S 18 U 3108/16

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Gotha (FST)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 18 U 3108/16
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 U 1443/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES Urteil In dem Rechtsstreit , - Kläger und Berufungskläger - Prozessbevollm.: , gegen , - Beklagte und Berufungsbeklagte - hat der 1. Senat des Thüringer Landessozialgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2019 durch den Präsidenten des Landessozialgerichts Keller, den Richter am Landessozialgericht Krome und den Richter am Sozialgericht Dr. Herbst sowie die ehrenamtliche Richterin Bamberg und den ehrenamtlichen Richter Dr. Weimer für Recht er-kannt: Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 15. Oktober 2018 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Arbeitsunfalles nach § 8 des Siebten Buches Sozial-gesetzbuches (SGB VII).

Der als selbständiger Zahnarzt für Oralchirurgie bei der Beklagten freiwillig versicherte Kläger erhielt mit Schreiben vom 20. Juli 2015 von der D. AG eine an weitestgehend alle niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker in Thüringen adressierte Einladung zu den 6. Meisterschaften im Biathlon für Sonntag, den 15. November 2015, in der D.-Skisport-H. in O. (Einzel- bzw. Staffelrennen). Startberechtigt waren allein in Thüringen niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker. Die Teilnehmerzahl war bezüglich des Einzelrennens auf maximal 80 Teilnehmer und bezüglich des Staffelrennens auf maximal 16 Staffeln begrenzt; die maximale Teilnehmerzahl betrug 160 Personen (80 Starterplätze zzgl. jeweils eine Begleitperson). Die Anmeldungen wurden nach der Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt. Die Startgebühr betrug für das Einzelrennen 25,00 Euro pro Person und 15,00 Euro pro Person für die Staffel. Der Ablauf am Renntag war wie folgt vorgeplant:

Ab 10:30 Uhr Anreise und Akkreditierung in der Skisport-HALLE O. - Vergabe der Startnummern, - Streckenplan, - Umkleiden 11:15 Uhr Einweisung Wettkampf Streckenführung/Probeschießen 12:30 Uhr Start Wettkämpfe Einzelrennen nach Altersklassen ca. 16:00 Uhr Start Staffelrennen ca. 18:30 Uhr Buffet und Getränke ca. 19:00 Uhr Siegerehrung ca. 20:30 Uhr Ende der Veranstaltung.

Unter seiner Berufsbezeichnung und Praxisanschrift meldete sich der Kläger zum Einzelrennen und Staffelrennen an und überwies von seinem Praxiskonto die Startgebühr von 40,00 EUR. Mit E-Mail vom 1. Oktober 2015 erhielt er eine Einladung zum vorgeschalteten Training am Mittwoch, den 28. Oktober 2015, in der Zeit von 18:00 bis 20:00 Uhr in der Skisport-HALLE in O. Dieser Einladung folgend wurde der in seinem PKW sitzende Kläger an diesem Tag bei der Parkplatzsuche in O. vor der Skisporthalle gegen 17:30 Uhr von einem anderen Kraftfahrzeug angefahren. Er erlitt eine Fraktur des sechsten Halswirbelkörpers sowie ein Schädelhirntrauma mit Sehstörung.

Auf die Unfallanzeige vom 11. November 2015 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. März 2016 die Feststellung des Ereignisses als Arbeitsunfalles ab. Die zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit sei dem privaten Lebensbereich des Klägers zuzurechnen. Die Teilnahme an einer Biathlon-Landesmeisterschaft stehe, auch wenn sie für einen spezifischen Berufszweig ausrichtet werde, in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit als Kiefer- und Oralchirurg. Eine versicherte Betriebssportveranstaltung habe ebenfalls nicht vorgelegen, da eine solche regelmäßig stattfinden und der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf Beschäf-tigte des veranstaltenden Unternehmens beschränkt sein müsse; auch ein Wettkampfcharakter dürfe nicht vorliegen. Schließlich sei keine versicherte Gemeinschaftsveranstaltung anzunehmen, da es an einem angemessenen Gemeinschaftszweck (Pflege der Verbundenheit der Unternehmensleitung und der Beschäftigten) fehle. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2016).

Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht Gotha Klage erhoben und vorgetragen, die Einladung sei ausschließlich an niedergelassene Ärzte, Zahnärzte und Apotheker gerichtet gewesen. Voraussetzung der Teilnahme sei die berufliche Tätigkeit. Die Veranstaltung habe im Üb-rigen der Verfestigung der Kollegialität gedient.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat die D. AG mitgeteilt, die D. Service GmbH als 100%iges Tochterunternehmen der D. AG habe die Veranstaltung der Biathlonmeisterschaften sowie das entsprechende Wettkampftraining durchgeführt. Die Kosten der Veranstaltung (Catering etc.) habe die D. Service GmbH beglichen. Die von den Teilnehmern selbst bezahlte Startgebühr sei für einen guten Zweck gespendet worden. Die Veranstaltung habe sich an alle niedergelassen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker in Thüringen gerichtet, die über die jeweilige Kundenbetreuung der D. AG eine Information über die Veranstaltung erhalten hätten. Als Anforderung, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer - nicht jedoch die Begleitpersonen - zu erfüllen hatten, habe allein die Angehörigkeit zu Kundengruppe niedergelassene Ärzte, Zahnärzte und Apotheker in Thüringen gehört. Bei der Veranstaltung habe es sich inhaltlich um eine sportliche Veranstaltung gehandelt. Ziel sei die Förderung der Vernetzung der niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker in Thüringen sowohl untereinander als auch mit den Kundenbetreuern der D. AG gewesen.

Mit Urteil vom 15. Oktober 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Maßgebliches Kriterium sei, ob sich die Tätigkeit des Klägers im Rahmen seines Unternehmens hielt und die zum Unfall führende Verrichtung als solche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liege. Die Handlungstendenz des Klägers sei auf die Teilnahme am Training zur Vorbereitung der 6. D.-Meisterschaften im Biathlon in O. gerichtet gewesen. Die Veranstaltung habe mehreren unterschiedlichen Zwecken gedient. Zum einen habe es sich offensichtlich um eine sportliche Wettkampfveranstaltung gehandelt, und zum anderen sei die Veranstaltung auf die Anbahnung bzw. die Vertiefung der Geschäftsbeziehung der Veranstaltungszielgruppe mit der D. AG ausgerichtet gewesen. Das Gericht könne nicht in Abrede stellen, dass sich der Kläger mit seiner Teilnahme auch die Begründung und Bestärkung geschäftlicher Beziehungen erhofft habe. Es sei aber zu berücksichtigen, dass der vom Kläger in Betracht gezogene Personenkreis aufgrund der in Wohnortnähe in Betracht kommender Patienten und der Tatsache, dass es sich beim Personenkreis der niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte, die zur Ausübung des Biathlon-Sports befähigt sind, um einen anzahlmäßig sehr Begrenzten handle. Die Aussicht auf die Begründung neuer beruflicher Beziehung dürfe daher eher gering gewesen sein. Da der Kläger in Ansehen seines Vorbringens mit seiner beabsichtigten Wettkampfteilnahme und dem vorgelagerten Training nicht die Anbahnung geschäftlicher Beziehung zum Veranstalter beabsichtige, scheide dieser Gesichtspunkt im Rahmen der wertenden Entscheidung des Gerichts zur Feststellung der Handlungstendenz aus. Nach Überzeugung des Gerichts habe die private Zweckverfolgung einer Teilnahme an einer sportlichen Wettkampfveranstaltung im Vordergrund des Handelns des Klägers gestanden. Dem gegenüber trete die vorgetragene Begründung und Vertiefung beruflicher Kontakte zur Förderung seines Unternehmens in den Hintergrund. Dabei berücksichtige das Gericht, dass sich nach der Veranstaltungsausschreibung aus dem ca. 12.000 Personen starken Adressatenkreis aus Thüringen (so die Recherche des Gerichts beim Thüringer Landesamt für Statistik) angesichts des auf 80 Personen limitierten Teilnehmerkreises eine nur sehr geringe Möglichkeit zur Erweiterung beruflicher Kontakte geboten habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Ob eine Tätigkeit ihren Zweck nach ihrem Unternehmen diene, sei nicht objektiv zu bestimmen. Ausreichend sei seine subjektive Vorstellung, dass die Tätigkeit seinem Unternehmen diene. Zwar habe es sich grundsätzlich um eine sportliche Veranstaltung gehandelt, im Wesentlichen sei es aber um die Anbahnung und Vertiefung von Geschäftsbeziehungen, dem Kennenlernen und dem Knüpfen neuer Ge-schäftsbeziehungen gegangen, also um die Vernetzung der Ärzte untereinander und den Kundenbetreuern der D. Bank. Als Facharzt für Oralchirurgie könne er die Patientenakquise nicht wie ein gewöhnlicher Arzt betreiben, sondern sei auf die zuweisenden Ärzte angewiesen. Im Kreis Gotha gebe es nur zwei Oralchirurgen bei insgesamt 101 Zahnärzten. Er habe Kenntnis gehabt, dass sich zwei Kollegen, mit denen er bereits zusammen arbeite, angemeldet hätten; auch mit diesen sollten die Praxiskontakte intensiviert werden. Die Praxis sei erst 2012 aufgebaut worden und er zum Unfallzeitpunkt in besonderem Maß auf Überweisungen von Zahnärzten, HNO-Ärzten und Hausärzten auch Dermatologen und Neurologen angewiesen gewesen. Die Einladung sei auch nur an die Ärzte in näherer Umgebung gegangen (nicht weiter als 100 km bis 150 km Entfernung). Der sportliche Charakter bzw. das sportliche Engagement habe im Hintergrund gestanden. Er habe noch nie Biathlon ausgeübt und sich deswegen auch keinen Erfolg ausgemacht. Ein Sieg oder die Teilnahme an der Siegerehrung habe für ihn nicht zur Debatte gestanden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 15. Oktober 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juli 2017 aufzuheben und das Ereignis vom 28. Oktober 2015 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffenen Bescheide und das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Auf Anfrage des Berichterstatters des Senats hat die D. AG mitgeteilt, dass weitestgehend alle niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker eingeladen wurden, nicht nur diejenigen, die in Geschäftsbeziehung der D. standen. Das Kriterium für die Teilnahme sei gewesen, dass es sich um niedergelassene Ärzte, Zahnärzte und Apotheker, also nicht um Angestellten dieser Branchen handelte. Es habe keine weitere örtliche Beschränkung als den Raum Thüringen gegeben. Die D.-Meisterschaften seien jährlich durchgeführt worden - erstmalig im Jahr 2010 und letztmalig im Jahr 2015.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten beigezogenen Verfahrensakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach §§ 143,144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 28. Oktober 2015 als Arbeitsunfall. Die angegriffenen Bescheide, mit denen die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls am 28. Oktober 2015 abgelehnt hat, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen versicherten Arbeitsunfall (Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) erlitten, als er auf der Parkplatzsuche zum Training für die 6. D.-Meisterschaften mit seinem PKW verunfallte.

Der Kläger begehrt mit der zulässigen Kombination (§ 56 SGG) aus Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R m.w.N., juris) die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und die Feststellung, dass das Ereignis vom 28. Oktober 2015 ein Arbeitsunfall war.

Er hat aber gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil kein Arbeitsunfall (Wegeunfall) im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII vorliegt. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2017 – B 2 U 1/16 R, nach juris).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger erlitt bei dem Verkehrsunfall am 28. Oktober 2015 unzweifelhaft eine zeitlich begrenzte, von außen kommende Einwirkung auf seinen Körper und damit einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII. Er führte zu einem seine körperliche Unversehrtheit verletzenden Gesundheitserstschaden. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch als Unternehmer nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand jedoch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit.

Für die Beurteilung, ob die Verrichtung, bei der sich der Unfall ereignet hat, im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ist entscheidend, ob sie innerhalb der Grenzen liegt, bis zu der der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Dies muss wertend entschieden werden. Maßgebend ist, ob die zum Unfall führende Handlung der versicherten Tätigkeit dienen sollte und ob diese Handlungstendenz des Versicherten durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Der Unfall des Klägers ist hiernach nicht als Arbeitsunfall zu werten. Das vorbereitende Training hatte keinen anderen Charakter als die Hauptveranstaltung. Insofern war hinsichtlich des Versicherungsschutzes auf diese - hier also die D.-Meisterschaft - abzustellen, weil sich der Unfall bei einer sie vorbereitenden Trai-ningsveranstaltung ereignete. Eine versicherte Hauptveranstaltung (6. D.-Meisterschaften im Biathlon) würde auch Versicherungsschutz für die vorgeschaltete Trainingsveranstaltung ein-schließlich Hin- und Rückweg bieten.

Die Verrichtung (Autofahrt/Parkplatzsuche zum Training) stand nicht im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als niedergelassener Fachzahnarzt für Oralchirurgie (hierzu 1.). Ein Zusammenhang ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkten einer gespaltenen Handlungstendenz (hierzu 2.), einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (hierzu 3.) oder eines Betriebssports (hierzu unter 4.).

1. Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit - hier als niedergelassener Fachzahnarzt für Oralchirurgie - und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls (Fahren mit dem PKW) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfall-versicherung reicht. Maßgeblich für die Zurechnung der Schaden stiftenden Verrichtung zur versicherten Tätigkeit ist "der durch objektive Umstände des Einzelfalles bestätigte und vom Handlungsmotiv getrennte Zweck des Handelns" des Versicherten. Ist hiernach das Handeln des Versicherten dazu bestimmt, dem Unternehmen zu dienen, liegt eine versicherte Tätigkeit vor (vgl. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 8 SGB VII, Rn. 30). Insoweit kommt zwar den subjektiven Momenten in Gestalt der Vorstellungen des Versi-cherten von seinem Handeln eine entscheidende Bedeutung zu, diese müssen aber anhand objektiver Anhaltspunkte nachvollziehbar sein (vgl. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 29). Die subjektive Meinung, betriebsdienlich tätig zu werden, ist allein nicht ausreichend, um einen Versicherungsschutz zu begründen. Eine solche subjektive Vorstellung ist unfallversicherungsrechtlich nur dann relevant, wenn diese Meinung in den objektiv gegebenen Verhältnissen eine ausreichende Stütze findet (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 – 2 RU 17/90, Rn. 15, nach juris). Sie ist vorliegend nicht auszumachen, denn ein Bezug zu der beruflichen Tätigkeit ist bei der Teilnahme an dem Biathlonrennen bzw. dem vorbereitendem Training weder direkt noch indirekt feststellbar. Die Veranstaltung selbst bietet - abgesehen von der großen Zielgruppe der niedergelassenen Arzt, Zahnärzte und Apotheker - keinerlei Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Klägers. Für den Wettkampftag war ein stringenter Ablauf vorgegeben, der allein sportliche bzw. wettkampfbedingte Termine vorsah (z.B. Vergabe Startnummern, Einweisung Streckenführung, Probeschießen, Start Wettkämpfe Einzelrennen, Start Staffelrennen und Siegerehrung). Ein Bezug zur versi-cherten Tätigkeit könnte dann bejaht werden, wenn im Ablaufplan Fortbildungsblöcke, Kennenlern- und Vorstellungsrunden etc. integriert gewesen wären oder der Veranstalter explizit für den ausgewählten Teilnehmerkreis entwickelte Finanzierungskonzepte für die Praxisübernahme oder Praxisausstattung etc. angeboten hätte. Hier bietet der vorgegebene Programmablauf dafür keinen Anhalt. Soweit der Kläger anführt, die Teilnahme an der Veranstaltung bzw. der vorausgehenden Trainingsveranstaltung stehe deswegen unter Versicherungsschutz, weil für ihn die Kontaktpflege oder das Knüpfen neuer Kontakte ("Netzwerken") im Vordergrund stand, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Im Veranstaltungsplan ist insoweit kein er-sichtlicher Raum und Rahmen eingeplant (z.B. Vorstellung, Kennenlernen etc.). Auch das Abendessen (Programmpunkt "Buffet und Getränke") war ersichtlich nicht darauf ausgerichtet, Raum zur Kontaktpflege zu geben. Für diesen Programmpunkt war bei dieser Tagesveranstaltung (10:30 Uhr bis ca. 20:30 Uhr) lediglich eine halbe Stunde (18:30 Uhr bis 19:00 Uhr) eingeplant, womit davon auszugehen ist, dass tatsächlich (nur) die Nahrungsaufnahme im Vordergrund stehen sollte und eben nicht der zeitliche Rahmen geboten wurde, Netzwerke zu schaffen bzw. zu pflegen.

Die Möglichkeit des Kennenlernens und der Kontaktpflege war damit nur abstrakt und spekulativ. Zur Abgrenzung von der Teilnahme einer gesellschaftlichen/freizeitlichen Veranstaltung mit rein privater Natur zu Veranstaltungen, die darüber hinausgehen und einen zusätzlichen Bezug zur betrieblichen/versicherten Tätigkeit haben, muss sich der Bezug bereits im Vorfeld dieser Veranstaltung manifestiert oder aus objektiven Umständen herleiten lassen. Es ist nicht Sinn der gesetzlichen Unfallversicherung, wegen einer vagen und lediglich latenten Möglichkeit eines unternehmerischen Nutzens der Teilnahme einer gesellschaftlichen/freizeitlichen Veranstaltung, diese von Anfang an unter Versicherungsschutz zu stellen. Konkrete wahrscheinliche Vorteile für seine versicherte Tätigkeit als niedergelassener Fachzahnarzt für Oralchirurgie hat der Kläger nicht aufgezeigt.

Dass er als einer von nur ... Oralchirurgen bei ... Zahnärzten mit dem Landkreis G. den bevölkerungsreichsten Landkreis Thüringens (135.430 Einwohnern in 12/2016; Quelle: http://www.tlug-jena.de/uw raum/umweltregional/gth/gth04.html) als Einzugsgebiet hat, be-gründet somit allein nicht die unternehmensbedingte Teilnahme an der Veranstaltung. Gleiches gilt für die Anmeldung von zwei Arztkollegen, mit denen der Kläger bereits zusammen-arbeitet. Auch hier sind die denkbaren unternehmerischen Zwecke und Vorteile vage und offen. Die Mitteilung der D. AG auf Nachfrage des Sozialgerichts, dass Ziel der "rein sportlichen Veranstaltung ( ) die Förderung der Vernetzung der niedergelassenen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker in Thüringen sowohl untereinander als auch mit den Kundenbetreuern der D. AG (sei)", führt zu keiner anderen Beurteilung. Diese Auskunft und Einschätzung der D. AG muss nämlich mit objektiven Anknüpfungstatsachen in Einklang gebracht werden. Zwar ist der Mehrwert im Sinne einer Vernetzung für die Kundenbetreuer der D. AG naheliegend; ein entsprechendes Vernetzungsinteresse hat der Kläger für sich aber nicht behauptet. Für die teilnehmenden Ärzte, Zahnärzte und Apotheker ergibt er sich tatsächlich nicht. Für sie war schon nicht der Teilnehmerkreis ersichtlich. Nach einer Recherche beim Thüringer Landesamt für Statistik (TLS) waren in Thüringen zum 31. Dezember 2015 allein 2.707 Ärzte in freier Niederlassung tätig (https://statistik.thueringen.de/datenbank/TabAnzeige.asp?tabelle=kr001408%7C%7C%C4rzte+in+freier+Niederlassung+nach+Gebieten+und+Kreisen+am+31.12.&startpage=1&csv=&richtung=&sortiere=&vorspalte=0&tit2=&TIS=&SZDT=&anzahlH=-2&fontgr=12&mkro=&AnzeigeAuswahl=&XLS=&auswahlNr=&felder=0&felder=1&felder=2&felder=3&felder=4&felder=5&felder=6&felder=7&felder=8&felder=9&felder=10&felder=11&felder=12&felder=13&felder=14&zeit=2015%7C%7Cs1; für die Berufsgruppe der nie-dergelassenen Zahnärzte und Apotheker findet sich dort keine entsprechende Listung). Bei einer Teilnehmerzahl von 80 Personen konnten damit allein von den niedergelassenen Ärzten (Zahnärzte und Apotheker sind mangels Datenlage nicht berücksichtigt) nur 4,69 v.H. teilnehmen, ohne selbst Einfluss auf deren räumliche oder fachliche Herkunft nehmen zu können. Ein plan- und sinnvolles Vernetzen von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern im Sinne eines Nutzens für ihre betriebliche Tätigkeit war mit der Teilnahme an der Veranstaltung nicht gewährleistet und allenfalls denkbar. Versicherungsschutz begründet sich - wie bereits dargestellt - hieraus nicht.

Im Übrigen haben es das jeweilige Unternehmen und seine Beschäftigten und ein eingeschalteter Dritter (z.B. der Anbieter von Veranstaltungen) nicht in der Hand - abgesehen von entsprechenden Vereinbarungen über den Inhalt des Beschäftigungsverhältnisses - darüber zu bestimmen, welche Verrichtungen in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Dies ist vielmehr objektiv anhand ihrer Vereinbarungen und des tatsächlichen Geschehens zu prüfen. Eine rechtlich unzutreffende Auffassung von Unternehmen und Beschäftigten, eine bestimmte Verrichtung stehe im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tä-tigkeit und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, begründet selbst keinen Versicherungsschutz (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2005 – B 2 U 29/04 R, Rn. 22 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 24/01 R, jeweils juris).

2. Versicherungsschutz folgt auch nicht aus den Grundsätzen zu Tätigkeiten mit gespaltener Handlungstendenz ("gemischte Motivationslage"). Bei ihr wird nur eine einzige Verrichtung ausgeübt, die gleichzeitig sowohl einen privatwirtschaftlichen als auch betrieblichen auf die Erfüllung eines Versicherungstatbestandes gerichteten Zweck verfolgt. Gefragt wird, ob der Versicherte die Verrichtung auch dann vorgenommen hätte, wenn die private Zielrichtung das Handelns entfallen wäre (vgl. Keller in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB VII, K § 8 Rdnr. 25, Stand 3/18 m.w.N.), die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung also ihren Grund in der versicherten Handlungstendenz findet. Dabei ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenz abzustellen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (vgl. Bieresborn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 2 SGB VII, Rn. 65 2 unter Be-zugnahme auf BSG, Urteile vom 26. Juni 2014 - B 2 U 4/13 R und vom 9. November 2010 - B 2 U 14/10 R, jeweils juris). Allein auf die Vorstellung des Versicherten kommt es nicht an, vielmehr muss die subjektive Einschätzung von objektiven Umständen getragen sein. Wie bereits zum Versicherungsschutz im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausgeführt, ist ein tatsächlicher betrieblicher Zweck bei der Teilnahme an der Biathlonveranstaltung nicht objektivierbar. Für den Senat lagen beim Kläger eigenwirtschaftliche Gründe für die Teilnahme an der Veranstaltung im Vordergrund, nämlich die Teilnahme an der D.-Meisterschaft.

3. Versicherungsschutz ergibt sich vorliegend nicht aus den Grundsätzen zur Teilnahme an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen (vgl. hierzu Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 8 SGB VII, Rn. 89 m.w.N.) sind nicht gegeben. Die Veranstaltung stand nicht allen Beschäftigten des Unternehmens offen und es handelte sich nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung.

4. Schließlich ergibt sich Versicherungsschutz auch nicht aus den zur Teilnahme an Betriebssportveranstaltungen entwickelten Grundsätzen. Es handelte sich vorliegend nicht um den Ausgleich betrieblich bedingter Belastungen (vgl. hierzu Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 8 SGB VII, Rn. 101), sondern einen Wettkampf. Der Teilnehmerkreis war nicht im Wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkt (hierzu BSG, Urteile vom 13. Dezember 2005 – B 2 U 29/04 R und vom 28. November 1961 - 2 RU 130/59, jeweils juris), Übungszeit sowie Übungsdauer standen nicht im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit und der Sport war nicht unternehmensbezogen organisiert (hierzu BSG, Urteil vom 13.12.2005 – B 2 U 29/04 R, nach juris). Es handelte sich um eine Wettkampfsportveranstaltung, die von einem Dritten betriebsübergreifen für nur eine ganz bestimmte Berufsgruppe ausgerichtet wurden. Derartige Veranstaltungen erfüllen die Voraussetzungen für einen Versicherungsschutz grundsätzlich nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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