S 20 SO 218/07 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 20 SO 218/07 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 20/08 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der sinngemäße Antrag,

den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Übernahme der Bestattungskosten für die verstorbene Mutter des Antragstellers, Frau C. A. zu verpflichten,

hat keinen Erfolg.

Der mit Datum vom 25.10.2007 bei dem Sozialgericht Gießen gestellte Eilantrag hat keinen Erfolg, denn hinsichtlich der mit Schreiben vom 10.04.2007, 13.04.2007 und 19.04.2007 geltend gemachten Beträge fehlt es an einem Anordnungsgrund, bezüglich der mit Schreiben vom 23.05.2007 eingereichten Rechnung der Stadt Frankfurt vom 07.05.2007 ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwenig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, also ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Das bedeutet, dass die Beweisführung, die einem Antragsteller hinsichtlich der von ihm behaupteten entscheidungserheblichen Umstände grundsätzlich obliegt, vorerst nur einen geringeren Grad an Sicherheit vermitteln muss, als dies in einem Klageverfahren erforderlich wäre. In einem Anordnungsverfahren einstweilen zugesprochene Mittel werden in aller Regel verbraucht und können, abgesehen von Ausnahmefällen, nach einer etwaigen Aufhebung der Anordnung oder gegenteiligen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr zurückgezahlt werden. Rein faktisch – wenn auch nicht rechtlich – werden somit im Eilverfahren regelmäßig vollendete Tatsachen geschaffen; daher muss die Wahrscheinlichkeit eines Anspruches auf die begehrte Leistung sehr groß sein, wobei gegebenenfalls allerdings auch zu berücksichtigen ist, in wessen Sphäre die verbliebenen Ungewissheiten fallen, die den Unterschied zwischen geringer und hoher Wahrscheinlichkeit ausmachen. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistung hat. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben ist und deshalb ein weiteres Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache dem Antragsteller nicht zumutbar ist. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung scheidet wegen des summarischen Charakters dieses Verfahrens grundsätzlich dann aus, wenn diese die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen würde, weil sonst die Erfordernisse, die bei einem Hauptsacheverfahren zu beachten sind, umgangen würden. Auch besteht die Gefahr, dass eventuell in einem Eilverfahren vorläufig, aber zu Unrecht gewährte Leistungen später nach einem Hauptsacheverfahren, das zu Lasten des Antragstellers ausginge, nur unter sehr großen Schwierigkeiten erfolgreich wieder zurückgefordert werden könnten. Von diesem Grundsatz ist deshalb nur dann abzuweichen, wenn allein die Befriedigung des von dem Antragsteller geltend gemachten Anspruchs in der Lage ist, einen irreparablen Schaden zu verhindern (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Auflage, V. RdNr. 41), wenn also ohne die Entscheidung im vorläufigen Verfahren schwere und unzumutbare, anders nicht abzuwendende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG E 79, 69, 74 m. w. N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsteller hinsichtlich der Gewährung der begehrten Leistung Anordnungsgrund bzw. Anordnungsanspruch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht:

I.

Hinsichtlich der mit Schreiben vom 10.04.2007, 13.04.2007 und 19.04.2007 geltend gemachten Beträge fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund, denn der Antragsgegner hat hierüber durch Bescheid vom 10.05.2007 entschieden und einen Betrag von EUR 553,84 bewilligt. Der hiergegen fristgerecht eingelegte Widerspruch des Antragstellers vom 18.05.2007 wurde durch Widerspruchsbescheid vom 12.06.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Diesen Widerspruchsbescheid des Antragsgegners hat der Antragsteller nicht innerhalb der Klagefrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit einer Klage vor dem Sozialgericht angegriffen, er ist mithin bestandskräftig geworden. Am 25.10.2007 hat der Antragsteller zwar bei dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Diese ist unter dem Aktenzeichen S 20 SO 219/07 anhängig. Er hat dabei nicht angegeben, gegen welchen Bescheid des Antragsgegners sich diese Klage richten soll. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die bezüglich des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2007 längst verstrichene Klagefrist hat er insoweit nicht gestellt, so dass davon auszugehen ist, dass sich diese Klage nur gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2007 richten soll. Im Übrigen sind auch keine Gründe für eine Wiedereinsetzung gem. § 67 SGG ersichtlich. Das Gericht weist außerdem darauf hin, dass der Antragsteller im Widerspruchsbescheid vom 12.06.2007, Blatt 3 unten, ausdrücklich bezüglich seines neuerlichen Antrages vom 23.05.2007 auf den hierzu ergangenen erneuten Bewilligungsbescheid hingewiesen worden ist.

II.

Hinsichtlich der weiteren Übernahme von Bestattungskosten entsprechend der Rechnung der Stadt Frankfurt vom 07.05.2007 in Höhe von EUR 2.980,00 liegt ebenfalls kein Anordnungsgrund vor, denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, welche nicht wieder gutzumachenden Nachteile ihm durch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache drohen sollten. Hier ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass bisher offenbar keinerlei Vollstreckungsmaßnahmen seitens der Stadt Frankfurt gegen den Antragsteller eingeleitet worden sind. Ausweislich eines Telefonvermerks (Blatt 238 Verwaltungsakte) wurden auf diese Forderung sogar EUR 1.258,00 gezahlt, so dass der Antragsteller offenbar nicht so mittellos ist, wie er darstellt.

Darüber hinaus ist aber auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden, denn bisher ist nicht erwiesen, dass es sämtlichen insoweit Verpflichteten im Sinne von § 74 SGB XII nicht zugemutet werden kann, die erforderlichen Kosten der Bestattung zu tragen. Der Antragsteller hat zwei weitere Geschwister, die ebenfalls für solche Nachlassverbindlichkeiten haften. Deren Unfähigkeit, diese Kosten zu tragen, ist nicht glaubhaft gemacht worden.

Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Anspruchsberechtigter nach § 74 SGB XII ist also derjenige, der rechtlich dazu verpflichtet ist, die Kosten der Bestattung zu tragen. Nach § 1968 BGB sind die Erben dazu verpflichtet, die Kosten der Beerdigung des Erblassers zu tragen. Bei einer Mehrheit von Erben ist jeder Mit-Erbe Verpflichteter, soweit er Forderungen nach § 1968 BGB ausgesetzt ist. Lässt sich nicht feststellen, ob ein weiterer Mit-Erbe nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zur Übernahme von Bestattungskosten in der Lage ist, gilt dieses zu Lasten des Mit-Erben, der die Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger verlangt

Ausweislich der Verwaltungsakte hat der Antragsteller noch zwei Geschwister. Hinsichtlich des Bruders D. A. sowie der Schwester E. E. geb. A. ist nicht belegt, dass diese nicht leistungsfähig sind.

Erben haften grundsätzlich gesamtschuldnerisch für die Bestattungskosten, das bedeutet dass jeder einzelne Erbe nicht nur anteilig haftet, sondern zur Zahlung der Gesamtkosten verpflichtet ist. Im Innenverhältnis der Erben zueinander besteht ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch, der sich nach dem Verhältnis der einzelnen Erbteile richtet (§ 2058 BGB).

Nachdem der Antragsgegner ohne Berücksichtigung dieser Gesamtschuldnerhaftung dem Antragsteller grundsätzlich 1/3 der erforderlichen Kosten erstattet hat, besteht hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages ein Anordnungsanspruch weder dem Grunde noch der Höhe nach. Vorliegend ist die Bestattung der Frau A. bereits vollzogen, es handelt sich somit nur noch um die Entlastung des Antragstellers von den entstandenen Kosten. Hierbei greift der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe vor der Geltendmachung anderer Ersatzansprüche, hier gegenüber den Geschwistern des Antragstellers. Dieser ist somit zunächst darauf zu verweisen, diese Ersatzansprüche durchzusetzen oder aber nachzuweisen, dass dies endgültig gescheitert ist (vgl. z.B. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.03.2006, Az.: L 9 B 65/06 SO).

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass es auch seinen Geschwistern nicht zumutbar ist, als gesamtschuldnerisch Mitverpflichtete die erforderlichen Kosten der Bestattung zu tragen. Dem Gericht sind insoweit aufgrund des Charakters des Eilverfahrens derartige Ermittlungen nicht möglich, denn sie sind zeitaufwendig und müssen daher dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Hinsichtlich der Höhe der grundsätzlich übernahmefähigen Bestattungskosten fehlt es ebenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches, denn § 74 SGB XII begrenzt den Anspruch auf die erforderlichen Kosten einer Bestattung. Hierzu hat der Antragsgegner in dem Bescheid vom 21.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2007 Ausführungen gemacht, die grundsätzlich der Rechtslage entsprechen. Gründe für ein Abweichen hiervon im konkreten Einzelfall hat der Antragsteller gleichfalls nicht glaubhaft gemacht.

Unter Berücksichtigung des Charakters eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war es vorliegend auch nicht geboten, noch länger auf einen weiteren Vortrag des Antragstellers zu warten, zumal der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die mit Schriftsatz vom 03.12.2007 beantragte Fristverlängerung hat fruchtlos verstreichen lassen. Auf die insoweit bestehende gesteigerte Mitwirkungspflicht des Antragstellers wird hingewiesen (vgl. Hessisches LSG, Beschlüsse vom 12.12.2006, Az.: L 9 SO 81/06 ER und vom 23.01.2007, Az.: L 9 SO 97/06 ER).

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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