S 3 U 88/05

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 88/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 149/12 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 27.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2005 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer mittelgradigen depressiven Störung als Folge des Arbeitsunfalles vom 13.01.1997 ab 19.07.1997 Verletztenrente aufgrund einer MdE von 30 v. H. in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu ½ zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Anerkennung von Unfallfolgen sowie die Höhe der Verletztenrente.

Der 1967 geborene Kläger war seit August 1995 als Gepäckabfertiger am C. D-Stadt beschäftigt und insofern bei der Beklagten versichert. Während dieser Tätigkeit ereignete sich am 13.01.1997 der streitgegenständliche Unfall. In der Unfallanzeige des Arbeitgebers heißt es zur Art der Verletzung: "Quetschwunden, Prellungen am linken Finger und linken Knie." Der Durchgangsarztbericht des Dr. E. vom 13.01.1997 diagnostiziert eine Quetschung des dritten linken Fingers sowie des linken Kniegelenks. In einem Zwischenbericht des Kreiskrankenhauses Lich, Prof. Dr. F., vom 20.01.1997 heißt es, der Patient sei von einem C-auto angefahren und mit dem linken Knie zwischen seinem und dem zweiten Auto eingeklemmt worden. Dabei sei der dritte Finger links mitverletzt worden. Zur Akte gelangten im weiteren Verlauf zahlreiche Nachschauberichte des Prof. Dr. F., u. a. konnte durch ein MRT ein Kniebinnenschaden ausgeschlossen werden, ein Befundbericht des Neurologen Dr. G. vom 03.02.1997 beschreibt eine Druckschädigung des Nervus peronaeus links im Bereich des Fibulaköpfchens mit einer Schädigung eines sensiblen Astes des Nervus peronaeus communis ohne Anhalt für eine Schädigung des motorischen Anteils dieses Nerven. Von neurologischer Seite sei die Symptomatik als relativ harmlos anzusehen.

Im Hinblick darauf veranlasste die Beklagte eine Untersuchung durch den Neurologen und Psychiater Dr. H. am 04.04.1997. Dieser fand noch eine ganz geringfügige Schwäche der Fußhebung und Zehenhebung links, ebenso eine leichte sensible Störung am Fußrücken und geringgradig an der Unterschenkelaußenseite. Der übrige neurologische Befund war regelrecht. Eine ausgeprägte periphere Nervenschädigung sei somit nicht mehr vorhanden, die Prognose ausgesprochen günstig.

Außerdem erstattete Prof. Dr. J., Chirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) Frankfurt, am 04.04.1997 einen Befundbericht, worin er eine stationäre Aufnahme zur Durchführung intensiver Physiotherapie wegen einer massiven Muskelminderung im linken Bein vorschlug. Diese fand schließlich im Mai 1997 statt, die anschließend vorgesehene Belastungserprobung wurde vom Kläger wegen Schmerzen nicht angetreten. Ein Arztbrief der Unfallchirurgie der Universität Gießen vom 03.07.1997 hält im Hinblick auf die fortbestehenden Beschwerden eine Kniegelenksarthroskopie links für erforderlich.

Im weiteren Verlauf gelangte ein Arztbrief der BGU Frankfurt vom 20.06.1997 zur Akte, worin neben der Diagnose einer Kniegelenksquetschung links mit diskreter distaler Peronaeusläsion auch eine unfallunabhängige Retropatellararthrose des linken Knies festgestellt wurde. Ein Arztbrief der Unfallchirurgie der Uni Gießen vom 23.07.1997 diagnostiziert einen degenerativen drittgradigen Knorpelschaden mediale Patellafacette linkes Kniegelenk. Dort wurde eine diagnostische Arthroskopie durchgeführt, Hinweise auf freie Gelenkkörper fanden sich nicht. Der Neurochirurg Dr. L. in der BGU Frankfurt diskutierte daraufhin die Durchführung einer Neurolyseoperation aufgrund der fortbestehenden Beschwerdesymptomatik, eine danach durch Dr. H. erneut durchgeführte neurometrische Untersuchung ergab im August 1997 jedoch keine eindeutige Parese der Fußhebung und Zehenhebung, in psychischer Hinsicht jedoch gewisse Überlagerungszeichen, so dass die Neurolyseoperation nicht zu diskutieren sei.

Der Kläger setzte die Behandlung in der Klinik für Orthopädie der Uni Marburg fort, es gelangten u. a. zur Akte ein Arztbrief dieser Klinik vom 13.12.1997, worin eine erneute Operation befürwortet wurde, ein unfallbedingtes Geschehen sei wahrscheinlich, aber auch ein degeneratives Geschehen sei möglich. Weiter findet sich ein Befundbericht vom 07.03.1998 mit der Diagnose eines posttraumatischen retropatellaren Knorpelschadens sowie einer Muskelzerrung des Musculus supraspinatus links. Diese Schulterverletzung habe sich der Kläger durch ein Wegrutschen der Krücke beim Treppengehen zugezogen. Infolgedessen sei dies eine Folge des Erstunfalles. Ein Arztbrief des Orthopäden Dr. K. vom 17.04.1998 beschreibt ein Impingementsyndrom linke Schulter, ohne Hinweis für eine Rotatorenteilmanschettenruptur.

Die Beklagte holte ein orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. M., Uniklinik Marburg, vom 29.07.1998 ein. Dieser diagnostizierte eine posttraumatische aktivierte Retropatellararthrose am linken Kniegelenk sowie eine posttraumatische Insertionstendopathie des Musculus supraspinatus links und eine reaktive Depression. Alle diese Diagnosen stünden in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis, er empfahl jedoch ein psychiatrisches Zusatzgutachten hinsichtlich der Depression. In einem Arztbrief der Unfallchirurgie der Uniklinik Gießen vom 05.10.1998 konnte im Rahmen einer diagnostischen Arthroskopie eine Verletzung der Rotatorenmanschette der linken Schulter ausgeschlossen werden.

Mit Anwaltsschreiben vom 07.10.1998 zeigte der Kläger als weitere Unfallfolge eine Humeruskopffraktur der linken Schulter an, diese habe er sich im Rahmen eines Aufenthaltes in der Burghof-Klinik Bad Nauheim zugezogen. Beigefügt war ein Arztbericht des Dr. N. vom 05.10.1998, wonach es vermutlich nach einem Krampfanfall zur Verletzung der linken Schulter gekommen war. Die Oberarmkopffraktur wurde in der Orthopädischen Uniklinik Gießen operativ versorgt, als Ursache der Verletzung wurde der Verdacht auf einen erstmals aufgetretenen großen epileptischen Anfall geäußert.

Zur Akte gelangte der Entlassungsbericht der Burghof-Klinik Bad Nauheim vom 12.10.1998 sowie ein unfallchirurgisches Gutachten des Prof. Dr. O., O-Stadt, vom 16.12.1998 für die private Unfallversicherung, außerdem ein fachpsychiatrisches Zusatzgutachten des Dr. P., Klinikum Fulda, vom 12.01.1999 zum orthopädischen Hauptgutachten des Prof. Dr. M. Dr. P. maß dem Unfallereignis eine richtunggebende Bedeutung für die Entwicklung der psychischen Symptomatik zu, welche er als mittelschwere bis schwere Depression im Sinne einer chronischen Belastungsreaktion bezeichnete.

Die Beklagte zog die Schwerbehindertenakte des Klägers sowie das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse und Arztbriefe des Neurologen Dr. G. bei, der Kläger legte einen Therapieverlaufsbericht der Diplompsychologin Q. vor, außerdem gelangte ein Bericht des Psychiaters Dr. R. von Februar 1999 zur Akte, wonach sich der Kläger seit April 1998 wegen einer neurotischen Depression dort in Behandlung befand. Neben vielfältiger, in der Biographie des Patienten vorhandener traumatisierender Ereignisse sei der Arbeitsunfall im Wesentlichen mitverursachend für die depressive Dekompensation gewesen. Weiter gelangte zur Akte ein Bericht der Neurologischen Klinik der Uni Gießen vom 15.12.1998, wonach als Ursache der symptomatischen Epilepsie eine angeborene Hirnfehlbildung festgestellt wurde. Unter medikamentöser Behandlung sei der Kläger anfallsfrei.

Der Durchgangsarztbericht des Dr. S., Orthopädische Klinik Uni Gießen vom 12.08.1999, beschreibt eine vorübergehende Komplikation des Zustandes des linken Knies nach Arthroskopie in Form eines postarthroskopischen Kniegelenksempyems durch Keimbesiedelung. Nach Abschluss dieser Behandlung erfolgte eine erneute Begutachtung auf Veranlassung der Beklagten durch den Neurologen und Psychiater Dr. T. am 25.08.1999. Dieser wertete eine Anpassungsstörung mit ängstlicher und depressiver Reaktion sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei narzisstisch-depressiver Persönlichkeitsorganisation als unfallabhängige psychische Störung und schlug eine MdE hierfür von 30 v. H. vor, die Gesamt-MdE betrage 50 v. H.

Für die Beklagte äußerte sich der Unfallchirurg Dr. U. am 12.08.2002 dahingehend, dass er keinerlei Dauerschaden am linken Kniegelenk feststellen könne, sämtliche nachfolgenden Beschwerden seien somit unfallunabhängig. Nach Anhörung erging danach am 27.09.2002 der Bescheid, wonach die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 18.07.1997 hinaus (Ende der stationären Behandlung zur Kniegelenksspiegelung) abgelehnt werde. Der Kläger legte hiergegen fristgerecht Widerspruch ein, worauf die Beklagte Prof. Dr. O. gutachterlich hörte und am 11.03.2005 den Widerspruchsbescheid erließ, mit dem der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Der Kläger hat hiergegen am 13.04.2005 vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor, dass sämtliche Beschwerden Folgen des Unfallereignisses seien.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Anerkennung einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des linken Beines, der Gefahr der Luxation beider Schultergelenke, einer Epilepsie sowie einer angstgefärbten Depression mit posttraumatischer Verbitterungsstörung als Folgen des Arbeitsunfalles vom 13.01.1997 ab 19.07.1997 Verletztenrente aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v. H. in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, es seien keine Unfallschäden am Kniegelenk vorhanden, welche die Entwicklung der seelischen Erkrankung begründen könnten. Das Scheitern einer Rentenbegehrenstendenz selbst könne nicht dem eigentlichen Unfallereignis zugerechnet werden.

Das Gericht hat die medizinischen Unterlagen der LVA Hessen sowie die Schwerbehindertenakte beigezogen, sodann hat Prof. Dr. V., Orthopädische Uniklinik Marburg, am 15.08.2006 ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattet. Die Sachverständige hat festgestellt, dass kein Anhalt für eine knöcherne Kniegelenksverletzung in den Röntgenbildern festzustellen sei, auch die Art des Unfalles spreche gegen die Entstehung einer posttraumatischen Retropatellararthrose. Daher seien die fraglichen Veränderungen eher unwahrscheinlich traumatischer Ursache, ebenso bestehe kein Unfallzusammenhang zwischen der Schulterfraktur links der Epilepsie und der Depression.

Am 30.05.2007 hat Prof. Dr. W. ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten nach § 109 SGG erstattet und darin als Unfallfolgen eine angstgefärbte schwere Depression, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, die sich aus einer Kausalgie (regionales Schmerzsyndrom vom Typ II) infolge Nervenquetschung im Bereich des linken Knies entwickelt habe, sowie eine posttraumatische Verbitterungsstörung festgestellt. Die Epilepsie mit begleitender Schultergelenksschädigung beidseits sei durch den Arbeitsunfall im Sinne der Verschlimmerung entstanden. Der Sachverständige hat eine Gesamt-MdE von 60 v. H. angenommen. Der Kläger hat eine weitere Stellungnahme des Prof. Dr. W. vom 22.11.2007 zur Replik des ärztlichen Beraters der Beklagten, Dr. X. zu seinem Gutachten vorgelegt, außerdem u. a. ein Attest des HNO-Arztes Dr. Y. vom 16.06.1999.

Am 08.02.2008 hat Dr. Z., Z-Stadt, ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten nach § 106 SGG erstattet. Er hat eine depressive Störung als durch den Arbeitsunfall verursacht beurteilt, von einer vorbestehenden anlagebedingten psychischen Störung abgegrenzt und den unfallbedingten Anteil mit einer MdE von 30 v. H. bewertet.

Zum Sach- und Streitstand im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Klägers bei der Beklagten sowie die beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist abzuändern, denn er ist rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Verletztenrente aufgrund einer MdE von 30 v. H. für die Folgen des Unfalles vom 13.01.1997, weil die seelische Erkrankung im Sinne einer mittelgradigen depressiven Störung in wesentlichen Anteilen unfallbedingt ist. Soweit darüber hinaus weitere Unfallfolgen geltend gemacht werden, stehen diese nicht in einem ursächlichen Zusammenhang zu dem Versicherungsfall und müssen daher bei der MdE-Bemessung unberücksichtigt bleiben. Insoweit war die Klage abzuweisen.

Versicherte haben Anspruch auf Rente, solange die Erwerbsfähigkeit wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - 7. Buch - SGB VII).

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 SGB VII definiert als zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen und sich infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit ereignen.

Voraussetzung für die Entschädigungsleistung ist dabei immer, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem festgestellten Körperschaden besteht, d. h. es kann nur ein Körperschaden berücksichtigt werden, der rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht wurde.

Die hierfür erforderliche Eingrenzung ist im Sozialrecht nach der Theorie der wesentlichen Bedingung vorzunehmen, d. h. als kausal und rechtserheblich gelten nur solche Ursachen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (z.B. BSG E 1, 72; BSG E 1, 150, 156f.). Die Wertung als rechtlich wesentliche Ursache erfordert dabei nicht, dass der unfallbedingte Faktor die alleinige oder überwiegende Bedingung ist. Sind mehrere Ursachen gemeinsam am Eintritt des "Erfolges" (hier: Entstehung des Gesundheitsschadens) beteiligt, so sind sie nebeneinander stehende (Mit-)Ursachen, wenn beide in ihrer Bedeutung und Tragweite beim Eintritt des Erfolges wesentlich mitgewirkt haben. Der Begriff "wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit der Beschreibung "überwiegend", "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige", sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu wertende Bedingung kann für den Erfolg wesentlich sein. Ein mitwirkender Faktor ist nur dann rechtlich unwesentlich, wenn er vor einer anderen Ursache ganz in den Hintergrund tritt (vgl. BSG E 12, 242,245 f.). Es ist daher zulässig, eine rein naturwissenschaftlich betrachtet nicht gleichwertige Ursache rechtlich als wesentlich anzusehen, weil gerade und nur durch ihr Hinzutreten zu der anderen wesentlichen Ursache der Erfolg eintreten konnte, mit der Konsequenz, dass eine volle Haftung der gesetzlichen Unfallversicherung für den gesamten Schaden einsetzt (Alles-oder-nichts-Prinzip).

Für den rechtlich wesentlichen Zusammenhang muss schließlich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen. Wahrscheinlichkeit bedeutet hierbei, dass bei vernünftigem Abwägen aller Umstände die auf die berufliche/durch die versicherte Tätigkeit begründete Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Die alleinige Möglichkeit des ursächlichen Zusammenhangs reicht nicht aus. Eine Möglichkeit verdichtet sich zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernsthafte Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. Ein nur in zeitlicher Hinsicht bestehender Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis anlässlich versicherter Tätigkeit und dem Auftreten von gesundheitlichen Beeinträchtigungen genügt diesen Anforderungen beispielsweise nicht. Auch wenn ein Gesundheitsschaden wesentlich durch Vorschäden bzw. eine anlagebedingte Erkrankung (sog. innere Ursache) bedingt ist und nur gelegentlich des versicherten Anlasses zum Ausbruch gekommen ist, fehlt es am notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen der dem versicherten Bereich zuzurechnenden äußeren Einwirkung und dem Eintritt des Gesundheitsschadens. Man spricht dann von einer sogenannten Gelegenheitsursache (BSG E 12, 242, 246).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG E 18, 173, 175) können auch psychische Reaktionen Unfallfolgen im Rechtssinne sein, es sei denn, sie beruhen im wesentlichen auf wunschbedingten Vorstellungen. Die Grundsätze der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätslehre gelten auch bei der Zusammenhangsbeurteilung zwischen Arbeitsunfällen und danach aufgetretenen psychischen Reaktionen (BSG E 18, 173,175; BSG E 19, 275, 278; BSG Urteil v. 31.01.1989, Az. 2 RU 17/88; Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage S. 227 ff.). Akute abnorme seelische Reaktionen kommen danach als Unfallfolge dann ohne weiteres in Betracht, wenn sich die Symptome unmittelbar nach dem schädigenden Ereignis entwickelt haben, das mit einer so schweren seelischen Störung verbunden war, dass auch bei einer gewöhnlichen seelischen Reaktionsweise eine ausgeprägte Reaktion zu erwarten gewesen wäre.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ist es zur Überzeugung des Gerichts durch das Ereignis vom 13.01.1997 bei dem Kläger neben den mittlerweile folgenlos abgeklungenen rein funktionellen Verletzungen am linken Knie und dritten Finger der linken Hand auch zu einer psychischen Symptomatik gekommen, aus der sich letztlich eine mittelgradige depressive Störung entwickelt hat, welche ebenfalls rechtlich wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen ist.

Zunächst ist die Kammer davon überzeugt, dass bei dem Kläger kein unfallbedingter Dauerschaden am linken Kniegelenk anzuerkennen ist. Dies ergibt sich daraus, dass zum einen kein geeigneter Unfallhergang beschrieben wurde, zum anderen ein entsprechender Primärschaden am Kniegelenk zeitnah zum Unfallereignis nicht nachgewiesen ist und für die letztlich dort festgestellten Veränderungen konkurrierende Entstehungsursachen vorhanden sind, wie beispielsweise das früher betriebene Marathonlaufen. Entsprechend hat auch die Gutachterin nach § 109 SGG, Prof. Dr. V., in ihrem Gutachten vom 15.08.2006 einen Unfallzusammenhang zwischen den Befunden am Kniegelenk links und dem Versicherungsfall verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in diesem Gutachten Bezug genommen.

Auch die bei dem Kläger im Oktober 1998 erstmals symptomatisch gewordene Epilepsie ist nicht ursächlich auf das Unfallereignis vom 13.01.1997 zurückführbar, denn nach dem Bericht der Neurologischen Klinik der Universität Gießen vom 15.12.1998 handelt es sich hierbei um die Folge einer angeborenen Hirnfehlbildung, also einer sogenannten inneren Ursache. Ein Bezug zur versicherten Tätigkeit scheidet aus.

Da die Epilepsie nicht unfallbedingt ist, kann auch das Ereignis vom 03.10.1998 (Humeruskopffraktur der linken Schulter bei einem Krampfanfall anlässlich eines stationären Aufenthaltes in der Burghof-Klinik Bad Nauheim) nicht als Unfallursache anerkannt werden.

Das mit Bericht der Klinik für Orthopädie der Universität Marburg vom 07.03.1998 erstmals als mittelbare Unfallfolge geltend gemachte Ereignis vom Februar 1998 (Wegrutschen der Krücke beim Treppengehen mit nachfolgenden Beschwerden in der linken Schulter) kann ebenfalls nicht als Unfallfolge im Rahmen der Verletztenrente berücksichtigt werden, denn insoweit ist kein Dauerschaden an der linken Schulter eingetreten. Dies ergibt sich aus dem Arztbrief des Orthopäden Dr. K. vom 17.04.1998, dem Gutachten des Prof. Dr. M. vom 29.07.1998 sowie dem Arztbrief der Unfallchirurgie der Uni Gießen vom 05.10.1998, wobei jeweils durch diagnostische Maßnahmen eine Verletzung der Rotatorenmanschette der linken Schulter eindeutig ausgeschlossen werden konnte.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gericht jedoch der Überzeugung, dass ein Teil der bei dem Kläger bestehenden psychischen Beschwerdesymptomatik wesentlich auf das versicherte Ereignis vom 13.01.1997 zurückzuführen ist. Die Kammer stützt sich hierbei insbesondere auf das nach § 106 SGG eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. Z. vom 08.02.2008. Dieser hat bei dem Kläger zunächst als Diagnosen eine mittelgradige depressive Episode, eine Angststörung sowie ein Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung festgestellt. Insbesondere die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode sieht der Sachverständige gerechtfertigt aus dem Vorliegen der hierfür typischen Symptome depressive Stimmung, Interessenverlust und erhöhte Ermüdbarkeit in Kombination mit den weiteren Symptomen Antriebsminderung, Zukunftsangst, Schlafstörung, vermindertes Selbstwertgefühl und sozialer Rückzug.

Hinsichtlich der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges hat der Sachverständige auch in Ansehung der vorbestehenden Primärpersönlichkeit und der unfallunabhängigen Angststörung die Depression als wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht beurteilt. Er hat dabei insbesondere die früher bei dem Kläger vorhandenen psychischen Auffälligkeiten diskutiert und von den nun vorhandenen Beschwerden abgegrenzt. Der Sachverständige hat schließlich resümiert, dass zwar die besondere Persönlichkeitsstruktur des Klägers diesen zu einer psychischen Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens prädisponiert habe, für die aktuelle Verschlimmerung einer latenten depressiven Neurose, die dann in die vorliegende chronifizierte depressive Störung mündete, sei der Arbeitsunfall, die anschließenden Behandlungen und die Folgen aber unersetzlich. Wenn der Sachverständige neben dem Arbeitsunfall auch das sich daran anschließende Heilverfahren bzw. die verschiedenen Fehleinschätzungen der behandelnden Ärzte in der Ursachenkette dem Versicherungsfall zurechnet, so ist dem seitens der Kammer zuzustimmen, denn ohne den Arbeitsunfall hätte es eine derartige "Heilentgleisung" nicht gegeben. Dr. Z. hat insofern ausgeführt, die vorbestehende Neigung zu neurotischen Störungen sei bei dem Kläger jedenfalls nicht so leicht ansprechbar gewesen, dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis in absehbarer Zeit dieselbe Verschlimmerung bewirkt hätte, sondern dass es besonderer äußerer Einwirkung bedurft habe.

Auch hinsichtlich der Höhe der MdE hält das Gericht bei Heranziehung der einschlägigen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, 7. Auflage, 246), einen Wert von 30 v. H. für angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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