Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 12 VG 60/02
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 2 VG 16/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 20. Januar 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) hat.
Die am 5. August 1982 geborene Klägerin wurde am 25. April 1997 Opfer einer Straftat. Laut Entscheidungsgründen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Kiel (33 Ls 52/97) vom 14. Januar 1998 lag dem folgender Tatbestand zu Grunde: "Am 25. April 1997 fand im Elternhaus des Angeklagten eine Fete statt. Er hatte zu dieser Fete unterschiedliche Freunde, u.a. die 1982 geborene C P und die 1983 geborene C H., beide aus M , eingeladen. Die Fete fand in einer Gartenlaube statt. Als Getränk stand grundsätzlich Bier zur Verfügung, außerdem gab es jedoch ein Wodka-Salmiak-Gemisch mit dem Namen "Schwarze Sau". Die Zeugin C P trank innerhalb der ersten Stunde zwei halbe Liter Bier und von dem Getränk `Schwarze Sau`. Innerhalb kürzester Zeit war sie betrunken. Ihr wurde schlecht. Sie ging raus, torkelte dort umher, fiel hin und übergab sich. Der Angeklagte, C H. und ein weiterer Partybesucher schafften C P dann in das Haus der Eltern des Angeklagten. Dort wurde C P auf das Bett im Zimmer des Angeklagten gelegt. Kurze Zeit wollte C P dann aus dem Zimmer raus und im unteren Bereich des Hauses zur Toilette. Dabei fiel sie die Treppe herunter. Auf der Toilette übergab sie sich. Der Angeklagte holte einen Eimer mit Wasser und ein Handtuch. Er versorgte die Zeugin, die sich nach seinen Angaben etwa im Fünf-Minuten-Takt übergab. Später machte er dann das Licht aus und entkleidete die Zeugin. Als er die Zeugin nackt sah, kam es zu einer Erektion und zu einem Samenerguss. Der Angeklagte zog sich dann ein Kondom über und versuchte, mit der Zeugin, die nach wie vor auf seinem Bett lag, den Geschlechtsverkehr auszuüben. Als er zwischen ihren Beinen und auf ihrem Bauch lag, versuchte er, in sie einzudringen. Die Zeugin musste sich jetzt erneut erbrechen und der Angeklagte ließ daraufhin von seinem Vorhaben ab."
Wegen dieser Tat wurde der zur Tatzeit 16-jährige Angeklagte des sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen schuldig gesprochen und verwarnt. Ihm wurde aufgegeben, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 DM zu zahlen und Kontakt mit dem Verein "Widerspruch" aufzunehmen und dort Beratungsgespräche zu führen.
Die Klägerin wurde vom 18. Juli bis 23. September 1999 in der H klinik St. B (Diagnosen: Depressive Verstimmungen; Kontakt- und Beziehungsstörungen bei ausgeprägter Selbstwertproblematik; Sucht- und Verwahrlosungsgefährdung mit Neigung zu autodestruktiver Konfliktverarbeitung; adoleszentäre Reifungs- und Identitätsfindungskrise), vom 26. Dezember 1999 bis zum 6. Januar 2000 in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in S (Diagnose: Akute psychotische Episode) und vom 12. Januar bis 23. Juni 2000 im Gemeinschaftskrankenhaus Ha (Diagnosen: paranoid halluzinatorische Psychose; psychosoziale Reifungsverzögerung aufgrund biographischer Belastung) stationär behandelt.
Am 3. Juli 2000 beantragte die Klägerin Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie machte geltend, wegen des sexuellen Missbrauchs an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden.
Das beklagte Land zog die Strafakte und die Entlassungsberichte über die genannten stationären Behandlungen der Klägerin bei und holte das Gutachten des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Dr. J (aus 3/01) ein. Auf dieser Grundlage stellte das beklagte Land mit Bescheid vom 6. Juni 2001 fest, dass die Klägerin durch die Gewalttat am 25. April 1997 eine gesundheitliche Schädigung im Sinne des OEG erlitten habe und erkannte als Folge der schädigenden Einwirkung im Sinne des § 1 OEG eine posttraumatische Belastungsstörung mit Anspruch auf Heilbehandlung ab 1. Juli 2000 ohne rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) an. Resterscheinungen nach einer schweren psychotischen Episode seien nicht ursächlich auf den Angriff zurückzuführen.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, das Gutachten des Dr. J gehe von einem unrichtigen Sachverhalt aus. In ihrer Familie habe es keine Psychosen gegeben. Der Großvater mütterlicherseits habe lediglich an einer psychischen Erkrankung (De¬pression wegen Kriegstraumata) gelitten. Daher sei die Schlussfolgerung, es liege eine genetische Disposition für eine Psychose vor, unzutreffend. Die Diagnose einer psychotischen Langzeiterkrankung sei unzutreffend. Tatsächlich bestehe bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung, die bis zu einer psychotischen Episode führen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2002 wies das beklagte Land den Widerspruch zurück. Nach dem schlüssigen Gutachten von Dr. J handele es sich im Fall der Klägerin in erster Linie um die Auswirkungen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, die nach herrschender wissenschaftlicher Lehrmeinung nicht durch ein einmaliges traumatisches Ereignis verursacht werde. Als ursächlich für derartige Krankheitsbilder würden vielmehr hirnorganische, soziale oder auch genetische Bedingungen angenommen. Der Gutachter habe zutreffend aufgezeigt, dass eben diese Krankheitsbilder anamnestisch eine Rolle spielten und somit als ursächlich für das Grundleiden anzusehen seien. Hiervon lasse sich das Ereignis des Missbrauchs mit seinen eher geringen Auswirkungen im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung gut abgrenzen.
Hiergegen hat die Klägerin - zunächst ohne nähere Begründung - am 5. März 2002 Klage bei dem Sozialgericht Kiel erhoben. Nachdem das Sozialgericht das Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Hc (aus 9/04) eingeholt hatte, der von einer schizophrenen Psychose ausgeht und einen Zusammenhang mit der sexuellen Nötigung im Jahre 1997 nicht für wahrscheinlich hält, ist die Klägerin diesem Gutachten unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Gutachten des Psychoanalytikers und Pädagogen Dr. B , Ba , (aus 12/04) entgegengetreten. Darin wird die Auffassung vertreten, die schwere psychische Erkrankung der Klägerin mit psychotischen Reaktionen sei Folge der Extremtraumatisierung durch den erlittenen sexuellen Missbrauch. Die psychotische Reaktion sei nicht im Sinne einer schizophrenen Psychose zu werten, sondern Ausdruck einer schweren Realitätsbezugsstörung, die im Kontext mit den beschriebenen Halluzinationen sich deutlicher in das Bild einer Paranoia einfüge. Trotz psychotischer Reaktionen sei das Störungsbild insgesamt besser abgrenzbar gegen eine schizophrene Psychose als gegen eine schwere Neurose. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 73 bis 91 d. A. verwiesen.
Das Sozialgericht ist von dem Antrag der Klägerin ausgegangen,
den Bescheid des Beklagten vom 6. Juni 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2002 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Beschädigtenversorgung nach einer MdE von mehr als 25 v. H. zu gewähren,
und von dem Antrag des beklagten Landes,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat sich auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid bezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen dargelegt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Beschädigtenrente nach dem OEG. Dr. Hc habe in seinem Gutachten zusammenfassend festgestellt, dass der Gesundheitszustand der Klägerin gegenwärtig von ihrer schizophrenen Psychose dominiert werde. Ein Zusammenhang mit der 1997 begangenen Tat sei vor allem wegen der aktenkundigen Vorgeschichte sehr unwahrscheinlich; insbesondere stelle die sexuelle Nötigung keinesfalls die alleinige Ursache für den Beginn der Schizophrenie dar. Ob derzeit tatsächlich noch eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe, habe während der Begutachtung nicht geklärt werden können, weil sich die Klägerin einer eingehenden Untersuchung nicht habe stellen mögen. Insoweit seien neue Einschätzungen in Bezug auf die MdE durch das Schaden stiftende Ereignis nicht möglich gewesen. Die Kammer folge nach Auswertung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Hc der Begründung des angefochtenen Bescheides und sehe gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Gutachten des Dr. B habe die Kammer in keiner Weise überzeugen können. Zum einen sei auf Grund des Krankheitsverlaufs bei der Klägerin eine psychiatrische und keine psychoanalytisch/pädagogische Beurteilung der Zusammenhangsfrage erforderlich. Zum anderen setze sich das Gutachten in keiner Weise kritisch mit den Umständen der Tat selbst und der familiären, schulischen und gesundheitlichen Vorgeschichte der Klägerin auseinander, sondern hebe auffallend - für Gutachten untypisch - die eigene Kompetenz des Verfassers hervor.
Gegen den ihr am 24. Januar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23. Februar 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Sie sei vor Erlass des Gerichtsbescheides nicht ordnungsgemäß angehört worden. Außerdem habe sich das Sozialgericht nicht mit den Argumenten in dem Gutachten des Dr. B auseinandergesetzt und sei dem Gutachten des Dr. Hc ohne nähere Begründung gefolgt. Insoweit bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 20. Januar 2005 aufzuheben, den Bescheid des beklagten Landes vom 6. Juni 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2002 zu ändern und das beklagte Land zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer psychotischen Störung als weitere Folge des rechtswidrigen tätlichen Angriffs am 25. April 1997 Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einer MdE um mindestens 30 v.H. ab 1. Juli 2000 zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat das schriftliche Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P (aus 2/06) eingeholt. Auf den Hinweis der Sachverständigen und des Senats auf die Unvollständigkeit der bisher vorliegenden Befunde hat die Klägerin folgende weitere medizinische Befundunterlagen übersandt: Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, K , stationäre Behandlung vom 29. November bis 13. Dezember 2002 (Diagnose: paranoide Schizophrenie (ICD-10 F 20.0); Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses R , stationäre Behandlung vom 16. Dezember 2002 bis 31. Januar 2003 (Diagnose: paranoide Schizophrenie); Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses R , stationäre Behandlung vom 17. Februar bis 5. März 2003 (Diagnose: akute Exazerbation bei bekannter paranoider Schizophrenie (F 20.0)); Entlassungsbericht des Gemeinschaftskrankenhauses Ha , stationäre Behandlung vom 17. März 2003 bis 30. Mai 2003 (Diagnose: Paranoide Schizophrenie (F 20.0)), Entlassungsbericht des Zentrums für Integrative Psychiatrie (ZIP) K , stationäre Behandlung vom 28. August bis 9. September 2005 (Diagnosen: Anpassungsstörung (F 43.2), paranoide Schizophrenie (F 20.0), Bulimie (F 50.2); Kompensierte Hypothyreose; Adipositas). Die Klägerin hat außerdem eine umfangreiche von ihrer Familie verfasste Dokumentation ihrer Entwicklung von der Geburt an bis zur Tat und nach der Tat übersandt. Hieraus ergebe sich, dass Dr. P von einem nicht zutreffenden Sachverhalt ausgehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 15. Mai 2006 Bezug genommen. Der Senat hat außerdem einen Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S (7/06 nebst beigefügten Entlassungsberichten) beigezogen.
Auf den Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das schriftliche Gutachten der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie D F (aus 12/06) eingeholt. Das beklagte Land hat hierzu eine Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Bb übersandt.
In der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2007 hat der Senat Dr. P vernommen zur Erläuterung und Ergänzung ihres Gutachtens aus Februar 2006 im Hinblick auf die zwischenzeitlich beigezogenen weiteren Befundunterlagen sowie Gutachten/gutachtlichen Stellungnahmen und mit der weiteren Beweisfrage, ob im Hinblick auf die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis die Voraussetzungen der sog. Kannversorgung vorliegen. Wegen des Inhaltes der ergänzenden Stellungnahme wird auf die vorab übersandte Zusammenfassung Bl. 322 bis 326 d.A. und auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Oktober 2007 Bezug genommen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der OEG-Akten des beklagten Landes Bezug genommen. Diese sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes.
Zwar handelt es sich bei dem sexuellen Missbrauch zulasten der Klägerin im April 1997 - an dem im Hinblick auf das Ergebnis des Strafverfahrens 33 Ls 52/97 bei dem Amtsgericht K kein Zweifel besteht - um einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Dies sowie die Ursächlichkeit des Angriffs für eine gesundheitliche Schädigung der Klägerin hat das beklagte Land im Hinblick auf die posttraumatische Belastungsstörung anerkannt. Diese Störung erreicht jedoch nicht die für den Anspruch auf Versorgung erforderliche Mindest-MdE um 25 v. H. (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. §§ 30, 31 Abs. 1 u. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG)). Ganz im Vordergrund steht bei der Klägerin dagegen eine psychische Störung, die nicht ursächlich auf den sexuellen Missbrauch im April 1997 zurückzuführen ist.
Im Einzelnen geht der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens von Folgendem aus: Bei der Klägerin besteht als wesentliche Erkrankung auf dem psychiatrischen Fachgebiet eine schizophrene Psychose. Der Senat folgt insoweit der Sachverständigen Dr. P. Diese hat in ihrem Gutachten aus Februar 2006 unter sorgfältiger Abwägung sämtlicher bis dahin vorliegender medizinischer Unterlagen und Gutachten sowie auf der Grundlage einer ausführlichen eigenen Untersuchung der Klägerin ihre Auffassung, wonach die psychopathologische Symptomatik bei der Klägerin diagnostisch ganz überwiegend im Rahmen einer schizophrenen Psychose einzuordnen sei, gut nachvollziehbar begründet und sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme aus Oktober 2007 nach nochmaliger Durchsicht der Akten unter Berücksichtigung auch der zwischenzeitlich eingegangenen weiteren Befundunterlagen mit sorgfältiger Begründung aufrecht erhalten. Aus eigener Sachkompetenz kann der Senat die gestellte Diagnose nicht in Zweifel ziehen. Er muss sich darauf beschränken, das Gutachten daraufhin zu untersuchen, ob es in sich widerspruchsfrei und schlüssig ist, und ob es in Einklang mit den weiteren in der Akte befindlichen medizinischen Unterlagen und Gutachten steht bzw., soweit es von Letzteren abweicht, hierzu eine überzeugende Begründung enthält; dies ist hier der Fall. Dabei ist zunächst von wesentlicher Bedeutung, dass die Diagnose einer schizophrenen Psychose während verschiedener längerer stationärer Behandlungen in auf die Behandlung psychischer Krankheiten spezialisierten Kliniken gestellt wurde: durch die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in S (stationäre Behandlung vom 26. Dezember 1999 bis 6. Januar 2000; Diagnose: akute psychotische Episode), durch das Gemeinschaftskrankenhaus Ha (stationäre Behandlungen vom 12. Januar bis 23. Juni 2000; Diagnose: paranoid halluzinatorische Psychose; psychosoziale Reifungsverzögerung aufgrund biographischer Belastung, und vom 17. März 2003 bis 30. Mai 2003; Diagnose: paranoide Schizophrenie (F 20.0)), durch die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, K , (stationäre Behandlung vom 29. November bis 13. Dezember 2002; Diagnose: paranoide Schizophrenie, ICD-10 F 20.0), durch das Kreiskrankenhaus R (stationäre Behandlungen vom 16. Dezember 2002 bis 31. Januar 2003 und vom 17. Februar bis 5. März 2003; Diagnose: paranoide Schizophrenie bzw. akute Exazerbation bei bekannter paranoider Schizophrenie (F 20.0)) und durch das Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) K , (stationäre Behandlung vom 28. August bis 9. September 2005; Diagnosen: Anpassungsstörung (F 43.2); paranoide Schizophrenie (F 20.0), Bulimie (F 50.2), Kompensierte Hypothyreose, Adipositas). Die Diagnose einer schizophrenen Psychose ist zudem auch von Dr. J und Dr. Hc in ihren Gutachten bestätigt worden. Schließlich ist auch das Amtsgericht K in dem Verfahren über die Verlängerung der Betreuung (2 XVII P 519; Beschluss vom 16. August 2007) auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens (Dr. E ) bei der Klägerin von einer paranoiden Schizophrenie ausgegangen. Auch die von dem beklagten Land herangezogene Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Bb geht nach sehr sorgfältiger Diskussion der verschiedenen denkbaren Diagnosen von einer schizophrenieformen Störung aus, bei der typische Symptome einer Schizophrenie vorlägen, die allerdings nicht sicher das für die Diagnose einer Schizophrenie erforderliche Zeitkriterium erfüllten. Dr. P sieht dagegen in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 24. September 2007 auch das Zeitkriterium als erfüllt an. Hierauf ist jedoch nicht näher einzugehen, da, wie noch darzulegen ist, die Einordnung als schizophrene Psychose einerseits oder als schizophrenieforme Störung andererseits nicht zu unterschiedlichen Konsequenzen in Bezug auf die Kausalität des sexuellen Missbrauchs für die psychische Störung führt.
Zu einer wesentlich abweichenden diagnostischen Einordnung - und damit auch Gesamtbeurteilung - gelangen nur Dr. B und Frau F. Frau F geht im Ergebnis von einer Anpassungsstörung aus und ordnet die in den genannten Entlassungsberichten dokumentierten psychotischen Symptome als psychotische Episoden im Rahmen dieser Störung bzw. einer posttraumatischen Belastungsstörung ein. Dass auch Letztere bei der Klägerin in leichter Ausprägung bestand/besteht, ist, wie dargelegt, durch das beklagte Land anerkannt worden und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung. Sofern überhaupt noch Residuen dieser Störung vorliegen, sind diese aber letztlich ganz untergeordnet gegenüber der hiervon klar abgrenzbaren zentralen psychopathologischen Symptomatik. Dr. P weist in ihrer ergänzenden Stellungnahme darauf hin, dass psychotische Episoden einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht zugeordnet werden können. Dies entspricht den von der Sachverständigen im Einzelnen aufgeführten Symptomen einer PTSD nach Maßgabe der ICD 10. Gegen eine Anpassungsstörung, wie Frau F sie als Ursache der psychischen Störung der Klägerin infolge der Schädigung im April 1997 annimmt, haben sowohl Frau Bb als auch Dr. P , für den Senat überzeugend, eingewandt, dass eine solche Störung definiert sei als eine durch ein belastendes Ereignis aufgetretene, maximal zwei Jahre andauernde psychische Störung. Die Störung, für die die Klägerin Entschädigung begehrt, ist aber, ausgehend von der ersten stationären Behandlung im Juli 1999, frühestens mehr als zwei Jahre nach der Schädigung aufgetreten. Frau Bb weist deshalb nachvollziehbar darauf hin, dass diese Diagnose nur korrekt sein könne, wenn sie sich nicht nur auf den sexuellen Missbrauch beziehe, sondern auch auf die nachträglich eingetretenen belastenden Lebensereignisse. Entsprechend weist auch Dr. P in ihrer ergänzenden Stellungnahme darauf hin, dass unklar bleibe, welches einschneidende Lebensereignis Frau F dieser Diagnose zugrunde lege. Soweit eine Anpassungsstörung auch in dem Entlassungsbericht des ZIP aus September 2005 neben einer paranoiden Schizophrenie genannt wird, bezieht sich diese Diagnose nach dem weiteren Inhalt des Berichts auf die bei Aufnahme von der Klägerin geschilderten Belastungen der vorangegangenen 2 Jahre, nämlich insbesondere die Trennung von dem Verlobten, den Verlust ihres Kindes in der 9. Schwangerschaftswoche drei Monate vor Aufnahme, Überforderung in der Schule und aktuell ein Konflikt mit dem neuen Freund, nicht hingegen auf den langjährig zurückliegenden sexuellen Missbrauch. Dieser wird in dem Entlassungsbericht des ZIP vom 6. September 2005 nur unter "psychiatrische Vorgeschichte" erwähnt. Dem Gutachten des Dr. B vermag der Senat bereits aus den in dem angefochtenen Gerichtsbescheid genannten Gründen nicht zu folgen. Die von Dr. B vorgenommene diagnostische Einordnung der psychotischen Symptomatik als Ausdruck einer schweren Realitätsbezugsstörung infolge des sexuellen Missbrauchs zulasten der Klägerin beruht zudem auf einem nicht zutreffenden Sachverhalt. Dr. P weist in Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Dr. B zu Recht darauf hin, dass unter Berücksichtigung der konkreten Tatumstände nicht von einer "Extremtraumatisierung" gesprochen werden könne. Letztere hat Herr B offenbar aus der Annahme eines "mehrfach erzwungenen sexuellen Verkehr(s)" abgeleitet, wie ihn die Klägerin ihm gegenüber geschildert hat. Eine mehrfache Vergewaltigung ist jedoch in dem Strafverfahren bei dem Amtsgericht Kiel nicht bewiesen und auch nicht behauptet worden.
Die nach alledem anzunehmende schizophrene Psychose der Klägerin, zurzeit im Residualzustand, kann nicht zumindest mit Wahrscheinlichkeit (vgl. § 1 Abs. 12 Satz 2 OEG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG) auf die Schädigung im April 1997 zurückgeführt werden. Nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung kann die Kausalität im Sinne einer zumindest wahrscheinlich wesentlichen (Mit-) Ursächlichkeit eines schädigenden Ereignisses für eine psychische Störung nicht bereits dann angenommen werden, wenn ein Gutachter im Einzelfall die Auffassung vertritt, dass die vorhandene psychische Störung mit Wahrscheinlichkeit durch ein bestimmtes schädigendes Ereignis hervorgerufen worden sei, sondern nur dann, wenn es der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung entspricht, dass durch eine bestimmte äußere Ursache eine psychische Störung der Art, wie sie bei dem Geschädigten vorliegt, gehäuft eintritt. Grundsätzlich sind auch insoweit die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (nunmehr Teil 2 SGB IX, Stand: 2005; im Folgenden: AHP), ggf. aktualisiert durch Rundschreiben, zugrunde zu legen. Die AHP haben zwar keine Normqualität, wirken in der Praxis jedoch wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wie untergesetzliche Normen heranzuziehen und schaffen damit unter Berücksichtigung der herrschenden Lehre in der medizinischen Wissenschaft eine verlässliche, der Gleichbehandlung dienende Grundlage für die Kausalitätsbeurteilung im sozialen Entschädigungsrecht. Im Einzelfall eingeholte Sachverständigengutachten haben diese Bewertungen daher zu Grunde zu legen (vgl. zu allem BSG, Urt. v. 26. Januar 1994 - 9 RVg 3/93 – BSGE 74,51 BSG, Urt. v. 18. Oktober 1995 9/9 a RVg 4/92 –BSGE 77, 1; BSG Urt. v. 12. Juni 2003 - B 9 VG 1/02 R – BSGE 91, 107.
In den AHP 2005, Nr. 69 Abs. 1 Satz 1, heißt es (gleichlautend mit den Vorgängerfassungen der AHP 2004 und AHP 1996) unter "Schizophrenie und affektive Psychosen": "Bei den schizophrenen Psychosen wird von einer multifaktoriellen Genese ausgegangen. Wissenschaftlich ist jedoch noch nicht genügend geklärt, welches Gewicht den dispositionellen und exogenen, psychosozialen Faktoren bei ihrem Zusammenwirken beizumessen ist."
Dies bedeutet, dass bisher Ungewissheit über die ursächlichen Zusammenhänge bei der Entstehung einer schizophrenen Psychose besteht, es mithin keine herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung in der Medizin gibt, nach der ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem äußeren Ereignis und einer schizophrenen Psychose mit Wahrscheinlichkeit zu bejahen ist.
Damit kommt, wie es auch in den AHP, Nr. 69 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich angenommen wird, ein Anspruch nach dem OEG allenfalls in Anwendung der Vorschriften über die sog. Kannversorgung in Betracht. Rechtsgrundlage hierfür ist § 1 Abs. 12 Satz 2 OEG i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG. Danach kann, wenn die zur Anerkennung als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, eine Gesundheitsstörung mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
In den AHP (2005) ist zur Kannversorgung bei schizophrenen Psychosen Folgendes geregelt (Nr. 69):
"Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung sind dann als gegeben anzusehen, wenn a) als Schädigungsfaktoren tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende psychosoziale Belastungen vorgelegen haben, die entweder längere Zeit angedauert haben oder zeitlich zwar nur kurzfristig wirksam aber so schwer waren, dass ihre Folgen eine über längere Zeit anhaltende Wirkung auf das Persönlichkeitsgefüge gehabt haben,
b) die Erkrankung in enger zeitlicher Verbindung (bis zu mehreren Wochen) mit diesen Belastungen begonnen hat.
Bei episodischem Verlauf der schizophrenen Psychose gilt dies nur für die der Belastung folgende Episode."
Diese in den AHP formulierten Voraussetzungen für die Kann-Versorgung bei schizophrenen Psychosen, die nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P auch weiterhin dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Dies gilt schon deshalb, weil die Erkrankung bei ihr nicht in enger zeitlicher Verbindung (in den AHP definiert als bis zu mehreren Wochen) mit dem sexuellen Missbrauch im April 1997 begonnen hat. Dies hat Dr. P in ihrer ergänzenden Stellungnahme entsprechend den Vorgaben der AHP und übereinstimmend mit den sich aus den verschiedenen Entlassungsberichten ergebenden Behandlungsdaten ausdrücklich dargelegt. Die erste stationäre Behandlung, in deren Rahmen die Diagnose einer Psychose gestellt wurde, fand bei der Klägerin seit dem 26. Dezember 1999 und damit mehr als 2 ½ Jahre nach der Schädigung statt. Legt man den ersten stationären Aufenthalt in der H klinik St. B ab 18. Au¬gust 1999 zugrunde, bei dem allerdings in der Diagnose noch keine psychotische Episode/Psychose angenommen wurde, so wären ebenfalls seit der Tat mehr als zwei Jahre verstrichen gewesen. Selbst wenn man den Strafprozess über den sexuellen Missbrauch als Teil des traumatisie¬renden Ereignisses bzw. als potenzielle Retraumatisierung einbezieht, wären ausgehend von dem rechtskräftigen Urteil vom 14. Januar 1998 mehr als anderthalb bzw. nahezu zwei Jahre bis zu dem Auftreten der ersten psychotischen Episode vergangen. Angesichts dessen, dass die zeitlichen Vorgaben der AHP eindeutig nicht vorliegen, bedarf es keiner näheren Erörterung, ob der sexuelle Missbrauch in seiner konkreten Form hier eine "tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende psychosoziale Belastung" für die Klägerin war. Auch Dr. Hc und Frau Bb haben auf der Grundlage der Diagnose einer schizophrenen Psychose bzw. – so Frau Bb - einer schizophrenieformen Störung die Kausalität des sexuellen Missbrauchs im April 1997 für die Erkrankung verneint. Dass das Gutachten von Dr. Hc missverständliche Formulierungen insoweit enthält, als er auf S. 20 /21 darlegt, ein Zusammenhang könne "nicht zweifelsfrei nachgewiesen" werden und auf S. 22 ausführt, die sexuelle Nötigung sei keinesfalls die "alleinige" Ursache für die Psychose, ändert nichts daran, dass auch Dr. Hc ausgehend von der genannten Diagnose und insoweit in Einklang mit den AHP die Kausalität deshalb verneint, weil der sexuelle Missbrauch als unterstellt auslösendes Ereignis den Ausbruch der Krankheit im nächsten halben Jahr und nicht mit einer Verzögerung von 2 Jahren nach sich gezogen hätte. Auch Frau Bb verneint letztlich die Kausalität der Schädigung im April 1997 für die von ihr angenommene schizophrenieforme Störung bei der Klägerin, ohne dass allerdings ganz deutlich wird, anhand welcher Kriterien sie diese Feststellung trifft. Da jedoch die AHP hinsichtlich der Kannversorgung keine eigenständigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer schizophrenieformen Störung enthalten, ist davon auszugehen, dass die Anerkennung einer solchen Störung allenfalls bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung einer schizophrenen Psychose in Betracht kommt, die hier, wie dargelegt, jedoch nicht gegeben sind.
Die MdE für die demnach als Schädigungsfolge allein zu berücksichtigende posttraumatische Belastungsstörung beträgt weniger als 25 v. H. An dieser Bewertung durch das beklagte Land haben sich im Verlauf des Verfahrens keine Zweifel ergeben. Auch gibt es insoweit keine Hinweise auf eine Verschlimmerung im Laufe des Verfahrens. Erreicht das Ausmaß dieser Störung demnach für den gesamten zu beurteilenden Zeitraum nicht die für eine Rentengewährung erforderliche Mindest-MdE von 25 v.H., ist nicht näher darauf einzugehen, ob hinsichtlich der der posttraumatischen Belastungsstörung zuzuordnenden Symptomatik im Verlauf des Verfahrens nicht sogar eine Besserung eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) hat.
Die am 5. August 1982 geborene Klägerin wurde am 25. April 1997 Opfer einer Straftat. Laut Entscheidungsgründen des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Kiel (33 Ls 52/97) vom 14. Januar 1998 lag dem folgender Tatbestand zu Grunde: "Am 25. April 1997 fand im Elternhaus des Angeklagten eine Fete statt. Er hatte zu dieser Fete unterschiedliche Freunde, u.a. die 1982 geborene C P und die 1983 geborene C H., beide aus M , eingeladen. Die Fete fand in einer Gartenlaube statt. Als Getränk stand grundsätzlich Bier zur Verfügung, außerdem gab es jedoch ein Wodka-Salmiak-Gemisch mit dem Namen "Schwarze Sau". Die Zeugin C P trank innerhalb der ersten Stunde zwei halbe Liter Bier und von dem Getränk `Schwarze Sau`. Innerhalb kürzester Zeit war sie betrunken. Ihr wurde schlecht. Sie ging raus, torkelte dort umher, fiel hin und übergab sich. Der Angeklagte, C H. und ein weiterer Partybesucher schafften C P dann in das Haus der Eltern des Angeklagten. Dort wurde C P auf das Bett im Zimmer des Angeklagten gelegt. Kurze Zeit wollte C P dann aus dem Zimmer raus und im unteren Bereich des Hauses zur Toilette. Dabei fiel sie die Treppe herunter. Auf der Toilette übergab sie sich. Der Angeklagte holte einen Eimer mit Wasser und ein Handtuch. Er versorgte die Zeugin, die sich nach seinen Angaben etwa im Fünf-Minuten-Takt übergab. Später machte er dann das Licht aus und entkleidete die Zeugin. Als er die Zeugin nackt sah, kam es zu einer Erektion und zu einem Samenerguss. Der Angeklagte zog sich dann ein Kondom über und versuchte, mit der Zeugin, die nach wie vor auf seinem Bett lag, den Geschlechtsverkehr auszuüben. Als er zwischen ihren Beinen und auf ihrem Bauch lag, versuchte er, in sie einzudringen. Die Zeugin musste sich jetzt erneut erbrechen und der Angeklagte ließ daraufhin von seinem Vorhaben ab."
Wegen dieser Tat wurde der zur Tatzeit 16-jährige Angeklagte des sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen schuldig gesprochen und verwarnt. Ihm wurde aufgegeben, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 DM zu zahlen und Kontakt mit dem Verein "Widerspruch" aufzunehmen und dort Beratungsgespräche zu führen.
Die Klägerin wurde vom 18. Juli bis 23. September 1999 in der H klinik St. B (Diagnosen: Depressive Verstimmungen; Kontakt- und Beziehungsstörungen bei ausgeprägter Selbstwertproblematik; Sucht- und Verwahrlosungsgefährdung mit Neigung zu autodestruktiver Konfliktverarbeitung; adoleszentäre Reifungs- und Identitätsfindungskrise), vom 26. Dezember 1999 bis zum 6. Januar 2000 in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in S (Diagnose: Akute psychotische Episode) und vom 12. Januar bis 23. Juni 2000 im Gemeinschaftskrankenhaus Ha (Diagnosen: paranoid halluzinatorische Psychose; psychosoziale Reifungsverzögerung aufgrund biographischer Belastung) stationär behandelt.
Am 3. Juli 2000 beantragte die Klägerin Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie machte geltend, wegen des sexuellen Missbrauchs an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden.
Das beklagte Land zog die Strafakte und die Entlassungsberichte über die genannten stationären Behandlungen der Klägerin bei und holte das Gutachten des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Dr. J (aus 3/01) ein. Auf dieser Grundlage stellte das beklagte Land mit Bescheid vom 6. Juni 2001 fest, dass die Klägerin durch die Gewalttat am 25. April 1997 eine gesundheitliche Schädigung im Sinne des OEG erlitten habe und erkannte als Folge der schädigenden Einwirkung im Sinne des § 1 OEG eine posttraumatische Belastungsstörung mit Anspruch auf Heilbehandlung ab 1. Juli 2000 ohne rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) an. Resterscheinungen nach einer schweren psychotischen Episode seien nicht ursächlich auf den Angriff zurückzuführen.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, das Gutachten des Dr. J gehe von einem unrichtigen Sachverhalt aus. In ihrer Familie habe es keine Psychosen gegeben. Der Großvater mütterlicherseits habe lediglich an einer psychischen Erkrankung (De¬pression wegen Kriegstraumata) gelitten. Daher sei die Schlussfolgerung, es liege eine genetische Disposition für eine Psychose vor, unzutreffend. Die Diagnose einer psychotischen Langzeiterkrankung sei unzutreffend. Tatsächlich bestehe bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung, die bis zu einer psychotischen Episode führen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2002 wies das beklagte Land den Widerspruch zurück. Nach dem schlüssigen Gutachten von Dr. J handele es sich im Fall der Klägerin in erster Linie um die Auswirkungen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, die nach herrschender wissenschaftlicher Lehrmeinung nicht durch ein einmaliges traumatisches Ereignis verursacht werde. Als ursächlich für derartige Krankheitsbilder würden vielmehr hirnorganische, soziale oder auch genetische Bedingungen angenommen. Der Gutachter habe zutreffend aufgezeigt, dass eben diese Krankheitsbilder anamnestisch eine Rolle spielten und somit als ursächlich für das Grundleiden anzusehen seien. Hiervon lasse sich das Ereignis des Missbrauchs mit seinen eher geringen Auswirkungen im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung gut abgrenzen.
Hiergegen hat die Klägerin - zunächst ohne nähere Begründung - am 5. März 2002 Klage bei dem Sozialgericht Kiel erhoben. Nachdem das Sozialgericht das Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Hc (aus 9/04) eingeholt hatte, der von einer schizophrenen Psychose ausgeht und einen Zusammenhang mit der sexuellen Nötigung im Jahre 1997 nicht für wahrscheinlich hält, ist die Klägerin diesem Gutachten unter Bezugnahme auf das von ihr eingeholte Gutachten des Psychoanalytikers und Pädagogen Dr. B , Ba , (aus 12/04) entgegengetreten. Darin wird die Auffassung vertreten, die schwere psychische Erkrankung der Klägerin mit psychotischen Reaktionen sei Folge der Extremtraumatisierung durch den erlittenen sexuellen Missbrauch. Die psychotische Reaktion sei nicht im Sinne einer schizophrenen Psychose zu werten, sondern Ausdruck einer schweren Realitätsbezugsstörung, die im Kontext mit den beschriebenen Halluzinationen sich deutlicher in das Bild einer Paranoia einfüge. Trotz psychotischer Reaktionen sei das Störungsbild insgesamt besser abgrenzbar gegen eine schizophrene Psychose als gegen eine schwere Neurose. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 73 bis 91 d. A. verwiesen.
Das Sozialgericht ist von dem Antrag der Klägerin ausgegangen,
den Bescheid des Beklagten vom 6. Juni 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2002 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Beschädigtenversorgung nach einer MdE von mehr als 25 v. H. zu gewähren,
und von dem Antrag des beklagten Landes,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat sich auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid bezogen.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen dargelegt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Beschädigtenrente nach dem OEG. Dr. Hc habe in seinem Gutachten zusammenfassend festgestellt, dass der Gesundheitszustand der Klägerin gegenwärtig von ihrer schizophrenen Psychose dominiert werde. Ein Zusammenhang mit der 1997 begangenen Tat sei vor allem wegen der aktenkundigen Vorgeschichte sehr unwahrscheinlich; insbesondere stelle die sexuelle Nötigung keinesfalls die alleinige Ursache für den Beginn der Schizophrenie dar. Ob derzeit tatsächlich noch eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe, habe während der Begutachtung nicht geklärt werden können, weil sich die Klägerin einer eingehenden Untersuchung nicht habe stellen mögen. Insoweit seien neue Einschätzungen in Bezug auf die MdE durch das Schaden stiftende Ereignis nicht möglich gewesen. Die Kammer folge nach Auswertung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Hc der Begründung des angefochtenen Bescheides und sehe gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Gutachten des Dr. B habe die Kammer in keiner Weise überzeugen können. Zum einen sei auf Grund des Krankheitsverlaufs bei der Klägerin eine psychiatrische und keine psychoanalytisch/pädagogische Beurteilung der Zusammenhangsfrage erforderlich. Zum anderen setze sich das Gutachten in keiner Weise kritisch mit den Umständen der Tat selbst und der familiären, schulischen und gesundheitlichen Vorgeschichte der Klägerin auseinander, sondern hebe auffallend - für Gutachten untypisch - die eigene Kompetenz des Verfassers hervor.
Gegen den ihr am 24. Januar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23. Februar 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin. Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Sie sei vor Erlass des Gerichtsbescheides nicht ordnungsgemäß angehört worden. Außerdem habe sich das Sozialgericht nicht mit den Argumenten in dem Gutachten des Dr. B auseinandergesetzt und sei dem Gutachten des Dr. Hc ohne nähere Begründung gefolgt. Insoweit bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 20. Januar 2005 aufzuheben, den Bescheid des beklagten Landes vom 6. Juni 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2002 zu ändern und das beklagte Land zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer psychotischen Störung als weitere Folge des rechtswidrigen tätlichen Angriffs am 25. April 1997 Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einer MdE um mindestens 30 v.H. ab 1. Juli 2000 zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat das schriftliche Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P (aus 2/06) eingeholt. Auf den Hinweis der Sachverständigen und des Senats auf die Unvollständigkeit der bisher vorliegenden Befunde hat die Klägerin folgende weitere medizinische Befundunterlagen übersandt: Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, K , stationäre Behandlung vom 29. November bis 13. Dezember 2002 (Diagnose: paranoide Schizophrenie (ICD-10 F 20.0); Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses R , stationäre Behandlung vom 16. Dezember 2002 bis 31. Januar 2003 (Diagnose: paranoide Schizophrenie); Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses R , stationäre Behandlung vom 17. Februar bis 5. März 2003 (Diagnose: akute Exazerbation bei bekannter paranoider Schizophrenie (F 20.0)); Entlassungsbericht des Gemeinschaftskrankenhauses Ha , stationäre Behandlung vom 17. März 2003 bis 30. Mai 2003 (Diagnose: Paranoide Schizophrenie (F 20.0)), Entlassungsbericht des Zentrums für Integrative Psychiatrie (ZIP) K , stationäre Behandlung vom 28. August bis 9. September 2005 (Diagnosen: Anpassungsstörung (F 43.2), paranoide Schizophrenie (F 20.0), Bulimie (F 50.2); Kompensierte Hypothyreose; Adipositas). Die Klägerin hat außerdem eine umfangreiche von ihrer Familie verfasste Dokumentation ihrer Entwicklung von der Geburt an bis zur Tat und nach der Tat übersandt. Hieraus ergebe sich, dass Dr. P von einem nicht zutreffenden Sachverhalt ausgehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zu dem Schriftsatz der Klägerin vom 15. Mai 2006 Bezug genommen. Der Senat hat außerdem einen Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S (7/06 nebst beigefügten Entlassungsberichten) beigezogen.
Auf den Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das schriftliche Gutachten der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie D F (aus 12/06) eingeholt. Das beklagte Land hat hierzu eine Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Bb übersandt.
In der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2007 hat der Senat Dr. P vernommen zur Erläuterung und Ergänzung ihres Gutachtens aus Februar 2006 im Hinblick auf die zwischenzeitlich beigezogenen weiteren Befundunterlagen sowie Gutachten/gutachtlichen Stellungnahmen und mit der weiteren Beweisfrage, ob im Hinblick auf die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis die Voraussetzungen der sog. Kannversorgung vorliegen. Wegen des Inhaltes der ergänzenden Stellungnahme wird auf die vorab übersandte Zusammenfassung Bl. 322 bis 326 d.A. und auf die Sitzungsniederschrift vom 9. Oktober 2007 Bezug genommen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der OEG-Akten des beklagten Landes Bezug genommen. Diese sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält derjenige, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes.
Zwar handelt es sich bei dem sexuellen Missbrauch zulasten der Klägerin im April 1997 - an dem im Hinblick auf das Ergebnis des Strafverfahrens 33 Ls 52/97 bei dem Amtsgericht K kein Zweifel besteht - um einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Dies sowie die Ursächlichkeit des Angriffs für eine gesundheitliche Schädigung der Klägerin hat das beklagte Land im Hinblick auf die posttraumatische Belastungsstörung anerkannt. Diese Störung erreicht jedoch nicht die für den Anspruch auf Versorgung erforderliche Mindest-MdE um 25 v. H. (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. §§ 30, 31 Abs. 1 u. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG)). Ganz im Vordergrund steht bei der Klägerin dagegen eine psychische Störung, die nicht ursächlich auf den sexuellen Missbrauch im April 1997 zurückzuführen ist.
Im Einzelnen geht der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens von Folgendem aus: Bei der Klägerin besteht als wesentliche Erkrankung auf dem psychiatrischen Fachgebiet eine schizophrene Psychose. Der Senat folgt insoweit der Sachverständigen Dr. P. Diese hat in ihrem Gutachten aus Februar 2006 unter sorgfältiger Abwägung sämtlicher bis dahin vorliegender medizinischer Unterlagen und Gutachten sowie auf der Grundlage einer ausführlichen eigenen Untersuchung der Klägerin ihre Auffassung, wonach die psychopathologische Symptomatik bei der Klägerin diagnostisch ganz überwiegend im Rahmen einer schizophrenen Psychose einzuordnen sei, gut nachvollziehbar begründet und sie in ihrer ergänzenden Stellungnahme aus Oktober 2007 nach nochmaliger Durchsicht der Akten unter Berücksichtigung auch der zwischenzeitlich eingegangenen weiteren Befundunterlagen mit sorgfältiger Begründung aufrecht erhalten. Aus eigener Sachkompetenz kann der Senat die gestellte Diagnose nicht in Zweifel ziehen. Er muss sich darauf beschränken, das Gutachten daraufhin zu untersuchen, ob es in sich widerspruchsfrei und schlüssig ist, und ob es in Einklang mit den weiteren in der Akte befindlichen medizinischen Unterlagen und Gutachten steht bzw., soweit es von Letzteren abweicht, hierzu eine überzeugende Begründung enthält; dies ist hier der Fall. Dabei ist zunächst von wesentlicher Bedeutung, dass die Diagnose einer schizophrenen Psychose während verschiedener längerer stationärer Behandlungen in auf die Behandlung psychischer Krankheiten spezialisierten Kliniken gestellt wurde: durch die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in S (stationäre Behandlung vom 26. Dezember 1999 bis 6. Januar 2000; Diagnose: akute psychotische Episode), durch das Gemeinschaftskrankenhaus Ha (stationäre Behandlungen vom 12. Januar bis 23. Juni 2000; Diagnose: paranoid halluzinatorische Psychose; psychosoziale Reifungsverzögerung aufgrund biographischer Belastung, und vom 17. März 2003 bis 30. Mai 2003; Diagnose: paranoide Schizophrenie (F 20.0)), durch die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, K , (stationäre Behandlung vom 29. November bis 13. Dezember 2002; Diagnose: paranoide Schizophrenie, ICD-10 F 20.0), durch das Kreiskrankenhaus R (stationäre Behandlungen vom 16. Dezember 2002 bis 31. Januar 2003 und vom 17. Februar bis 5. März 2003; Diagnose: paranoide Schizophrenie bzw. akute Exazerbation bei bekannter paranoider Schizophrenie (F 20.0)) und durch das Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) K , (stationäre Behandlung vom 28. August bis 9. September 2005; Diagnosen: Anpassungsstörung (F 43.2); paranoide Schizophrenie (F 20.0), Bulimie (F 50.2), Kompensierte Hypothyreose, Adipositas). Die Diagnose einer schizophrenen Psychose ist zudem auch von Dr. J und Dr. Hc in ihren Gutachten bestätigt worden. Schließlich ist auch das Amtsgericht K in dem Verfahren über die Verlängerung der Betreuung (2 XVII P 519; Beschluss vom 16. August 2007) auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens (Dr. E ) bei der Klägerin von einer paranoiden Schizophrenie ausgegangen. Auch die von dem beklagten Land herangezogene Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Bb geht nach sehr sorgfältiger Diskussion der verschiedenen denkbaren Diagnosen von einer schizophrenieformen Störung aus, bei der typische Symptome einer Schizophrenie vorlägen, die allerdings nicht sicher das für die Diagnose einer Schizophrenie erforderliche Zeitkriterium erfüllten. Dr. P sieht dagegen in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 24. September 2007 auch das Zeitkriterium als erfüllt an. Hierauf ist jedoch nicht näher einzugehen, da, wie noch darzulegen ist, die Einordnung als schizophrene Psychose einerseits oder als schizophrenieforme Störung andererseits nicht zu unterschiedlichen Konsequenzen in Bezug auf die Kausalität des sexuellen Missbrauchs für die psychische Störung führt.
Zu einer wesentlich abweichenden diagnostischen Einordnung - und damit auch Gesamtbeurteilung - gelangen nur Dr. B und Frau F. Frau F geht im Ergebnis von einer Anpassungsstörung aus und ordnet die in den genannten Entlassungsberichten dokumentierten psychotischen Symptome als psychotische Episoden im Rahmen dieser Störung bzw. einer posttraumatischen Belastungsstörung ein. Dass auch Letztere bei der Klägerin in leichter Ausprägung bestand/besteht, ist, wie dargelegt, durch das beklagte Land anerkannt worden und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung. Sofern überhaupt noch Residuen dieser Störung vorliegen, sind diese aber letztlich ganz untergeordnet gegenüber der hiervon klar abgrenzbaren zentralen psychopathologischen Symptomatik. Dr. P weist in ihrer ergänzenden Stellungnahme darauf hin, dass psychotische Episoden einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht zugeordnet werden können. Dies entspricht den von der Sachverständigen im Einzelnen aufgeführten Symptomen einer PTSD nach Maßgabe der ICD 10. Gegen eine Anpassungsstörung, wie Frau F sie als Ursache der psychischen Störung der Klägerin infolge der Schädigung im April 1997 annimmt, haben sowohl Frau Bb als auch Dr. P , für den Senat überzeugend, eingewandt, dass eine solche Störung definiert sei als eine durch ein belastendes Ereignis aufgetretene, maximal zwei Jahre andauernde psychische Störung. Die Störung, für die die Klägerin Entschädigung begehrt, ist aber, ausgehend von der ersten stationären Behandlung im Juli 1999, frühestens mehr als zwei Jahre nach der Schädigung aufgetreten. Frau Bb weist deshalb nachvollziehbar darauf hin, dass diese Diagnose nur korrekt sein könne, wenn sie sich nicht nur auf den sexuellen Missbrauch beziehe, sondern auch auf die nachträglich eingetretenen belastenden Lebensereignisse. Entsprechend weist auch Dr. P in ihrer ergänzenden Stellungnahme darauf hin, dass unklar bleibe, welches einschneidende Lebensereignis Frau F dieser Diagnose zugrunde lege. Soweit eine Anpassungsstörung auch in dem Entlassungsbericht des ZIP aus September 2005 neben einer paranoiden Schizophrenie genannt wird, bezieht sich diese Diagnose nach dem weiteren Inhalt des Berichts auf die bei Aufnahme von der Klägerin geschilderten Belastungen der vorangegangenen 2 Jahre, nämlich insbesondere die Trennung von dem Verlobten, den Verlust ihres Kindes in der 9. Schwangerschaftswoche drei Monate vor Aufnahme, Überforderung in der Schule und aktuell ein Konflikt mit dem neuen Freund, nicht hingegen auf den langjährig zurückliegenden sexuellen Missbrauch. Dieser wird in dem Entlassungsbericht des ZIP vom 6. September 2005 nur unter "psychiatrische Vorgeschichte" erwähnt. Dem Gutachten des Dr. B vermag der Senat bereits aus den in dem angefochtenen Gerichtsbescheid genannten Gründen nicht zu folgen. Die von Dr. B vorgenommene diagnostische Einordnung der psychotischen Symptomatik als Ausdruck einer schweren Realitätsbezugsstörung infolge des sexuellen Missbrauchs zulasten der Klägerin beruht zudem auf einem nicht zutreffenden Sachverhalt. Dr. P weist in Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Dr. B zu Recht darauf hin, dass unter Berücksichtigung der konkreten Tatumstände nicht von einer "Extremtraumatisierung" gesprochen werden könne. Letztere hat Herr B offenbar aus der Annahme eines "mehrfach erzwungenen sexuellen Verkehr(s)" abgeleitet, wie ihn die Klägerin ihm gegenüber geschildert hat. Eine mehrfache Vergewaltigung ist jedoch in dem Strafverfahren bei dem Amtsgericht Kiel nicht bewiesen und auch nicht behauptet worden.
Die nach alledem anzunehmende schizophrene Psychose der Klägerin, zurzeit im Residualzustand, kann nicht zumindest mit Wahrscheinlichkeit (vgl. § 1 Abs. 12 Satz 2 OEG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG) auf die Schädigung im April 1997 zurückgeführt werden. Nach ständiger sozialgerichtlicher Rechtsprechung kann die Kausalität im Sinne einer zumindest wahrscheinlich wesentlichen (Mit-) Ursächlichkeit eines schädigenden Ereignisses für eine psychische Störung nicht bereits dann angenommen werden, wenn ein Gutachter im Einzelfall die Auffassung vertritt, dass die vorhandene psychische Störung mit Wahrscheinlichkeit durch ein bestimmtes schädigendes Ereignis hervorgerufen worden sei, sondern nur dann, wenn es der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung entspricht, dass durch eine bestimmte äußere Ursache eine psychische Störung der Art, wie sie bei dem Geschädigten vorliegt, gehäuft eintritt. Grundsätzlich sind auch insoweit die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (nunmehr Teil 2 SGB IX, Stand: 2005; im Folgenden: AHP), ggf. aktualisiert durch Rundschreiben, zugrunde zu legen. Die AHP haben zwar keine Normqualität, wirken in der Praxis jedoch wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wie untergesetzliche Normen heranzuziehen und schaffen damit unter Berücksichtigung der herrschenden Lehre in der medizinischen Wissenschaft eine verlässliche, der Gleichbehandlung dienende Grundlage für die Kausalitätsbeurteilung im sozialen Entschädigungsrecht. Im Einzelfall eingeholte Sachverständigengutachten haben diese Bewertungen daher zu Grunde zu legen (vgl. zu allem BSG, Urt. v. 26. Januar 1994 - 9 RVg 3/93 – BSGE 74,51 BSG, Urt. v. 18. Oktober 1995 9/9 a RVg 4/92 –BSGE 77, 1; BSG Urt. v. 12. Juni 2003 - B 9 VG 1/02 R – BSGE 91, 107.
In den AHP 2005, Nr. 69 Abs. 1 Satz 1, heißt es (gleichlautend mit den Vorgängerfassungen der AHP 2004 und AHP 1996) unter "Schizophrenie und affektive Psychosen": "Bei den schizophrenen Psychosen wird von einer multifaktoriellen Genese ausgegangen. Wissenschaftlich ist jedoch noch nicht genügend geklärt, welches Gewicht den dispositionellen und exogenen, psychosozialen Faktoren bei ihrem Zusammenwirken beizumessen ist."
Dies bedeutet, dass bisher Ungewissheit über die ursächlichen Zusammenhänge bei der Entstehung einer schizophrenen Psychose besteht, es mithin keine herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung in der Medizin gibt, nach der ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einem äußeren Ereignis und einer schizophrenen Psychose mit Wahrscheinlichkeit zu bejahen ist.
Damit kommt, wie es auch in den AHP, Nr. 69 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich angenommen wird, ein Anspruch nach dem OEG allenfalls in Anwendung der Vorschriften über die sog. Kannversorgung in Betracht. Rechtsgrundlage hierfür ist § 1 Abs. 12 Satz 2 OEG i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG. Danach kann, wenn die zur Anerkennung als Schädigungsfolge erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, eine Gesundheitsstörung mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
In den AHP (2005) ist zur Kannversorgung bei schizophrenen Psychosen Folgendes geregelt (Nr. 69):
"Die Voraussetzungen für eine Kann-Versorgung sind dann als gegeben anzusehen, wenn a) als Schädigungsfaktoren tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende psychosoziale Belastungen vorgelegen haben, die entweder längere Zeit angedauert haben oder zeitlich zwar nur kurzfristig wirksam aber so schwer waren, dass ihre Folgen eine über längere Zeit anhaltende Wirkung auf das Persönlichkeitsgefüge gehabt haben,
b) die Erkrankung in enger zeitlicher Verbindung (bis zu mehreren Wochen) mit diesen Belastungen begonnen hat.
Bei episodischem Verlauf der schizophrenen Psychose gilt dies nur für die der Belastung folgende Episode."
Diese in den AHP formulierten Voraussetzungen für die Kann-Versorgung bei schizophrenen Psychosen, die nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P auch weiterhin dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Dies gilt schon deshalb, weil die Erkrankung bei ihr nicht in enger zeitlicher Verbindung (in den AHP definiert als bis zu mehreren Wochen) mit dem sexuellen Missbrauch im April 1997 begonnen hat. Dies hat Dr. P in ihrer ergänzenden Stellungnahme entsprechend den Vorgaben der AHP und übereinstimmend mit den sich aus den verschiedenen Entlassungsberichten ergebenden Behandlungsdaten ausdrücklich dargelegt. Die erste stationäre Behandlung, in deren Rahmen die Diagnose einer Psychose gestellt wurde, fand bei der Klägerin seit dem 26. Dezember 1999 und damit mehr als 2 ½ Jahre nach der Schädigung statt. Legt man den ersten stationären Aufenthalt in der H klinik St. B ab 18. Au¬gust 1999 zugrunde, bei dem allerdings in der Diagnose noch keine psychotische Episode/Psychose angenommen wurde, so wären ebenfalls seit der Tat mehr als zwei Jahre verstrichen gewesen. Selbst wenn man den Strafprozess über den sexuellen Missbrauch als Teil des traumatisie¬renden Ereignisses bzw. als potenzielle Retraumatisierung einbezieht, wären ausgehend von dem rechtskräftigen Urteil vom 14. Januar 1998 mehr als anderthalb bzw. nahezu zwei Jahre bis zu dem Auftreten der ersten psychotischen Episode vergangen. Angesichts dessen, dass die zeitlichen Vorgaben der AHP eindeutig nicht vorliegen, bedarf es keiner näheren Erörterung, ob der sexuelle Missbrauch in seiner konkreten Form hier eine "tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende psychosoziale Belastung" für die Klägerin war. Auch Dr. Hc und Frau Bb haben auf der Grundlage der Diagnose einer schizophrenen Psychose bzw. – so Frau Bb - einer schizophrenieformen Störung die Kausalität des sexuellen Missbrauchs im April 1997 für die Erkrankung verneint. Dass das Gutachten von Dr. Hc missverständliche Formulierungen insoweit enthält, als er auf S. 20 /21 darlegt, ein Zusammenhang könne "nicht zweifelsfrei nachgewiesen" werden und auf S. 22 ausführt, die sexuelle Nötigung sei keinesfalls die "alleinige" Ursache für die Psychose, ändert nichts daran, dass auch Dr. Hc ausgehend von der genannten Diagnose und insoweit in Einklang mit den AHP die Kausalität deshalb verneint, weil der sexuelle Missbrauch als unterstellt auslösendes Ereignis den Ausbruch der Krankheit im nächsten halben Jahr und nicht mit einer Verzögerung von 2 Jahren nach sich gezogen hätte. Auch Frau Bb verneint letztlich die Kausalität der Schädigung im April 1997 für die von ihr angenommene schizophrenieforme Störung bei der Klägerin, ohne dass allerdings ganz deutlich wird, anhand welcher Kriterien sie diese Feststellung trifft. Da jedoch die AHP hinsichtlich der Kannversorgung keine eigenständigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer schizophrenieformen Störung enthalten, ist davon auszugehen, dass die Anerkennung einer solchen Störung allenfalls bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung einer schizophrenen Psychose in Betracht kommt, die hier, wie dargelegt, jedoch nicht gegeben sind.
Die MdE für die demnach als Schädigungsfolge allein zu berücksichtigende posttraumatische Belastungsstörung beträgt weniger als 25 v. H. An dieser Bewertung durch das beklagte Land haben sich im Verlauf des Verfahrens keine Zweifel ergeben. Auch gibt es insoweit keine Hinweise auf eine Verschlimmerung im Laufe des Verfahrens. Erreicht das Ausmaß dieser Störung demnach für den gesamten zu beurteilenden Zeitraum nicht die für eine Rentengewährung erforderliche Mindest-MdE von 25 v.H., ist nicht näher darauf einzugehen, ob hinsichtlich der der posttraumatischen Belastungsstörung zuzuordnenden Symptomatik im Verlauf des Verfahrens nicht sogar eine Besserung eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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