S 7 KR 528/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 7 KR 528/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 201/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten einer Haushaltshilfe nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Zeit vom 01.03.2012 bis 01.08.2012 in Höhe von 6.467,50 EUR.

Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin (geb. 1982) lebte im fraglichen Zeitraum mit ihren sieben Kindern (geb. 2001, 2003, 2004, 2005, 2008, 2009 und 2011) und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt. Zu dieser Zeit erwartete die Klägerin ein weiteres Kind (geb. 2012), dessen Geburtstermin der 16.08.2014 sein sollte. Der Ehemann der Klägerin arbeitete in Vollzeit an sechs Tagen pro Woche.

Wegen einer stationär behandelten Nierenbeckenentzündung erhielt die Klägerin von der Beklagten zunächst Haushaltshilfe für die Zeit vom 19.01.2012 bis 18.02.2012 bewilligt.

Am 01.03.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut Gewährung einer Haushaltshilfe von täglich acht Stunden für die Dauer von 23 Tagen (dreieinhalb Wochen). Nach der dem Antrag beifügten ärztlichen Bescheinigung ihres Hausarztes Dr. C. vom gleichen Tage war die Klägerin in dieser Zeit nicht mehr in der Lage, ihren Haushalt weiterzuführen. Attestiert wurden eine "akute schwere Erkrankung" in Form von "(schwangerschaftsbedingte(n)) starke(n) Wirbelsäulenschmerzen mit ständiger täglicher Behandlung" in Form von Krankengymnastik, Massagen und Schonung.

Die dem weiteren Antrag vom 24.03.2012 auf Gewährung von Haushaltshilfe von täglich acht Stunden für die Zeit bis zum 21.04.2012 (vier Wochen) beigefügte ärztliche Bescheinigung von Dr. C. enthielt erneut die Diagnose "schwangerschaftsbedingte Wirbelsäulenschmerzen" bei "ständiger Behandlung". Die Patientin könne ihre sieben (Klein-)Kinder bei ihrer jetzigen achten Schwangerschaft derzeit wegen Schmerzen nicht versorgen. Es handele sich um eine akute schwere Erkrankung.

Haushaltshilfe wurde ab dem 01.03.2012 bis zum Ende der Schwangerschaft von den Nachbarinnen Frau D. und Frau E. durchgeführt, die hierfür 6,50 EUR pro Stunde erhielten und an ihren Einsatztagen jeweils zwei Schichten à 5 Stunden absolvierten. Eine Zeitaufstellung sowie Quittungen über insgesamt 6.467,50 EUR liegen bei.

Mit Bescheid vom 05.04.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten der Haushaltshilfe ab mit der Begründung, dass es an der Voraussetzung einer akuten und schweren Krankheit fehle. Der ärztliche Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) gehe vielmehr von einer intakten Schwangerschaft aus.

Dem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 13.04.2012 fügte die Klägerin eine Stellungnahme ihrer Hebamme bei, eine Verordnung von Krankengymnastik zweimal wöchentlich vom 12.03.2012 wegen Wirbelsäulenerkrankung mit prognostisch länger andauerndem Behandlungsbedarf bei Schmerzen im Gelenk bzw. Gelenkblockierung, eine Mitteilung der Physiotherapeutin vom 17.04.2012 sowie eine Bescheinigung ihres Orthopäden Dr. F. vom 17.04.2012, der ein Zervikalsyndrom sowie morgendliches Einschlafen der Hände seit etwa vier Monaten ohne neurologischen Befund, Wirbelblockierungen und starke muskuläre Verspannungen attestierte. Des Weiteren verwies die Klägerin auf das Bestehen einer Risikoschwangerschaft wegen mehr als zwei Fehlgeburten, rascher Schwangerschaftsfolge unter zwölf Monaten und mehr als vier Kindern und bestehende Erschöpfung, Schmerzen und Fehlfunktionen der Hände bei Notwendigkeit der Versorgung von sieben Kindern.

In einer weiteren Stellungnahme vom 02.05.2012 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass keine neuen Aspekte festzustellen seien. Die Schwangerschaft verlaufe unauffällig. Die vorgetragenen Gelenkbeschwerden und Fehlfunktionen seien chronische Erkrankungen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Haushaltshilfe lägen nicht vor. Es könne lediglich eine Unterstützung durch Familienhilfe empfohlen werden.

Den Widerspruch wies die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach ihrer Satzung sei Haushaltshilfe allein zur Weiterführung des Haushalts im Fall akuter (schwerer) Krankheit vorgesehen. An einem akuten Krankheitsbild mangele es jedoch vorliegend.

Hiergegen hat die Klägerin am 28.06.2012 Klage zu dem Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung führt sie aus, sie leide gemäß Arztbericht des Orthopäden Dr. F. an einem akuten Zervikalsyndrom bei segmentierter Funktionsstörung sowie an Trapezius-, Semispinalis- und Speniusmyalgie bei bestehender Schwangerschaft. Daneben habe der betreuende Frauenarzt Dr. G. am 06.06.2012 starke, schmerzhafte Schwangerschaftsbeschwerden, Kreislaufprobleme und Erschöpfungszustände diagnostiziert.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Kosten für Haushaltshilfe für die Zeit vom 01.03.2012 bis 01.08.2012 in Höhe von insgesamt 6.467,50 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide. Es bestehe keine akute, sondern eine chronische Dauererkrankung. Auch seien Anträge erst nachträglich gestellt worden, so dass insoweit eine Kostenerstattung allein deshalb ausscheide.

Gemäß dem Befundbericht von Dr. G. vom 16.11.2012 litt die Klägerin in der Zeit vom 01.03.2012 bis 11.07.2012 – nach diesem Datum sei sie nicht mehr vorstellig geworden – an über das gewöhnliche Maß hinausgehenden schwangerschaftsbedingten Unterbauchschmerzen und Erschöpfungszustand (Fatigue) in der Schwangerschaft. Eine gezielte Behandlung sei nicht möglich gewesen. Verordnet worden seien daher längere Ruhepausen, die sie wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht habe einhalten können. Auch habe sie die Kinder nicht heben können, ohne dass sich die Unterbauchschmerzen verschlimmerten. Eine Haushaltsführung sei daher in der Zeit nicht möglich gewesen.

Nach dem Befundbericht von Dr. F. vom 23.11.2012 lagen ein akutes Zervikalsyndrom bei segmentierter Funktionsstörung sowie eine Trapezius-, Semispinalis- und Speniusmyalgie bei bestehender Schwangerschaft (29.03.2012), ein BWS-LWS-Syndrom mit segmentalen Funktionsstörungen, ein Iliosakralgelenksyndrom, sonstige biomechanische Funktionsstörungen im Beckenbereich und eine mehrsegmentale thorakolumbale Myalgie (09.08.2012) vor. Eine "hochakute" Erkrankung habe bei der Untersuchung am 29.03.2012 nicht vorgelegen. Inwieweit die Beschwerden schwangerschaftsbedingt gewesen seien, könne er nicht abschätzen. Eine weitere Untersuchung habe am 09.08.2012 stattgefunden. Die jeweils vorliegenden Funktionsstörungen seien sicherlich geeignet gewesen, auch bei einfachen Tätigkeiten im Haushalt Beschwerden auszulösen. Alltagsverrichtungen sowie auch eine Haushaltsführung seien aber an den Untersuchungstagen augenscheinlich nicht grundsätzlich unmöglich gewesen.

Nach dem Befundbericht der ebenfalls seit der achten Schwangerschaftswoche behandelnden Gynäkologin Dr. H. vom 08.01.2013 beklagte die Klägerin häufige Kontraktionen seit der 30. Schwangerschaftswoche. Es hätten jedoch weder eine akute Erkrankung noch schwangerschaftsbedingte gesundheitliche Probleme bestanden. Allerdings sei aufgrund der raschen Geburtenfolge und der vorausgegangen Schwangerschaften körperliche und häusliche Schonung sowie zügige Vorstellung im Falle vorzeitiger Wehentätigkeit empfohlen worden. Eine stationäre Aufnahme sei vom 23. bis 24.07.2012 zwecks eines Wendeversuchs erfolgt, der misslungen sei. Die Klägerin sei aufgrund der schwierigen häuslichen Situation mit der Betreuung von sieben Kindern aber nicht in der Lage gewesen, ihren Haushalt regelrecht zu führen. Auch der wegen der vorzeitigen regelmäßigen Kontraktionen ausgesprochenen Empfehlung zur Schonung habe sie nicht nachkommen können.

In seiner erneuten Stellungnahme vom 07.02.2013 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass weiterhin keine medizinische Indikation für eine Haushaltshilfe während der Schwangerschaft bestehe. Die orthopädisch bescheinigten Beschwerden seien ein relativ typisches Beschwerdebild während der Schwangerschaft, die mit Physiotherapie ausreichend behandelt seien. Bewegungseinschränkungen, spezifische Funktionsstörungen und neurologische Ausfälle seien nicht angegeben. Dem Bericht von Dr. H. seien keine Hinweise auf ein akutes Risiko von Frühgeburtlichkeit zu entnehmen; es seien weder eine Cervixverkürzung noch vaginale Blutungen beschrieben. Auch die Geburt am xx.xx.2012 sei zeitgerecht gewesen und komplikationslos verlaufen. Aus der familiären Situation ergebe sich kein medizinischer Grund. Auch das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft bei Zustand nach vier Spontangeburten, zwei Aborten und rascher Schwangerschaftsfolge sei weder eine akute noch eine sich akut verschlechternde Erkrankung. Die mit Multiparität bekanntermaßen verbundenen Risiken von Erschöpfung, vorzeitiger Wehentätigkeit mit Gefahr einer Frühgeburt und verstärkte Anfälligkeit für weitere Schwangerschaftsbeschwerden bedingten lediglich eine engmaschigere fachärztliche Betreuung und umsichtige Anleitung zu den erforderlichen Verhaltensweisen. Die Organisation dessen liege bei der Familie, solange wie hier keine weiteren akuten Erkrankungen und keine Gefährdung von Mutter und/oder Kind vorlägen.

Die Klägerin überreichte daraufhin eine weitere ärztliche Bescheinigung von Dr. C. vom 19.04.2012, "erneut nachgetragen und gezeichnet" am 18.09.2013. Demgemäß sei eine Haushaltshilfe von täglich acht Stunden vom 21.04.2012 bis 01.08.2012 notwendig gewesen. Als (akute und schwere) Erkrankung angegeben sind schwangerschaftsbedingte Wirbelsäulenschmerzen und ständige Behandlungen. Die Patientin könne in ihrer jetzigen achten Schwangerschaft ihre sieben Kleinkinder derzeit wegen Schmerzen nicht versorgen. Die Patientin könne sich kaum noch bewegen und müsse überwiegend liegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten i.S.v. § 54 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der für die Zeit vom 01.03.2012 bis 01.08.2012 geltend gemachten Kosten für eine Haushaltshilfe in Höhe von insgesamt 6.467,50 EUR.

Als Grundlage des Erstattungsanspruchs kommt § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch.

Um eine unaufschiebbare Leistung handelte es sich vorliegend nicht, so dass nur die zweite Alternative einer unrechtmäßigen Ablehnung in Betracht kommt (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V). Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Denn die Beklagte hat zu Recht die Gewährung einer Haushaltshilfe ab dem 01.03.2012 abgelehnt.

Für die Zeit ab dem 22.04.2012 fehlt es bereits an der Einhaltung des Beschaffungswegs des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Die Klägerin muss sich für diese Zeit entgegenhalten lassen, dass der Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und der Leistungsbeschaffung fehlt. Denn ab dieser Zeit wurden keine vorherigen Anträge auf Haushaltshilfe gestellt, obwohl es der Klägerin möglich und zumutbar gewesen wäre, einen solchen Antrag zu stellen und die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten.

Bei der vorherigen Antragstellung handelt es sich im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V um eine zwingende Voraussetzung. Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei der Haushaltshilfe um eine Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Alternative 2 SGB V handelt. Nach § 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) werden die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nur auf Antrag erbracht, soweit sich aus dem SGB V nichts anderes ergibt. Auch im SGB V ist die Frage, ob eine Sachleistung der vorherigen Beantragung und Bewilligung durch die zuständige Krankenkasse bedarf, so geregelt, dass die vorherige Beantragung und Bewilligung der Leistung die Regel und das Absehen hiervon die Ausnahme ist. Ausnahmen vom Regelprinzip der vorherigen Beantragung und Bewilligung durch die Krankenkasse bestehen da, wo Eilbedürftigkeit gegeben ist oder gegeben sein kann. Etwas Abweichendes ist in § 38 SGB V nicht geregelt. Die Haushaltshilfe ist daher - auch soweit Kostenerstattung geltend gemacht wird - stets vorher zu beantragen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2011, L 11 KR 1694/10, juris, Rn. 28).

Für die Zeit vom 01.03.2012 bis 21.04.2012 liegen zwar vorherige Anträge vor. Der von der Klägerin geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ist jedoch in dieser Zeit in der Sache unbegründet.

Als Anspruchsgrundlagen für eine Haushaltshilfe in dieser Zeit kommen grundsätzlich § 38 SGB V (Haushaltshilfe wegen Krankheit) und § 24h SGB V (Haushaltshilfe wegen Schwangerschaft und Entbindung, vormals § 199 RVO) in Betracht. Der zuletzt genannte Anspruch reicht inhaltlich weiter, denn er ist weder hinsichtlich des Zeitaufwands pro Tag noch hinsichtlich der Gesamtdauer begrenzt. Maßgeblich sind allein medizinische Erforderlichkeit ("soweit") und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2014, L 5 KR 898/13, juris). Die beiden Normen stehen in einem Konkurrenzverhältnis. Die Leistungstatbestände in §§ 24d ff. SGB V (zuvor: §§ 196 ff. RVO) enthalten privilegierende Sonderregelungen für die besonderen Versicherungs- und Leistungsfälle Schwangerschaft bzw. Entbindung und gehen §§ 27 ff. SGB V insoweit vor. Der Anspruch aus § 24h SGB V (§ 199 RVO) besteht dem folgend jedenfalls so lange, wie der Anlass der Haushaltshilfe in schwangerschaftstypischen Beschwerdebildern (z.B. Morgenübelkeit, Müdigkeit) besteht. Die Privilegierung entfällt nach teils vertretener Auffassung bereits dann, wenn in Abgrenzung hierzu eine Erkrankung vorliegt (Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Auflage 2012, § 24h SGB V, Rn. 5). Nach anderer Auffassung entfällt sie nur dann, wenn unabhängig von Schwangerschaft bzw. Entbindung eine Erkrankung auftritt (Lode in: Düwell/Göhle-Sander/Kohte, jurisPK-Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kap. 23.6 - § 199 RVO, Rn. 11). Sind Schwangerschaft oder Entbindung dagegen unmittelbare und wesentliche Ursache der Erkrankung, benötigt die Versicherte Haushaltshilfe "wegen Schwangerschaft oder Entbindung" im Sinne des § 24h SGB V/§ 199 RVO (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2014, L 5 KR 898/13, juris, Rn. 37; im Ergebnis ähnlich: Lode in: Düwell/Göhle-Sander/Kohte, jurisPK-Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kap. 23.6 - § 199 RVO, Rn. 11). Letzter Auffassung folgt das Gericht. Denn ansonsten hätte eine Schwangere, die über das mit einer Schwangerschaft gewöhnlich verbundene Maß hinausgehende Beschwerden mit Krankheitswert hat, höhere Hürden für den Anspruch auf Haushaltshilfe zu nehmen als eine Schwangere, die mit "normalen" Schwangerschaftsbeschwerden belastet ist. Dies ist aber ein Wertungswiderspruch, da die §§ 195 ff. RVO die Schwangere gerade besser stellen sollen (Lode in: Düwell/Göhle-Sander/Kohte, jurisPK-Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kap. 23.6 - § 199 RVO, Rn. 12; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2014, L 5 KR 898/13, juris, Rn. 37).

Der Klägerin steht dieser Abgrenzung folgend kein Anspruch auf Haushaltshilfe in der Zeit vom 01.03.2012 bis 21.04.2012 nach § 38 SGB V zu.

Nach § 38 Abs. 1 SGB V erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen wegen Krankenhausbehandlung oder wegen einer Leistung nach § 23 Abs. 2 SGB V (ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten), § 23 Abs. 4 SGB V (Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung), § 24 SGB V (Vorsorgeleistungen in Form einer Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Maßnahme), § 37 SGB V (häusliche Krankenpflege), § 40 SGB V (ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung) oder § 41 SGB V (Rehabilitationsleistungen in Form einer Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Maßnahme) die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

Gemäß § 38 Abs. 2 SGB V kann die Satzung der Krankenkasse bestimmen, dass sie in anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen Haushaltshilfe erbringt, wenn Versicherten wegen Krankheit die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Sie kann dabei von Absatz 1 Satz 2 abweichen sowie Umfang und Dauer der Leistung bestimmen. Hiervon hat die Beklagte Gebrauch gemacht und in ihrer Satzung bestimmt, dass Haushaltshilfe auch dann zur Verfügung stellt wird, wenn

1. nach ärztlicher Bescheinigung die Weiterführung des Haushalts wegen einer akuten schweren Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit nicht möglich ist, längstens jedoch für die Dauer von 4 Wochen
2. nach ärztlicher Bescheinigung die Weiterführung des Haushalts wegen einer akuten schweren Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit ( ...) eines versicherten Angehörigen nicht möglich ist und im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist, längstens jedoch für die Dauer von 52 Wochen.

Soweit in den Befundberichten von Dr. G. und Dr. H. schwangerschaftsbedingte Beschwerden attestiert werden, haben diese keinen (schwangerschaftsunabhängigen) Krankheitswert, sondern stehen mit der Schwangerschaft im unmittelbaren Zusammenhang. Insoweit ist der Anwendungsbereich des § 38 SGB V - wie dargestellt - nicht eröffnet, da dieser durch die speziellere Regelung des § 24h SGB V verdrängt wird.

Allein wegen der orthopädischen Beschwerden, die zwar nach den Ausführungen des MDK durchaus schwangerschaftstypisch sind, nach den Ausführungen des Orthopäden Dr. F. andererseits nicht zwingend mit der Schwangerschaft in Verbindung zu bringen sind, und daher auch eine von der Schwangerschaft unabhängige Erkrankung darstellen könnten, käme eine Anwendung von § 38 SGB V in Betracht.

Eine akute schwere Erkrankung oder eine akute Verschlimmerung einer Krankheit, deretwegen eine Haushaltsführung nicht möglich war, lag insoweit aber nicht vor. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Befundberichts von Dr. F. vom 23.11.2012 fest. Dieser hat ausgeführt, dass die – u.a. am 29.03.2012 festgestellten - Funktionsstörungen sicherlich geeignet gewesen seien, auch bei einfachen Haushaltstätigkeiten Beschwerden auszulösen, eine Haushaltsführung aber ersichtlich nicht unmöglich gemacht hätten. Die Bescheinigungen des Hausarztes Dr. C. vom 01.03.2012 und 24.03.2012, nach denen Wirbelsäulenschmerzen vorlagen, die eine Haushaltsführung nicht erlaubt hätten, widersprechen dem zwar. Ein konkretes Beschwerdebild, das eine abweichende Beurteilung rechtfertigte, wird dort indessen nicht dargelegt. Zudem weist Dr. C. vor allem wiederholt auf die Schwierigkeit der Versorgung von sieben Kindern bei Schmerzen und Schwangerschaft hin. Dies betrifft indes die besonderen familiären Umstände und ist nicht in einer akuten schweren Krankheit begründet. Soweit die am 18.09.2013 "nachgezeichnete" Bescheinigung von Dr. C. auf eine zunehmende Bewegungsunfähigkeit der Klägerin ab dem 21.04.2012 abstellt, wurde diese erst im gerichtlichen Verfahren eingereicht. Zum fraglichen Zeitpunkt erfolgte dagegen keine weitere Antragstellung, wie sie zur Einhaltung des Beschaffungsweges nötig gewesen wäre.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Haushaltshilfe für die Zeit vom 01.03.2012 bis 21.04.2012 nach den Vorschriften über Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach § 199 Satz 1 RVO (nunmehr: § 24 h SGB V, mit Wirkung zum 30.10.2012 in Kraft getreten, Gesetz vom 23.10.2012, BGBl. I S. 2246).

Nach § 199 Satz 1 RVO erhält die Versicherte Haushaltshilfe, soweit ihr wegen Schwangerschaft oder Entbindung die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist und eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann. § 38 Abs. 4 SGB V gilt entsprechend (§ 199 Satz 2 RVO). Satz 2 der Vorschrift verweist auf § 38 Abs. 4 SGB V, nach der der Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten sind, wenn die Krankenkasse keine Haushaltshilfe stellen kann oder Grund besteht, davon abzusehen.

Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der Schwangerschaft und der Unmöglichkeit der Weiterführung des Haushalts war hier nicht gegeben. § 199 Satz 1 RVO setzt voraus, dass die Versicherte den Haushalt "wegen" Schwangerschaft oder Entbindung nicht weiterführen kann. Der Anspruch soll gewährleisten, dass die Versicherte die Schwangerschaft durchlaufen kann, ohne dass es infolge der Haushaltsführung zu Komplikationen im regulären Schwangerschaftsablauf kommt (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 28.03.2007, L 5 KR 29/06, juris, Rn. 21). Normale Schwangerschaftsbeschwerden wie gelegentliche Übelkeit, Erbrechen, Rückenschmerzen usw. reichen hierfür regelmäßig nicht aus, da sie die Weiterführung des Haushalts noch nicht unmöglich machen. Vielmehr kommt die Gewährung einer Haushaltshilfe nur dann in Betracht, wenn die Schwangerschaftsbeschwerden so intensiv sind, dass die Weiterführung des Haushalts nur unter konkreter Gefährdung der Gesundheit der Schwangeren bzw. ihres Kindes möglich ist (Lode in: Düwell/Göhle-Sander/Kohte, jurisPK-Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kap. 23.6 - § 199 RVO, Rn. 10).

Soweit die Wirbelsäulenbeschwerden als schwangerschaftsbedingt aufzufassen sind, wie dies Dr. C. bescheinigt, und somit dem Anwendungsbereich des § 199 RVO unterfallen würden, fehlt es an jeglichem Hinweis auf eine konkrete Gefährdung von werdender Mutter oder ungeborenem Kind. Ein Anspruch der Klägerin aus § 199 RVO scheidet daher unter diesem Aspekt aus.

Nach den Befundberichten der Gynäkologen Dr. G. und Dr. H. war der Klägerin zwar u.a. wegen schwangerschaftsbedingter Erschöpfung und vorzeitigen Kontraktionen – Schonung angeraten. Ein konkretes Risiko einer Frühgeburt, der Gefährdung des Kindes oder der Mutter bestand jedoch nicht. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass bei der Klägerin mehrere Faktoren vorlagen, die eine sog. Risikoschwangerschaft begründeten. Dies bedeutet aber an sich noch keine konkrete Gefährdung der Schwangeren oder des ungeborenen Kindes, sondern lediglich eine – abstrakte – höhere Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Komplikationen als dies bei einer "normalen" Schwangerschaft der Fall ist. Demnach können auch sog. Risikoschwangerschaften völlig komplikationslos verlaufen. Es bedarf folglich des Hinzutretens einer konkreten Gefahr zu dem abstrakten Risiko. Nach dem Befundbericht von Dr. H. bestanden indessen ausdrücklich keine schwangerschaftsbedingten gesundheitlichen Probleme. Eine konkrete Gefährdung von Mutter oder Kind zeichnet sich damit nicht ab, wie dies etwa bei einer Cervixverkürzung oder vaginalen Blutungen der Fall wäre. Auch aus den seit der 30. Schwangerschaftswoche – also etwa seit Juni 2012 – von der Klägerin beklagten häufigen Kontraktionen leitet Dr. H. keine konkrete Gefährdung her, sondern empfiehlt vielmehr in der Vorstufe zügige Vorstellung im – hier offensichtlich nicht aufgetretenen Fall – vorzeitiger Wehentätigkeit. Ebenso lässt sich aus dem Befundbericht von Dr. G. kein konkretes Risiko ableiten. Zwar werden über das übliche Maß hinausgehende Unterbauchschmerzen und Fatigue bescheinigt, jedoch kein konkretes Risiko für Mutter bzw. Kind beschrieben. Im Ergebnis stellen beide Ärzte vor allem auch auf die schwierige häusliche Situation mit sieben Kindern ab. Diese war allerdings gerade nicht kausal in der Schwangerschaft der Klägerin begründet, wie es § 199 Satz 1 RVO ("wegen") fordert, sondern in der besonderen familiären Situation der Klägerin begründet. Nach alledem lagen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 199 Satz 1 RVO nicht vor.

Dessen ungeachtet vermag das Gericht auch im Kontext mit diesen Beschwerden nicht zu erkennen, dass dem Erfordernis vorheriger Antragstellung, das wegen des Verweises in § 199 Satz 2 RVO auf § 38 Abs. 4 SGB V auch in diesem Rahmen zu gelten hat, Genüge getan wurde. Dr. H. attestiert Beschwerden mit Schonungsbedarf erst ab der 30. Schwangerschaftswoche. Das vorgelegte Attest von Dr. G. datiert vom 06.06.2012. Wegen der dort attestierten Beschwerden ist kein vorheriger Antrag der Klägerin bei der Beklagten aus deren Verwaltungsakte ersichtlich. Auch hieran scheitert ein möglicher Anspruch nach § 199 RVO.

Nach alledem hat die Klage keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin hier vollständig unterliegt.
Rechtskraft
Aus
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