei umgerechnet rund 4.200 EUR Behandlungskosten war auch von einer erheblichen finanziellen Bedeutung auszugehen.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen des Klägers.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten für eine Abdominalplastik und eine Bruststraffung.
Der Kläger (geb. 1997) ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Im Alter von 14 Jahren litt er an hochgradiger Adipositas (160 kg bei 160 cm). Infolgedessen kam es beidseits zur Entwicklung von Brüsten (Gynäkomastie). In den folgenden zweieinhalb Jahren reduzierte er sein Gewicht durch konsequente Ernährungsumstellung und regelmäßigen Sport um mehr als 60 kg auf 97 kg bei einer Körpergröße von 180 cm.
Durch die extreme Gewichtsreduktion nach zunächst übergewichtsbedingter Gynäkomastie bildeten sich bei dem Kläger beidseitig Hautlappen im Brustbereich (Diagnose: Perimamilliäre Hauthypertrophie bds. bei Zustand nach Gynäkomastie bds. infolge passagerer Adipositas per magna, vgl. Arztbrief des Urologen C., Bl. 5 f. der Verwaltungsakte der Beklagten). Das Agaplesion Markuskrankenhaus stellte am 03.11.2014 folgende Diagnosen: Lokalisierte Adipositas am Bauch, Gynäkomastie Tanner Stadium IV beidseits, Z.n. Gewichtsreduktion von 60 kg. Vorgeschlagen als Therapie wurde eine Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik mit Nabelverlagerung und Bruststraffung beidseits. In dem Attest heißt es weiter, der schmerzhafte Hautlappen am Bauch behindere den Patienten in seinen Aktivitäten des täglichen Lebens und beim Sport. Die Hautlappen rieben aneinander und entwickelten wiederkehrende Infektionen im Bereich der Unterbauchfalte. Die beiden Brüste zeigten weibliche Formen nach Klassifikation Tanner Stadium IV ohne Herdbefunde bei der durchgeführten Sonografie. Eine entsprechende Operation befürworten auch die Gynäkologinnen D. und Dr. E. mit Bericht vom 01.10.2014, die einen Hautüberschuss bei gut trainierter Brustmuskulatur bestätigen. Die Hausärztin Dr. F. befürwortete mit Attest vom 25.11.2014 ebenfalls den Eingriff als aus psychischen Gründen notwendig.
Mit am 27.11.2014 bei der Beklagten eingegangenem Antrag beantragte der Kläger unter Vorlage dieser ärztlichen Bescheinigungen einen operativen Eingriff zur Entfernung der überschüssigen Haut. Diese hänge stark herunter und durch den regelmäßigen Sport bildeten sich Entzündungen sowie schmerzende und juckende Stellen. Die Hautlappen bildeten sich trotz intensiven Straffungstrainings im Fitnesscenter nicht zurück. Er habe deswegen Komplexe und fühle sich insbesondere im Schwimmbad ständig angestarrt.
Mit Schreiben vom 23.12.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass über seinen Antrag noch nicht entschieden werden könne. Es sei erforderlich ein Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) einzuholen. Hierzu fehlten noch Unterlagen, die mit Schreiben vom 02.12.2014 angefordert worden, aber noch nicht eingetroffen seien. Möglichst bis zum 13.01.2015 einzureichen seien eine aussagekräftige Fotodokumentation und ggf. ein dermatologischer Bericht. Mit Schreiben vom 27.12.2014 erklärte der Kläger, dass er auf die Anforderung vom 02.12.2014 die gewünschten Unterlagen per Email am 19.12.2014 an g.g@xxx.de geschickt habe, fügte die Unterlagen aber nochmals bei.
Mit Schreiben vom 29.12.2014 beauftragte die Beklagte den MDK mit einer Begutachtung des Klägers. Mit sozialmedizinischem Gutachten nach Aktenlage vom 07.01.2015 kam Dr. med. H., Arzt für Chirurgie und Sozialmedizin, zu dem Ergebnis, dass eine Kostenübernahme nicht zu befürworten sei. Die Gynäkomastie sei selbst keine Erkrankung, sondern Symptom, z.B. einer Adipositas. Weder an Bauch noch Brust sei die Hautfaltenbildung so ausgeprägt, dass mechanische Beschwerden hierdurch nachvollziehbar seien. Auch eine Entstellung im Sinne einer Auffälligkeit, die sich schon bei flüchtiger Begegnung bemerkbar mache, sei den Fotografien nicht zu entnehmen. Durch die überhängende Bauchdecke verursachte Hautreizungen könnten nur eine Operation begründen, wenn sie ständig aufträten und nicht sonst behandelbar seien; vorrangig sei insoweit eine fachdermatologische Behandlung. Derartige krankhafte Veränderungen seien hautärztlich nicht beschrieben bzw. dokumentiert. Psychische Beschwerden seien evtl. mit entsprechender Therapie zu behandeln. Im Übrigen seien die Ernährungsumstellung und das Training weiterzuführen. Empfohlen werden eine sorgfältige Hautpflege, das Tragen angepasster Kleidung, psychische Maßnahmen und eine weitere Gewichtsreduktion.
Mit Bescheid vom 13.01.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab unter Verweis auf das Gutachten.
Am 29.01.2015 erhob der Kläger Widerspruch unter Vorlage eines Attests der Hausärztin Dr. F. vom 21.01.2015, die unter Hinweis auf die starke psychische Belastung die begehrte Operation als notwendig und wirtschaftlich gegenüber voraussichtlichen Kosten einer Psychotherapie bezeichnete. Angeregt wurde auch eine persönliche Begutachtung.
Nach persönlicher Begutachtung des Klägers durch Dr. med. J. am 24.03.2015 bestätigte der MDK seine negative Empfehlung. Auf ein weiteres Schreiben des Klägers nebst ärztlichem Attest unter Hervorhebung der psychischen Belastung erfolgte eine Begutachtung durch Dr. med. K. vom MDK nach Aktenlage. Der MDK schloss sich darin der Beurteilung des Vorgutachters an und verwies wegen der geltend gemachten Gefahr einer Depression auf eine vorrangige Behandlung durch Psychotherapie.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 14.07.2015 Klage zu dem Sozialgericht Gießen erhoben. Er begehrt Kostenerstattung für die inzwischen in einer Fachklinik in der Türkei durchgeführte Operation. Vorgelegt wird eine Privatrechnung vom 07.08.2015 über 12.727,88 Lyra; bei dem damaligen Wechselkurs entspreche dies rund 4.200,00 EUR. Zur Begründung verweist der Kläger auf Atteste des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten L. vom 16.11.2015 (Diagnosen: Atypische Bulimia nervosa, Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung, Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem aufsässigen Verhalten) und der Hausärztin Dr. F. vom 09.12.2015, die einen sozialen Rückzug, starke Depressionen und suizidale Absichten attestiert.
Der Kläger beantragt (wörtlich),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2015 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für eine Abdominalplastik und Bruststraffung in Höhe von 4.200,00 EUR (12.727,88 türkische Lyra) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angegriffenen Bescheide für rechtmäßig. Ergänzend führt sie aus, zugelassene Leistungserbringer seien grundsätzlich nur Vertragsärzte im Inland. Nicht zugelassene Leistungserbringer könnten nur ein Anspruch genommen werden, wenn die notwendige medizinische Versorgung unter Ausschöpfung der vorhandenen Leistungserbringer nicht realisierbar sei. Selbst unter Berücksichtigung zwischenstaatlicher Abkommen sowie der Rechtsprechung des BSG zur Leistungserbringung im Ausland sei nicht erkennbar, warum die Behandlung nur in der Türkei hätte ausgeführt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung von 4.200,00 EUR (12.727,88 türkische Lyra) für die in der Türkei durchgeführte Abdominalplastik und Bruststraffung.
Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Hiernach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alternative) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Alternative) und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Hier handelt es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V. Eine unaufschiebbare Leistung liegt vor, wenn eine vorherige Entscheidung der Beklagten vor Therapiebeginn nicht zu erreichen war. Gemeint ist damit ein akuter medizinischer Notfall, der ein Abwarten des Versicherten auf die Entscheidung der Krankenkasse unzumutbar macht (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 12.01.2012 - L 5 KR 49/10 -, juris, Rn. 25). Eine solche Konstellation scheidet hier aus, denn der Kläger hat ordnungsgemäß vor Inanspruchnahme der Behandlung die begehrte Leistung beantragt und eine Entscheidung der Beklagten abgewartet.
In Betracht kommt daher nur ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V. Dies setzt voraus, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht ablehnt und dem Versicherten dadurch für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der Kostenerstattungsanspruch besteht, soweit die Leistung notwendig war.
Dieser Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben (BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 8/12 R -, juris).
Versicherte haben gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V wie auch der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 12 SGB V).
Bei der Hautlappenbildung im Bauch- und Brustbereich im Zustand nach Adipositas mit beidseitiger Gynäkomastie handelt es sich nicht per se um eine Krankheit, sondern – wie der MDK zu Recht ausgeführt hat – um ein Symptom, das bei hormonellen oder tumorösen Erkrankungen auftreten kann, als normale physiologische Veränderung – z.B. bei Neugeborenen, in der Pubertät, im Alter und bei Adipositas – oder als Normvariante (vgl. Bl. 28 der Verwaltungsakte der Beklagten). Bei dem Kläger ist die Hautlappenbildung nach den übereinstimmenden Diagnosen seiner behandelnden Ärzte auf einen Zustand nach Adipositas mit beidseitiger Gynäkomastie zurückzuführen. Damit handelt es sich im Ausgangspunkt um eine normale physiologische Veränderung.
Einen Krankheitswert kann die Hautlappenbildung im Bauch- und Brustbereich dann haben, wenn diese ihrerseits Erkrankungen hervorruft, die unmittelbar nicht behandelbar sind, sondern nur mittelbar durch operative Entfernung der Hautlappen. Dies kommt in Betracht, wenn durch den Hautüberschuss ständige Hautreizungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen auftreten, die sich als dauerhaft therapieresistent erweisen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 – L 4 KR 60/04 , juris, Rn. 23). Zwar haben die Ärzte des Agaplesion Markuskrankenhauses von wiederkehrenden Infektionen zumindest im Bereich der Unterbauchfalte berichtet. Im Einzelnen (fach)ärztlich dokumentiert ist dies jedoch nicht.
Der Kläger beruft sich vielmehr auf eine entstellende Wirkung der Hautlappenbildung im Bauch- und Brustbereich und eine hieraus resultierende depressive Erkrankung. Insoweit erachtet die Kammer die aktenkundigen Fotos des Klägers als ausreichend, um das Nichtvorliegen einer Entstellung beurteilen zu können. Eine Entstellung kann nur vorliegen, wenn sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in der alltäglichen Situation "im Vorbeigehen" bemerkbar macht. Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Entstellung ist daher vom bekleideten Zustand des zu Beurteilenden auszugehen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.11.2006 – L 4 KR 60/04 –, juris, Rn. 24 m.w.N.). Die Fotos vom Kläger zeigen einen relativ schlanken jungen Mann, bei dem im Bauch- und Brustbereich ein Hautüberschuss besteht. Im Bauchbereich ist bereits im unbekleideten Zustand angesichts einer nur leichten Hautfalte keine Entstellung zu ersehen. Im Brustbereich zeichnen sich zwar Hautlappen ab. Aber auch diese haben keinen solchen Umfang, dass diese ersichtlich abnorm wären. Im bekleideten Zustand dagegen lassen sich gar keine Auffälligkeiten erkennen. Der Kläger hat zwar geschildert, dass er sich nicht unbekleidet zeigen mag, was Auswirkungen auf sein Freizeit- und sein sonstiges soziales Verhalten habe. Für die Annahme einer Regelabweichung ist jedoch allein ein objektiver Maßstab entscheidend. Danach liegt eine schwere Entstellung erst dann vor, wenn sie beim durchschnittlichen Menschen üblicherweise Missempfinden wie Erschrecken oder Abscheu oder eine anhaltende Abneigung auszulösen vermögen. Dies ist beim Kläger objektiv ausgeschlossen.
Inwieweit sich aus dem subjektiven Gefühl der Entstellung eine psychische Erkrankung entwickelt hat, kann dahinstehen. Denn auch dies würde nicht zu einem Anspruch des Klägers auf die begehrte Operation führen. Ein Leistungsanspruch auf eine Heilbehandlung in Form eines körperlichen Eingriffs besteht nicht, wenn diese Maßnahme nicht durch eine Fehlfunktion oder durch eine Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand, indiziert wird. Operationen am krankenversicherungsrechtlich betrachtet gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, sind keine Behandlungen im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 19.10.2004 – B 1 KR 3/03 R –, juris; BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 –, juris).
Diesem Maßstab folgend hat die Beklagte die Bewilligung der begehrten Operation grundsätzlich zu Recht abgelehnt.
Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte über den am 27.11.2014 eingegangen Antrag erst mit Bescheid vom 13.01.2015 – also nach Ablauf von mehr als fünf Wochen – entschieden hat, kommt allerdings grundsätzlich der Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V in Betracht.
Ob unter diesem Gesichtspunkt insbesondere in dem Schreiben der Beklagten vom 27.12.2014 die Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die verzögerte Entscheidung im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gesehen werden kann und ob die fragliche Operation Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016 – B 1 KR 25/15 R –, juris, Rn. 26), kann vorliegend allerdings dahinstehen.
Denn der Kläger kann in keinem Fall Kostenerstattung für die in der Türkei vorgenommene Operation beanspruchen.
Nach § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Staaten) oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V dürfen dabei nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden (§ 13 Abs. 5 Satz 1 SGB V). Da die Türkei jedoch nicht zu den vorgenannten Staaten gehört, scheidet die Anwendung dieser Vorschrift aus.
§ 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V ermöglicht im Übrigen nur eine Übernahme von Kosten für eine erforderliche Behandlung im Ausland, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich ist. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Eine Abdominal- und Bruststraffung kann ebenso in Deutschland durchgeführt werden. Dass die diesbezüglichen Kosten dem Kläger ggf. zunächst privat in Rechnung gestellt worden wären, ändert hieran nichts.
Ebenso scheidet eine Kostenübernahme nach Maßgabe von § 18 Abs. 3 Satz 1 SGB V aus, der im Fall eines vorübergehenden Aufenthalts außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Kostenübernahme für eine unverzüglich erforderliche Behandlung vorsieht. An einem solchen unverzüglichen Behandlungserfordernis fehlt es hier ersichtlich.
Der Kläger kann sich auch nicht auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30.04.1964 berufen.
Nach Art. 4a Satz 1 des Abkommens gelten – soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimmt – die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängig ist, nicht für Staatsangehörige der Vertragsparteien, die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhalten. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. b des Abkommens gilt dies aber nur für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigt. Dies war bei dem Kläger ersichtlich nicht der Fall.
Dessen ungeachtet hat der Kläger offensichtlich auch keinen Sachleistungsanspruch der nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zuständige "Sosyal Sigortalar Kurumu" (Sozialversicherungsanstalt) in Anspruch genommen. Der Kläger hat noch nicht einmal vorgetragen, dass er sich um entsprechende Sachleistungen des türkischen Leistungsträgers bemüht hätte, sondern nur eine Privatrechnung vorgelegt.
Darüber hinaus bestimmt Art. 15 Abs. 3 des Abkommens, dass bei Anwendung von Art. 4a des Abkommens Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt werden, wenn der zuständige Träger zustimmt. Die Beklagte hat jedoch nicht zugestimmt. Unbedingte Dringlichkeit für Brust- und Bauchstraffung lag – wie ausgeführt – nicht vor. Bei umgerechnet rund 4.200 EUR Behandlungskosten war auch von einer erheblichen finanziellen Bedeutung auszugehen.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen des Klägers.
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